Zweite Juristische Staatsprüfung 2010/2. A u f g a b e 6. (Arbeitszeit: 5 Stunden)

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1 Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz - Landesjustizprüfungsamt - Zweite Juristische Staatsprüfung 2010/2 A u f g a b e 6 (Arbeitszeit: 5 Stunden)

2 - 1 - Zweite Juristische Staatsprüfung 2010/2 A u f g a b e 6 (Arbeitszeit: 5 Stunden) Auszug aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft München I, Az.: 263 Js 22345/10: Staatsanwaltschaft München I 22. November 2010 Verfügung: Gegen Zacharias Arnold, geboren am 30. Mai 1975, wird ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage ( 153 StGB) eingeleitet. Gründe: Als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft war ich heute in der Hauptverhandlung des Amtsgerichts München im Verfahren Az.: 3 Ds 242 Js /09. Das Verfahren richtete sich gegen den Bruder des nun Beschuldigten Zacharias Arnold, Herrn Ale- xander Arnold, wegen Hehlerei. Alexander Arnold soll im Zeitraum vom 27. Novem- ber 2009 bis 30. November 2009 im Keller des Hauses Welfenstr. 11 in ( ) Müngestohlene Mobiltelefone gelagert und von dort abverkauft haben. In der heuti- chen gen Hauptverhandlung sagte der hiesige Beschuldigte als Zeuge aus. Es ergaben sich erhebliche inhaltliche Widersprüche zwischen seiner Aussage und der Aussage des Zeugen Norbert Neuner. Es besteht daher der konkrete Verdacht, dass sich der Beschuldigte wegen uneidlicher Falschaussage strafbar gemacht hat. Paul Staatsanwalt Auszug aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht - Strafrichter - München vom 22. November 2010, Az.: 3 Ds 242 Js /09: Strafsache gegen Alexander Arnold, geboren am 2. April 1970, wegen Hehlerei Gegenwärtig: Richter am Amtsgericht Kurz als Strafrichter Staatsanwalt Paul als Vertreter der Staatsanwaltschaft Justizsekretärin Jung als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ( ) Der Angeklagte wird darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu den ihm zur Last gelegten Taten zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Der Angeklagte erklärt: "Ich will von meinem Schweigerecht Gebrauch machen."

3 - 2 - Es wird in die Beweisaufnahme eingetreten und der Zeuge Norbert Neuner in den Sitzungssaal gerufen. Der Zeuge wird gemäß 57 StPO belehrt und vernommen wie folgt: Zur Person: "Norbert Neuner, 52 Jahre alt, in Frührente, wohnhaft Welfenstr. 9,, mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert." Zur Sache: "Ich bin der Nachbar des Angeklagten. An den Zeitraum vom 27. November 2009 bis 30. November 2009 kann ich mich gut erinnern, denn da war ein ständiges Kommen und Gehen in der Welfenstr. 11; dauernd klingelten Leute bei den Arnold-Brüdern. Ich bin am 28. November 2009 und 29. November 2009 ein paarmal rüber gegangen und habe mich über die durch die ständigen Besucher entstandene Unruhe be- schwert. Beschwert habe ich mich beim Angeklagten und auch zwei- oder dreimal bei dessen Bruder, dem Zacharias. Den beiden waren meine Beschwerden allerdings offensichtlich egal. Am 30. November 2009 habe ich dann gesehen, wie der Angeklagte mehrere Kartons in einen Pkw einlud und damit wegfuhr. Ich habe ja gleich gewusst, dass bei denen etwas nicht stimmt." Anträge auf Vereidigung des Zeugen werden nicht gestellt. Der Zeuge bleibt auf Anordnung des Strafrichters unvereidigt und wird um Uhr entlassen. Sodann wird der Zeuge Zacharias Arnold in den Sitzungssaal gerufen. Der Zeuge wird nach den 52, 55, 57 StPO belehrt. Der Zeuge erklärt: "Ich habe verstanden, dass ich weder meinen Bruder noch mich selbst zu belasten brauche. Ich möchte aussagen." Zur Person: "Zacharias Arnold, geboren am 30. Mai 1975 in München, lediger Heizungsbauer, Bruder des Angeklagten, wohnhaft Welfenstr. 11 ( ), München." Zur Sache: "Von etwaigen Handy-Verkäufen durch meinen Bruder weiß ich gar nichts. Ich war in der Zeit vom 27. November 2009 bis zum 30. November 2009 zusammen mit meinem Bruder in London. In dieser Zeit kann er daher nicht in München irgendwelche Handys verkauft haben." Der Zeuge wird durch den Staatsanwalt erneut auf seine Wahrheitspflicht hingewie- sen; der Staatsanwalt erläutert ihm noch einmal die Strafbarkeit einer falschen Aus- sage vor Gericht, die unweigerlich ein Ermittlungsverfahren nach sich ziehe, und hält ihm die Aussage des Zeugen Norbert Neuner vor. Der Zeuge erklärt: "Ich bleibe bei meiner Darstellung der Dinge. Wenn mein Nachbar Norbert Neuner hier und heute als Zeuge erklärt hat, dass er mich und meinen Brukann ich mir auch gut vorstellen: Aus irgendwelchen Gründen kann Herr Neuner der in diesen Tagen zu Hause gesehen habe, dann hat er schlicht gelogen. Das meinen Bruder nicht leiden; jetzt will er ihm offensichtlich etwas anhängen. Zum Bevor, der für die fragli- weis meiner Aussage lege ich dem Gericht meinen Kalender bitte wenden!

