Dieses Kirchengebäude ist also als ein Ort der Begegnung mit Gott gedacht. Gleichzeitig sagt die Bibel im Buch Jesaja, Kapitel 66:
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- Claudia Förstner
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1 Gottesdienst vom 9. November 2014, St. Peter, Zürich Konrad Schmid (Zürich) Predigt zu Jes 66,1-2 So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron, und die Erde ist der Schemel meiner Füsse. Was für ein Haus wollt ihr mir bauen und was für eine Stätte, an der ich meine Ruhe finden soll? Hat doch meine Hand dies alles gemacht, und so ist all dies entstanden! Spruch des HERRN. Und auf den werde ich blicken: auf den, der arm ist und der zerschlagenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort. Liebe Gemeinde, wir sind hier in einer Kirche, einem Gotteshaus versammelt, und wir gehen davon aus, dass in der einen oder anderen Form Gott in diesem Haus präsent ist, zumindest während des Gottesdienstes. Das haben auch die Erbauer dieser Kirche sich so gedacht, deswegen steht in grossen hebräischen Lettern der Name des biblischen Gottes über mir. Dieses Kirchengebäude ist also als ein Ort der Begegnung mit Gott gedacht. Gleichzeitig sagt die Bibel im Buch Jesaja, Kapitel 66: So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron, und die Erde ist der Schemel meiner Füsse. 1
2 Was für ein Haus wollt ihr mir bauen und was für eine Stätte, an der ich meine Ruhe finden soll? Die Bibel lässt Gott also sagen: Ich brauche kein Haus, Ihr müsst mir kein Haus bauen, denn der Himmel ist mein Thron und die Erde ist der Schemel meiner Füsse. Nun bezieht sich das Buch Jesaja hier natürlich nicht auf den St. Peter, sondern auf den Tempel in Jerusalem. Gemäss Jesaja 66 benötigt Gott kein Haus, denn sein Thron ist der Kosmos. Gleichwohl bleibt die grundsätzliche Problematik, die die Bibel hier benennt, bestehen: Braucht Gott ein Haus? Mit Blick auf die gegenwärtige Situation der christlichen Kirche kann man dies noch weiter zuspitzen: Sehr viele Christinnen und Christen können sehr wohl etwas mit Religion und Gott anfangen, aber manchmal wenig mit der Kirche. Ihr Gott braucht in der Tat kein Haus, keine Kirche. Er ist eine geistige Grösse, er ist ein Horizont ihres Lebensverständnisses, jedenfalls wird er nicht dergestalt vorgestellt, dass seine Gegenwart an eine Institution oder gar ein Gebäude geküpft ist. Sind diese Menschen die besseren, die biblischeren Christen? Sollten wir uns in der Tat unserer Gotteshäuser entledigen, um Gott so als wahrhaft transzendente Grösse wahrnehmen zu können? Als einer, der keine Kirche braucht, um bei den Menschen zu sein? Nun, die Angelegenheit ist, wie so oft bei der Religion, kompliziert. Fangen wir bei der Bibel an: Was das Buch Jesaja in Kap. 66 über Gottes Wohnsitz sagt er thront über dem Himmel, und die Erde ist sein Fussschemel ist nicht alles und nicht das einzige, was die Bibel über Gottes Ort im Kosmos sagt. Natürlich kennt die Bibel, 2
3 namentlich das Alte Testament, auch die Vorstellung, dass Gott selber im Tempel wohnt, so etwa im 6. Kapitel des Buches Jesaja. Im Todesjahr des Königs Ussijahu sah ich den Herrn auf einem Thron sitzen, hoch und erhaben, und der Saum seines Gewandes füllte den Tempel. Offenbar sieht der Prophet Jesaja bei seiner Berufung Gott selbst im Tempel thronen, wobei allerdings nur der unterste Saum seines Gewandes den Tempel füllt, Gott selber ragt nach diesem Verständnis weit über den Tempel hinaus, bis in den Himmel hoch. Aber er thront im Tempel. Oder es gibt den Gedanken, dass Gott im Himmel wohnt, so etwa in Salomos Tempelweihgebet in 1Kön 8,30: Höre an der Stätte deines Thronens, im Himmel, dass Du hörst und vergibst. Noch prominenter findet sich diese Vorstellung im Unser Vater, das so beginnt: Unser Vater, der du bist im Himmel. Gott kann also im Tempel oder im Himmel vorgestellt werden, Allerdings lässt die Bibel ihre Leser und Leserinnen bisweilen auch ganz im Dunkeln darüber lassen, wo Gott eigentlich ist, so etwa in der Schöpfungserzählung, wenn es heisst: Und Gott sprach: Es werde Licht! Wo ist er? Auf der Erde? Die gibt es noch nicht. Im Himmel? Auch der wurde noch nicht erschaffen. Über Himmel und Erde? Auch das lässt sich so nicht sagen, weder vor, noch nach ihrer Erschaffung. Vielmehr wird im Bericht über die Schöpfung ganz darauf verzichtet, etwas über den Wohnort Gottes zu sagen. Weshalb? 3
