Erik Mauch Verlag, Dinkelscherben, Deutschland, Download unter
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- Margarethe Baumhauer
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1 1 Lauterbornia H. 20:1-22, Dinkelscherben, Mai 1995 Der Fischbestand im Gebiet der oberen Lahn (Hessen) und seine Bewirtschaftung als Indikator für den ökologischen Zustand eines Fließgewässers im Mittelgebirgsraum [The fish populations of the upper River Lahn (Hesse, Germany) and its tributaries and its manipulation through flsheries management as an indicator of the ecological situation in highland streams] Jochen Schaumburg Mit 3 Abbildungen und 4 Tabellen Schlagwörter: Pisces, Lahn, Rhein, Hessen, Deutschland, Fließgewässer, Ökologie, Wanderung, Morphologie, Gewässergüte, Gefährdung, Fischerei, Fischbesatz, Faunistik Der Fischbestand im Gebiet der Lahn bei Maibuig wurde au 59 Untersuchungsabschnitten mit Hilfe der Elektrofischerei untersucht Es werden Angaben über den Fischbestand und zum Gewässeizustand gemacht Die Ergebnisse werden mit zwei weiteren Erhebungen im Gebiet verglichen. Obwohl die Gewässergüte überwiegend als gut zu beurteilen ist, stellt der Fischbestand nur ein verzerrtes Abbild dieses Zustandes dar. Als wesentliche Gründe hierfür werden die schlechtere Durchgängigkeit bzw. Besiedelbarkeit der Nebengewässer und vor allem der Fischbesatz angesehen. Bei den wenigsten der regelmäßig besetzten Arten steht der Aufwand der Maßnahme in einem vertretbaren Verhältnis zum Erfolg. Eine Verschiebung des Artengefüges mit allen bekannten negativen Folgen wird hingegen gefördert. Auf Grund der Ergebnisse werden Verbesserungsmöglichkeiten vor allem hinsichtlich der gewässermorphologischen Situation und fischeieilichen Bewirtschaftung vorgeschlagen. The distribution of fish populations of the upper River Lahn including its tributaries was investigated during at 59 sites. In addition to the description of the recent fishfauna, observations of the water quality and the morphological situation of the stream bed are given. In spite of the good water quality with ß-mesosaprobic conditions in almost every investigation site, the fishfauna did not show the typical composition of species as it would be expected in the hyporhitral of this region. Reasons for this situation are 1. The bad morphological condition of the stream bed, especially fish migrations between the main stream and its tributaries were impossiblein most cases. 2. The fisheries' management, especially the introduction of special species and high numbers of asportfishes" did not result in a support of the fish populations but in a shift of the species composition up to an artificial fauna. Suggestions for the further management of the fishfauna and its environment are given. 1 Einleitung Der heutige ökologische Zustand von Fließgewässern resultiert überwiegend aus den gravierenden Veränderungen der Talauen, die die menschliche Besiedelung und Landbewirtschaftung vor allem in den letzten 150 Jahren mit sich brachte. Dazu kommen die Schiffbarmachung und sonstige vielfältige Nutzungen der Gewässer, wobei die Belastung mit Abwasser verschiedenster Her
2 2 kunft bisher sicher eine der einschneidensten Beeinträchtigungen für die Gewässerbiozönosen darstellte. Die Reinigung der Abwässer findet heute zumindest in den alten Bundesländern Deutschlands nahezu flächendeckend in zufriedenstellender Weise statt, obwohl punktuell immer noch starke Belastungen auch in industriefernen, ländlichen Bereichen auftreten (z.b. HLFU 1988). Auch im Bereich der Gewässerstruktur und -morphologie ist man dabei, Fehler der Vergangenheit teilweise rückgängig zu machen. Die vielerorts begonnenen Renaturierungsprojekte sowie der teilweise schonendere Umgang mit den Fließgewässern bei Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen zeigen, daß ein Umdenken in den zuständigen Behörden und Verbänden stattfindet. Im Mittelgebirgsraum ist der Zustand der Fließgewässer heterogen. Die kleinen Bäche und die Oberläufe der größeren Flüsse sind oft relativ unbelastet und von natürlicher bzw. naturnaher Struktur, da ihr Einzugsgebiet im Wald liegt oder sie relativ dünn besiedelte, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Gebiete entwässern. Einzelne Industrieansiedlungen mit unzureichender Abwasserbehandlung oder die Lage in intensiv landwirtschaftlich genutzen Gegenden können jedoch auch hier zu einer erheblichen Belastung führen. Das hier untersuchte obere Lahngebiet stellt einen Ausschnitt aus einem solchen relativ naturnahen Fließgewässersystem des Mittelgebirges dar. Berichtet wird, inwiefern der untersuchte Fischbestand den Gewässerzustand wiederspiegelt. Neben dem Gewässergütezustand des Untersuchungsgebietes wird besonders auf gewässermorphologische Faktoren und die fischereiliche Bewirtschaftung eingegangen. Außerdem wird die Zuverlässigkeit überregionaler Fischbestandserhebungen besonders im Zusammenhang mit daraus abzuleitenden Schutzmaßnahmen kritisch gewürdigt. 2 Untersuchungsgebiet Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich auf einen 24 km langen Abschnitt der Lahn in der Umgebung der Stadt Marburg sowie sämtliche in diesem Abschnitt in die Lahn mündenden Nebengewässer, z. T. auch noch Nebengewässer zweiter Ordnung im hydrologischen Sinn (Abb. 1). Folgende naturräumliche Gliederung des Gebietes ist gegeben: - Oberer Bereich bis zum Zusammenfluß mit der Ohm (dem größten Zufluß) der besonders durch die geologische Lage am Ostrand des Schiefergebirges geprägt ist. Das Tal ist hier relativ eng, die Abflußverhältnisse stark schwankend. Limnologisch ist dieser Abschnitt dem Hyporhitral zuzuordnen. Die Nebengewässer in diesem Bereich sind durch unterschiedliche geologische Verhältnisse (Zechstein, Buntsandstein, Klippenquarzite, Diabas, Schiefer, Grauwacke) und damit auch sehr verschiedene Wasserführung gekennzeichnet. - Der Bereich unterhalb der Ohmmündung ist durch eine wesentlich erhöhte Wasserführung charakterisiert. Der mittlere Jahresabfluß der Ohm ist beim Zusammenfluß beider Gewässer etwas höher als deijenige der Lahn. Durch das immer noch enge Flußtal, welches sich erst südlich von Marburg merklich aufweitet, ist das Flußbett hier deutlich tiefer und eigentlich dem Epipotamal zuzuordnen. Wegen der durch den höheren Abfluß bedingten besseren Nutzungsmöglichkeiten aber auch Gefahren (Hochwasser) ist der Fluß hier bereits mehrfach gestaut und somit die Charakteristik des Epipotamals gestört. Die weitere Einengung und Regulierung des Gewässerbettes im Stadtbereich von Marburg tragen ihr übriges dazu bei.
