Arbeiten als Jurist/in im höheren Vollzugsund. Der etwas andere Job in der Verwaltung

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1 Arbeiten als Jurist/in im höheren Vollzugsund Verwaltungsdienst des Landes NRW Der etwas andere Job in der Verwaltung Von Jens Banaszak und Wiebke Hille,* Düsseldorf Eine vielseitige Tätigkeit Referendariat Einführungszeit Endlich geschafft: Examen in der Tasche und jetzt? Diese Frage stellt sich nicht erst nach dem Assessor-Examen, sondern häufig bereits nach dem ersten Examen, wenn nämlich die Planung der Referendar-Stationen ansteht. Sofern kein strafrechtlich-kriminologischer Schwerpunkt im Studium belegt wurde, endet die Ausbildung regelmäßig dort, wo die Arbeit der Vollzugsjuristinnen/-juristen erst beginnt: Mit der strafrechtlichen Verurteilung. Es lohnt sich jedoch, einen Blick auf das, was folgt also hinter «die Mauern» zu werfen. Mit seinem breitgefächerten Aufgabenspektrum stellt der Justizvollzug ein spannendes und abwechslungsreiches Berufsfeld für Juristinnen und Juristen mit attraktiven beruflichen Möglichkeiten und Perspektiven in unterschiedlichen Rechtsgebieten (u.a. Vollzugsrecht, Zivilrecht, Beamtenrecht und Strafrecht) dar. Wer keinen Routinejob von «9 to 5» sucht, ist dort genau richtig. Neben guten Karriereaussichten bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern. Dies reicht von der Abteilungsleitung und späteren Leitung einer Justizvollzugsanstalt bis zur Verwendung in der Zentralstelle für Rechts- und Schadensangelegenheiten im Justizvollzug oder als Referent/in im Justizministerium des Landes NRW. Darüber hinaus können Lehrtätigkeiten an der Justizvollzugsschule NRW und der Fachhochschule für Rechtspflege NRW in Bad Münstereifel wahrgenommen werden. Für alle Einsatzbereiche gilt: Neben fundierten juristischen Kenntnissen sind gute kommuni - kative Fähigkeiten, Freude an der Zusammenarbeit mit Angehörigen unterschied - licher Berufsgruppen, Flexibilität und Durchsetzungsvermögen gefragt. Einen ersten Eindruck von einer Justizvollzugsanstalt können Sie durch eine der regelmäßig im Rahmen der staatsanwaltlichen Stage angebotenen Führungen für Referendare erhalten. Wer darüber hinaus die Arbeit im Justizvollzug intensiver kennen lernen möchte, hat grundsätzlich die Möglichkeit, eine Referendarstation in einer Justizvollzugsanstalt in Einzelfällen auch in der Abteilung IV (Vollzugs - abteilung) des Justizministeriums NRW zu absolvieren. Hier dürfte sich die Verwaltungs-Stage anbieten. Angesichts begrenzter Kapazitäten ist es empfehlenswert, sich frühzeitig zu bewerben. Die Bewerbung kann unmittelbar an die Justizvoll - zugsanstalt der Wahl gerichtet werden. Ihren Dienst treten Sie regelmäßig in einer Justizvollzugsanstalt an. Vor Ort lernen Sie im Rahmen einer mehrwöchigen Einführungszeit in den Haftbereichen sowie durch kurze Hospitationen in den Funktionsbereichen des allgemeinen Vollzugsdienstes (z.b. Kammer und Küche) und des Werkdienstes, bei den Verwaltungsdienststellen (wie Bau-, Haushalts- und Personalabteilung sowie Arbeitsverwaltung), den Fachdiensten (z.b. Psychologischer Dienst und Sozialdienst) und der Anstaltsleitung die verschiedenen Aufgabenstellungen und Abläufe einer Justizvollzugsanstalt kennen. Neben der Betreuung, Behandlung und Versorgung der Ge - fangenen gehört hierzu auch die Personalführung. Im Anschluss erfolgt eine intensive Einweisung in die Aufgaben der Abteilungsleitungen; die Justizvollzugsanstalten des Landes NRW sind grundsätzlich in Vollzugsabteilungen mit festem Personalstamm untergliedert. Bereits in dieser frühen Phase bekommt man verantwortungsvolle Aufgaben, wie z.b. die Bearbeitung von Anträgen, Eingaben, Beschwerden, Anträgen auf gerichtliche Entscheidung, Jens Banaszak Wiebke Hille * Die Autoren sind derzeit als Referenten in der Abteilung Strafvollzug im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. 58 Beck scher Referendarführer 2016/2017

