Markus Zeidler, Peter Onneken, Frank Konopoatzki, Jürgen Döschner

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1 Zur Beachtung! Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins. Beitrag: Fracking: Wem die Technologie wirklich hilft Bericht: Datum: Markus Zeidler, Peter Onneken, Frank Konopoatzki, Jürgen Döschner Georg Restle: Wenn das Wort Fracking fällt, teilen sich in Deutschland die Lager. Die einen sehen darin die große Chance, von Gaslieferungen aus Russland endlich unabhängig zu werden. Die anderen befürchten größte Gefahren für Umwelt und Trinkwasser. Seit ein paar Wochen hat die Diskussion wieder richtig Fahrt aufgenommen. Das hat ganz sicher mit dem Ukraine-Konflikt zu tun, aber auch damit, dass der Energieriese ExxonMobil gerade mit einer breit angelegten Werbekampagne versucht, die deutsche Bevölkerung von den Vorteilen von Fracking zu überzeugen. Und auch in der Regierungskoalition mehren sich plötzlich die Pro-Fracking- Stimmen. Gestützt von Experten, die die Kritik am Fracking als völlig unwissenschaftlich abtun. Wir haben uns zwei einfache Fragen gestellt: Wem nutzt Fracking in Deutschland eigentlich und wie unabhängig sind die Gutachter der Bundesregierung? Es ist eine skurrile Demonstration. Exxon-Techniker bei der Verkostung der eigenen Frac- Flüssigkeit. Exxon-Techniker: Wenn s denn der Sache dient, trinken wir das jetzt. Na gut, zum Wohl! Alles ungefährlich, macht nicht mal Durchfall, so die Botschaft. Und der Vorstandschef von ExxonMobil in Deutschland beteuert in einem Firmenvideo, wie harmlos, wie sauber Fracking hier funktionieren könnte. Reporterin: Mal Hand aufs Herz, wenn in der Nähe Ihres Hauses gefrackt würde, dann sähe das Ganze doch schon wieder anders aus, oder?

2 Monitor vom Fracking: Wem die Technologie wirklich hilft 2 / 5 Gernot Kalkoffen, ExxonMobil: Absolut nein, also ich hab vollkommenes Vertrauen in unsere Mitarbeiter und Vertrauen in unsere Technik. Und irgendwo muss das Erdgas ja herkommen. Und wenn es aus Deutschland kommt, umso besser. Und wenn es aus meinem Garten kommt, hätte ich auch kein Problem damit. Vielleicht sieht es in Kalkoffens Garten bald so aus: Denn sein Unternehmen will in Deutschland mit Hilfe des Fracking an Erdgas aus den Schiefergesteinsschichten. Mit hohem Wasserdruck wird das Gestein gesprengt und bislang mit allerlei zum Teil auch giftigen Chemikalien Erdgas gefördert. So gelangt auch ein Mix aus Schadstoffen an die Oberfläche. Vor allem in den USA ist Fracking das Thema der Energie-Giganten und Exxon ist der größte Spieler bei der Shale Revolution, dem Schiefergestein-Gas-Boom. Es geht um den ganz großen Profit. Isaac Arnsdorf, Bloomberg (Übersetzung MONITOR): Da gibt es sicher eine große Begeisterung, nicht nur bei Exxon in der gesamten Öl- und Gas-Industrie die sogenannte Shale revolution in die ganze Welt zu exportieren, und den Erfolg zu reproduzieren, den wir hier in den USA gesehen haben. Und so wirbt Exxon auch in Deutschland massiv fürs Fracking! Der Großkonzern scheint die Gunst der Stunde zu nutzen. Jetzt, wo die Gasabhängigkeit von Russland in aller Munde ist. In einer Anzeigenkampagne erklärt Exxon: Fracking helfe die Gasversorgung verlässlich und ausreichend sicherzustellen: Und das bei höchsten Umweltstandards und giftfrei. Für den Vorstandsvorsitzenden scheint die Diskussion damit dann eigentlich auch beendet. Gernot Kalkoffen, ExxonMobil: Was mir schwerfällt zu verstehen ist, dass die Leute grundsätzlich per se dagegen sind, obwohl alle Studien sagen, diese Technologie kann man verantworten. Alle Studien? Das sieht das Umweltbundesamt (UBA) anders. Die Behörde selbst hat gleich zwei Studien in Auftrag gegeben. Seither spricht das UBA beim Fracking von einer Risiko- Technologie. Doch dieser Mann sorgte vor wenigen Wochen für Furore in der Fracking-Szene. Uwe Dannwolf, der Autor der aktuellen UBA-Studie, will von einer Technologie mit unbeherrschbaren Risiken nichts wissen. Uwe Dannwolf, Gutachter: Zu sagen, wir haben hier eine Risikotechnologie, die deutlich darüber hinausgeht, was andere Technologien angeht, dem können wir so nicht folgen.