3 3 Abb. 1: Untersuchungsgebiet. Pfeile = Probestellen, L = Lahn, Mg = Mühlgraben, EW = Elmshäuser Wasser, Wa = Warzenbach, Ke = Kembach, Eb = Erlenbach, Wb = Wollenbergbach, Gr = Grubenbach, Mi = Michelbach, Sg = Steingraben, St = Stinkeisgraben, Ro = Rodenbach, We = Wetschaft, Si = Silberbombach, O = Ohm, RW = Rotes Wasser, Wo = Wbhra I 93423/*»
4 4 - Die Ohm entwässert den nordwestlichen Vogelsberg. Vor der Mündung in die Lahn durchfließt sie das durch intensive landwirtschaftliche Nutzung geprägte Amöneburger Becken. Durch die Nutzung ist das Flußbett stark eingeengt. Häufige weiträumige Überschwemmungen des Ohmtals haben zum Bau eines Rückhaltebeckens geführt, welches ein weiteren Eingriff in die Talaue und den Fluß darstellt. Die untere Ohm wäre dem Hyporhitral zuzuordnen, weist diese Charakteristik jedoch nur vereinzelt auf. - Die Wetschaft und das Rote Wasser, zwei größere Nebenbäche von Lahn bzw. Ohm, kommen aus dem Burgwald, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands. Sie sind durch eine relativ natürliche Gewässerstruktur und Umgebung gekennzeichnet, die streckenweise jedoch auch starke Veränderungen bzw. Störungen erfuhr (HLFU 1988). 3 Methoden wurde der Fischbestand im Bereich von etwa 100 Km Gewässerstrecke an 59 Untersuchungsabschnitten von mindestens 100 m Länge mit Hilfe der Elektrofischerei untersucht (Abb.l). Hierbei kam eine tragbares Elektrofischfanggerät (Marke DEKA 3000) zum Einsatz. Jeder Untersuchungsabschnitt wurde während des Untersuchungszeitraumes mindestens zweimal zu unterschiedlichen Jahreszeiten befischt, einige jedoch öfter. Jede Befischung bestand aus zwei Durchgängen, wobei zwischen jedem Durchgang mindestens eine halbe Stunde Wartezeit lag. Die gefangenen Fische wurden direkt bestimmt und gezählt. Sie wurden dafür meistens nicht oder nur kurz dem Wasser entnommen und konnten danach sofort wieder unversehrt ins Gewässer entlassen werden. Zur quantitativen Auswertung wird ein Verfahren gewählt, bei dem die Anzahl der Fische in drei Häufigkeitsstufen gestaffelt ist. Wegen der Vergleichbarkeit mit dem hessischen Fischartenkataster (M EINEL & al. 1987) wurde dieselbe Abstufung gewählt. Außerdem wurden gewässermorphologische Größen, hier vor allem die Durchgängigkeit des Gewässers behindernde Querbauwerke, erfaßt. Die Mündungen der Nebengewässer wurden auf Durchgängigkeit für Fische überprüft. Darüber hinaus wurden die Abflußverhältnisse, Gewässergüteklasse und chemisch-physikalische Gewässerdaten der Einzelgewässer soweit bekannt zusammengestellt (HLFU 1988, SCHULZ 1983, K ist 1984, K o rn d ö rfe r 1985, R e k a te 1985, M itte ls ta d t 1989). Wo solche Daten fehlten, wurden eigene orientierende Messungen ergänzend vorgenommen. Zur Auswertung wurden die Ergebnisse des hessischen Fischartenkatasters (M EINEL & al. 1987), einer weiteren kürzlich durchgeführten Bestandserhebung (HMFU 1991) sowie langjährige fischereiliche Besatz- und Fangdaten der Angelfischerei, vergleichend herangezogen. 4 Ergebnisse 4.1. Chemisch-physikalische, hydrologische und Güteverhältnisse In Tab. 1 sind die abiotischen Faktoren und Güteverhältnisse der Einzelgewässer während des Untersuchungszeitraumes zusammengefaßt. Daraus geht hervor, daß die untersuchten Gewässer überwiegend die Gewässergüteklasse II ("mäßig belastet") aufweisen, wobei die Oberläufe meist mit I-II ("gering belastet") bewertet wurden. Es treten jedoch vereinzelt auch mit II-III ("kritisch belastet") bewertete Strecken auf, wie beispielsweise am Elmshäuser Wasser,
5 Tab. 1: Chemisch-physikalische, hydrologische und Gütecharakterisierung der Untersuchungsgewässer; * Angaben vom Wasserwirtschaftsamt Marburg, ** nach HLFU (1988) _ Kennwert Gewässer " MQ (m3/s) * Güteklasse * * Temp. (X ) ph Leitwert (ps/cm) 0 2 (mg/l) Lahn 7,3 2 1,5-22,2 7,1-8, ,1-11,0 <0,1-2, Mühlgraben (Caldem) 1,3 Elmshäuser Wasser / 2 / 2-3 2,0-19,1 7,0-8, ,4-10,9 0,1-1, Warzenbach 0,08 1-2/2 0,8-18,3 6,6-8, ,0-11,8 0,4-2, Kernbach 1-2/2 2,4-16,3 6,8-8, ,3-11,0 <0,1-0,9 8,6-22 Erlenbach 1-2/2 - Wollenbergbach 1-2/2 - Grubenbach 1-2 1,2-15,2 6,5-8, ,6-11,1 <0,1-0,9 3,7-14 Michelbach 0,05 2/2-3 2,7-17,4 7,0-8, ,1-10,3 1,1-16, Steingraben 1-2/2 Stinkelsgraben (west) 1-2/2 1,2-18,1 6,1-8, ,6-10,7 <0,1-1,2 2,0-25 Stinkeisgraben (ost) 2 2,0-19,5 6,9-8, ,4-10,4 <0,1-0,6 8,9-41 Rodenbach - 2 3,2-17,3 7,0-8, ,3-10,6 <0,1-1, Wetschaft 1,6 2/1-2/2 2,4-18,2 6,4-7, ,8-9,8 <1,0 <10 Silberbombach 0,04 1-2/2/2-3 1,3-12,8 6,0-6, ,4-10,0 <1,0 <5 Ohm 7,4 2-3/2 3,0-18,0 6,5-7, ,9-11,8 <0,1-0, Rotes Wasser (Oberlauf) 0, ,9 6,2-6, ,4-10,0 <1,0 <5-10 Rotes Wasser (Unterlauf) 2 2,0-14 7, ,5-9,7 <1, Wohra 1,7 2 2,3-15 6,5-9, ,0-10,2 <0,1-0, P 04 (mg/0 N03 (mg/0
6 6 Michelbach und der Ohm. Sehr unterschiedlich stellt sich die Wetschaft dar. Hier treten zwischen I-II und IV ("übermäßig verschmutzt") alle Belastungsstufen auf, wobei auf der überwiegenden Gewässerlänge die Stufe II festgestellt wurde. Die chemisch-physikalischen Standardparameter ph, Temperatur, Leitfähigkeit und Sauerstoffgehalt zeigen keine besonderen Auffälligkeiten. Die ph- Werte der aus dem Burgwald kommenden Bäche hegen meist unter 7, was bei einem durch Buntsandstein geprägten, bewaldeten Einzugsgebiet normal ist. Die Werte der oberen Lahn und ihrer Nebenbäche liegen mit 7,5-8,5 etwas höher, was auf die basenreicheren Einzugsgebiete des östlichen Schiefergebirgsrandes zurückzuführen ist. Überlagert werden diese Werte durch die Abwasserbelastung, die sich je nach Geologie mehr oder weniger auf den ph-wert auswirkt. Die meisten Gewässer sind eher elektrolytarm mit maximaler elektrischer Leitfähigkeit unter 360 fjis/cm. Größere Gewässer wie Lahn und Ohm und stärker belastete Gewässer weisen Werte bis 