Deutschland Ein Wintermärchen
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- Benedict Richter
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Deutschland Ein Wintermärchen Nachdem aufgrund des hartnäckigen Winters diverse RTF s und Frühjahrs-Radrennen abgesagt wurden, konnte man am 23.März endlich mal wieder in Gruppe(n) und mit netten Leuten eine längere organisierte Radtour unternehmen. Der 200er von ARA-BB stand unverrückbar auf dem Plan. Nachdem es in der Woche davor noch einmal ordentlich geschneit hatte (10-20cm) und der Wetterbericht die ganze Woche unbeirrbar kräftigen Ostwind sowie Temperaturen im Dauerfrostbereich versprochen hatte, war eine außergewöhnliche Tour schon vorab zu erwarten. Aufgrund der Schneeverhältnisse hatte unser Organisator Ralf kurzfristig noch eine geänderte Route ausgearbeitet, welche kleinere Straßen und Radstraßen vermied. Dies war eine weise Entscheidung. Ca. 40 unerschrockene und ausgehungerte Radfahrer trafen sich wie immer früh im Amstel-House in Moabit. Es waren verschiedenste Räder am Start. Vom Rennrad über Crosser, MTB s bis zu verschiedensten Tourenrädern sowie Velomobilen war so ziemlich alles vertreten. Pünktlich um 7:00 Uhr ging es bei ca. -8 C los. Zügig ging es aus der Stadt Richtung Storchendorf Linum (aufgrund der Wetterverhältnisse noch ohne Störche). Der Wind kam von hinten, alle waren locker drauf entspannte Gespräche wurden geführt. Schließlich gab es nach langer Zeit viel zu erzählen. Die Sonne schien und verzauberte die winterlichen Felder und Wälder mit einer unglaublich Fülle an Licht. Am Himmel immer wieder Schwärme von Wildgänsen. Tolle Bilder, die wohl jeden beeindruckten. Erste Kontrolle war der Autobahn-Rasthof Linum. Bis hier waren die Gruppen noch gut beisammen. Danach gab es dann die ersten Schneeverwehungen auf den Straßen, die aber noch ganz gut, wenn auch mit Vorsicht zu durchfahren waren. Zügig ging es weiter nach Rathenow, wo der befürchtete abrupte Richtungswechsel von westlicher auf östliche Fahrtrichtung anstand. Hier konnte man sich eine frei zu wählende Kontrollstelle suchen.
2 Ca. 110km waren bis hier zurück gelegt. Dass damit noch längst nicht die Hälfte vorbei war, war wohl jedem bewusst. Was nun kam hatte wohl noch keiner der Teilnehmer in dieser Art und Weise vorher schon einmal erlebt. Ein gnadenloser eisiger Ostwind von 4-5bft direkt oder schräg von vorn. Es wurde laut, sehr laut unterm Helm. Ich vermute, dass sich ab hier so einige Gruppen im Wind auflösten. Ich war schon einige Zeit Einzelkämpfer, traf aber immer wieder vereinzelte Fahrer. Den Velomobil-Fahrer, der mich mindestens 3 mal überholte (?) habe ich natürlich wegen seines Vollkörperschutzes beneidet. Ob er wohl an dieser Stelle genügend Bodenfreiheit hatte?? Nach Rathenow gab es dann auch einige Teilnehmer, die sich den harten Rest der Tour
3 nicht antun wollten bzw. konnten und einen Bahnhof ansteuerten. Von Rathenow bis nach Brandenburg (3. Kontrolle) waren es zum Glück nur ca. 35km. Hier traf ich an einer Tankstelle gerade noch meine alte Gruppe, die schon wieder aufbrach. Die Abschnitte mit freiem Feld zu beiden Seiten waren verdammt hart zu fahren, da man dem Wind voll ausgesetzt war. Zeitweise fuhr ich in der Ebene 36/27! Hier war eine sehr starke Psyche gefragt. Meine Gedanken fokussierten sich immer wieder auf die in der Ferne sichtbaren Waldstücken oder Ortschaften, die dem Wind etwas seiner Kraft nahmen. Die Kilometer nahmen langsam ab, sehr langsam. Da ich allein war, hielt ich nun öfter an. So konnte ich fotografieren und immer wieder mal etwas trinken. Die Landschaften waren bei diesem Licht wirklich toll anzusehen.
4 Und dann sah ich etwas, das mich wirklich verblüffte. Offensichtlich vollkommen entkräftete Wildgänse in großer Menge auf der Suche nach Futter auf den zum Teil schneefreien aber hart gefrorenen Feldstücken. Wenn man bedenkt, welche Entfernungen diese Tiere nonstop und ohne zu fressen zurück legen das sind echte Randonneure. Da hatte ich als einziger Gast in einem netten Dorfcafé kurz vor Kladow mehr Glück. Ein gutes Stück Kuchen, ein heißer latte machiato und ein netter Plausch mit der Inhaberin und meine Kampfeslust war wieder da. Ein vorletzter Stempel in einem Supermarkt in Kladow. Hier wurde ich noch einmal nett überrascht: Ein junger Mann am Bäckerstand sagte Ich habe keinen Stempel, aber geh n se mal zu der Frau da beim Gemüse. Eine Mitarbeiterin sortierte Obst in die Auslagen und auf meine Frage nach einem Stempel unterbrach sie sofort ihre Arbeit und sagte supernett na klar, aber sicher, natürlich, kein Problem, Moment... und verschwand kurz hinter einer Tür mit der Aufschrift Kein Zutritt. 30 Sekunden später war sie mit meiner gestempelten Karte wieder da und überreichte sie mir mit gern, wirklich gern, kein Problem, wirklich.. und nahm lächelnd ihre Arbeit wieder auf. U. a. wegen solcher Momente liebe ich Brevets. Nun begann ein sich lang hin ziehender Endspurt durch die Häuser- und Straßenfluchten von Berlin, immer noch mit starkem Gegenwind und gewürzt mit viel Verkehr. Wie erwartet kam ich mit der Dämmerung gegen 18:20 Uhr nach 208km abgekämpft aber glücklich im Ziel an. Wie ich die warme Dusche genossen habe, kann sich wohl jeder vorstellen. Fazit: Ein wirklich außergewöhnlicher 200er, den wohl keiner der Teilnehmer vergessen wird. Hier noch meine aufgezeichnete Strecke:
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