Auch jetzt noch scheint es mir unglaublich, dass ich tatsächlich in einer akzeptablen Zeit angekommen bin.

Transkript

1 Der Grosse Tag Auch jetzt noch scheint es mir unglaublich, dass ich tatsächlich in einer akzeptablen Zeit angekommen bin. Das Marathon Laufen erlebt zur Zeit einen echten Boom. Die Läufe erleben einen Teilnehmer Rekord nach dem anderen, obwohl die Vorbereitun g auf einen Marathon eine echte Plackerei ist. Je besser die Vorbereitung desto leichter und eindrücklicher kann ein Marathon werden sein. Für das nächst Jahr habe ich mir aber ebenfalls vorgenom men, mal an einem großen Stadtmarathon (Zürich, Rhein- Ruhr, Köln) teilzunehmen. Gestern um dieses Zeit, als ich völlig erschöpf t unter der Dusche stand, hätte ich das sicherlich nicht gesagt. Heute sieht es aber schon wieder ganz anders aus. Mein erster Marathon wird mir wohl ewig im Gedächtnis bleiben. Auch die Zeit mit 4:26 (netto) werde ich so schnell wohl nicht vergessen. Es fing wirk lich gut an. Pünktlich um 09:00 fiel der Startschuss und fast 30'000 Läufer setzten sich langsam in Bewegung. Ich benöti gte von meinem Hinteren Startplatz allein ca. 15 Minuten bis zur eigentlichen Startlinie. Aber eins nach dem anderen. Es wird Ernst. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg und folgten der Schlange von Läufern Richtung Reichstag. Der Platz vor dem Reichstag ist für die Läufer reserviert und Abgesperr t - er sieht wunderschön aus, einige Läufer liegen auf dem Rasen und andere spazieren herum. Wir stellen uns schon mal an den Dixi Klos an, denn die Schlange ist noch erträglich. Danach gehen wir zu den Kleider LKWs und geben unsere Beutel ab, ich überstrei fe mir mein todschickes altes blaues T- Shirt und bewege mich in einer grossen Kolonne aus Läufern Richtung Start. Im Menschengewi r r finde ich nach kurzem Suchen den Startblock H in dem ich eingeteil t bin und versuche in Laufrichtun g links einen Platz zu finden. Nur nicht zu schnell starten geht mir in diesem Moment durch den Kopf. Ich schaue in den Himmel und sehe 3 Hubschrauber die über unseren Köpfen kreisen, ein Gänsehautgefü hl komm t in mir hoch... Wahnsinn irgend wie alles. Den Startschuss selbst höre ich nicht, bin zu weit davon entfernt, es geht auch nicht vorwärts, ich sehe ab und zu auf meine Uhr und denke bei mir "na, jetzt müssen sie doch den Startschuss schon gegeben haben". Aber hier hinten im Startblock H geht es noch nicht vorwärts und ich denke schon jetzt mit Grausen an meine Bruttozeiten. Dann setzt sich die Masse langsam gaaaaanz langsam in Bewegung - ich komme mir wie auf einer Demo vor, von der Geschwind ig kei t komm t es mir so vor und Anzeichen, das wir bald einen Marathon laufen gibt es nur, da alle Menschen Laufsachen tragen. Und erst kurz vor dem Startband setze ich mich wirklich in Bewegung und als ich über die Zeitmatte laufe - drücke ich meine Stoppuhr, ab jetzt läuft meine Zeit.

2 KM 05 Der Lauf beginnt an der Siegessäule entlang der Strasse des 17. Juni, geht von dort weiter zum Reichstag Richtung Fernsehtur m (Alex). Bereits hier beginnt die Blase eindeuti ge Signale auszusenden und mich zu einer kurzen Zwangspause an einem Baum einzuladen. KM 10 Die ersten 10 Kilometer sind geschafft, es läuft super. Die Temperatur stimm t, die Leute an der Strecke feuern einen an. Aber ich hätte vielleicht doch etwas weniger trinken sollen und nutze die Gelegenheit in einem Mittelstrei fen mich zu erleichtern. KM 11 Wenn ich bedenke das die Favoriten bereits vor ca. 19 Minuten (Männer) bzw. 14 Minuten (Frauen) hier entlanggelaufen sind... Aber ich versuche diese Gedanken zu Verdrängen.