608 xs/cm auf. Die Phosphorbelastung ist am Michelbach mit bis zu 16,3 mg PO^/l am größten, gefolgt von Lahn und Warzenbach mit bis etwa 2 mg PO^/l. Weniger belastet sind Kernbach, Grubenbach, Rotes Wasser, Silberbornbach und Oberlauf der Wetschaft mit Konzentrationen oft unter 0,1 mg PO^/l bis maximal 1 mg/1. Die übrigen vier Gewässer bewegen sich dazwischen. Die Daten in Tab. 1 bestätigen im wesentlichen die Güteeinstufung gemäß der Gewässergütekarte Hessen 1986 (HLFU 1988). Die Abflußverhältnisse zeigen, daß Lahn und Ohm mit 7,3 bzw. 7,4 m /s mittlerem Jahresabluß (gemessen jeweils am letzten Pegel vor dem Zusammenfluß) den wichtigsten Fischlebensraum im Untersuchungsgebiet darstellen. Daneben haben noch Wohra, Wetschaft und Rotes Wasser nennenswerte Wasserführungen aufzuweisen. Bei dyi übrigen Gewässern bewegt sich der mittlere Jahresabfluß bei unter 0,1 m /s, so daß sie nicht alle ganzjährig als Fischlebensräume verfügbar sind. Erlenbach, Wollenbergbach und Steingraben fallen sogar fast ganzjährig trocken. Sie scheiden für eine nennenswerte Fischbesiedelung aus, d.h. sie stehen schon aus diesem Grund nicht für einen vollständigen Entwicklungszyklus beispielsweise für Kleinfische zur Verfügung. Des weiteren ist der Michelbach wegen der erwähnten Abwasserbelastung nur eingeschränkt für eine Fischbesiedelung geeignet. 4.2 Gewässermorphologie, Durchgängigkeit und Besiedelbarkeit für Fische Verrohrungen, Querbauwerke und nicht überwindbare Nebenbachmündungen, die wie Querbauwerke wirken, sind gravierende Hindernisse für die Durchgängigkeit bzw. Besiedelungsmöglichkeit der untersuchten Gewässer. Besiedlungsverhindernde Verrohrungen weisen Elmshäuser Wasser, Kernbach und Erlenbach auf, die zum Teil über Kilometer unter den Ortschaften verschwinden. Auch der Mittellauf des Warzenbaches ist auf diese Weise verrohrt. Aus Tab. 2 geht hervor, daß die meisten Nebengewässer schon an ihrer Mündung oder wenige 100 m davor wegen solcher Hindernisse zumindest für
7 7 Tab. 2: Passierbarkeit der Mündungen der Nebenbäche für Fische Klein- und Jungfische nicht besiedelbar sind. Einige dieser Barrieren sind auch für größere Fische unüberwindbar. Dies trifft vor allem für die drei großen Mühlenwehre im Oberlahnabschnitt bis zur Ohmmündung zu. Unterhalb der Ohmmündung verschärft die Häufung großer Wehre diese Situation deutlich. Für einen 13 km langen Abschnitt der oberen Lahn zwischen dem Wehr bei Caldern und dem Wehr bei Cölbe, innerhalb dessen sich keine weiteren Querbauwerke befinden, wurde exemplarisch das Verhältnis zwischen vorhandener Gewässer- und Nebengewässerlänge und tatsächlich für eine Fischbesiedelung verfügbarer Gewässerlänge berechnet. Das Ergebnis ist in Tab. 3 dargestellt. Es zeigt sich ein drastisches Mißverhältnis zwischen Gesamtgewässerlänge und für Fische verfügbarer bzw. durchgängiger Gewässerlänge. Nur 13,8 % der Nebengewässerlänge bzw. 31,1 % der Gesamtgewässerlänge innerhalb des betrachteten Abschnittes, in den 8 Nebenbäche münden, sind für Fische aus der Lahn erreichbar. Die Bilanz ist tatsächlich noch viel schlechter, da einerseits zwei dieser Bäche (Wollenbergbach und Michelbach) zwar erreichbar sind, jedoch aus den im vorigen Abschnitt erläuterten Gründen nicht bzw. nur bedingt
8 Tab. 3: Gegenüberstellung der für Fische zugänglichen bzw. unzugänglichen Anteile eines Abschnittes der Lahn und seiner Nebengewässer Lahnabschnitt Nebengewässer Lahnabschnitt + Nebengewässer gesamt besiedelbar gesamt besiedelbar % gesamt besiedelbar % 13 km 13 km 52,1km 7,2 km 13,8 65,1km 20,2 km 31,1 als Fischlebensraum zur Verfügung stehen und andereseits bei der Berechnung der Länge der Nebengewässer der Wetschaft die erreichbaren Nebengewässer 2. Ordnung nicht berücksichtigt wurden. 4.3 Fischbestand Tab. 4 gibt die im Untersuchungsgebiet und -Zeitraum nachgewiesenen Fischarten und deren Abundanz wieder. Insgesamt sind es 28 Arten, davon 25 in der Lahn, 21 in der Ohm, 15 in einem Lahnmühlgraben, 12 in der Wetschaft, 11 in der Wohra (SCHAUMBURG 1991) und 6 im Roten Wasser. In sechs Bächen wurden zwischen einer und drei Arten gefunden, fünf Bäche waren ohne Fischbestand. Von den 17 untersuchten Einzelgewässern enthielten also nur 6 einen arten- und individuenreichen Fischbestand, die restlichen 11 wiesen eine stark verarmte bis fehlende Fischfauna auf. Entsprechend der naturräumlichen und limnologischen Gegebenheiten waren überwiegend Ichthyozönosen des Hyporhithrals (Äschenregion), des Rhithrals (Forellenregion) sowie stellenweise des Epipotamals (Barbenregion) zu erwarten. Das gefundene Artenspektrum und die Individuenzahlen bestätigen diese Erwartung nur bedingt. Häufigste Arten in der Lahn waren Aal, Bachschmerle, Döbel und Gründling gefolgt von Äsche, Barbe, Hasel, Rotauge und Moderlieschen. Selten bis vereinzelt waren Regenbogenforelle, Nase, Ukelei, Elritze, Koppe und Stichling präsent. Die bisher genannten Arten waren überall in der oberen Lahn (bis zur Ohmmündung) und in den stärker strömenden bis turbulenten Bereichen der folgenden Strecke von Lahn und Ohm zwischen den gestauten Bereichen vertreten. Sie repräsentieren qualitativ die Fischfauna der Äschenregion bzw. des Übergangs zur Barbenregion. Quantitativ ergibt sich jedoch ein stark verzerrtes Bild einer "typischen" Äschenregion. Dominante Fischart ist nicht die Äsche sondern der Äal bzw. die Bachschmerle, ferner Döbel und Gründling. Karpfen, Schleie, Hecht, Brachsen, Güster, Rotfeder, Barsch, Kaulbarsch und Zander wurden vor allem in den ruhigeren Staubereichen der Lahn unterhalb der Mündung der Ohm gefunden und repräsentieren eher die typische Fischfauna der unteren Barben-Brachsenregion (Potamal), obwohlhier ursprünglich das Epipotamal erst begann.