3 Monitor vom Fracking: Wem die Technologie wirklich hilft 3 / 5 Reporter: Das heißt, Sie halten es durchaus für beherrschbar? Uwe Dannwolf, Gutachter: Ja, sicherlich. Alles beherrschbar? Ein Gutachter widerspricht öffentlich seinem Auftraggeber außergewöhnlich genug. Aber noch viel bemerkenswerter. Er widerspricht seiner eigenen Studie: Dort sieht Dannwolf durchaus noch Forschungsbedarf. Etwa: Zitat: ob und wie die Rissausbreitung [...] beherrscht werden kann; und vor allem: Zitat: ob und wie die Grundwassersituation beherrscht werden kann. Mit uns will Dannwolf über diese Widersprüche nicht sprechen, erklärt aber schriftlich, diese Empfehlungen seien im Gesamtkontext zu sehen. Aber warum stellt er seinen Auftraggeber, das Umweltbundesamt, öffentlich bloß, und setzt damit seinen Ruf als Gutachter aufs Spiel? Bemerkenswert ist die Liste seiner bisherigen Arbeitgeber. Da ist etwa der Name Amec. Der Amec-Konzern ist unter anderem im Anlagenbau für die Öl- und Gasindustrie tätig. Dannwolf war Geschäftsführer der Amec Earth & environmental GmbH. Das verschweigt er auf seiner Firmenhomepage. Schriftlich erklärt er uns dazu: Zitat: Es gab dabei keine Berührungspunkte mit den erdöl-/erdgasnahen Abteilungen bei Amec. Die Earth & environmental sei ein unabhängiges Umweltbüro gewesen. Unabhängig? Fest steht. Das Büro, für das Dannwolf tätig war, war eine Tochter des Amec-Konzerns, der Geschäfte mit der Öl- und Gasindustrie macht. Rückenwind bekommt Exxon auch von anderer Seite. Gleich mehrere geologische Dienste aus Europa meldeten sich vor kurzem zu Wort. Geologen beteuern öffentlich: In der Wissenschaft gebe es längst einen Konsens. Fracking sei beherrschbar. Wirklich? Wir fahren nach Amerika ins Mutterland des Frackings. Professor Mitchell Small hat die Expertengruppe des Nationalen Forschungsrates der Vereinigten Staaten geleitet, die die Risiken der Schiefergasförderung erforschen sollte. Prof. Mitchell Small, Carnegie Mellon University (Übersetzung MONITOR): Ich kann keinen Konsens erkennen. In der Erdgasindustrie und bei den Geologen, die mit ihr zusammenarbeiten, mag man ja das Gefühl haben, dass die meisten Punkte bei der Schiefergasförderung unter Kontrolle sind. Und für viele Fragen stimmt das ja auch. Aber einen Konsens gibt es nicht. Vor