4 Offenbar deshalb, weil die Zuweisung einer bestimmten Wohnstatt an Gott die Vorstellung von ihm in unzulässiger Weise vergegenständlichen würde. Die Bibel verhält sich also zur Frage des Wohnortes Gottes wie zu vielen anderen Fragen auch: Sie bringt verschiedene Auffassungen zur Sprache: Gott kann im Tempel sein, im Himmel, über dem Himmel, oder auch ganz ausserhalb des vorstellbaren Kosmos. Das ist nun allerdings kein Nachteil, sondern nur angemessen. Niemand weiss, wo Gott wohnt. Auch diejenigen Menschen nicht, die die Bibel geschrieben haben. Sie haben unterschiedliche Vorstellungen entwickelt, aber niemand hat sich berufen oder genötigt gefühlt, die Bibel diesbezüglich zu vereinheitlichen. Weshalb auch? Die Bibel ist so vielfältig wie die Erfahrungen der Menschen selbst. Wir dürfen also getrost darauf vertrauen: Gott kann in einem Gotteshaus erfahren werden, er kann als im Himmel thronend vorgestellt werden, er kann aber auch als ausserweltliche Grösse verstanden werden. Die Bibel legt sich nicht fest, denn Gott lässt sich nicht festlegen. Er wirkt, wo er will, er wird wahrgenommen, wo ihn die Menschen erfahren. Die Bibel kann Sprachformen der Nähe benutzen: Gott ist im Tempel, oder er ist im Himmel, sie kann aber auch Sprachformen der Distanz verwenden: Gott lässt sich nicht lokalisieren, Gott ist nicht einfach hier oder dort, Gott ist nicht Teil der irdischen oder der himmlischen Welt. Dietrich Bonhoeffer hat sogar einmal gesagt: Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht. Was er damit sagen wollte, ist: Gott ist kein Teil dieser Welt, er existiert nicht, wie ein Tisch oder ein Berg oder ein Land existiert. Wenn das der Fall wäre, wäre er nur ein Objekt neben anderen in dieser Welt, 4
5 aber nicht Gott. Deshalb fällt es der Bibel schwer, Gott einen bestimmten Ort zuzuweisen. Wie aber steht es nun mit dieser Kirche und Gott? Wohnt Gott hier? Ist er hier anwesend? Das kann man aus reformierter Perspektive nicht so einfach beantworten. Zunächst muss ich hier an eine der theologischen Grunderkenntnisse der Reformation erinnern. Die Reformatoren begannen, Gott nicht mehr ohne den Glauben der Menschen an ihn zu denken. Gott als jenseitige Grösse war nur ein philosophisches Konstrukt für sie. Der lebendige Gott ist nicht eine kosmologische Hypothese, die hier oder dort wohnt, sondern der lebendige Gott ist derjenige, der sich dem Glauben der Menschen an seine Kreativität und seine lebensspendenden Wohltaten erschliesst. Aber eben: Gott an sich haben die Reformatoren als Denkprojekt verabschiedet. Es ist müssig, über Gott als das vollkommene Sein oder das perfekte moralische Wesen oder dergleichen zu spekulieren. Von Gott kann nur die Rede sein, wenn man vom Glauben spricht. Und die zentrale Frage des Glaubens ist nicht, ob Gott existiert, denn wenn Gott existiert, dann sicher nicht so wie dieses Haus, der Zürichsee oder sonst ein weltlicher Gegenstand, wie wir bei Bonhoeffer gesehen haben. Die zentrale Frage des Glaubens ist vielmehr, ob ein Mensch sich ganz auf sich selbst verlässt, oder ob er sich als jemand versteht, der sein Leben von ausserhalb seiner selbst empfängt, ob er zwanghaft seine Lebensgrundlagen selber herstellen will, oder ob er aus dem ihm Gewährten zehrt und sich auf die Kreativität seines Lebensumfeldes verlässt handle es sich um seine Freunde, seine Familie, seine Feinde, oder auch die Natur. Nur schon das Zusammendenken von Gott und Glaube war für sich genommen eine unglaubliche intellektuelle Revolution der Reformatoren. Damit verband sich aber sogleich die nächste, den Glauben nun gerade nicht als eine menschliche Entscheidung zu interpretieren. Ob ich an Gott glauben kann oder nicht, ist nicht 5