9 Tab. 4: Nachgewiesene Fischarten und -häufigkeiten des Untersuchungsgebietes; * = allochthone Art, L=Lahn, Mg=Mühlgraben, EW=Elmshäuser Wasser, Wa=Warzenbach, Ke=Kernbach, Eb=Erlenbach, Wo=Wollenbergbach, Gr=Grubenbach, Mi=Michelbach, Sg= Steingraben, St=Stinkelsgraben, Ro=Rodenbach, We=Wetschaft, Si=Silberbombach, 0=0hm, RW=Rotes Wasser, Wo=Wohra, FK=Hessisches Fischartenkataster (MEINEL et. al 1987) zum Vergleich; 3 = >30 lnd./100mj, 2 = 5-30 lnd./100m2, 1 = <5 lnd./100m2 G E W Ä S S E R F I S C H A R T " L Mg Ew Wa Ke Eb Wo Gr Mi Sg st Ro We Si 0 Rw Wo Fk Bachneunauge Lampetra planen (BLOCH) Bachforelle Salmo trutta f. fario LINNE, Bachsaibling Salvelinus fontinalis (MITCHILL, 1815)* Regenbogenforelle Oncorhynchus mykiss WALBAUM, 1792* Äsche Thymallus thymallus (LINNE, 1758) Hecht Esox lucius LINNE, vo Aal Anguilla anguilla (LINNE, 1758) Karpfen Cyprinus carpio LINNE, 1758* Schleie Tinea tinca (LINNE, 1758)* Brachsen Abramis brama (LINNE, 1758) 1 2 GUster Blicca bjoerkna (LINNE, 1758) Barbe Barbus barbus (LINNE, 1758) Nase Chondrostoma nasus (LINNE, 1758) 1 1 Döbel Leuciscus cephalus (LINNE, 1758)
10 Fortsetzung Tab. 4: G E W Ä S S E R F IS C H A R T L Mg Ew Wa Ke Eb Wo Gr Mi sg St Ro We Si O Rw Wo Fk Hasel Leuciscus leuciscus (LINNE, 1758) Rotauge Rutilus rutilus (LINNE, 1758) Rotfeder Scardinius erythrophthalmus (LINNE, 1758) Gründling Gobio gobio (LINNE, 1758) Ukelei Albumus albumus (LINNE, 1758) Schneider Albumoldes blpunctatus (LINNE, 1758) 2 Elritze Phoxinus phoxinus (LINNE, 1758) Moderlieschen Leucasplus delineatus (HECKEL, 1843) Bachschmerle Noemacheilus barbatulus (LINNE, 1758) Koppe Cottus gobio (LINNE, 1758) Stichling Gasterosteus aculeatus LINNE, Flußbarsch Perca fluviadlis LINNE, Kaulbarsch Gymnocephalus cemua (LINNE, 1758) Zander Stizostedion lucioperca (LINNE, 1758)*
11 11 Die Ohm wies ein nahezu identisches Artenspektrum auf, wobei die in der Lahn vorkommenden Arten Elritze, Koppe, Stichling und Zander nicht nachgewiesen werden konnten. Auch quantitativ waren die Verhältnisse ähnlich, wobei die limnophilen bzw. strömungsindifferenten Arten etwas häufiger waren während die rheophilen in geringeren Individuenzahlen festgestellt wurden. Dies läßt sich gut durch die Gewässerstruktur erklären. Die Verteilung der Fische war in der Ohm deutlich heterogener als in der Lahn. Äschen und Barben beispielsweise wurden in besonders hoher Dichte in den Bereichen unterhalb von Wehren bis etwa 500 m flußabwärts registriert. Diese Abschnitte waren durch eine auffällige Strukturvielfalt und Abwechslung unterschiedlicher Strömungsmuster gekennzeichnet. In den relativ monotonen, langsam strömenden Abschnitten zwischen den Wehren fehlten diese Arten über längere Distanzen. Die Zuflüsse der Lahn enthielten in Abhängigkeit von Größe, Struktur, Zugänglichkeit und W asserqualität einen mehr oder weniger reichhaltigen Ausschnitt aus der Fischfauna des Hauptgewässers. Folgende Besonderheiten müssen hervorgehoben werden. Die Oberläufe der Burgwaldbäche Wetschaft und Rotes Wasser sowie der Silberbornbach enthalten beachtliche Bestände des Bachneunauges (KORNDÖRFER 1985), im Unterlauf der Wohra wurde ein Vorkommen des Schneiders nachgewiesen (SCHAUMBURG 1991). Beide Arten sind in ihren Beständen bundesweit gefährdet bzw. vom Aussterben bedroht (Bless 1978, Bless & L elek 1984, Berg et al. 1989, Borchard & al. 1986, Brenner & al. 1986, Gaum ert 1981,1986, Kussmaul & al. 1991, Bo h l, e. 1992, LELEK 1987) und weisen in den genannten Gewässern noch reproduktive Bestände auf. Die Nebenbäche einschließlich eines 3 km langen Mühlgrabens der Lahn enthielten auffällig hohe Individuenzahlen von Jungfischen insbesondere Bachforellen, Äschen und Barben aber auch Weißfische wie Döbel, H a sel, Rotaugen und Gründlinge. Die wenigen vereinzelt auftretenden gefährdeten Kleinfischarten wie Elritze und Koppe fanden in den für sie zugänglichen Nebenbächen letzte Refugien. Eine Äusnahme bildete die Bachschmerle, die überall wo sie vorkam individuenreiche Bestände ausbildete. Neben den genannten Kleinfischvorkommen ist am Zustandsbild des untersuchten Fischbestandes besonders erfreulich, daß die Äsche als Leitfischart des im Untersuchungsgebiet typischen Hyporhithrals seit einigen Jahren wieder reproduktive Bestände bildet und einige typische Begleitfischarten geeignete Lebensräume vorfmden. Negativ ist hervorzuheben, daß überall stark überhöhte Aalbestände angetroffen wurden, gebietsfremde Fischarten wie beispielweise Bachsaibling, Regenbogenforelle und Zander nachgewiesen wurden und Kleinfischbestände bis auf die erwähnten Ausnahmen praktisch keine Bedeutung in den Untersuchungsgewässern haben. An dieser Stelle werden die Einflüsse der fischereilichen Bewirtschaftung schon deutlich, die natürlich entscheidende Auswirkungen auf den Fischbestand haben. Im folgenden Abschnitt wird darauf näher eingegangen.
