Pernilla Gesén. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer Illustrationen von Christina Alvner

Transkript

1 Pernilla Gesén

2 Pernilla Gesén Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer Illustrationen von Christina Alvner

3 Henrik aus Henriksdal Elsa geht mit ihrem Hund Alf spazieren. Sie hat Alf an die Leine gelegt, weil es Leute gibt, die vor Hunden Angst haben. Dabei ist Alf der süßeste Hund der Welt. Er hat Elsa furchtbar lieb, ist immer zu lustigen Streichen aufgelegt und ist Elsas bester Freund. Zumindest hier in Stockholm bei Elsas Mama Elena. Mama und Elsa sind nämlich von Västerås nach Stockholm gezogen, weg von Elsas Papa Jens. Etwas Dümmeres kann eine Mutter gar nicht machen, findet Elsa. Wie kann man nur von einem Papa wegziehen und auch noch sein Kind dazu zwingen mitzukommen? Elsa hätte doch genauso gut bei Papa bleiben können, oder nicht? Jetzt wohnt sie in der doofen Stadt Stockholm, im doofen Stadtteil Henriksdal, wo es eine Menge doofe gelbe Hochhäuser gibt, die hoch oben auf einem doofen Hügel liegen. Elsa beschwert sich, sooft sie kann, aber Mama sagt jedes Mal bloß: Wart s nur ab, bald fühlst du dich hier pudelwohl! Das glaubt Mama natürlich nur, weil sie selbst die ganze Zeit so gute Laune hat. 7

4 Am Anfang, als Elsa frisch hierher gezogen war, ist sie ausgerissen, zurück zu Papa. Damals war sie so wütend, dass sie mit dem Zug von Stockholm bis nach Västerås gefahren ist, ohne Fahrkarte! Ganz so wütend ist sie inzwischen nicht mehr, denn jetzt hat sie ja Alf. Elsas Mama hat einen neuen Job, der ihr Spaß macht. Es ärgert Elsa, dass Mama immer so gut gelaunt ist. Als sie noch bei Papa gewohnt haben, war Mama oft sauer. Jens und ich, wir haben uns andauernd gestritten. Darum ist es gut, dass ich mit dir weggezogen bin, erklärt Mama. Aber Elsa hat Heimweh nach ihrem Papa. Da hilft auch Alf nichts. In Henriksdal wohnen ist nicht dasselbe wie daheim im Reihenhaus. Und Fabian, ihr Nachbar hier in Henriksdal, lässt sich absolut nicht mit Tora vergleichen. Sie ist Elsas beste Freundin in Västerås und wohnt dort im Nachbarhaus. Früher haben Elsa und Tora jeden Tag miteinander gespielt. Elsa vermisst sie furchtbar! Jetzt zieht Alf an der Leine. Er ist ein sehr starker Hund. Es sieht aus, als hätte er eine Spur entdeckt. Er schnuppert eifrig im Gras und bellt laut und vergnügt. Im Nu hat er Elsa vom Weg weggezogen. Am liebsten würde Alf losrennen, so aufgeregt ist er. Da wird Elsas Laune auch gleich ein bisschen besser. Ein Abenteuer, das wäre toll! Vielleicht hat Alf ja einen geheimen Schatz erschnuppert? Oder er ist irgendwelchen Schurken auf der Spur? Kurz darauf stehen sie auf einem Fußballplatz. Ach so, Alf hat bloß Fabians Geruch in die Nase bekommen. Als ob das ein Grund wäre, sich so aufzuführen. Fabian ist nett, klar, aber noch lange kein bester Freund. Elsa lässt Alf von der Leine. Da schießt Alf wie eine Rakete auf Fabian zu, um ihn zu begrüßen! Fabian fällt fast um, als Alf an ihm hochspringt und ihm das Gesicht leckt. Komm rüber und spiel mit uns Fußball!, ruft Fabian und winkt Elsa zu. Erst jetzt sieht Elsa, dass Fabian nicht alleine ist. Hinter ihm steht ein Junge und dribbelt mit einem Ball. Es ist ein großer Junge, den Elsa bisher noch nie gesehen hat. Bestimmt ist er viel älter als sie. Plötzlich wird sie verlegen. Der große Junge kickt Fabian den Ball zu. Im Nu setzt Alf hinter dem Ball her. He, du da! Pass auf den Hund auf!, ruft der große Junge. Inzwischen hat Alf sich den Ball geschnappt. Jetzt legt er sich mit dem Ball zwischen den Vorderpfoten ins Gras. Fabian lacht. Komm her, Alf!, ruft Elsa. Aber Alf bleibt liegen. Auch der große Junge lacht. Heißt der Hund etwa Alf?, fragt er und lacht noch mehr. Elsa kommt sich blöd vor, und das hasst sie. Darum wird sie wütend. Und wie heißt du?, faucht sie. Henrik, antwortet der Junge. 8 9

