Tenor. Gründe. OLG München, Beschluss v Ws 1109/13, 1 Ws 1110/13
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- Gretel Schumacher
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1 OLG München, Beschluss v Ws 1109/13, 1 Ws 1110/13 Titel: (Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung: Besitz kinderpornographischer Schriften als schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens; Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung) Normenketten: 57 Abs 1 176a Abs 2 Nr 1 184b Abs 4 Leitsätze: 1. Der Besitz kinderpornographischer Schriften gem. 184b Abs. 4 StGB kann - jedenfalls wenn diese den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gem. 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB zum Gegenstand haben - trotz der vergleichsweise geringen gesetzlichen Strafandrohung eine schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens und damit eine erhebliche Straftat darstellen. 2. Drohen vom Verurteilten bei einem möglichen Rückfall in delinquentes Verhalten (mindestens) solche Taten, führt dieser Umstand im Rahmen der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung zu erhöhten Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung. Schlagworte: Allgemeinheit, Besitz kinderpornographischer Schriften, Besitzverschaffung, delinquentes Verhalten, drohende Straftaten, drohende Taten, erhebliche Straftat, erhöhte Anforderung, Gefahr, Gegenstand, günstige Legalprognose, kinderpornographische Schriften, Kindesmissbrauch, Legalbewährung, negative Legalprognose, Rechtsfrieden, Rückfall, schwerer sexueller Missbrauch, schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, schwerwiegende Störung, Strafaussetzung zur Bewährung, Strafrestaussetzung, Wahrscheinlichkeit, Zweidrittelverbüßung Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom wird als unbegründet verworfen. 2. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe I. 1 Wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug in Tatmehrheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften verurteilte das Landgericht den Beschwerdeführer am (unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts vom ) zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten und (unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts. vom ) zu einer weiteren unbedingten Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten. 2 Im Übrigen sprach das Landgericht den Beschwerdeführer frei. Von einer Unterbringung des Beschwerdeführers gem. 63 StGB sah die Strafkammer ausdrücklich ab. 3
2 Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hatte, soweit die Strafkammer von einer Unterbringung des Beschwerdeführers nach 63 StGB abgesehen hatte, verhandelte das Landgericht im Umfang der Aufhebung den Sachverhalt erneut und sah mit Urteil vom wiederum von einer Unterbringung des Beschwerdeführers gem. 63 StGB ab. 4 Das Strafverfahren ist seit rechtskräftig abgeschlossen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Urteile Bezug genommen. 5 Der Beschwerdeführer verbüßt die beiden verfahrensgegenständlichen Freiheitsstrafen derzeit in der JVA. Der gemeinsame Zweidrittelzeitpunkt wird am und das Strafende am erreicht sein. 6 Durch den angefochtenen Beschluss vom hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die weitere Vollstreckung des jeweils letzten Drittels der beiden Freiheitsstrafen nicht zur Bewährung ausgesetzt und hat ein weiteres Reststrafengesuch vor Ablauf von 6 Monaten für nicht zulässig erklärt. 7 Gegen diese ihm am zugestellte Entscheidung hat der Verurteilte mit Schreiben vom , eingegangen bei Gericht am , sofortige Beschwerde eingelegt, wobei er sein Rechtsmittel zugleich begründete. II. 8 Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung entspricht der Sach- und Rechtslage. 9 Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts und tritt den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei. 10 Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, zu einer abweichenden Beurteilung der (negativen) Legalprognose des Verurteilten zu gelangen. 11 Der vielfach vorbestrafte Beschwerdeführer konnte oder wollte im Verfahren 2 Ds 12 Js 14457/05 weder die originäre Strafaussetzung zur Bewährung, noch die (nach Bewährungswiderruf und Teilvollstreckung) gewährte Reststrafenaussetzung zur Bewährung nutzen, um zu einer künftig straffreien Lebensführung zu gelangen. Er darf daher durchaus als Bewährungsversager bezeichnet werden. 12 Auch frühere Strafhaftzeiten haben ihn bislang nicht von neuen Straftaten abgehalten. Ganz offensichtlich kann oder will er sein Leben nicht so gestalten, dass es in Freiheit nicht zu der Begehung weiterer Straftaten kommt, weswegen durch weiteren Strafvollzug versucht werden muss, eine entsprechende Bereitschaft zu gesetzestreuem Verhalten beim Beschwerdeführer zu erreichen bzw. zu fördern.
