Die Krise im Irak. Fragen und Antworten
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- Albert Sommer
- vor 7 Jahren
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1 Die Krise im Irak Fragen und Antworten
2 Die Krise im Irak Wie ist die Ausgangslage im Irak? Der Irak ist ein Land mit großer religiöser Vielfalt: Dort leben Schiiten, Sunniten, Kurden sowie mehrere Minderheiten wie Jesiden, Christen und kleinere islamische Gruppen. Unter Diktator Saddam Hussein wurden Führungspositionen im Staat vor allem durch Angehörige der Sunniten besetzt. Nach seinem Sturz erlangten wiederum die Schiiten mehr Macht, die rund 60 Prozent der muslimischen Bevölkerung im Irak ausmachen. Nach dem Sturz Saddam Husseins kam es zu Machtkämpfen zwischen den unterschiedlichen Gruppen. Radikal-islamische Organisationen, wie Al-Qaida, versuchten das Land zu destabilisieren. Sie entfachten einen Bürgerkrieg. Während der Auseinandersetzungen waren die Minderheiten, besonders Christen, häufig Opfer von Gewalt und Vertreibung. Mit amerikanischer Unterstützung war es aber schließlich gelungen, die Sicherheitslage im Land zu verbessern. Seit dem Abzug der US- Kampftruppen Ende 2011 hat sich die Lage im Irak jedoch wieder zunehmend verschlechtert. Was ist der sogenannte Islamische Staat (IS)? Der IS ist eine dschihadistisch-salafistische Terrororganisation. Er hat die gewaltsame Errichtung eines Kalifats zum Ziel. Es soll den Irak, Libanon, Syrien, Israel, Palästina und Jordanien umfassen und gemäß einer Auslegung des Korans geführt werden, die nur als religiöse Verblendung bezeichnet werden kann. Mit dem Ausrufen des Kalifats unterstreicht IS-Anführer Abu Bakr al-baghdadi einen politischen und religiösen Alleinvertretungsanspruch, den weder die bestehenden muslimisch geprägten Staaten noch die meisten islamischen religiösen Autoritäten akzeptieren. Wie kam es zum schnellen Vormarsch der IS-Terroristen im Irak? Das hat mehrere Ursachen: Zum einen verfügte der IS bereits über eine Machtbasis in Syrien. Dort konnte sich die Terrorgruppe in den Wirren des Bürgerkriegs festsetzen und zunehmend an Einfluss gewinnen. Syrien ist noch vor dem Irak zum Brennpunkt des internationalen Dschihadismus geworden. Extremisten aus vielen Ländern haben sich dem Kampf des IS in Syrien angeschlossen. Zum anderen fand der IS im Irak einen Staat vor, der 1
3 politisch, religiös und auch ethnisch zersplittert war und ist und über keine anerkannte zentrale Regierung verfügte. Der bisherige Ministerpräsident Nuri al-maliki hatte in Bagdad auf eine Politik gesetzt, die einseitig die schiitische Bevölkerung bevorzugte. Bei den Sunniten war daher die Regierung unter al-maliki extrem unbeliebt. In den sunnitisch geprägten Grenzgebieten des Irak zu Syrien gab es so auch kaum Widerstand gegen den Einmarsch des IS in den Irak. Mit seinem außerordentlich brutalen Vorgehen verschreckt der IS aber auch viele sunnitische Muslime, die zu verteidigen er vorgibt. Besonders betroffen vom IS-Terror sind religiöse Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen. Wer nicht vor dem IS fliehen kann, muss um sein Leben fürchten. Die religiöse Vielfalt im Irak droht so endgültig vernichtet zu werden. Die Mitglieder des IS handeln derart brutal und skrupellos, dass sich selbst al-qaida von ihnen distanziert hat. Was tut die Staatengemeinschaft? Im Kampf gegen den Terror hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) am 15. August 2014 einstimmig Sanktionen gegen Hintermänner des IS und andere Terrorgruppen verhängt. Zudem werden alle 193 UN-Staaten verpflichtet, Finanzierung und Rekrutierung für Terrorgruppen zu unterbinden. Zu den Strafen zählen Reiseverbote und das Einfrieren von Auslandskonten. Gegen Mitglieder des IS selbst gelten bereits ähnliche Sanktionen. US-Präsident Barack Obama hat Luftangriffe gegen den IS im Nordirak befohlen, um Massaker an der Zivilbevölkerung zu verhindern. Mithilfe der Luftschläge gelang es vor allem kurdischen Kämpfern, den so genannten Peschmerga, den Vormarsch des IS im Nordirak zu stoppen. Obama ordnete außerdem den Abwurf von Hilfsgütern für die geflohenen Jesiden im Sindschar-Gebirge an. Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich am 15. August 2014 darauf, dass Waffen zum Kampf gegen die Terrorgruppe IS an die irakischen Kurden geliefert werden dürfen. Mehrere EU- Mitgliedstaaten - Deutschland, Niederlande, Großbritannien, Schweden, Italien und Frankreich - haben mit Lufttransporten Hilfsgüter in die Region Kurdistan-Irak gebracht. 2