4 - 3 - chen Tage den Eintrag 'London mit Alex' enthält, und das Flugticket, aus dem sich jeweils Hin- und Rückflug von meinem Bruder und mir ergeben. " Der Kalender wird in Augenschein genommen und der für die Tage vom 27. bis 30. November 2009 vorgenommene Eintrag verlesen. Sodann wird das Flugticket in Augenschein genommen und verlesen. Das Flugticket wird mit Einverständnis des Zeugen zu den Akten genommen. Der Zeuge erklärt: "Ich habe die beiden Hin- und Rückflüge im Internet gebucht. Nach Abschluss der Buchung wurde mir dieses Flugticket als unveränderliches elekt- per übersandt und von mir auf meinem Drucker ausge- ronisches Dokument druckt." Anträge auf Vereidigung werden nicht gestellt. Der Zeuge bleibt auf Anordnung des Strafrichters unvereidigt und wird um Uhr entlassen. ( ) Polizeipräsidium München 29. November 2010 Beschuldigtenvernehmung: Nach ordnungsgemäßer Belehrung äußert sich der Beschuldigte wie folgt: Zur Person: "Zacharias Arnold, geboren am 30. Mai 1975, Heizungsbauer, ledig, deutscher Staatsangehöriger, wohnhaft Welfenstr. 11 in." Zur Sache: "Es ist richtig, dass ich vor Gericht als Zeuge aufgetreten bin. Mein älterer Bruder Alexander Arnold, geboren am 2. April 1970, begeht leider hin und wieder Straftaten. Wir wohnen zusammen in einem Haus in der Welfenstr. 11 in. Ich ha- be im Zusammenhang mit dem Tun von Alex nicht immer alles richtig gemacht. Wenn Sie mir heute hier vorhalten, dass ich versucht habe, meinem Bruder in der Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht ein Alibi zu verschaffen, dann ist das richdass man sich, wenn man Angehörige vor Strafe bewahren will, nicht strafbar macht tig. Da ich sehr gerne die Gerichtsshows im Fernsehen anschaue, weiß ich aber, mit falschen Angaben vor Gericht. Die Geschichte, um die es geht, ist folgende: Alex soll im Zeitraum vom 27. bis 30. November 2009 gestohlene Handys bei uns im Keller gelagert und an diverse Abnehmer verkauft haben. Gegen meinen Bruder wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und schließlich dieser Termin zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht bestimmt. Ich wurde als Zeuge geladen. Ich befürchtete, dass man mich dazu befrabefand, und von den Verkäufen mitbekommen habe. Vor der Verhandlung hat Alex gen würde, ob ich etwas von Alex 'Warenlager', das sich damals in unserem Keller mich gebeten, ihm zu helfen. Ich wollte ihm das nicht abschlagen und erklärte mich circa eine Woche vor der Verhandlung dazu bereit, in der Verhandlung unter Eid zu