5 In Henriksdal Henrik heißen, ist auch nicht so toll, schießt sie zurück. Dann geht sie zu Alf und legt ihn wieder an die Leine. Fabian nimmt den Ball und streichelt Alf am Kopf. Wer ist das?, fragt Henrik und deutet auf Elsa. Das ist meine Freundin Elsa, sagt Fabian. Sie ist jetzt immer tagsüber bei uns. Was? Muss die jeden Tag da sein?, fragt Henrik. Bloß bis die Schule anfängt!, sagt Elsa. Dann wird sie nachdenklich. Was soll das heißen: bei uns? Henrik wohnt doch gar nicht hier? Da fällt es ihr ein: Fabian hat ja einen großen Bruder, der bis jetzt im Feriencamp gewesen ist. Ein Glück!, sagt Henrik erleichtert. Elsa ist gekränkt. Sie will, dass Alf Henriks doofen Fußball kaputt beißt. Aber das sagt sie Alf nicht. Schließlich ist Henrik ein großer Junge. Er würde bestimmt stinksauer werden. Schnell zieht Elsa Alf vom Fußballplatz weg. Ihr Sommer ist hinüber! Soll sie jetzt etwa jeden Tag in einer Wohnung mit Fabians großem Bruder verbringen? Nie im Leben! Wenn Mama zur Arbeit geht, wird Elsa alleine zu Hause bleiben. Immerhin ist sie schon fast acht Jahre alt. 10

6 Bürotag mit Mama Elsas Mama ist ziemlich dickköpfig. Doch zum Glück ist Elsa noch dickköpfiger als sie. An diesem Morgen sitzt Elsa am Frühstückstisch und guckt zu, wie ihre Mama gestresst durch die Wohnung hetzt. Bitte, Elsa, ich will nicht, dass du einen ganzen Tag allein zu Hause bleibst, sagt Mama, als sie gerade zur Küche herein- und gleich wieder hinaushastet. Elsa antwortet ihr nicht, sondern macht Alf ein Brot. Heute kriegt er Käse obendrauf. Alf liebt Käse. Mama taucht wieder in der Küche auf, um ihren Kaffee auszutrinken. Sie lehnt an der Spüle, sieht Elsa und Alf an und seufzt gestresst. Von mir aus. Wenn du nicht bei Fabian sein willst, nehme ich dich mit zur Arbeit, entscheidet sie. Aber nur heute! Eine Superidee, findet Elsa. Manchmal ist Mama doch nicht so dumm! Mama zur Arbeit zu begleiten, das wird echt spannend. Mamas Firma ist nämlich mitten in der Stadt. Das heißt, dass sie mit der U-Bahn fahren müssen. Und U-Bahn- Fahren ist toll! Als Elsa bei Fabian klingelt, befürchtet sie schon, dass Henrik aufmacht. Aber es ist Fabians Vater Magnus, der an die Tür kommt. Heute braucht ihr bloß auf Alf aufzupassen. Ich fahr mit Mama zur Arbeit, erklärt Elsa. Magnus kratzt sich verwirrt am Kinn. Aha. Na, dann komm mal rein, Alf!, sagt er. Aber vorher muss Elsa sich von Alf verabschieden. Er wird sie natürlich schrecklich vermissen. Elsa streichelt ihm tröstend den Kopf und drückt ihn dann fest an sich. Bis bald!, sagt sie aufmunternd. Alf guckt Elsa traurig an. Oh, es ist wirklich schlimm, seinen geliebten Hund bei einem Doofmann wie Henrik lassen zu müssen. Wenn du willst, darfst du in Henriks Fußball beißen. Aber bloß ganz vorsichtig, flüstert sie Alf ins Ohr. In der U-Bahn-Station ist es voll: lauter Erwachsene, die es eilig haben. Mama hat es auch eilig. Elsa muss rennen, um mit ihr Schritt zu halten. In letzter Minute schaffen sie es in die Bahn, dann gehen schon die Türen zu. Im Wagen ist es eng, nirgends ein Platz zum Hinsetzen. Elsa wird zwischen den vielen Erwachsenen eingequetscht. Mama redet die ganze Zeit mit ihrem Handy. Wenn Elsa etwas zu ihr sagt, hört sie gar nicht zu. Hier in der U-Bahn ist Mama ganz anders als sonst. Norma 12 13