4 Was tut Deutschland? Angesichts des Ausmaßes des Terrors hat die Bundesregierung umfangreiche Maßnahmen beschlossen, um den IS zurückzudrängen und den vom IS bedrohten Menschen zu helfen. Nicht zuletzt die vielen Tausend Flüchtlinge brauchen schnell Unterstützung. Die Bundesregierung stimmt sich hierbei eng mit ihren Partnern, insbesondere auf der EU- Ebene, ab. Humanitäre Hilfe Das Auswärtige Amt hat die Nothilfe für die vom Konflikt Betroffenen mehrfach auf nun insgesamt 30 Millionen Euro aufgestockt, unter anderem für Unterkünfte, Trinkwassersowie medizinische Versorgung. Hinzu kommen 20 Millionen Euro, die das Bundeministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für Soforthilfemaßnahmen für Flüchtlinge zugesagt hat, sowie eine Million Euro aus dem Etat des Bundesministeriums der Verteidigung. Insgesamt stellt die Bundesregierung somit zum jetzigen Zeitpunkt etwa 51 Millionen Euro für Nothilfemaßnahmen im Irak zur Verfügung. Die Bundesregierung steht in engem Kontakt mit dem UN-Büro zur Koordinierung der Humanitären Hilfe (OCHA) sowie internationalen und deutschen Hilfsorganisationen, um weitere Maßnahmen zu ermöglichen. Die Europäische Union hat ihre humanitäre Hilfe für den Irak seit Juli auf insgesamt 17 Millionen Euro in 2014 aufgestockt. Dazu trägt Deutschland mit rund einem Viertel bei. Die CDU spricht sich dafür aus, die Nothilfe weiter aufzustocken. Erste Hilfsflüge der Bundeswehr in die nordirakische, von Kurden bewohnte Stadt Erbil starteten am 15. August. Die Flugzeuge hatten Lebensmittel und medizinisches Material geladen. Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen betonte anlässlich des Beginns der Hilfe: Es ist ein Anfang. Weitere Flüge sind für die nächsten Tage geplant. Die Hilfe wurde und wird fortgesetzt. Waffenlieferungen Die Bundesregierung ist in Kontakt mit dem Präsidenten der Region Kurdistan-Irak, Masoud Barzani. Dabei geht es auch um die Frage, welche Unterstützung Deutschland bieten kann, um die Kurden im Kampf gegen die radikalen Islamisten zu unterstützen. Dabei war auch zu prüfen, was nötig und zweckmäßig ist zum Beispiel unter dem 3
5 Gesichtspunkt, welche Waffen überhaupt von den Kurden genutzt werden können. Diese sind zum Beispiel eher im Umgang mit Waffen aus der früheren Sowjetunion und den USA vertraut. Deutsche Waffen, an denen man intensiv ausgebildet werden muss, kommen daher nicht in Frage. Die Bundesregierung hat am 31. August 2014 umfangreiche militärische Ausrüstungshilfe für die Kurden im Nordirak beschlossen. Diese erhalten unter anderem 700 Funkgeräte, Schutzhelme, Geräte zur Minensuche und Munitionsbeseitigung, 680 Nachtsichtgeräte, Schutzwesten sowie Sanitätsausstattungen. Geliefert werden aber nicht nur Schutzausstattungen, sondern auch Waffen. Diese umfassen Sturmgewehre, 40 Maschinengewehre, Pistolen, 270 Panzerabwehrwaffen unterschiedlicher Art sowie 100 Signalpistolen und Handgranaten. Hierzu kommt die entsprechende Munition. Darüber hinaus bekommen die Kurden über 100 Fahrzeuge aus den Beständen der Bundeswehr. Alles Material ist voll einsatz- und verwendungsfähig. Es wird von der Bundeswehr derzeit nicht für Einsätze benötigt, muss aber auf Dauer wiederbeschafft werden. Die Kosten hierfür liegen bei etwa 100 Millionen Euro. Die Waffenlieferungen erfolgen mit Augenmaß und sind eng mit den internationalen Partnern abgestimmt. Auch die irakische Zentralregierung hat der Lieferung der Waffen zugestimmt. Der Transport der Waffen in den Irak erfolgt in mehreren Schritten. Unbestritten ist, dass mit der Waffenlieferung an die Kurden im Nordirak auch Risiken verbunden sind. Mithilfe einer so genannten Endverbleibsklausel verpflichtet die Bundesregierung die kurdische Regionalregierung sicherzustellen, dass die Waffen in den Händen der Kurden im Nordirak bleiben. Ob dies aber tatsächlich geschieht oder ob diese Waffen, wenn die Kämpfe beendet sein sollten, nicht doch in andere Hände gelangen, lässt sich nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Nordirak und der Notwendigkeit, die kurdischen Kräfte zu unterstützen, ist es aber angemessen, dieses Risiko einzugehen. Das Terrorregime des IS, ein drohender Völkermord und die mittelbare Bedrohung unserer Sicherheit in Europa rechtfertigen Waffenlieferungen in dieses Krisengebiet. 4