5 - 4 - schwören, dass ich in der fraglichen Zeit mit ihm in London gewesen sei. Auf die Idee mit der Reise nach London bin ich gekommen, weil unsere beiden anderen Geund ich dachte, ich könnte ihr Flugticket, das zufällig in meine Hände geraten war, schwister, Zuzanna und Andre Arnold, tatsächlich in diesen Tagen in England waren verwenden, um meine Aussage zu untermauern. Um die Geschichte noch glaubhafter zu machen, fälschte ich außerdem einen Eintrag in meinem Taschenkalender, so dass dieser für den Zeitraum vom 27. bis 30. November 2009 eine Reise mit meinem Bruder nach London auswies. Tatsächlich musste ich als Zeuge auftreten. Der Richter belehrte mich, dass ich nicht aussagen müsse; ich hatte mit meinem Bruder aber ja eine Abmachung und wollte mich daran halten. Der Richter hatte offensichtlich Zweifel an meiner Aussage. Da er mir nicht glauben wollte, legte ich den Kalender vor und das Flugticket. Das Ticket, das meine Schwesso verändert worden, dass es nun- ter damals gebucht und ausgedruckt hatte, war mehr auf meinen Bruder und mich lautete. Zur Frage, wer das Flugticket verändert hat, möchte ich nichts sagen. Nachdem die Aussage von Norbert Neuner und andere Ermittlungsergebnisse mei- nen Bruder schwer belasteten, glaubte der Richter meiner Aussage aber trotz allem nicht und verurteilte den Alex zu einer Bewährungsstrafe. Die Zeugenaussage von Norbert Neuner, die mir der Staatsanwalt vorhielt, war schon richtig. Nach dem eindringlichen Hinweis des Staatsanwalts auf die Wahrschön mulmig. Aber ich konnte schlecht in der Hauptverhandlung zugeben, dass heitspflicht und die strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage wurde mir ganz Neuner recht hatte; dann wäre ja mein ganzer Schwindel aufgeflogen. Ich hoffte, den Staatsanwalt und das Gericht davon überzeugen zu können, dass Neuner derjenige sei, der falsche Angaben machte, weil er meinem Bruder eins auswischen wollte. Und wenn ich schon dabei bin, dann kann ich ja gleich auch noch die folgende Geschichte 'bereinigen': Meine Geschwister und ich haben noch eine alte Tante, Frieda Kiesl. Sie ist die ältere Schwester unserer Mutter. Sie wohnt seit Längerem im Alten- amtlich bestellter Betreuer, unter anderem für den Aufgabenkreis Vermö- genssorge, und daher zu ihrer Vertretung in allen Vermögensangelegenheiten, also heim, da sie geistig und körperlich nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Ich bin seit zwei Jahren ihr auch sämtlichen Bankgeschäften, berechtigt. Alex, der stets pleite ist, geriet bereits vor einiger Zeit in eine ungute Geschichte mit einem Geldverleiher und brauchte dringend Geld. Er kam daher auf die Idee, dass ich vom Konto der Frieda ,- abheben und ihm das Geld namens und in Vertretung von Frieda kurzfristig für vier Wochen als Darlehen zur Verfügung stellen könnte. Er würde der Frieda einen Zinssatz in Höhe des Marktzinses plus 10 % bezahlen, so dass sie nur Vorteile aus dem Geschäft hätte. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich bequatschen ließ, obwohl ich so meine Zweifel hatte, ob Alex das Geld je zurückzahlen würde. Am 1. März 2010 begaben Alex und ich uns zur Filiale der Volksbank im Urbanweg in München. Am Schalter sagte ich der Angestellten, dass ich vom Konto von Frieda Kiesl ,- in bar abheben wolle, weil Frau Kiesl einen neuen motorisierten Rollstuhl benötige. Die Angestellte sagte mir, dass sie jeden Transfer über ,- bitte wenden!