12 Fischereiliche Bewirtschaftung Die fischereiliche Bewirtschaftung des Untersuchungsgebietes wird überwiegend von Sportangelvereinen, die das Fischereirecht von meist staatlichen Stellen gepachtet haben, durchgeführt. Langjährige Besatz- und Fangdaten liegen von einem Sportfischerverein vor, der etwa die Hälfte der untersuchten Gewässerstrecke bewirtschaftet. Es sind dies der gesamte Lahnabschnitt, der Unterlauf der Ohm und der Unterlauf der Wetschaft. Bewirtschaftungsmaßnahmen wirken sich somit auf die Fischbestände sämtlicher Nebengewässer in diesem Bereich aus. Die kleinen Nebenbäche der oberen Lahn wurden zur Zeit der Untersuchung nicht bewirtschaftet, die restlichen Gewässerstrecken werden von anderen Angelvereinen genutzt. Hauptmaßnahmen der fischereilichen Bewirtschaftung sind Fischbesatz und -fang. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen exemplarisch eine Gegenüberstellung der in den Jahren 1960 bis 1986 durch den SFV Marburg getätigten Besatzmaßnahmen der hauptsächlich genutzten Fischarten und der Fangzahlen derselben Arten in diesem Zeitraum. Regelmäßig besetzt wurden Aal, Hecht, Bach- und Regenbogenforelle, Äsche, Karpfen, Schleie und Weißfische. Die sogenannten Weißfische setzten sich aus den Arten Rotauge, Döbel, Hasel, Rotfeder, Ukelei, Barbe und anderen zusammen. Eine genaue Angabe aller Arten ist hier nicht möglich, da üblicherweise "Weißfische unsortiert" gekauft und besetzt werden. In solchen unsortierten Lieferungen kommen alle möglichen Beifänge, auch Kleinfische vor, die nicht genau differenziert werden. Folgendes wird aus Abb. 2 und 3 deutlich: 1. Es wurden hohe Anzahlen an Satzfischen bzw. Fischbrut ausgesetzt. Die Zahlen bewegten sich zwischen einigen Tausend (Äsche, Karpfen, Schleie) über einige Zehntausend (Hecht, Forelle, Weißfische) bis zu einigen Hunderttausend (Aal, Maximum ) Individuen und überstiegen damit fischereifachliche Empfehlungen z. T. erheblich (JENS 1980, TESCH 1983). 2. Bei den meisten Arten gibt es keine Korrelation zwischen Besatz- und Fangzahlen. Das heißt, das Fangergebnis ist unabhängig von der Besatzhöhe oder - frequenz. So ist beispielsweise bei Aal, Schleie und Weißfischen das Fangergebnis seit über 26 Jahren konstant niedrig. Beim Hecht ist ein stetiger Rückgang des Fangertrages über diesen Zeitraum zu verzeichnen. Karpfen wurden bis Mitte der Siebziger Jahre wenig besetzt und kaum gefangen, ab dieser Zeit in unregelmäßiger Höhe besetzt und in gleichmäßiger Häufigkeit gefangen. Ein Zusammenhang zwischen Besatz und Fang ist nur bei den Forellen und Äschen zu erkennen. Waren Anfang der Sechziger Jahre die Besatzmaßnahmen nicht von Fangerfolg gekrönt, erkennt man für den restlichen Zeitraum bei diesen Arten einen deutlichen Anstieg der Fangzahlen jeweils etwas phasenverschoben nach erhöhten Besatzzahlen. Der Fangerfolg ließ mit Extensivierung des Besatzes wieder nach. Am effektivsten waren die Besatzmaßnahmen bei der Äsche, wo mit einem Minimalbesatz eine echte Bestandsstützung erreicht wurde, die sich auch im Fangerfolg niederschlug.
13 13 Welißfi2s ^ 91 9 a M ^ 8 IIUn9 V n Rschbesatz und _fan9 dor M en Aal, Karpfen, Schleie und a^ : zs I F C D h -. ( D i n < ( 0 W» - O
14 14 Abb. 3: Gegenüberstellung von Fischbesatz und -fang der Arten Hecht, Forelle (Bach- und Regenbogenforelle) und Asche ; die Darstellung 'Hecht* links unten zeigt nur den Fang im anderen Achsenmaßstab zur Verdeutlichung der Entwicklung
15 15 5 Diskussion Der Flußlauf der Lahn einschließlich der im Untersuchungsabschnitt bearbeiteten Nebengewässer stellt sich relativ naturnah und wenig belastet dar, obwohl der Gütezustand einiger Oberlaufabschnitte sowie des gesamten Michelbaches noch zu wünschen übrig läßt. Der untersuchte Fischbestand spiegelt diesen Zustand nicht oder nur punktuell wieder. Die Artenzusammensetzung charakterisiert eine wenn auch verarmte Äschenregion (Hyporhithral) bzw. Barbenregion (Epipotamal). Quantitativ ergab sich ein verzerrtes Bild. Häufigste Arten waren Bachschmerle und Aal, nicht etwa die Leitfische Äsche und Barbe. Typische Kleinfischbestände haben kaum eine Bedeutung, während gebietsfremde Arten nachgewiesen werden konnten. Die Verteilung der Fische ist besonders dort untypisch, wo die Fließcharakteristik durch Stauregulierung mehrfach gestört ist, was besonders für die Ohm zutrifft. Zum Vergleich sollen zwei weitere Untersuchungen des Fischbestandes im Untersuchungsgebiet aus der letzten Zeit herangezogen werden. Im Rahmen eines überregionalen Forschungsprojektes (HMFU 1991) wurde mit ähnlicher Methodik der Fischbestand an drei Stellen der Lahn bzw. einer Stelle der Wetschaft innerhalb des Untersuchungsgebietes untersucht. A lle rdings wurde keine Aussage über die Untersuchungshäufigkeit getroffen so daß angenommen werden muß, daß nur eine einmalige Untersuchung stattfand. Es wurden insgesamt 14 Fischarten (davon 10 mit Reproduktionsnachweis), also halb so viele wie in der vorliegenden Untersuchung gefunden. Folgende weitere Diskrepanzen bestehen zwischen den Ergebnissen beider Untersuchungen: Die in HMFU (1991) angenommene Reproduktivität von Bachforelle und Elritze ist zweifelhaft, da die Nebengewässer größtenteils nicht zur Verfügung stehen und beide Arten, vor allem die Forelle, massiv durch Besatz gestützt werden. Die wenigen registrierten Elritzen können also auch aus dem Besatz