Aktuelle Verjährungsprobleme im Bankund Kapitalmarktrecht
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- Ralph Meinhardt
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1 Aktuelle Verjährungsprobleme im Bankund Kapitalmarktrecht Bankrechtliches Praktikerseminar, 18. Juni 2015
2 Gliederung 1. Zumutbarkeit und Verjährungsbeginn Rückforderung der Bearbeitungsentgelte Abwicklung eines Darlehensvertrags im Drei-Personen-Verhältnis 2. Kenntnisabhängige Verjährung im Anlegerschutzrecht Kenntnis der Rückvergütungshöhe Unterlassene Lektüre wesentlicher Dokumente 3. Kenntnisunabhängige Verjährung nach 37a WpHG a.f. Bedeutung und Anwendungsbereich des 37 WpHG a.f. Darlegungs- und Beweislast 4. Verjährungshemmung Mehrere Prospekt- oder Beratungsfehler Hemmung durch Mahn- und Güteantrag
3 Verjährungsbeginn Bearbeitungsentgelte Frühere Rechtsprechung: Bearbeitungsentgelte in banküblicher Höhe können in AGB vereinbart werden Neue Rechtsprechung: Entgeltklauseln sind nicht kontrollfest isd 307 III 1 BGB Sie weichen vom gesetzlichen Leitbild ab und benachteiligen deshalb den Darlehensnehmer unangemessen, 307 I, II Nr. 1 BGB Folge: Rückzahlungsanspruch des Darlehensnehmers aus 812 I 1 Var. 1 BGB (Leistungskondiktion)
4 Verjährungsbeginn Allgemeines Verjährungsfrist: Drei Jahre nach 195 BGB Verjährungsbeginn richtet sich nach 199 I BGB: Nr. 1: Zeitpunkt der Anspruchsentstehung Nr. 2: Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von der Person des Schuldners und den anspruchsbegründenden Umständen Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem Nr. 1 und Nr. 2 erfüllt sind
5 Bearbeitungsentgelte 199 I Nr. 1 BGB Fall 1: Bearbeitungsentgelt wird mitfinanziert (Darlehensnennbetrag) Bank zahlt eine Summe aus, die um das Entgelt verringert ist Kunde leistet das Entgelt mit Auszahlung der Darlehensvaluta Folge: Mit Auszahlung der Darlehensvaluta entsteht der Anspruch des Kunden auf Rückzahlung des Entgelts Fall 2: Bearbeitungsentgelt wird in den Gesamtbetrag eingerechnet (Bruttodarlehensbetrag) Bank zahlt die gesamte Darlehenssumme aus Kunde leistet einen Teil des Entgelts in jeder Rate Folge: Mit Zahlung der einzelnen Raten entstehen Ansprüche des Kunden auf anteilige Rückzahlung des Entgelts
6 Kenntnis der Umstände und Unzumutbarkeit Ausgangspunkt: 199 I Nr. 2 BGB setzt nur Kenntnis oder Kennenmüssen der anspruchsbegründenden Umstände voraus Was ist ein anspruchsbegründender Umstand? Es geht um den Lebenssachverhalt (verkürzt: Tatsachenkenntnis) Nicht: Kenntnis des Anspruchs selbst Ob der Gläubiger richtige rechtliche Schlüsse aus den Tatsachen gezogen hat, ist grundsätzlich unerheblich Folgen für Bearbeitungsentgelte: Verjährung beginnt früh zu laufen Ansprüche sind verjährt, bevor der Darlehensnehmer den Anspruch erkennen kann Rechtsprechungsänderung
7 Kenntnis der Umstände und Unzumutbarkeit Ausnahme: Klageerhebung ist für den Gläubiger unzumutbar Fälle für Unzumutbarkeit (BGH NJW 2014, 3713 Rn. 35 ff., 48 ff.; BGH BKR 2015, 26 Rn. 33 ff., 45 ff.): Entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung Unklare Rechtslage Probleme: Schuldner können sich auf BGH-Rechtsprechung nicht verlassen Ungleichgewicht zwischen Rechtsirrtum des Schuldners und Rechtsirrtum des Gläubigers Unsicherheit wann ist die Rechtslage unklar? Fazit: BGH dehnt das Zumutbarkeitskriterium zu stark aus
8 Verjährung in Drei-Personen-Verhältnissen Anleger 2000/01: Verstoß gegen RBerG Vollmacht Treuhänder 1991: Investition 2008: Klage Mitte 2010: Urteil Kreditvertrag Anweisung Fonds Auszahlung Dezember 2010: Nichtleistungskondiktion Bank 2004: Klage A2