6 meine Sache. Vielmehr ist der Glaube, so formulierten es die Reformatoren, ein Geschenk Gottes. Das heisst: Gottes Kreativität, seine Gerechtigkeit, seine Zuwendung zu erfahren, ist keine Aufgabe, die mir oder Ihnen selbst zufällt, sondern es handelt sich dabei um Widerfahrnisse, die sich von selbst einstellen müssen. Wer Gottes Kreativität nicht erlebt, kann auch nicht an ihn glauben. Und es nützt auch nichts, besonders fest an Gott glauben zu wollen oder nicht an ihn glauben zu wollen. Glaube ist kein Phänomen der menschlichen Produktion, sondern der menschlichen Rezeption. Wie aber kann man Gottes Kreativität erfahren? Hier sagten die Reformatoren: In dem ich die Augen, die ich habe, zum Sehen brauche, und die Ohren, die ich habe, zum Hören brauche. Gottes Kreativität ist erfahrbar, ich muss sie nur wahrnehmen. Die Natur schlägt nicht gnadenlos zurück, wenn ich einen Fehler mache. In jedem menschlichen Leben gibt es neue Kapitel, die einen Neuanfang ermöglichen. Feindschaften müssen nicht auf ewig bestehen bleiben. All diese Erfahrungen gibt es, nicht auf Abruf, nicht als Programm, aber es gibt sie. Um die Sensibilität für diese real existierende Kreativität zu schärfen, dazu gibt es den reformierten Gottesdienst. Und insofern es dem Gottesdienst gelingt, diese Sensibilität zu wecken, insofern ist dann auch Gott in dieser Kirche anwesend, aber nur, wenn in Ihrem Nachdenken über Ihr Leben so etwas wie die Wahrnehmung von Kreativität, von schöpferischem Neuen möglich wird. Das aber ist letztlich nicht in meiner Hand, auch nicht von Ihrer eigenen Entscheidung abhängig, sondern ein Geschenk, ein Geschenk, das die Kirche etwas altmodisch Glauben nennt. Gott wird also nicht ohne das, was man Glauben nennt, in dieser Kirche wohnen. Wenn diese Kirche leer ist, ist nach reformiertem Verständnis auch Gott nicht in ihr, denn es befindet sich niemand darin, dem er seinen Glauben schenken kann. 6
7 Entsprechend ist es übrigens aus reformierter Perspektive auch in Ordnung, wenn leerstehende Kirchen umgenutzt werden. Eine Kirche ist nicht ein heiliger Ort an sich, sondern sie wird heilig durch das, was in ihr geschieht, wie auch umgekehrt jeder Ort ausserhalb eines Kirchengebäudes zu einer Kirche im theologischen Sinn werden kann, wenn Menschen die Kreativität und die Segnungen ihres Lebens erkennen. Wo wohnt Gott? Vielleicht in diesem Moment in dieser Kirche, oft aber auch ausserhalb, vor allem aber wohnt er nicht um seiner selbst willen unter oder über den Menschen, sondern um der Menschen willen, bei denen er präsent sein will. Und präsent sein heisst nach christlichem Verständnis nicht, dass Gott als überirdische Bedürfnisbefriedigungsinstanz für die eigenen, drängenden Wünsche gedeutet wird. Wahre Wohltaten befinden sich in der Regel nicht im Radius der eigenen Bedürfnisse. Erfüllte Wünsche ziehen nur neue Wünsche nach sich, und eigene Wünsche sind oft Ausdruck einer bestimmten Unfreiheit, in der ich gefangen bin. Wahre Wohltaten kommen von aussen, sie respondieren nicht auf Erwartungen, sondern befriedigen Bedürfnisse, die als solche gar nicht bekannt waren. Und hier erst stellt sich ein echtes Gefühl von Freiheit ein. Wer macht, was er will, ist nicht frei, sondern Sklave seiner Bedürfnisse und Wünsche. Wer aber erfährt, was es sonst noch alles auf der Welt gibt jenseits dessen, was ich mir wünsche und vorstelle, der ist wahrhaft frei und bei dem wohnt Gott. Amen 7
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