stammen. - Die Barbe kommt auch im Hyporhithral der Lahn regelmäßig vor, nicht erst unterhalb des Lahnknies bei Michelbach. - In der Wetschaft kommen mehr als die in HMFU (1991) registrierten Arten vor (vgl. Tab. 4). Dies läßt sich nur durch mehrjährige Untersuchungen zu unterschiedlichen Jahreszeiten feststellen. - Der Aalbestand ist auch im Oberlauf der Lahn und nicht nur in der Mündung der Wetschaft, wie in HMFU (1991) angenommen, stark überhöht (JENS 1980, TESCH 1983). -Das für die Lahn in HMFU (1991) angegebene Vorkommen des Steinbeißers (Cobitis taenia) muß bezweifelt werden. Es kann sich nur um eine Verwechslung mit der Bachschmerle (Noemacheilus barbatulus) handeln. Die Untersuchungen im Rahmen des hessischen Fischartenkatasters (M EINEL 6 al. 1987) umfaßten nur drei Untersuchungsstellen an der Lahn innerhalb des hier behandelten Untersuchungsgebietes, wobei die Zuordnung der Fundorte zu den zugehörigen Gewässern sich in der diesbezüglichen
16 16 Publikation als sehr schwierig erwies. Auch bei dieser Untersuchung gibt es keine Angabe über die Untersuchungshäufigkeit, sodaß von einmaligen Befischungen, die nachweislich zum Teil im Winter stattfanden, ausgegangen werden muß. Es werden 19 gefundene Arten für diesen Bereich angegeben, das sind 10 Arten weniger als bei der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen wurden (vgl. Tab. 4). Eine Art, der Graskarpfen, wurde von den damaligen Kartieren zusätzlich nachgewiesen, kann jedoch nicht für die vorliegende Untersuchung bestätigt werden. Auch quantitativ unterscheiden sich die Vorgefundenen Verhältnisse erheblich. So werden bei M EINEL & al. (1987) bei einigen häufigen Arten eine viel geringere Abundanz angegeben, während bei extrem seltenen Arten wie z. B. der Elritze einehöhere Abundanz genannt wird, als sie durch die vorliegende Untersuchung bestätigt werden kann. Darüber hinaus wurden Kleinfische wie Bachneunauge oder Schneider nicht erfaßt, was wohl auch daran lag, daß die entsprechenden Gewässer z. T. nicht untersucht wurden, obwohl sie über 10 km lang sind und damit das bei MEINEL & al. (1987) angegebene Kriterium für eine Erfassung erfüllen. Der Hauptgrund für die von dieser Untersuchung abweichenden Ergebnisse wird sowohl in der unterschiedlichen Untersuchungsfrequenz als auch im verschieden langen Gesamtuntersuchungszeitraum gesehen. Das zeigt, daß eine annähernd vollständige Erhebung eines Fischbestandes einen wesentlich größeren Aufwand erfordert, als er beispielsweise für das hessische Fischartenkataster (M EINEL & al. 1987) bisher betrieben wurde. Ein Atlas der Fische hessischer Fließgewässer wie er zur Zeit vorliegt, kann nur ein erster grober Überblick sein, und mehr ist nach so kurzer Erhebungszeit auch nicht zu erwarten. Bedenklich ist jedoch, daß aus dieser Erhebung praktische Schlußfolgerungen gezogen und Maßnahmen eingeleitet werden, wie z.b. die Ausweisung von Schongebieten, ohne einen genaueren Überbück über schützenswerte Populationen bzw. Gewässerstrecken zu haben. Das in der vorliegenden Untersuchung festgestellte Vorkommen des Bachneunauges im Roten Wasser und der Wetschaft sowie das des Schneiders in der Wohra wurden durch das hessische Fischkataster nicht erfaßt, weil die entsprechenden Gewässer nicht untersucht bzw. die Populationen durch ein zu grobes Beprobungsraster übersehen wurden. Es besteht daher die Gefahr, daß Mittel für Maßnahmen gebunden werden, obwohl vielleicht andernorts diese Maßnahmen noch dringender oder erfolgversprechender wären. Der einzige Weg zur Vermeidung von Kenntnislücken wird die Durchführung von Rasterkartierungen sein, wie sie in anderen Bundesländern schon erfolgreich durchgeführt wurden (z. B. B o rc h a rd & al. 1986, G a u m e rt 1981). Als entscheidende Kriterien, welche den Fischbestand maßgeblich bestimmen, werden der gewässermorphologische Zustand und die fischereiliche Bewirtschaftung des Untersuchungsgebietes angesehen. Den wichtigsten gewässermorphologischen Faktor, welcher die Fischbesiedlung einschneidend behindert, stellen die vorhandenen Querbauwerke bzw. der größte Teil der als solche wirkenden Mündungen der Nebenbäche dar. Die in Tab. 3 wiedergegebenen Zahlen und die gefundenen Fischbestände belegen dies ebenso eindrucksvoll wie andernorts durchgeführte Untersuchungen
17 17 (Barandun 1990, Ba yrle & al. 1980, Bless 1979, 1981,1985, 1990, 1992, Bohl 1985, Lelek 1976, 1977, Pe lz 1985, Schaumburg 1989, Späh & al. 1983, WATERSTRAAT1992). Hier sind vor allem die zuständigen Betreiber von Wehren und Anlagen bzw. die W asserrechtsbehörden und die Wasserwirtschaftsverwaltung aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Viele der genannten Bachmündungen könnten beispielsweise als Sohlgleiten (oder sog. rauhe Ram pen) mit entsprechend niedrigem Gefälle umgestaltet werden, um so eine Durchgängigkeit für Fische und andere Gewässerorganismen wiederherzustellen. Wehre müssen durch geeignete künstliche Fischaufstiegshilfen passierbar gemacht werden. Im Gegensatz zu oft verwendeten und häufig unbrauchbaren (PELZ 1985) Fischtreppen verschiedener Bauart haben sich in letzter Zeit andere Aufstiegshilfen wie beispielsweise kleine "Bypass"-Nebenläufe oder Troggerinne mit Rauhbettmulde bewährt, die auch für Kleinfische und andere Organismen passierbar sind (GEBLER 1989, 1991). Für die fischereiliche Bewirtschaftung, insbesondere