Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus) (Stand Juli 2010, Entwurf)
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- Detlef Böhm
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1 Niedersächsische Strategie zum Arten- und Biotopschutz Vollzugshinweise zum Schutz von Säugetierarten in Niedersachsen Teil 3: Säugetierarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie mit Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus) (Stand Juli 2010, Entwurf) Inhalt 1 Lebensweise und Lebensraum 1.1 Lebensraumansprüche 1.2 Lebensweise 1.3 Fortpflanzungsbiologie 1.4 Nahrungsökologie 1.5 Sonstige Besonderheiten 2 Bestandssituation und Verbreitung 2.1 Verbreitung in Niedersachsen 2.2 Bestandssituation in Deutschland und Niedersachsen 2.3 Schutzstatus 2.4 Erhaltungszustand 2.5 Beeinträchtigungen und Gefährdungen 3 Erhaltungsziele 4 Maßnahmen 4.1 Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen 4.2 Gebiete für die Umsetzung mit Prioritätensetzung 4.3 Bestandsüberwachung und Untersuchungsbedarf 5 Schutzinstrumente 6 Literatur Abb. 1: Zweifarbfledermaus (Foto: B. Ludwig / blickwinkel.de) Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 1
2 1 Lebensweise und Lebensraum 1.1 Lebensraumansprüche Als Sommerquartiere nutzt die Art Spalten in und an Gebäuden, wie z.b. hinter Fensterläden und Verschalungen, aber auch hinter Balken im Dachbodenraum sowie Baumhöhlen. Als Winterquartier dienen Felsspalten, aber auch relativ häufig Spalten an Hochhäusern im Siedlungsbereich ( Ersatzquartier nach Wahl eines ungeeigneten Winterquartiers), ebenfalls Stollen und Höhlen. Im Winterquartier herrscht oft eine sehr niedrige relative Luftfeuchtigkeit (47-72 %) (SCHOBER & GRIMMBERGER 1998). Jagdlebensraum sind strukturreiche sowie parkartige Waldlandschaften, die Gewässer und oftmals felsige Strukturen aufweisen. Die Art ist relativ kälteresistent. 1.2 Lebensweise Mittelgroße Fledermausart, Gewicht ca g Die Art ist nachtaktiv. Es findet ein saisonaler Wechsel zwischen Sommer- und Winterlebensraum statt. Höchstalter 12 Jahre Weibchen bilden Wochenstubenkolonien von unterschiedlicher Größe; z.b (ggf. auch bis 100) Tiere Männchenkolonien ebenfalls von erheblicher Größe im zweistelligen Bereich möglich Im Oktober/November auffällige Balzflüge mit schrillen, hörbaren Schreien der Männchen und hohen Flügen in der Nähe von Felswänden und Hochhäusern in Städten (daher ursprünglich Felsfledermaus ) In der Zeit von Oktober bis März/April Winterschlaf mit Aufwachphasen Energiespartaktik durch starke Drosselung des Stoffwechsels im Winterschlaf Lange Wanderungen (in klimatisch günstigere Regionen) vornehmlich mit Zugrichtung von Nordost nach Südwest wurden dokumentiert; bis zu 1787 km (MARCOVETS et. al. 2004) Ultraschall-Ortungsrufe (frequenzmodulierte Laute), höchste Impulsintensität bei 25 khz Feinde sind Nachtgreifvögel, Marder, Hauskatzen, selten Taggreifvögel. 1.3 Fortpflanzungsbiologie Wochenstubenquartiere werden meist ab Mai bezogen 2 Junge pro Jahr, Geburt im Juni, Neugeborene fast nackt, genaue Tragdauer abhängig von Außentemperaturen, Säugen bis zum Flüggewerden, Junge ab Ende Juli selbständig (SCHOBER & GRIMMBERGER 1998) Die Paarung findet vermutlich schwerpunktmäßig im Oktober und November statt. Vermutlich Speicherung der Spermien im Weibchen bis Frühjahr, dann erst Befruchtung. 1.4 Nahrungsökologie Insektenfresser: Dipteren, vor allem Mücken aber auch Köcherfliegen, Schmetterlinge, Netzflügler, Käfer u. a. Beute wird im Flug aufgenommen. 1.5 Sonstige Besonderheiten Farbenprächtigste heimische Fledermausart. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 2