7 lerweise ist Mama nicht so gestresst, und es gibt immer irgendwo einen Platz zum Hinsetzen. Plötzlich ist es Elsa heiß, und sie findet es furchtbar anstrengend, Mama zur Arbeit zu begleiten. Sie bereut es fast, mitgekommen zu sein. Aber nur fast. Als sie aus der U-Bahn-Station heraufkommen, sind sie mitten in der Stadt. Mama arbeitet in einer Werbefirma, deren Büros zwischen einem vornehmen Laden und einem eleganten Café liegen. Dort bestimmt Mama, wie die Bilder in der Werbung aussehen sollen. Kaum haben sie das Büro betreten, wird Elsa schüchtern. Viele fremde Erwachsene kommen auf sie zu und wollen sie begrüßen. Sieht genauso aus wie ihre Mutter!, bemerkt eine junge Frau in einem schicken Kostüm. Bist wohl ein bisschen schüchtern, was?, fragt ein Mann im Anzug. Doch da knurrt Elsa. Die Leute sollen sie nicht mehr anstarren. Mama nimmt Elsa an die Hand und geht mit ihr zu ihrem Arbeitsplatz. Dort sitzt Elsa dann neben Mama am Schreibtisch und malt. Mama arbeitet und arbeitet, hat keine Minute übrig, um einen Kaffee zu trinken oder um sich irgendwas auszudenken, was Elsa malen soll. Nicht jetzt, sagt sie immer wieder. Elsa malt ein Mädchen mit einem Hund und eine große schöne Sonne. Dann fällt ihr nichts mehr ein, was sie malen könnte. Mama telefoniert gerade, also macht sich Elsa auf Entdeckungsreise durch das Büro. Aber überall sitzen oder stehen Leute, die arbeiten. Hier gibt es nichts zum Spielen. In der Küche ist ein junger Mann, der Elsa Gebäck und Saft gibt. Dann reicht er ihr einen Stapel Zeitschriften, die sie durchblättern darf. In den Zeitschriften sieht sie Fotos von Badestränden. Plötzlich bekommt Elsa schrecklich Lust, baden zu gehen! Draußen scheint die Sonne. Womöglich ist Fabian jetzt im Schwimmbad. Und Alf? Alf liebt Wasser. Ob da wohl jemand dran denkt? Henrik bestimmt nicht, denkt Elsa und verschränkt die Arme. Dieser doofe Henrik! Sie hat wirklich gar keine Lust mehr, bei Fabian zu sein. Mama kommt in die Küche. Da bist du ja! Fabians Vater hat gerade angerufen. Sie wollen ins Strandbad fahren, sagt sie fröhlich. Elsa bleibt mit verschränkten Armen sitzen. Wenn du willst, holen sie dich ab. Elsa schüttelt den Kopf. Musst du noch lange arbeiten?, fragt sie. Aber Schatz, ich hab doch gerade erst angefangen. Ich muss noch viele Stunden arbeiten. Können wir danach zum Baden fahren? Ich bin erst heute Abend fertig. Und dann müssen wir essen. An deiner Stelle würde ich mit Fabian ins Strandbad fahren, sagt Mama und schenkt sich Kaffee ein

8 Elsa hat ein Auge auf ihren Nachbarn Henrik geworfen. Blöd nur, dass der schon eine Freundin hat. Doch wenn Elsa sich etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt sie so schnell nicht locker. Schließlich ist sie sich sicher: Henrik mag sie auch, er weiß es nur noch nicht Ob ein Liebesbrief, Flamenco-Stunden und ein Auftritt als Lebensretterin daran etwas ändern? 9,90 [D] 10,20 [A]