9 Verjährung in Drei-Personen-Verhältnissen Wann begann die Verjährung zu laufen? Fonds: , nachdem A2 die Bank in Anspruch genommen hat Argument: 2004 wusste die Bank, dass die Vollmachten unwirksam sind, also hatte sie die nötige Kenntnis BGH BKR 2015, 150: Bank muss nicht wegen eines Anlegers alle ähnlichen Verträge auf ihre Wirksamkeit überprüfen Außerdem: Zumutbarkeitskriterium wirkt sich in einem Drei- Personen-Verhältnis aus Bank führt zwei Prozesse und kann nur einen gewinnen Folge: Verjährung beginnt am zu laufen
10 Kenntnis der Rückvergütungshöhe Sachverhalt: Anleger weiß von der Rückvergütung, kennt aber die Höhe nicht BGH differenziert: Hat die Bank die Höhe gar nicht angegeben und weiß der Anleger von der Rückvergütung, beginnt die Verjährung zu laufen. Hat die Bank die Höhe fehlerhaft angegeben, beginnt die Verjährung nicht zu laufen. Beispiel 1 (BGHZ 196, 233 = NJW 2013, 1801 Rn. 33): Dass da ein Agio von 5 % berechnet wurde, das war mir damals bekannt gewesen. Dass die C-Bank an diesem Agio beteiligt würde, das war mir damals auch bekannt. Ich dachte damals, dass die Bank vielleicht 2 3 % von den 5 % Agio bekommt.
11 Verhandlungen über das Agio Ausgangspunkt: Verhandlungen zwischen Anleger und Berater über die Höhe des Agio Folgerung: Berater bekommt das Agio, weil er ansonsten nicht über die Höhe verhandeln dürfte Also: Anleger muss Kenntnis von der Rückvergütung haben Dafür: OLG Düsseldorf, Urt. v U 30/10, Rz. 34 Dagegen: OLG Düsseldorf, Urt. v U 227/13, Rz. 63; OLG Frankfurt, Urt. v U 112/14, Rz. 43 Zurückhaltend: BGH, Urt. v XI ZR 215/13, Rz. 36
12 Beispiel 2: BGH, Urt. v XI ZR 215/13 Anleger Berater Euro + 3% Agio 1,5% zurück Berater erhält 8,25% der Beteiligung Vermittlungs-AG erhält 8,9% der Beteiligung + Agio ihv 3% Vermittlungs-AG Fonds-KG
13 Unterlassene Prospektlektüre Ausgangspunkt: Mündliche Beratung ist fehlerhaft Hätte der Anleger den Prospekt gelesen, hätte er die wirkliche Lage erkannt Argumentation der Berater: Unterlassene Lektüre führt zur Verletzung der Obliegenheiten durch den Anleger; 199 I Nr. 2 BGB ist erfüllt Argumentation des BGH (BGHZ 186, 152 = NJW 2010, 3292 Rz. 29 ff.): Zwischen Anleger und Berater entsteht ein Vertrauensverhältnis Anleger darf sich auf die Aussagen des Beraters verlassen und muss ihn nicht kontrollieren Also: 199 I Nr. 2 BGB ist nicht erfüllt
14 Wirtschaftsprüfertestat Ausgangspunkt: Prospekt enthält Aussagen über Gewinnprognosen einer AG Geplante Ausschüttungen sind rechtlich unzulässig Wirtschaftsprüfer testiert trotzdem die Gewinnprognosen Anleger überprüfe das Testat nicht selbständig BGH NJW 2014, 2345 Rz. 25 f.: Haftung des Wirtschaftsprüfers wegen Verletzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Unterlassene Kontrolle des Testats führt nicht zum Verjährungsbeginn Grund: Anleger vertraut dem Wirtschaftsprüfer Zumutbarkeitsgedanke
15 Beitrittserklärung und Beipackzettel Ausgangspunkt: Mündliche Beratung ist fehlerhaft Hätte der Anleger die Beitrittserklärung oder den Beipackzettel gelesen, hätte er die wirkliche Lage erkannt OLG Frankfurt BKR 2015, 169 ff. zur Beitrittserklärung: Beitrittserklärung ist wichtiger als Prospekt unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten Unterlassene Lektüre führt zu einer groben Verletzung von Prüfungsobliegenheiten Revision anhängig unter Az. XI ZR 470/14 Dasselbe sollte für Beipackzettel gelten (Lange, NZG 2011, 94, 95 f.)