2 Rechtsbeschwerden, Petitionen von Gefangenen unter Anleitung der zuständigen und mandatierten Abteilungsleitungen zur selbstständigen Erledigung übertragen. Den größten Teil Ihrer Tätigkeit innerhalb der ersten Berufsjahre verbringen Sie regelmäßig in der Abteilungsleitung. Da die Anstaltsleitung aufgrund der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen nicht alle Aufgaben in einer Justizvollzugsanstalt selbst wahrnehmen kann, werden die Entscheidungsbefugnisse in vollzuglichen Angelegenheiten der Gefangenen von Vollzugsabteilungsleiterinnen und Vollzugsabteilungsleitern wahrgenommen. Als Jurist/in werden Sie bei entsprechender Bewährung bereits nach kurzer Zeit mit Zustimmung des Justizministeriums NRW zur Abteilungsleiterin oder zum Abteilungsleiter bestellt. Diese sind mit der Vollzugsgestaltung innerhalb der Vollzugsabteilung beauftragt und für alle insoweit erforderlichen Entscheidungen verantwortlich. Hier wird erstmals klar, dass man für bis zu 300 Gefangene bei einer entsprechenden Personalausstattung verantwortlich ist. Daneben ist die Ab - teilungsleiterin oder der Abteilungsleiter auch Ansprechpartner und Vorgesetzte/r für die auf der Abteilung eingesetzten Bediensteten. In diesem Rahmen wird die Nachwuchskraft mit den Aufgaben einer erfolgreichen Personalführung vertraut gemacht. Dementsprechend werden oftmals schnelle, klare und richtige Entscheidungen gefordert. Grundsätzlich bekommen Abteilungsleiter/-innen folgende Aufgabenbereiche zur selbstständigen Erledigung übertragen: Leitung von regelmäßig stattfindenden Vollzugskonferenzen, in denen in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team (z.b. Sozialdienst, psychologischer Dienst, pädagogischer Dienst sowie Beamtinnen und Beamten des gehobenen Dienstes und des allgemeinen Vollzugsdienstes) Entscheidungen über folgende Bereiche getroffen werden: Aufstellung und Überprüfung der Vollzugspläne, Entscheidungen über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen (z.b. Langzeitausgang, Ausgang) oder die Verlegung in den offenen Vollzug, Entscheidung über Maßnahmen der Entlassungsvorbereitung. Bearbeitung von Stellungnahmen und Schriftsätzen gegenüber Gefangenen, Rechtsanwälten, Gerichten und anderen Behörden, Führung von Disziplinarverfahren gegen Gefangene sowie Anordnung und Aufhebung von besonderen Sicherungsmaßnahmen. Abteilungsleitung Daneben werden Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern von der Anstalts - leitung Aufgaben im administrativen Bereich übertragen, wie etwa als Ermittlungsführer/in im Rahmen von beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren, Fertigung von Vertragsentwürfen sowie Berichtsentwürfen für das Justizministerium NRW. Zudem wirken sie bei sonstigen, die eigene Abteilung betreffenden Angelegen - heiten, namentlich bei der Personal- und Sachausstattung, bei dienstrechtlichen Angelegenheiten und Beurteilungen sowie bei der Haushaltsplanung und bei Bauangelegenheiten mit. Ziel der Karriereplanung ist regelmäßig das Amt der Leitung einer Justizvollzugs - anstalt. Die Anstaltsleitung vertritt die Anstalt nach außen, koordiniert Vollzugsaufgaben und trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug. Darüber hinaus obliegt ihr die Personalführung; sie ist dienstvorgesetzte Stelle für alle in der Anstalt eingesetzten Bediensteten. Daneben führt sie regelmäßige Abteilungsleiterkon - Anstaltsleitung Beck scher Referendarführer 2016/