4 Monitor vom Fracking: Wem die Technologie wirklich hilft 4 / 5 allem, wenn sie mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen sprechen, wenn es um Luft- oder Wasserverschmutzung geht und die Folgen für das Ökosystem. Berlin diese Woche. Wieder einmal gehen Menschen gegen Fracking auf die Straße. Haben die Kritiker also doch Recht? Fest steht, immer noch gibt es ungeklärte Risiken. Die Fracking- Befürworter in der Politik kontern daher mit einer ganz anderen Karte. Michael Fuchs, CDU/CSU MdB, : Wir werden uns sehr intensiv mit dem Thema Fracking zu beschäftigen haben. Es wird Sie nicht wundern, dass ich das noch kurz erwähnen muss, aber mir macht es einfach Sorge, wenn ich weiß, dass Deutschland heute mit 40 % von russischem Gas abhängig ist. Fracking, wichtig für weniger Abhängigkeit von Importen aus Russland? Die Versorgungssicherheit ist eines der Hauptargumente von Exxon. Doch führende Energie- Experten und der Sachverständigenrat der Bundesregierung widersprechen entschieden. Prof. Heidi Foth, Sachverständigenrat für Umweltfragen: Gemessen am Gesamtbedarf sind die in Deutschland vorhandenen Vorkommen zu gering, um energiepolitisch bedeutsam zu sein, ohne die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Prof. Claudia Kemfert, Dt. Institut für Wirtschaftsforschung: Mit mehr Hoffnung, dass das Fracking sehr große Mengen liefern könnte. Wir haben in anderen europäischen Ländern gesehen, dass das nicht der Fall ist. Auch in Deutschland wird man das kaum erreichen können, sodass wir uns doch auf andere Beine stellen sollten, und nicht auf Fracking. Worüber reden wir also? In Deutschland vermuten Experten etwa 13 Billionen Kubikmeter Gas im Schiefergestein. Technisch abbaubar sind davon gerade einmal 1,3 Billionen. Und rentabel abbaubar, außerhalb von Schutzgebieten sind es gerade noch 0,2 Billionen Kubikmeter. Diese Menge würde gerade einmal für zweieinhalb Jahre den deutschen Erdgasverbrauch abdecken. Volkswirtschaftlich bringt Fracking also wenig, aber für Exxon geht es um viel. Isaac Arnsdorf, Bloomberg (Übersetzung MONITOR): Hier warten alle darauf, dass der Schiefergas-Boom auch außerhalb der USA beginnt. Und wenn es für Exxon in Deutschland klappt, dann könnte das der Durchbruch sein. Jetzt geht Exxon mit einem neuen Versprechen in die Offensive. Einer Frac-Flüssigkeit frei von giftigen Zusätzen. Dass man die neue entwickelte Flüssigkeit trinken kann, beweisen die Bilder. Mehr allerdings nicht, wie Exxon eingestehen muss.

5 Monitor vom Fracking: Wem die Technologie wirklich hilft 5 / 5 Harald Kassner, ExxonMobil: Sie haben völlig Recht, es hat keine Beweiskraft dafür, dass es funktioniert. Manchmal versucht man, mit Bildern etwas zu unterstützen. Was verbal nicht so gelingt. Natürlich muss man diese Mittel genau probieren, in einem Frac. Dann wissen wir aber, dass es funktionieren würden. Reporter: Aber der Praxistest, der steht noch aus? Harald Kassner, ExxonMobil: Der Praxisitest an einer Schiefergasbohrung in deutlich steht noch aus. Die Diskussion um Fracking ist nicht beendet. Die Frage bleibt, warum soll Deutschland sich für eine Technik einsetzen, die hier niemandem wirklich nutzt, außer einem der größten Energiekonzerne der Welt? Georg Restle: Am Ende der großen Exxon-Anzeigen steht immer der schöne Satz: Begleiten Sie uns kritisch! Darauf können Sie Gift nehmen.