16 Verjährungsbeginn 37a WpHG a.f. 37a WpHG a.f. gilt seit dem 5. August 2009 nicht Aber: Vorschrift ist auf Ansprüche anwendbar, die davor entstanden sind ( 43 WpHG) Regelungsgehalt: Kenntnisunabhängige Verjährung Drei Jahre ab Anspruchsentstehung (also: nicht ab dem Ende des Jahres!) Wann entsteht ein Schadensersatzanspruch? Grundsatz: Wenn sich der Schaden tatsächlich realisiert hat (Wertminderung) Ausnahme bei Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten: Erwerb des Finanzprodukts Aktuell: BGH, Urt. v XI ZR 278/14
17 Verjährungsbeginn 37a WpHG a.f. Einschränkung des 37a WpHG a.f.: Vorsätzliche Pflichtverletzungen fallen nicht in den Anwendungsbereich Methodischer Weg teleologische Reduktion: Ausnahme ergibt sich nicht aus dem Wortlaut Aber: Gesetzgeber wollte nicht, dass die Sonderverjährung auch bei Vorsatz gilt (RegBegr. BT-Drucks. 13/8933, S. 59, 97) Grund: Betrügerische Handlungen sollen nicht belohnt werden Problem: Darlegungs- und Beweislast keine ausdrückliche Regelung zum Vorsatz im Gesetz Ausgangspunkt: Rosenberg sche Formel für wen ist die Einschränkung günstig?
18 Verjährungsbeginn 37a WpHG a.f. Fragestellung: Wie ist 37a WpHG a.f. nach der teleologischen Reduktion zu lesen? Variante 1: Der Anspruch des Kunden ( ) verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, es sei denn, die Pflichtverletzung ist vorsätzlich erfolgt. Variante 2: Der Anspruch des Kunden ( ) wegen fahrlässiger Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fahrlässig fehlerhafter Beratung verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.
19 Verjährungsbeginn 37a WpHG a.f. BGH NJW 2009, 2298 Rn. 16 ff. (XI. ZS): Wertung des 280 I 2 BGB auf Verjährungsebene Vorsatz als innere Tatsache aus der Sphäre des Beraters Bestätigt in BGH ZIP 2015, 225 Rn. 43 (III. ZS); BGH ZIP 2015, 229 Rn. 3 (III. ZS); BGH, Urt. v XI ZR 278/14 Rn. 17 OLG-Rechtsprechung: Darlegungs- und Beweislast des Beraters nur bei schweren Pflichtverletzungen Bei einfachen Pflichtverletzungen: Anleger muss Indizien für den Vorsatz des Beraters vortragen Argument 1: Fehlender Vorsatz ist eine negative Tatsache Argument 2: Man darf einer seriösen Bank keinen vorsätzlichen Vertragsbruch unterstellen
20 Verjährungsbeginn 37a WpHG a.f. OLG Düsseldorf, Urt. v U 116/12, Rn. 9 OLG Frankfurt BKR 2013, 126, 127 OLG Frankfurt NZG 2013, 1111, 1112 OLG Frankfurt BKR 2014, 515, 518 OLG Frankfurt, Urt. v U 131/13, Rn. 24 ff. OLG Frankfurt BKR 2015, 38, 40 OLG Hamm, Urt. v U 49/13, Rn. 36 OLG München BKR 2013, 262, 264 OLG München BKR 2015, 84, 85 OLG Stuttgart NJW 2013, 320 f. Wie BGH: OLG Celle, Urt. v U 75/13, Rn. 38 f. OLG Frankfurt, Beschl. v U 187/12, Rn. 27 ff. OLG Schleswig ZIP 2013, 2147, 2151
21 Verjährungsbeginn 37a WpHG a.f. Lösung: Anforderungen an den substantiierten Vortrag dürfen nicht überspannt werden Bestreiten einer Pflichtverletzung = Bestreiten des Vorsatzes (OLG München BKR 2013, 262, 264; WM 2014, 1916, 1917 und 1918) Wieso ist der Berater zu einer konkreten Rechtsauffassung gelangt? Interne Vorgänge in der Rechtsabteilung? Überlegungen zum Risikoprofil des Anlegers? Überlegungen zu den Risiken der Anlage? Überlegungen zu den Anlagezielen?