6 - 5 - irgendwie melden müsse. Ich habe das nicht ganz verstanden, bekam aber Angst, angezeigt zu werden und in Schwierigkeiten zu geraten. Deshalb gingen wir unverdass die Angestellte mich dennoch irgendwo angezeigt hat. Daher wollte ich diese richteter Dinge wieder nach Hause. Seitdem werde ich die Befürchtung nicht los, Geschichte heute loswerden. Es ist doch im Ergebnis gar nichts passiert!" Aufgenommen: Schandl Kriminalhauptkommissar Selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben: Zacharias Arnold Polizeipräsidium München 1. Dezember 2010 Der Beschuldigte Zacharias Arnold erscheint erneut auf dem Polizeipräsidium München. Nach erneuter ordnungsgemäßer Belehrung erklärt er: "Zwischenzeitlich hatte ich Gelegenheit, mit meinem Rechtsanwalt zu sprechen. Die- auch meiner Verneh- mung vom 29. November 2010 und verwahre mich gegen eine Verwertung dieser ser hat mir geraten, nichts mehr zu sagen. Ich widerspreche Aussage. Die Aussage ist ohnehin unverwertbar, da ich nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs besteht. Sollte es zu einer Verhandlung gegen mich kommen, werde ich auch dort nichts mehr sagen. " Aufgenommen: Schandl Kriminalhauptkommissar Selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben: Zacharias Arnold Polizeipräsidium München 3. Dezember 2010 Vermerk: Aus der Aussage des Beschuldigten Zacharias Arnold ergibt sich der Verdacht, dass sich der Bruder des Beschuldigten, Alexander Arnold, folgender Straftaten schuldig gemacht hat: ( ) Der Beschuldigte Alexander Arnold wurde auf den 2. Dezember 2010 zur Verneh- des 1. Dezember 2010 bei einem Ver- mung vorgeladen. Er ist jedoch am Abend kehrsunfall ums Leben gekommen. ( ) Schandl Kriminalhauptkommissar Auszug aus dem Gutachten des Sachverständigen beim nalamt, Dr. Dieter Dreier: Bayerischen Landeskrimi- " ( ) Zur Untersuchung wurde ein Flugticket für den 27. November 2009 (zwei Flüge München - London) und den 30. November 2009 (zwei Flüge London - München), ausgestellt auf Arnold, Alexander und Arnold, Zacharias, vorgelegt. Es handelt sich

7 - 6 - um ein von der Fluggesellschaft per übersandtes elektronisches Dokument, das durch den Buchenden selbst auszudrucken war. Durch eine Rückfrage bei der Fluggesellschaft konnte das ursprüngliche Dokument reproduziert werden. Es handelte sich um ein Flugticket für die genannten Hin- und Rückflüge, jedoch ausgestellt auf die Personen Arnold, Andre und Arnold, Zuzanna. Das vorgelegte Dokument wurde so erstellt, dass auf dem ursprünglichen Ausdruck der Vorname Andre mit einem in derselben Schriftart und Größe angefertigten Ausdruck des Vornamens Alexander und der Vorname Zuzanna entsprechend mit dem Vornamen Zacharias überklebt wurde. Das so erstellte Dokument wurde sodann fozwei Stellen Kopierränder feststellen, die den sicheren Schluss auf die dargelegte Art tokopiert. Bei genauer Untersuchung ließen sich bei beiden Vornamen jeweils an der Erstellung des vorgelegten Dokuments zulassen. ( )" Der zuständige Staatsanwalt lässt Alexander Arnold als weiteren Beschuldigten ein- Versterbens des Beschuldigten so- tragen und stellt das Verfahren gegen ihn wegen gleich nach 170 Abs. 2 StPO ordnungsgemäß ein. Sodann lässt er sich die Akten zur Fertigung der Abschlussverfügung hinsichtlich des Beschuldigten Zacharias Arnold wieder vorlegen. Vermerk für die Bearbeiter: Die abschließende(n) Verfügung(en) der Staatsanwaltschaft ist (sind) zu fertigen. Von den 153 bis 154e StPO ist kein Gebrauch zu machen. Soweit nach Auffasder Ermittlungen erlassen. Es ist davon auszugehen, dass eine weitere Sachaufklä- sung des Bearbeiters eine Anklageschrift zu fertigen ist, ist das wesentliche Ergebnis rung nicht möglich ist. Soweit in der (den) staatsanwaltschaftlichen Verfügung(en) ein Eingehen auf alle berührten Rechtsfragen nicht erforderlich erscheint, sind diese in einem Hilfsgutachten zu erörtern. Für die Bearbeitung ist davon auszugehen, dass das Ermittlungsverfahren gegen Alexander Arnold ordnungsgemäß abgeschlossen worden ist. Die Frage, wie sich Alexander Arnold strafbar gemacht hat, ist nicht zu erörtern. Straftatbestände außerhalb des StGB sowie Ordnungswidrigkeiten bleiben bei der Bearbeitung außer Betracht. bitte wenden!