Besatzmaßnahmen, wird viel Geld ausgegeben. Bei den wenigsten der intensiv genutzten Fischarten schlägt sich diese Investition in entsprechend hohen Fangzahlen nieder (Abb. 2 und 3). Einschränkend muß an dieser Stelle hinzugefügt werden, daß die Gegenüberstellung von Besatz- und Fangdaten keine absoluten Rückschlüsse auf den Fischbestand zuläßt, da der Fangerfolg wesentlich von der verwendeten Fangmethode abhängt. Außerdem lassen diese Daten nicht erkennen, ob eine Befischung in Jahren ohne Fang überhaupt stattfand (Beispiel Karpfen in Abb. 2). Der fischereiliche Gewinn der Besatzmaßnahmen ist trotzdem zu vernachlässigen, wie auch andere Studien belegen (M e l l in 1987, PLEYER 1982, STEIN 1987). Die Angelfischerei ist nicht gewinnorientiert, sondern versteht sich heutzutage in erster Linie als Natur- und Gewässerschutzorganisation, was in vielen Fällen durch eine Anerkennung als Naturschutzverband nach der Naturschutzgesetzgebung von offizieller Seite dokumentiert ist. Vor diesem Hintergrund und der Verpflichtung gemäß den Fischereigesetzen einen "den ökologischen Gegebenheiten des jeweiligen Gewässers entsprechenden artenreichen Fischbestand" hegen und pflegen zu müssen (z. B. HESS. MINISTER FÜR LANDWIRTSCHAFT UND FORSTEN 1990), sind die meisten dieser Besatzmaßnahmen nicht nur ökonomisch verfehlt, sondern sogar aus ökologischer Sicht schädlich und gehen somit am Selbsverständnis der Angelfischerei und der Zielsetzung der entsprechenden Gesetze vorbei. Besatz im Sinne einer ökologischen Gewässerhege, wie sie auch in der Fischereigesetzgebung verankert ist, bedeutet Bestandsstützung vorhandener, gewässertypischer Arten, deren Bestand durch bestimmte Einflüsse geschwächt ist. Jahrzehntelanger Besatz von Arten, deren natürliches Vorkommen wegen gravierender Störungen des Lebensraumes unmöglich ist, kann nicht mehr als Bestandsstützung verstanden werden. Die Praxis ist leider immer noch der Besatz weniger aus fischereilichen Gründen interessanter Arten in viel zu großer Menge und oft unausgewogener Altersstruktur. Hinzu kommt der Besatz von Arten in artfremde Gewässerstrecken wie beispielsweise der Besatz von Aal, Karpfen und Schleie in Salmonidenregionen sowie der Besatz nicht heimischer Arten wie Regenbogenforel
18 18 le, Bachsaibling, Zander, Grasfische und weiterer Arten, der eigentlich längst der Vergangenheit angehören sollte. Auch der Besatz gebietstypischer Arten aus gewässerfremden Einzugsgebieten, wie beispielsweise das Einbringen von Rheinhechten in die Lahn, kann problematisch sein. KOSS & al. (1986) wiesen nach, daß der Gehalt toxischer Substanzen in den untersuchten Rheinhechten denjenigen von Lahnhechten z. T. um ein Mehrfaches übertraf. Umweltprobleme anderer Einzugsgebiete werden damit verbreitet. Obwohl der Verband Deutscher Sportfischer bereits 1981 eine Bewirtschaftung gemäß den gesetzlichen Vorgaben ausdrücklich in einem Grundsatzpapier beschlossen hat (V E R BAND DEUTSCHER SPORTFISCHER 1981), sind solche ökologisch unerwünschten Besatzmaßnahmen immer noch an der Tagesordnung. Die Auswirkungen sind ein völlig verzerrtes Artengefüge mit einseitigem Altersaufbau. Konkurrenz- und Räuberdruck wirken sich gravierend auf Kleinfischbestände und in Extremfällen auch auf die weiteren Gewässerorganismen aus (BAYER. LAN DESANSTALT FÜR WASSERFORSCHUNG 1991, B a y rle & al. 1980, B o h l 1985, G a u m e rt 1986, K ainz & al. 1990, M e llin 1987, P le y e r 1981, 1982, S chaum burg 1989, Schm idt 1986). Manche Gewässerpächter wollen die Kleinfischbestände durch Kleinfischbesatz stützen (z. B. ASV STADTALLENDORF 1986). Da diese gutgemeinte, oft als Artenschutz deklarierte Maßnahme meistens ohne vorherige fachliche Prüfung der Eignung des jeweiligen Lebensraumes durchgeführt wird und als Nebenbesatz zum sehr viel zahlreicheren Nutzfischbesatz erfolgt, muß sie scheitern. Außerdem besteht die Gefahr der genetischen Veränderung autochthoner Kleinfischbestände im Besatzgewässer sowie der Schädigung noch vorhandener Populationen im Entnahmegewässer (SCHMIDT 1986). Das erfreulichste Beispiel für eine tatsächliche und effektive Bestandsstützung im Untersuchungsgebiet sind die Besatzmaßnahmen bei der Äsche. Bei dieser Fischart wurde mit geringstem Einsatz höchste Wirkung erzielt, das heißt, die Äsche hat sich wieder in der nach ihr benannten Region als Leitfischart etabliert. Bedauerlich ist nur, daß bereits wenige Jahre nach diesem Erfolg seitens der Fischerei die Gefahr eines Äschenüberbestandes gesehen wird und deshalb erfolgreich eine Herabsetzung des Mindestfangmaßes bei der zuständigen Behörde erreicht wurde (ANONYMUS 1990), obwohl eine eigens durchgeführte Untersuchung des Äschenbestandes der Lahn zu dem Ergebnis kam, daß die Äsche in der Lahn bis zum 4. Jahr gut abwächst und in einem gesunden Altersaufbau vorhanden ist (SFV MARBURG 1988). Die Besatzmaßnahmen bei den anderen Arten (Ausnahme Aal) haben hier nicht zu einer gravierenden Bestandserhöhung bzw. Steigerung der Fangergebnisse geführt. Im Gegenteil ist z. B. der Hechtbestand trotz massiver Stützung stetig zurückgegangen. Der Aalbestand hingegen ist vor allem in den Oberläufen überhöht, was aber auch nicht zu besseren Fangergebnissen führte. Der ausschließlich positiven Bewertung der Besatzmaßnahmen, die den Pächtern im Untersuchungsgebiet in HMFU (1991) konstatiert wird, kann hier nichtgefolgt werden.
