Das veränderte Selbstverständnis von Eltern Auswirkungen auf Bildung und Erziehung der Kinder
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- Gert Holst
- vor 8 Jahren
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1 Das veränderte Selbstverständnis von Eltern Auswirkungen auf Bildung und Erziehung der Kinder Rollentausch für Eltern? Von Erziehern zu Bildungspartnern Chancen eröffnen - Begabungen fördern: Bildung gerecht gestalten Kongress der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit Bildung & Begabung 19. Mai 2011 in Berlin 1
2 1) Die Bedeutung von Bildung und Schule heute In der Wissensgesellschaft bestimmt Bildung den Lebensverlauf stärker als je zuvor. Die Schule gerät immer stärker in die Rolle der Zuweisungsstelle von Lebenschancen für Kinder. Die Bedeutung von Schule haben sowohl Eltern als auch Lehrer erkannt und sorgen sich um die bestmögliche Förderung von Kindern (Suche nach der besten Kita, der besten Schule etc.). 75% der Eltern bewerten den Schulabschluss des Kindes als persönlich sehr wichtig. Der Schulabschluss wird zum Schlüsselbegriff für Erfolg oder Misserfolg. 2
3 "Wie wichtig ist für Sie persönlich der Schulabschluss Ihres Kindes?" Sehr wichtig 75% Eher wichtig 22% Weniger wichtig 2% Nicht wichtig 1% Sinus Sociovision % 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Sinus Sociovision 2008 Basis = 502 Fälle; Eltern mit Kindern von 0 bis 17 Jahren im Haushalt 3
4 2) Lebenswelten der Eltern Kinder beginnen die Schule mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, die ihre Eltern ihnen ermöglichen. Die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder unterscheiden sich erheblich, ob Kinder im Schatten von Arbeitslosigkeit aufwachsen, durch engagierte Eltern gefördert werden mit ungelösten Migrantenproblemen heranwachsen keinen häuslichen Umgang mit Büchern haben oder ausschließlich mit PC-Spielen Erfahrung haben. Die Lebenswelten der Eltern unterscheiden sich nicht nur in ökonomischer Hinsicht sondern auch im Hinblick auf Erziehungsstile, -ziele und Bildungsverständnis. 4
5 "Wie oft helfen Sie bei den täglichen Hausaufgaben Ihrer Kinder?" Regelmäßig 17% 39% Häufig 22% Selten 31% Nie 27% Sinus Sociovision % 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Sinus Sociovision 2008 Basis = 502 Fälle; Eltern mit Kindern von 0 bis 17 Jahren im Haushalt 5
6 3) Die Rolle der Eltern im Bildungsverlauf der Kinder Die Mehrzahl der Eltern hat wenig Vertrauen in das öffentliche Bildungssystem (schlechte Ausstattung der Schulen, zu große Schulklassen, überforderte Lehrerschaft, Prüfungsstress, G8). Eltern gehobener Milieus bis in die bürgerliche Mitte nehmen die Förderung ihrer Kinder selbst in die Hand (Frühförderung als Rettungsanker, Nachmittagsmarkt). In Westdeutschland stieg die Anzahl der Schüler/innen, die bezahlte Nachhilfe erhielten zw und 2006 von 30% auf 38%, in Ostdeutschland von 14% auf 16% (Datenmonitor 2008). 6
7 Sowohl schwache Schüler/innen als auch gute Schüler/innen erhalten Unterstützung durch ihre Eltern (Mütter) bei den Hausaufgaben. Die Eltern-Kind-Beziehung verändert sich zu einer Schulbeziehung mit Förderung, Nachhilfe, Hausaufgaben etc. (Mütter als Hilfslehrerinnen). Ein Fünftel der Kinder und Eltern wird von der bildungspolitischen Diskussion um die bestmögliche Förderung der Kinder nicht erreicht. 7
8 In den Milieus am unteren Rand der Gesellschaft stellt sich der Schulalltag als permanenter Kampf dar. Hier häufen sich Lernschwächen, gesundheitliche Störungen und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder. Eltern aus einem Milieu am unteren Rand (ca. 10%) verfolgen kein bestimmtes Bildungsziel ihrer Kinder. Den Anforderungen der Schule sehen sich ihre Kinder hilflos ausgeliefert. 8