3 13 Nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. in seinem schriftlichen, im Erkenntnisverfahren erholten und bei den Akten befindlichen Gutachten vom besteht beim Beschwerdeführer der hochgradige und gut begründete Verdacht einer sexuellen Devianz, und zwar einer fixierten Pädophilie, wobei es sich nicht nur um eine "pädophile Nebenströmung", sondern um eine "Kernpädophilie" handelt. 14 Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die fundierte Einschätzung des dem Senat langjährig als sehr sorgfältig bekannten Sachverständigen zu relativieren. 15 Der Senat gelangte insoweit nach kritischer Überprüfung der Ausführungen des Sachverständigen und nach nochmaliger Überprüfung der Urteilsfeststellungen zu dem beim Beschwerdeführer im gegenständlichen wie auch in einem früheren Strafverfahren gesicherten kinderpornographischem Material sowie bei nochmaliger Würdigung seiner dokumentierten Kontaktaufnahmeversuche zu Kindern zu der Überzeugung, dass beim Beschwerdeführer von einer Kernpädophilie auszugehen ist und nicht nur der begründete Verdacht besteht. 16 Hinzu kommt in diesem Zusammenhang als prognostischer Negativ-Verstärker, dass beim Beschwerdeführer eine Persönlichkeitsakzentuierung mit vor allem selbstunsicheren, ängstlichen und kontaktgehemmten Zügen vorliegt. Auch hier teilt der Senat nach kritischer Prüfung die Einschätzung des Sachverständigen. Eine solche Persönlichkeitsstruktur findet sich häufiger bei Straftätern, die Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern begehen. 17 Insbesondere auch aufgrund des Therapieverlaufs in der aktuellen Strafhaft sieht der Senat prognostisch die große Gefahr neuer Straftaten, die sich gegen die Integrität von Kindern richten. 18 Der im gegenständlichen Verfahren abgeurteilten Urkundenfälschung mit versuchtem Betrug (Tatzeitraum: bis ) liegt zugrunde, dass sich der Beschwerdeführer mittels eines gefälschten Zeugnisses eine Anstellung in einem Montessori-Kindergarten in F. erschleichen wollte. 19 Offensichtlich wollte er hierdurch den Objekten seiner sexuellen Phantasien auch physisch näher kommen. 20 Aus dem Urteil vom ergibt sich darüber hinaus, dass der Beschwerdeführer nicht nur versuchte, in dem vorgenannten Montessori-Kindergarten eine Anstellung zu bekommen und damit in die Nähe von Kindern zu gelangen, er versuchte dies offensichtlich auch noch in mindestens zwei weiteren Fällen (erfolglos): 2008 in einem Waldkindergarten in T. und 2009 in einem weiteren Waldkindergarten in F. 21 Darüber hinaus begann er 2008 einen SMS-Kontakt mit einem Mädchen namens J.", von dem altersmäßig nur bekannt ist, dass das Mädchen 2008 konfirmiert wurde. Zu einem - bereits verabredeten (!) - Treffen mit diesem Mädchen kam es nicht. 22
4 Im Jahr 2010 hinterließ der Beschwerdeführer auf einer Bank, auf der, wie ihm bekannt war, eine Neunjährige häufig las, ein Geschenk für diese, dem er eine Karte mit der Aufschrift "Kamasutra - Die Vielfalt der Liebeskunst" beigab. 23 Handschriftlich wandte er sich darin an das Mädchen unter der Anrede "Dear little girl, süßes Mädchen" und forderte das Mädchen auf, ihm zurückzuschreiben. Die Karte unterzeichnete er mit "Dein Leckerlimon". Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil vom Bezug genommen. 24 Ein vergleichbarer Vorfall lag dem im Urteil vom erfolgten Teilfreispruch zu Grunde. 25 Hier hatte der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Strafkammer einem 8-jährigen Mädchen ein Lillifee-Freundebuch geschenkt, in dem er u. a. seine Anschrift, seine telefonischen Erreichbarkeit und unter der Rubrik "was ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde" eingetragen hatte: "Dich, ein Glas Rotwein, ein Lachen im Herzen". Ergänzt wurde dieses "Geschenk" noch durch eine rosa Mädchenunterhose mit Feen-Gestalt und einen roten Damen-String-Tanga mit Snoopy-Figur. Die Unterwäsche war jeweils verpackt in einer leeren Plastikverpackung eines sog. "Ed von Schleck"-Speiseeises. 