3 ferenzen durch, wodurch eine einheitliche Entscheidungspraxis und Vollzugsge - staltung der einzelnen Abteilungen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt trotz der Dezentralisierung der Aufgaben sichergestellt werden soll. Zu den weiteren Aufgaben der Behördenleitung gehören u.a.: Intensivierung und Weiterentwicklung unterschiedlicher Behandlungskonzepte, Einbindung aller Hierarchieebenen in Zielsetzungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse, Weiterentwicklung des Personalentwicklungskonzepts der Anstalt, Fortführung des Organisationsentwicklungsprozesses in der Anstalt einschließlich der Optimierung von Verwaltungsabläufen, Entscheidung über die Verlegung in den offenen Vollzug oder die erstmalige Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen bei Strafgefangenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe, mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und Untergebrachten der Sicherungsverwahrung, Ansprechpartner/-in der Gefangenenmitverantwortung und des Anstaltsbeirates sein, Zusammenarbeit mit Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Polizei, Ansprechpartner/-in für die Presse sein. Justizministerium des Landes NRW In der Strafvollzugsabteilung des Justizministeriums NRW erhalten Sie die Gele - genheit, als Referent/in die strategischen Ziele des Justizvollzuges in Nordrhein- West falen mit Haftplätzen in 36 Justizvollzugsanstalten und sechs Jugend - arrestanstalten und insgesamt rund Bediensteten, die in den verschiedenen Berufszweigen tätig sind, mitzugestalten. Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Politik und lernen Funktionsweise und Arbeit einer obersten Landesbehörde kennen, welche die Dienst- und Fachaufsicht ausübt. Eine der wesent - lichen Aufgaben der Strafvollzugsabteilung besteht angesichts der ständig knapper werdenden Ressourcen darin, alle Anstrengungen zu unternehmen, auch künftig die sichere Unterbringung der Gefangenen und eine den persönlichen Bedürfnissen jedes Einzelnen gerecht werdende Behandlung von gleichbleibend hohem Standard zu gewährleisten. Einsatzmöglichkeiten für eine Referententätigkeit werden in verschiedenen Referaten der Strafvollzugsabteilung, z.b. Behandlungs- oder Sicherheitsreferat, geboten. Zu den klassischen Aufgaben in diesem Bereich gehören u.a.: Entwurf von (Behandlungs-)Konzepten, Entwurf von Erlassen und Verwaltungsvorschriften, Mitwirkung an Gesetzgebungsvorhaben, Auswertung besonderer Ereignisse, Optimierung der baulich-technischen, administrativen und sozialen Sicherheit in den Justizvollzugsanstalten, Ansprechpartner/-in für die Justizvollzugsanstalten, Bearbeitung von Eingaben, Beschwerden und Petitionen, Bearbeitung von Anfragen des Landesparlamentes. Erfahrene Kräfte können sich zudem auf eine Referatsleitung bewerben. Justizvollzugsschule NRW und Fachhochschule für Rechtspflege NRW Daneben besteht auch die Möglichkeit, eine Lehrtätigkeit als hauptamtliche oder nebenamtliche Lehrkraft an der Justizvollzugsschule NRW, der bundesweit größten Berufsfachschule für die theoretische Ausbildung der mittleren Dienste im Justizvollzug mit jährlich rund 250 Beamtenanwärterinnen und Beamtenanwärtern oder als Dozent/in an der Fachhochschule für Rechtspflege NRW, einer Fachhochschule 60 Beck scher Referendarführer 2016/2017

4 für die Beamtenanwärterinnen und Beamtenanwärter des gehobenen Dienstes, auszuüben. Als Jurist/in erteilen Sie Unterricht z.b. in den Fächern Vollzugsrecht, Strafrecht, Beamtenrecht oder Staatsrecht. Daneben zählen zu den Aufgaben u.a. die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Entwurf und Aktualisierung von Skripten, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungskontrollen und die Auswertung besonderer Ereignisse aus der Praxis sowie deren Umsetzung für den Unterricht. Regelmäßig bringt die Lehrtätigkeit nicht nur einen unersetz lichen persönlichen und fachlichen Gewinn, sondern auch die Möglichkeit, die Anwärterinnen und Anwärter der unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten persönlich kennenzulernen. Dieser Bereich ist im Wesentlichen mit einer rechtsanwaltlichen Tätigkeit vergleichbar. Hier werden die Rechts- und Schadensangelegenheiten der Justizvollzugsan - stalten des Landes NRW gebündelt. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit werden den dort eingesetzten Juristinnen und Juristen die selbstständige und weitgehend eigenverantwortliche Bearbeitung der dort anfallenden juristischen Tätigkeiten übertragen. Dazu gehört u.a. die vor- und außerprozessuale Korrespondenz in zivil-, arbeits-, sozial-, beamten- und verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten, die Vertretung des Landes NRW in gerichtlichen Verfahren, die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß 115 OWiG, Erstattung von Berichten gegenüber dem Justizministerium NRW, Beratung der Justizvollzugsanstalten in juristischen Einzelfällen. Zentralstelle für Rechts- und Schadensangelegenheiten im Justizvollzug NRW Durch die breite Streuung der Rechtsgebiete und den ständigen Kontakt zu den Leitungen der Justizvollzugsanstalten und zum Justizministerium NRW ist die Tätigkeit in der Zentralstelle vielseitig und verschafft einen guten Überblick über landesweite rechtliche Frage- und Problemstellungen des Justizvollzugs. Sie werden mit den Herausforderungen, die Ihre vielseitigen Tätigkeiten mit sich bringen, nicht allein gelassen. Gerade in der Probezeit kommen Sie in den Genuss regelmäßiger maßgeschneiderter Fortbildungsveranstaltungen speziell für die Nachwuchskräfte unter den Vollzugsjuristinnen und Vollzugsjuristen. So werden Fortbildungen beispielsweise zu vollzuglichen Themen, Personalführung, Disziplinarrecht und Pressearbeit durchgeführt. Zudem steht Ihnen selbstverständlich das Fortbildungsangebot der Justizakademie des Landes NRW und weiterer Anbieter zur Verfügung. Neben einer guten juristischen Qualifikation das zweite Staatsexamen sollte mindestens mit der Note «befriedigend» abgeschlossen worden sein wird Wert auf besonders ausgeprägte soziale Kompetenzen gelegt. Zudem sollten Sie grundsätzlich das 42. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und am Strafvollzugsrecht, seiner Anwendung in der Praxis, an Betriebswirtschaftslehre, Psychologie sowie an Organisations- und Personalentwicklung interessiert sein. Wichtige Eigenschaften sind Entscheidungsfreude, Durchsetzungs- und Konfliktfähigkeit, Kooperations- und Motivationsfähigkeit sowie eine gute psychische und physische Konstitution. Der regelmäßige Austausch mit Bediensteten ganz unterschiedlicher Fachrichtungen sollte für Sie selbstverständlich sein. Ebenso die Bereitschaft, sich in der täglichen Arbeit mit straffällig gewordenen Menschen zu beschäftigen und innerhalb des Landes NRW flexibel einsetzbar zu sein. Fortbildung Was sollten Sie mitbringen? Beck scher Referendarführer 2016/

5 Im Rahmen eines Persönlichkeitstests, einer eintägigen Hospitation und einem persönlichen Gespräch wird festgestellt, ob Sie über die o.a. und für die erfolg - reiche Tätigkeit als Führungskraft unabdingbaren persönlichen Eigenschaften verfügen. Work-Life-Balance Fazit in eigener Sache Zwar ist auch die Arbeitsbelastung im Justizvollzug wie auch in anderen Bereichen der Justiz angesichts zunehmender Arbeitsverdichtung und knapper personeller Ressourcen nicht zu unterschätzen. Flexible Arbeitszeitmodelle sowie Telearbeit ermöglichen jedoch die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf. Daneben gibt es außerdem Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung. Wenn wir unsere bisherige Tätigkeit im Justizvollzug Revue passieren lassen, blicken wir auf abwechslungsreiche Einsatzgebiete, interessante Begegnungen und die ein oder andere Herausforderung zurück. Wir haben das gute Gefühl, einer sinnvollen Tätigkeit für die Gesellschaft nachzugehen, und würden uns auch heute wieder für den höheren Vollzugs- und Verwaltungsdienst entscheiden. 62 Beck scher Referendarführer 2016/2017