6 Über die geplanten Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak informierte die Bundesregierung den Deutschen Bundestag am 1. September Für die Lieferungen ist zwar keine Zustimmung des Bundestages nötig, doch die Debatte zeigte eine breite Zustimmung zur Entscheidung der Bundesregierung. Ein Bundeswehreinsatz im Irak ist für die Bundesregierung kein Thema. Die Vorsitzende der CDU Deutschlands, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, hat betont: Eine Beteiligung der Bundeswehr an den militärischen Auseinandersetzungen wird es nicht geben. Sind rückkehrende Dschihadisten eine Gefahr für Deutschland? Aktuell gibt es keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen in Deutschland. Gleichwohl gibt es weiterhin eine abstrakt hohe Gefährdung für die innere Sicherheit in unserem Land. Dabei geht von den aus dem Ausland zurückkehrenden Dschihadisten mit Kampferfahrung eine besondere Gefahr aus. Diese Gefahr betrifft nicht zuletzt auch diejenigen nach Deutschland geflohenen Menschen, deren Volksgruppen und religiöse Gruppen in ihren Herkunftsländern verfolgt und getötet werden. Schon heute können deutsche Dschihadisten wegen der Vorbereitung terroristischer Attentate an der Grenze festgenommen werden, wenn es einen konkreten Verdacht auf Anschlagsplanungen gibt. Darüber hinaus lässt Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière prüfen, ob deutschen Extremisten notfalls der Personalausweis entzogen werden kann, um sie in ihren Reisemöglichkeiten einzuschränken. Wenn sie Deutsche sind, dann ist es schwierig, sie von einer Ausreise abzuhalten. Der Entzug des Personalausweises würde es Gefährdern erheblich schwerer machen, nach einem Aufenthalt in Syrien zurück nach Deutschland zu gelangen. Auch muss geprüft werden, ob Verbote zur Wiedereinreise für Deutsche verhängt werden können. Der Umgang mit ausländischen Extremisten ist dagegen einfacher. Ihnen kann man den Pass entziehen oder die Einreise verweigern. Die CDU hält die Hürde für eine Ausweisung und Abschiebung ausländischer Straftäter für zu hoch. Deswegen halten wir an der in unserem Wahlprogramm erhobenen Forderung fest, für ausländische Straftäter das Ausweisungsrecht zu verschärfen. Wer religiösen Hass predigt oder Gewalt zur 5
7 Durchsetzung seiner religiösen Ziele anwendet, missachtet unsere Grundwerte und muss damit rechnen, ausgewiesen zu werden. Und warum engagieren wir uns im Irak? Der drohende Völkermord an Jesiden und Christen durch den Terror des IS im Nordirak darf uns nicht gleichgültig sein. Deutschland und auch andere Staaten wollen aus gutem Grund nicht selbst direkt militärisch gegen den IS vorgehen. Doch gerade dann ist es sinnvoll und nötig, die Kurden im Nordirak zu stützen. Sie gewähren den gefährdeten Minderheiten Zuflucht und bieten dem IS die Stirn. Ein Zusammenbruch der kurdischen Kräfte im Nordirak oder gar der Kollaps des gesamten irakischen Staatswesens könnte zu Chaos und Kämpfen weit über die irakischen Grenzen hinaus führen. Ein derartiger Konflikt beträfe jedoch auch viele Staaten außerhalb der Region selbst. Auch wir in Deutschland und Europa würden die Folgen spüren: Die an die Region Mittlerer Osten angrenzenden Seehandelswege könnten unsicher werden, die Versorgung mit Öl wäre gefährdet, Flüchtlingsströme hätten Europa zum Ziel. Das deutsche Engagement im Norden Iraks ist also nicht nur ethisch geboten. Es ist zugleich in unserem sicherheitspolitischen Interesse. Weitergehende Information: Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor dem Deutschen Bundestag vom 1. September 2014: Beschluss der Bundesregierung zu den Unterstützungsleistungen vom 31. August 2014: 2MzEzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY4N2E2OTcyNmEzNjMwN2EyMDIwMjAyMDIw/ %20Papier_Unterstützung_E5_final.pdf Stand: 1.September
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