26 Bei seiner polizeilichen Vernehmung am erklärte der Beschwerdeführer ausweislich des vorgenannten Urteils auf die Frage der Polizeibeamtin, ob er sich mittels der bei ihm gefundenen Bilder selbst befriedige, dass ihn das langweile. Er wolle mal "richtig durchknattern", wenn mal ein Kind in seine Wohnung komme, "ficke er es in den Arsch ". Diesbezüglich äußerte er weiter: Warum soll denn ein sexueller Kontakt nicht erlaubt sein, wenn es im gegenseitigen Einverständnis ist. Er sei dafür. 27 Aber auch bereits dann, wenn der Verurteilte "nur" erneut einen Besitz von kinderpornographischen Schriften begehen sollte, wäre der Rechtsfrieden ganz erheblich gestört. Denn die Dateien mit kinderpornographischen Darstellungen, die der Beschwerdeführer bislang besessen hat, sind bereits im Hinblick auf den festgestellten Umfang dieses Materials und die Verletzungstiefe der konkreten Darstellungen als schwerwiegende Störung des Rechtsfriedens zu beurteilen. 28 Zur Herstellung einiger dieser beim Verurteilten gefundenen Darstellungen wurde sogar der (deutsche) Straftatbestand des 176 a Abs. 2 StGB erfüllt, der eine Mindeststrafe von 2 Jahren vorsieht. 29 Eine dieser Schriften zeigt das Eindringen eines erigierten Penis eines erwachsenen Mannes in den Anus eines höchstens einjährigen Jungen. Eine andere Darstellung zeigt ein entsprechendes Eindringen in den Mund eines in einem Autokindersitz sitzenden Säuglings. 30 Indem der Umgang mit kinderpornographischen Schriften und somit auch das "bloße" sich davon Besitzverschaffen letztlich neue Nachfrage nach solchen Schriften auslöst und somit zu Umsatzsteigerungen bei den Produzenten solchen Materials führt, kommt ihm durchaus auch Außenwirkung zu: Hierdurch wird mittelbar der sexuelle Missbrauch von Kindern zur Herstellung
5 solcher Schriften bzw. Darstellungen gefördert. Auf die Ausführungen im Urteil des Bundesgerichtshofs vom (Gz.: 1 StR 163/12) wird insoweit Bezug genommen. 31 Der Senat sieht vorliegend darüber hinaus aus den oben dargestellten Gründen die naheliegende große Gefahr, dass der Beschwerdeführer seine kinderpornographischen Phantasien auf lange Sicht auch in die Tat umsetzen und selbst Kinder sexuell missbrauchen könnte. 32 Angesichts dieser Gefahr für die Allgemeinheit sind ganz erhebliche Anforderungen an eine günstige Legalprognose zu stellen, denen der Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung der bisherigen Haftzeit ersichtlich nicht gerecht wird. 33 Anhaltspunkte dafür, dass sich während der aktuellen Strafhaft an der Kernpädophilie und der Persönlichkeitstruktur des Verurteilten etwas zum prognostisch Positiven verändert hat, sind nicht festzustellen. 34 Ganz offensichtlich fehlt es dem Beschwerdeführer darüber hinaus weiterhin völlig an einem Problembewusstsein hinsichtlich der bei ihm festgestellten Sexualdevianz, die nicht nur als solche besteht, sondern bereits zu Strafftaten geführt und sich somit bereits als kriminogenen erwiesen hat. 35 Nach alledem ist die Legalprognose des Verurteilten ohne jeden Zweifel schlecht, weswegen die Strafvollstreckungskammer völlig zu Recht eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung versagt hat. 36 Nachdem auch nicht damit zu rechnen ist, dass sich während der gem. 57 Abs. 7 StGB festgesetzten Antragssperrfrist hinsichtlich der prognoserelevanten Tatsachen, die im Wesentlichen in der Persönlichkeit des Verurteilten wurzeln, vor allem aber in seiner Kernpädophilie, entscheidende Veränderungen ergeben werden, ist auch die verhängte Antragssperrfrist nicht zu beanstanden. 37 Die sofortige Beschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen. 38 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus 473 Abs. 1 StPO.
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