3 2 Bestandssituation und Verbreitung Ein Reproduktionsnachweis in Niedersachsen ist nicht eindeutig belegt. Funde von frisch flugfähigen Jungtieren, z.b. in Hildesheim, könnten jedoch darauf hindeuten. 2.1 Verbreitung in Niedersachsen Für den Zeitraum von 1950 bis 1993 liegen aus Niedersachsen Nachweise aus 16 TK-25- Quadranten vor (Rasterfrequenz 0,9 %), für den Zeitraum von 1994 bis 2009 liegen aus 55 Rastern Nachweise vor (Rasterfrequenz 3,1 %). Nachweise liegen aus ganz Niedersachsen vor (auch Bremen), doch sind sie bis auf ein Männchenquartier und zwei Winterquartierfunde als Zufallsfunde zu bewerten. Abb.2: Verbreitung der Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus) in Niedersachsen Punkte: Aktuelle Vorkommen ( ); Kreise: alte Vorkommen ( ) Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 3
4 2.1.1 Verbreitung in FFH-Gebieten Es sind keine regelmäßigen Vorkommen in FFH-Gebieten bekannt. Es liegen jedoch aus folgenden FFH-Gebieten Einzelnachweise vor (Niedersächsisches Tierartenerfassungsprogramm): Tab. 1: FFH-Gebiete mit potenzieller Bedeutung für die Zweifarbfledermaus FFH-Nr. Name FFH-Nr. Name Nationalpark Harz (Niedersachsen) Salzgitterscher Höhenzug (Südteil) Bergwiesen und Teiche bei Zellerfeld Meißendorfer Teiche, Ostenholzer Moor Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 4
5 2.2 Bestandssituation in Deutschland und Niedersachsen Bestandssituation in Deutschland In Deutschland sind wenige Wochenstuben der Art bekannt (zwei in Mecklenburg- Vorpommern, eine in Brandenburg (ZÖLLICK et. al. 1989), mehrere in Bayern (RUNKEL in: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt) und zwischenzeitlich weitere Nachweise. Männchenquartiere vorhanden Wenige, meist nicht regelmäßig besuchte Winterquartiere Die Mehrzahl sind Einzelfunde, insbesondere zur Balzzeit, in Städten. Abb.3: Verbreitung der Zweifarbfledermaus in Deutschland (Karte: BfN, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 5
6 2.2.2 Bestandsituation in Niedersachsen Wochenstuben sind nicht bekannt; aber die Funde eines juvenilen Männchens am im Harz (RACKOW mdl. Mitt.) und eines juvenilen Weibchens im Sommer 2005 in Hildesheim (STIEFEL mdl. Mitt.) lassen vermuten, dass die Art auch in Niedersachsen reproduziert Fund eines Männchenquartiers mit 21 Tieren im Oberharz (RACKOW, Tierartenerfassungsprogramm) Zwei Winterquartiere wurden bisher registriert, in denen jeweils ein Einzeltier unregelmäßig nachgewiesen wurde (beide im Harz) Abgesehen von dem Männchenquartier tritt die Art nach wie vor sporadisch in Niedersachsen auf, so dass eine Bestandsangabe nicht möglich ist. In Bremen-Gröpelingen, nahe zur Grenze nach Niedersachsen, wurde im Sommer 2001 ein Gebäudequartier mit 3 Individuen gemeldet. 2.3 Schutzstatus FFH-Richtlinie: Anhang II prioritäre Art Anhang IV Anhang V Berner Konvention Anhang II Bonner Konvention EURO-Bats-Abkommen Bundesnaturschutzgesetz: 7 Abs. 2 Nr. 13: besonders geschützte Art 7 Abs. 2 Nr. 14: streng geschützte Art 2.4 Erhaltungszustand der Art Erhaltungszustand der Art in Niedersachsen: Für die Zweifarbfledermaus in Niedersachsen ist der Erhaltungszustand als schlecht bzw. als unbekannt einzustufen. Tab. 2: Bewertung des Erhaltungszustands in Deutschland und Niedersachsen (FFH-Bericht 2007) Kriterien atlantische Region kontinentale Region D NI D NI Range g g x g Population x x x s Habitat g u x u Zukunftsaussichten x x x x Gesamtbewertung x x x s x = unbekannt g = günstig u = unzureichend s = schlecht Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 6
7 2.5 Beeinträchtigungen und Gefährdungen Gefährdungsgrad: Rote Liste Deutschland (2009): D Daten unzureichend Rote Liste Niedersachsen (1991): 1 Vom Aussterben bedroht Gefährdungsfaktoren: Verlust von Sommerquartieren durch Umbau, Sanierungsmaßnahmen von Gebäuden Versiegelung von Winterquartieren, möglicherweise Höhlentourismus Über spezifische Gefährdungen des Jagdlebensraumes ist aufgrund der ungenügend bekannten Autökologie zurzeit keine Aussage zu treffen. 3 Erhaltungsziele Ziel ist die Erhaltung und ggf. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes des Lebensraumes und die Aufrechterhaltung und ggf. Wiederherstellung einer stabilen, langfristig sich selbst tragenden Population sowie des Verbreitungsgebietes der Art. Bezogen auf potenzielle Wochenstubenquartiere: Erhöhung der Anzahl potenziell geeigneter Wochenstubenquartiere durch fledermausgerechtes Bauen (Zulassen von Zugang zu Verschalungen, Dachböden usw.). Bezogen auf Winterquartiere: Erhöhung oder zumindest Erhalt der Anzahl Individuen in den Winterquartieren Erhöhung der Anzahl geeigneter Winterquartiere Optimierung der vorhandenen Winterquartiere. Bezogen auf die Jagdlebensräume der Art: Erhöhung des Anteils gut strukturierter Waldgesellschaften und naturnaher Kulturlandschaften mit entsprechend großem Insektenreichtum Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Vernetzung zwischen einzelnen Vorkommen. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 7
8 Tab. 3: Matrix zur Bewertung des Erhaltungszustands (Quelle: BfN [2009]: Überarbeitete Bewertungsbögen der Bund-Länder-Arbeitskreise als Grundlage für ein bundesweites FFH-Monitoring) 4 Maßnahmen Im Säugetierschutz in Niedersachsen ist der Zweifarbfledermaus Priorität einzuräumen, da der Bestand als sehr gering einzuschätzen ist. Weitere Quartiere sind jedoch zu erwarten. Unkenntnis der Quartiere bedeutet potenzielle Gefährdung. 4.1 Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen Erhalt und Schutz von Winterquartieren in der Nähe von Felshabitaten und Städten Förderung bzw. Wiederherstellung gut strukturierter Waldgesellschaften und naturnaher Kulturlandschaften mit entsprechend großem Insektenreichtum insbesondere in Gebieten mit Felsstrukturen, aber auch in Stadtparks. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 8
9 4.2 Gebiete für die Umsetzung mit Prioritätensetzung 1. Landkreise mit Sommer- und/oder Winterquartieren: Goslar, Osterode 2. Landkreise/Städte mit potenziellen Reproduktionsnachweisen: Hildesheim (Stadt und Landkreis) 3. FFH-Gebiete mit potenzieller Bedeutung für die Art. Abb.4: Gebiete für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen 4.3 Bestandsüberwachung und Untersuchungsbedarf Erfassung der Individuenzahlen in den Winterquartieren in jährlichem Turnus Telemetrische Ermittlung von Sommerquartieren Untersuchungen zu Lebensraumansprüchen, insbesondere zum Jagdlebensraum. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 9
10 5 Schutzinstrumente Investive Maßnahmen in Form von Zuschüssen bzw. Fördermittel zur Sicherung von Quartieren, z.b. über die Förderrichtlinie Natur- und Landschaftsentwicklung und Qualifizierung für Naturschutz Vertragsnaturschutz Hoheitlicher Schutz zur Sicherung von bedeutenden Habitaten und Schutzgebieten gegenüber konkurrierenden Nutzungsansprüchen. 6 Literatur MARKOVETS, M.J., N.P. ZELENOVA & A.P.SHAPOVAL (2004): Beringung von Fledermäusen in der Biologischen Station Rybachy, Nyctalus (N.F.) 9/4. RUNKEL, V. (2006): In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Sonderheft 2, SCHOBER, W. & E. GRIMMBERGER (1998): Die Fledermäuse Europas. Kosmos. ZÖLLICK, H., E. GRIMMBERGER & A. HINKEL (1989): Erstnachweis einer Wochenstube der Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus L., 1758), in der DDR und Betrachtungen zur Fortpflanzungsbiologie. Nyctalus, 2: Impressum Herausgeber: Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) Fachbehörde für Naturschutz Postfach , Hannover > Naturschutz Ansprechpartnerin im NLWKN für diesen Vollzugshinweis: Bärbel Pott-Dörfer Zitiervorschlag: NLWKN (Hrsg.) (2010): Vollzugshinweise zum Schutz von Säugetierarten in Niedersachsen. Teil 3: Säugetierarten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie mit Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus). Niedersächsische Strategie zum Arten- und Biotopschutz, Hannover, 10 S., unveröff. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKN 10 3C12
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