19 19 6 Schlußfolgerungen 1. Die Gewässergütesituation wird nach Abschluß der wenigen noch zu tätigenden abwassertechnischen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr das zentrale Problem für die Fischbestände der Untersuchungsgewässer sein. Diese Maßnahmen sind jedoch so schnell wie möglich zu verwirklichen. 2. Die gewässermorphologischen Gegebenheiten und Strukturen bedürfen z.t. noch einer wesentlichen Verbesserung. Besonders die Durchgängigkeit der Gewässer und Nebengewässer ist schnellstmöglich zu gewährleisten. Hierzu müssen vor allem die Nebenbachmündungen umgestaltet werden, außerdem sind Lösungen zur Überwindung größerer Wehre in Angriff zu nehmen. Teilerfolge, die aber noch nicht ausreichen, sind hier bereits erzielt (z. B. Kernbacher Wehr und Cölber Wehr (in Planung). 3. Trotz teilweise neuer Fischereigesetze bleibt die fischereiliche Bewirtschaftung unkontrolliert den Fischereipächtern überlassen. Vor allem die Besatzmaßnahmen müßten durch genehmigungspflichtige Bewirtschaftungspläne kontrolliert werden. Die nach dem neuen hessischen Fischereigesetz vorgesehenen Hegepläne sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, die fachliche Prüfung und Genehmigung muß jedoch von ausgebildeten Fachleuten vorgenommen werden und nicht, wie vom Gesetz vorgesehen, von ehrenamtlichen Beiräten. Die Fischereibehörden sind dafür mit wissenschaftlichem Fachpersonal auszustatten. Dieses sollte auch die Auswirkungen, Erfolg oder Mißerfolg der Maßnahmen in regelmäßigen Abständen ggf. durch Hinzuziehung spezialisierter Fachleute (Gewässerbiologen, Fischökologen, Limnologen) überprüfen. Zu finanzieren wären diese erhöhten Anforderungen beispielsweise durch drastisch zu erhöhende Fischereiabgaben, die wiederum durch einzusparende Besatzkosten der oft überflüssigen Besatzmaßnahmen durch die Pächter und Verbände ausgeglichen würden. Es ist davon auszugehen, daß die Situation der Fischbestände vergleichbarer Gewässer bundesweit den hier gefundenen Gegebenheiten sehr ähnelt. Sofern die Gewässerbeschaffenheit und -Struktur einer Verbesserung bedarf, sind die Unterhaltungspflichtigen sowie die Wasserwirtschafts-und Wasserrechtsbehörden gefragt. Die fischereiliche Bewirtschaftung ist durch strengere Gesetze und Verordnungen bzw. deren Umsetzung und Kontrolle durch Ausstattung der zuständigen Stellen mit qualifiziertem Fachpersonal zu verbessern. Die Vorstände der Fischereivereine, wie hier beispielsweise des SFV Marburg, sind oft bemüht, ihre Gewässer nach fischökologischen Erkenntnissen zu bewirtschaften. Sie haben es jedoch schwer, diese Erkenntnisse, die dem einzelnen zahlenden Mitglied gewisse Auflagen oder Unbequemlichkeiten auferlegen, zu vermitteln. Daher ist eine fachliche Kontrolle und Begleitung der fischereilichen Bewirtschaftung durch eine staatliche, unabhängige Instanz notwendig. Die Angelfischerei ist aufgerufen, ihre offensichtlich vorhandene Finanzkraft viel weniger in Fischbesatz und dafür vermehrt in Maßnahmen zu investieren, die den Gewässerlebensraum sichern bzw. so wieder herstellen, daß eine Lebensgrundlage für heimische, einzugsgebietstypische Fischpopula
20 20 tionen vorhanden ist. In Anlehnung an BLESS (1992) ist darüber hinaus die weitere Erforschung und Überwachung der Fischfauna, insbesondere die landesweite Ermittlung der Vorkommen und Bestandssituation, die Beschreibung intakter Fischlebensräume, die ständige Überwachung repräsentativer Lebensräume (Biomonitoring), die Analyse von Bestandsveränderungen und Erforschung von ökologischen Anspruchsprofilen gefährdeter Arten zu fordern. Dank Der Sportfischervereinigung Marburg danke ich für die Unterstützung der Bestandserhebung, vor allem für die Erlaubnis zur Elektrofischerei in ihren Pachtgewässem und die Überlassung von Besatz- und Fangdaten. Der Naturschutz-AG dieses Vereins, dem Fischereiverein Kirchhain sowie C. Komdörfer und P. Latzei danke ich herzlich für die tatkräftige Mithilfe bei der Befischung und der Gewässeraufnahme. Dem Wasserwirtschaftsamt Marburg danke ich für die Überlassung von hydrologischen Gewässerdaten. Literatur ANONYMUS (1990): Äschenbestand untersucht: Schonmaß wurde reduziert.- Fisch und Fang 10: 16, Hamburg. ANGELSPORTVEREIN STADTALLENDORF (1986): Naturschutzbericht S., Stadtallendorf (Selbsverlag). BARANDUN, J. (1990): Auswirkungen von Ausbreitungsbarrieren auf das Vorkommen von Groppen (Cottus gobio) - Anregungen für den Artenschutz.- Natur und Landschaft 65: 66-68, Köln. BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR WASSERFORSCHUNG (1991): Wasserwirtschaftliche Rahmenuntersuchung Salzach, Teilprojekt: Ökomorphologie und Fischfauna.- Tätigkeitsbericht 1991: 46-52, München. BAYRLE, H. & M. KLEIN (1980): Zur Problematik des Artenschutzes bei heimischen Süßwasser fischen.- Schr.-R. Naturschutz Landschaftspflege 12: 89-95, München. BERG, R., S. BLANK &T. STRUBELT (1989): Fische in Baden-Württemberg. - (Hrsg. Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Baden-Württemberg) S, Karlsruhe. BLESS, R. (1978): Bestandsänderungen der Fischfauna in der Bundesrepublik Deutschland; Ursa chen, Zustand und Schutzmaßnahmen. - Naturschutz Aktuell 2, 66 S., Kilda Greven. BLESS, R. (1979): Wandernde Fischarten und deren besondere Schutzbedürfnisse.- Natur und Landschaft 54: , Köln. BLESS, R. (1981): Untersuchungen zum Einfluß von gewässerbaulichen Maßnahmen auf die Fischfauna in Mittelgebirgsbächen.- Natur und Landschaft56: , Köln. BLESS, R. & A. LELEK (1984): Rote Liste der Fische und Rundmäuler (Pisces et Cyclostomata).- In: BLAB, J, E. NOWAK, W. TRAUTMANN & H. SUKOPP (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen in der Bundesrepublik Deutschland.- Naturschutz Aktuell 1,4.Aufl.: 30-32, (Kilda) Greven. BLESS, R. (1985): Zur Regeneration von Bächen in der Agrarlandschaft - Eine ichthyologische Fallstudie.- Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 26, 100 S., Bonn-Bad Godesberg. BLESS, R. (1990): Die Bedeutung von gewässerbaulichen Hindernissen im Raum-Zeit-System der Groppe (Cottus gobio L.).- Natur und Landschaft 65: , Köln. BLESS, R. (1992): Einsichten in die Ökologie der Elritze-Phoxinus phoxinus (L.)-Praktische Grund lagen zum Schutz einer gefährdeten Fischart.-Schr.-R. Landschaftspflege Naturschutz 35,57 S., Bonn-Bad Godesberg. BOHL, E. (1992): Fische (Pisces).- In: Beiträge zum Artenschutz 15 - Rote Liste gefährdeter Tiere Bayerns.- Schr.-R Bayer. Landesamt Umweltschutz 111: 42-46, München. BOHL, M. (1985): Fischereilicher Artenschutz.-Münchener Beitr. Abwasser-, Fischerei- Flußbiol.
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