22 Hemmung bei mehreren Pflichtverletzungen Ausgangspunkt: 204 I Nr. 1, 3, 4 Hemmung durch Klage, Mahnbescheid und Güteantrag Verfahrensrecht: 253 II ZPO, 688 ff. ZPO, Verfahrensordnungen der Gütestellen Aktualität: Ablauf der absoluten Verjährungsfrist Ende 2011 ( 199 III BGB) Anlagen aus den 1990er Jahren betroffen Hemmungsmaßnahmen vom Dezember 2011 kommen vermehrt vor OLGs und BGH Problem: Umfang der Hemmung bei mehreren Pflichtverletzungen
23 Hemmung bei mehreren Pflichtverletzungen Sachverhalt: Berater empfiehlt 1998 eine hochspekulative Anlage und klärt nicht über die Rückvergütung auf Dezember 2011: Klage des Anlegers wegen nicht anlegergerechten Beratung ich bin konservativ 2012: Gericht lässt durchblicken, dass der Anleger doch nicht konservativ war und eine spekulative Anlage gepasst hat 2012: Anleger beruft sich auf verschwiegene Rückvergütung Frage: Reichweite der Hemmung? Nur (vermeintlicher) Anspruch wegen nicht anlegergerechten Beratung? Oder auch Anspruch wegen verschwiegener Rückvergütung?
24 Hemmung bei mehreren Pflichtverletzungen OLG-Rechtsprechung: Jede Pflichtverletzung begründet einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch Verjährung beginnt für jeden materiell-rechtlichen Anspruch (also für jede Pflichtverletzung) gesondert zu laufen Also: Hemmung bezieht sich auf den materiell-rechtlichen Anspruch Folge: Einzelne Pflichtverletzungen müssen genannt werden BGH (NJW 2015, 236 Rn. 145 f.; BKR 2015, 216 Rn. 1): Hemmung bezieht sich auf den prozessualen Anspruch, also auf den gesamten Streitgegenstand Prospekt und Beratung sind einheitliche Lebenssachverhalte Folge: Hemmung umfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, auch wenn nur eine Pflichtverletzung gerügt wird
25 Hemmung bei mehreren Pflichtverletzungen Bewertung im Schrifttum: BGH sei zu anlegerfreundlich stimmt es wirklich? BGH ist konsequent 204 I BGB bezieht sich auf den prozessualen Anspruch Zusammenspiel mit der Rechtskraft: Wird die Klage wegen eines Fehlers rechtskräftig abgewiesen, erstreckt sich die Rechtskraft auf andere Fehler BGHZ 198, 294 = NJW 2014, 314; OLG München WM 2014, 743 Präklusionsvorschriften in 296, 296a, 530, 531 ZPO
26 Individualisierung bei 204 I Nr. 3, 4 BGB Inhalt der Anträge bei Prospekthaftung (BGH NJW 2015, 236 Rz. 146): Einzelheiten zum Investitionsobjekt (Bezeichnung des Finanzprodukts + Zeitpunkt der Investition) Bezeichnung des angeblich fehlerhaften Prospekts Inhalt der Anträge bei Beraterhaftung: Einzelheiten zum Investitionsobjekt Einzelheiten zum Beratungsgespräch, z.b.: Zeitraum des Beratungsgesprächs; konkretes Datum nicht nötig Ort des Beratungsgesprächs, z.b. bei einer Bank mit mehreren Filialen Nicht nötig: Person des Beraters Individualisierung im außergerichtlichen Schreiben möglich
27 Missbrauch des Mahnverfahrens Ausgangspunkt: In der Regel will der Anleger die Rückabwicklung der Investition ( großer Schadensersatz ) Also: Er muss das Finanzprodukt an den Gegner übertragen (Grundsatz der Vorteilsausgleichung) Problem: Nach 688 II Nr. 2 ZPO ist das Mahnverfahren unzulässig, weil der Anleger eine Gegenleistung schuldet Nach 690 I Nr. 4 ZPO muss der Anleger erklären, dass ein Fall des 688 II Nr. 2 ZPO nicht vorliegt Lösung: Auch unzulässige Mahnanträge hemmen die Verjährung Aber: Bei bewusst wahrheitswidriger Erklärung nach 690 I Nr. 4 ZPO Rechtsmissbrauch nach 242 BGB
28 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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