Was ist ein Gedanke?
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- Cornelius Albert
- vor 7 Jahren
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1 Lieferung 8 Hilfsgerüst zum Thema: Was ist ein Gedanke? Thomas: Es bleibt zu fragen, was der Gedanke selbst [ipsum intellectum] ist. 1 intellectus, -us: Vernunft, Wahrnehmungskraft usw. intellectum, -i: das Erkannte; der Gedankeninhalt; der Begriff Was ist Wahrheit? Sind meine wahren Erkenntnisse meine Wahrheiten? Wenn wir uns um eine Wahrheitsfrage streiten, streiten wir uns dann über unsere verschiedenen Gedanken? Kann man zu jemandem, der behauptet, der Rasen sei grün, sagen, daß er denkt, der Rasen sei grün? 1. Die platonisch bestimmte Auffassung der Averroisten Unser Wissen stammt von den von der Materie getrennten Formen. Wir erkennen nicht die sinnlichen wahrnehmbaren Dinge. 1 Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten [De unitate intellectus contra Averroistas], Übersetzung, Einführung und Erläuterungen von Wolf-Ulrich Klünker (Stuttgart 1987), n. 255.
2 2 Was ist ein Gedanke? Es gibt keinen Abstraktionsvorgang. platonische Erinnerung Thomas zufolge macht es keinen Unterschied, ob unser Wissen, das wir von den empirischen Dingen besitzen, von dem immateriellen (getrennten) Himmel der Ideen oder aber von unserem eigenen Geist stammt. Platon, der durch sich selbst seiende nichtmaterielle Formen [per se subsistentes] annahm, konnte lehren, daß es zugleich auch mehrere Geister gibt, die von einer von der Materie getrennten Form her an der Erkenntnis der einen Wahrheit teilhaben. 2 Die zu Ende gedachte Schlußfolgerung: Die Averroisten dagegen müssen die Ansicht vertreten, es gebe nicht allein für alle Menschen, sondern auch schlechthin nur einen Geist, weil sie solche nichtmateriellen Formen im Geist annehmen (von denen sie meinen, es handele sich dabei um Gedanken) Die aristotelisch bestimmte Auffassung des Thomas Man muß also der Lehre des Aristoteles folgend sagen, daß der Gedankeninhalt [intellectum], der einer ist, die Natur [natura] oder die Wesenheit [quidditas] des betreffenden Dinges ist. 4 2 Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten [De unitate intellectus contra Averroistas], Übersetzung, Einführung und Erläuterungen von Wolf-Ulrich Klünker (Stuttgart 1987), n Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten [De unitate intellectus contra Averroistas], Übersetzung, Einführung und Erläuterungen von Wolf-Ulrich Klünker (Stuttgart 1987), n Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten,
3 Was ist ein Gedanke? 3 Denn die Naturwissenschaft und das andere Wissen [scientiae] besitzt man von Dingen und nicht von gedachten Erkenntnisformen [speciebus intellectis]. 5 Wir denken ursprünglich nicht Gedanken, sondern Dinge. Begründung: Wenn nämlich der Gedanke nicht die Natur des Steines wäre, die in den Dingen besteht, sondern die Erkenntnisform, die sich im Geist befindet, so würde folgen, daß ich nicht das Ding, also den Stein, sondern allein einen Begriff [intentio] denke, der von dem Stein abstrahiert worden ist. Wahr ist dagegen, daß die Natur des Steines, wie sie in den einzelnen Dingen besteht, eine in der Möglichkeit gedachte ist; sie wird zu einer in Wirklichkeit gedachten, indem die Erkenntnisformen von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen ausgehend mittels der Sinne bis in die Vorstellungen gelangen und durch die Kraft des tätigen Geistes die geistigen Erkenntnisformen abstrahiert werden, die im möglichen Geist sind. 6 der tätige Geist [intellectus agens] und der mögliche (aufnehmende) Geist [intellectus possibilis] Ein Gedanke ist nicht das, was erkannt wird [ein quod], sondern ein Wodurch [ein quo]: Diese Erkenntnisformen verhalten sich jedoch nicht wie Gedanken zum möglichen Geist, sondern wie Erkenntnisformen, durch die der Geist denkt (wie auch die Bilder, die sich im Sehsinn befinden, nicht das Gesehene, sondern dasjenige sind, wodurch der Sehsinn sieht) es sei denn, der Geist denkt über sich selbst nach, was bei der sinnlichen Wahrnehmung nicht geschehen kann. 7 Ich kann einen Gedanken zum Gegenstand meiner Erkenntnis machen. 5 Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten, 6 Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten, 7 Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten,
4 4 Was ist ein Gedanke? Intentionalität nicht im Sinne von Absicht sondern im Sinne eines Erfassens des Gegenstandes Die Struktur von Wahrheit Die Vernunft ist nicht wie ein Photoapparat, sondern wie ein Licht. Wahrheit ist ein Werden des Gegenstandes. Ein Mensch ist nicht nur sich selbst, sondern kann auch andere Wirklichkeiten sein. Erkenntnis bedeutet, daß das Erkannte im Erkennenden ist. 8 Das Erkannte wird eins mit dem Erkennenden. 9 Aber die Seinsweise eines Gedankens ist nicht die Seinsweise des Gegenstandes, sondern die Seinsweise des Bewußtseins. 8 Cognitio est secundum quod cognitum est in cognoscente. Sum. th., I, q. 16, a. 1c. 9 Realiter vero consequitur unionem obiecti cum agente; ex hoc enim quod intellectum fit unum cum intelligente, consequitur intelligere quasi quidam effectus differens ab utroque. Sum. th., I, q. 54, a. 1, ad 3.
5 Was ist ein Gedanke? 5 Die Wirklichkeit des Gegenstandes geht also der Wahrheit voraus, und Erkenntnis ist eine Wirkung der Wahrheit Wir können dasselbe denken, aber unsere Gedanken sind anders und andere Da die Seinsweise des Gedankens eine andere ist als die Seinsweise des Gegenstandes, müssen sie nicht in allen Einzelheiten miteinander übereinstimmen. weil die Erkenntnisform von den Individualität verleihenden Ursachen abstrahiert ist. 11 Das einzelne Konkrete ist im Bewußtseins allgemein. Es ist also Eines, was von mir und von dir gedacht wird, aber es wird von mir und von dir jeweils anders gedacht, d. h. durch eine andere geistige Erkenntnisform, und mein Denken [intellegere] ist ein anderes als deines, mein Geist [intellectus] ein anderer als deiner. Deshalb sagt Aristoteles in den Kategorien, ein Wissen sei im Hinblick auf sein Subjekt einzeln, wie etwa die Grammatik in der Seele als ihrem Subjekt ist, ohne aber von einem Subjekt ausgesagt zu werden. 12 Dennoch kann ein Gedanke ein Individuum in dessen Individualität erfassen, zum Beispiel einen einzelnen Gedanken: Daher denkt mein Geist eine bestimmte einzelne 10 Sic ergo entitas rei praecedit rationem veritatis, sed cognitio est qudam veritatis effectus. De veritate, q. 1, a. 1c. 11 Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten, n Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten, n. 257.
6 6 Was ist ein Gedanke? Wirklichkeit [quemdam singularem actum], wenn er denkt, daß er denkt; wenn er dagegen das Denken schlechthin denkt, so denkt er etwas Allgemeines. Denn nicht die Einzelheit steht im Widerspruch zur Denkbarkeit, sondern das Materiellsein. Weil es wie oben über die vom Leib getrennten Wesenheiten ausgeführt wurde nichtmaterielles Einzelnes gibt, spricht daher nichts dagegen, daß solches Einzelnes gedacht wird Thomas von Aquin, Über die Einheit des Geistes gegen die Averroisten, n. 257.
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