9 4) Veränderte Elternschaft Die meisten Eltern -vor allem in der Mitte der Gesellschaft- stehen in dem Konflikt ihre Kinder optimal fördern zu wollen und andererseits der zentralen pädagogischen Vorstellung nachzukommen, die Neigung und Persönlichkeit der Kinder zu respektieren (zwischen Bullerbü und Global Player). Elternschaft hat sich massiv verändert. Sie ist heute eine Option neben anderen Lebensformen. Elternschaft ist eine soziale Konstruktion. Sie ist so konstruiert, dass Elternschaft zur Elternpflicht geworden ist mit hohen pädagogischen und psychologischen Standards. Elternschaft entwickelt sich zu einer zunehmend schwieriger zu bewältigenden Gestaltungsaufgabe mit hohen Erwartungen. 9
10 5) Erziehungsdruck Noch nie gab es so viele reflektierende, bewusst erziehende und in ihrer Erziehung selbstkritische Eltern, die alles darauf ausrichten, dass ihr Kind keinen Schaden nimmt und es gezielt fördern (Hubschrauber- Mütter und Curling Eltern). Dabei steht die Förderung und nicht das Fordern von Leistung im Vordergrund. Während die meisten Eltern den Wünschen ihrer Kinder entgegenkommen, lenkt nur ein Drittel der Eltern die Interessen ihrer Kinder. Viele Eltern sind verunsichert, ein Drittel fühlt sich im Erziehungsalltag oft bis fast täglich gestresst, die Hälfte immerhin gelegentlich. 10
11 Statt einer Erziehungsphilosophie suchen Eltern nach praktischen und kurzfristig wirksamen Rezepten für ihre Probleme. Das Kind steht im Mittelpunkt der (Klein-) Familie. Damit verschiebt sich das Schwergewicht des Familienlebens auf das,,projekt Erziehung. Eltern richten ihr Leben heute stark nach den Kindern aus. 11
12 "Wer trägt in Ihrem Haushalt die Verantwortung für die Erziehung?" Die Mutter 45% Der Vater 2% Beide 53% Andere Person 0% Sinus Sociovision % 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Sinus Sociovision 2008 Basis = 502 Fälle; Eltern mit Kindern von 0 bis 17 Jahren im Haushalt 12
13 Erziehung gestaltet sich in Familien als ein höchst anspruchsvolles Konzept, in dem Interessen und Intentionen von Eltern und Kindern aufeinanderprallen (vom Befehlshaushalt zum Verhandlungshaushalt). Das Kind wird als Lebens- und Gesprächspartner in der bürgerlichen Mitte ernst genommen. Es herrscht ein Erziehungsmix zur Freiheit in Grenzen. Konflikte werden ausgehandelt (Interessenvergleich auf gleicher Augenhöhe). Die Erziehung des Verhandelns eröffnet eine frühe Selbstständigkeit des Kindes, eine eigenständige Gestaltung der Freizeit, einen selbstbestimmten Umgang mit Medien und Konsum und eine systemische Machtbalance zwischen Eltern und Kindern. 13
14 Vom Befehlshaushalt zum Verhandlungshaushalt ist eine große Herausforderung für Eltern, mit der nicht alle Eltern gleichermaßen umgehen können. Häufiger Medienkonsum, Bildungsdefizite, Arbeitsplatzverlust der Eltern und finanzielle Probleme erhöhen den Erziehungsdruck vor allem in den Milieus am unteren Rand der Gesellschaft. 14
15 "Wer übernimmt in Ihrem Alltag die Hauptarbeit für die Erziehung?" Die Mutter 68% Der Vater 2% Beide 30% Andere Person 0% Sinus Sociovision % 20% 40% 60% 80% 100% Quelle: Sinus Sociovision 2008 Basis = 502 Fälle; Eltern mit Kindern von 0 bis 17 Jahren im Haushalt 15
16 Fazit Eltern sind die wichtigsten Erziehungspartner ihrer Kinder. Mit zunehmendem Alter der Kinder wächst die Bedeutung von Peers und Medien. Zu Bildungspartnern werden vor allem Mütter in der Mitte der Gesellschaft - eher unfreiwillig - (Hilfslehrerinnen), weil sie mit dem Schulsystem unzufrieden sind und das Gefühl haben, dass ihre Kinder nicht adäquat gefördert werden. 16
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