3 KM 15 Ein leicht ziehender Schmerz in den Oberschenkeln mahnt mich zur Vorsicht und zur Mässigung meines Lauftempos. Auch meine Blase ermöglicht mir erneut eine kleine Pause. Hatte ich wirklich so viel Flüssigkeit zu mir genommen ging es mir immer wieder durch Kopf, aber meine Angst vor zu wenig Flüssigkeit war doch grösser. KM 19 Hier erfahre ich, dass der Sieger bereits in neuer Weltrekord Zeit im Ziel ist. Die Sprüche an der Strecke: Immer wieder schön zu lesen "Quäl dich du Sau", den mag ich besonders :- ) oder Papi beeile Dich wir haben Hunger. KM 21 Es geht weiter Richtung Kreuzberg, von dort nach Schöneberg bald ist die erste Hälfte geschaff t. Langsam wird es immer wärmer, die Sonne setzt sich durch und die Temperatur beträgt bereits 21 Grad. Die Unterstützu n g durch die Zuschauer ist enorm. Überall gibt es Musik und kleinere Parties die mich von etwaigen schwächen Ablenken. Nur meine Blase ist an diesem Tag nicht zu bremsen. Ich finde ein wenig neben der Laufstrecke finde ich einen durstigen Strauch zum bewässern. KM 26 Die Strecke verläuft Richtung Steglitz und wird bald am wilden Eber vorbeifüh ren auf den ich schon sehr gespannt bin. Ab dort heisst es dann Lass die Sau raus. Ob mir das wohl noch gelingen wird? KM Am wilden Eber ist echt "der Bär los". So viele Menschen die hier stehen und uns anfeuern. Ganz besonders haben es mir die Chearleader angetan, die hier standen und sicherlich nur auf mich gewartet haben. Von dort aus begleitet mich eine Motorrad Kamera die Unterwegs für einen Berliner Lokal Sender Beiträge produzier t. KM 33 Vom wilden Eber geht es weiter Richtung Wilmersdor f, von dort zur Kaiser - Wilhelm - Gedächtnis Kirche. Langsam merke ich wie die Kräfte schwinden. Aber meine mitgenom menen Bonbon füllten den Zuckerhaushalt wieder auf und das Gehirn sendete wieder positivere Signale aus. Ich sage mir, mehr als ¾ der Strecke hast du schon geschafft, den Rest mit einer kurzen Verpflegungspause bei Km 35 wirst du auch noch schaffen.

4 KM 37 Ein aufgestellter Polizist animier t die schwächelnden Läufer und verweisst bei ungehorsam darauf, dass Wiederstand gegen die Staatsgewalt strafbar ist. Dem konnte sich nun keiner entgegenstellen. KM 40 Es geht vorbei an der Philharmonie, am Konzerthaus Berlin und an der Staatsoper, zum Glück sind es jetzt nur noch 2,195 Km bis zum Ziel. Die Sonne hat sich richtig durchgesetzt und die Temperatur beträgt jetzt 25 Grad. KM 41,7 Es geht dem Endstück entgegen, die letzten Kilometer entlang "unter den Linden", und ganz vorne kann man schon das Brandenburger Tor sehen. Ab hier wird man von den Zuschauern förmlich ins Ziel getragen! Wer hier angekom men ist, wird es garantier t noch bis zum Ziel schaffen... Ziel Nach dem Brandenburger Tor folgen die letzten 500 Meter zum Ziel. Jetzt noch einmal die Zähne zusammenbeissen und "Gas geben". Das Ziel ist überquert und ich bin überrascht wie gut es mir eigentlich noch geht. Ich nehme eine Plastik Folie und gehe an den Massage Bänken entlang zu meinem Kleider LKW. Hier kann ich einen Moment Relaxen und mache mich auf den Heimweg.

5 Der Heimweg Vom Reichstag aus gehe ich langsam imm er den anderen Läufern folgend zur Bahnstation, immer Hinterkop f wie ich die langen steilen Treppen zum Perron nur meistern soll. Dies erwies sich erstaunlicher Weise als unkompliziert. Angekom men am Bahnhof Zoo konnte ich dem Duft einer frisch zubereiteten Curry Wurst nicht wiederstehen, verspeiste Sie mit Genuss und füllte meinen Flüssigkeitshaushalt mit einem wohl temperier ten Königs Pils.