Stellungnahme gegen eine geplante Anbindung der Gerichtshilfe an die Landgerichte und Tätigkeit von Bewährungs und Gerichtshilfe in Personalunion
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- Jasper Beckenbauer
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1 Cornelia Neher, Hechtseestraße 5, Rosenheim Cornelia ummet-esche Neher 1. Vorsitzende Hechtseestr Rosenheim Tel / Fax: 08031/ Rosenheim, Stellungnahme gegen eine geplante Anbindung der Gerichtshilfe an die Landgerichte und Tätigkeit von Bewährungs und Gerichtshilfe in Personalunion In Bayern ist die Bewährungshilfe Teil der Landgerichte. Die Dienstaufsicht obliegt den jeweiligen Präsidenten. Die Gerichtshilfe ist an die Staatsanwaltschaften angegliedert, die Dienstaufsicht hat der zuständige Leiter der Staatsanwaltschaft inne. Vor dem Hintergrund, dass die Gerichthilfe in Bayern nicht flächendeckend, sondern nur in den Bezirken Augsburg, Memmingen, München, Nürnberg und Würzburg existiert, wurde ab Oktober 2014 das Modellprojekt Gerichtshilfe beim Landgericht Bayreuth und Bamberg eingeführt. In der derzeitigen Erprobungsphase erfolgt Gerichts und Bewährungshilfe in Personalunion. Ziel des Projektes soll sein, Erfahrungen bezüglich einer Etablierung von Sozialen Diensten der Justiz zu sammeln. Die Gerichts- und Bewährungshilfe soll zusammengelegt und die dabei anfallenden Aufgaben von jeweils der gleichen Person bewältigt werden. Um sich eine Meinung über die Sinnhaftigkeit einer Umwandlung der aktuellen Struktur in Soziale Dienste der Justiz in Bayern zu bilden, müssen die sehr unterschiedlichen Hintergründe und fachlichen Aufträge von Bewährungs und Gerichtshilfe betrachtet werden.
2 Die Bewährungshilfe hat sich aus privaten ehrenamtlichen Hilfen für Inhaftierte, deren Angehörige und Strafentlassene entwickelt. In den 1950iger Jahren wurde eine professionelle Bewährungshilfe installiert. Ausgangspunkt für die Bewährungshilfearbeit ist ein rechtskräftiges Urteil, verbunden mit einem notwendigen Bewährungsbeschluss. Die Bewährungshilfe ist somit im Vollstreckungsverfahren angesiedelt. Die Betreuung ist längerfristig angelegt. Im Vordergrund steht der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum Probanden, sowie der Resozialisierungsgedanke. Die Unterstellung unter Bewährungsaufsicht stellt eine Zwangsmaßnahme dar. Die Gerichtshilfe entstand 1923 durch die vorherrschende Meinung, Juristen fehle es an einer speziellen Fachkompetenz zur Erfassung und Darstellung von Täterpersönlichkeiten. Das Reichsjustizministerium schuf daraufhin die notwendigen rechtlichen Grundlagen und setzte Sozialarbeiter*innen im laufenden Strafverfahren ein. Nachdem es von keine Gerichtshelferstellen mehr gab, kam es in den1960iger Jahren zur Einführung der Gerichtshilfe in der StPO. Es folgte die einvernehmliche Festlegung hinsichtlich der Schaffung einer staatlich organisierten Gerichtshilfe durch die Justizministerkonferenz 1968, welche in Bayern schließlich erst Ende der 1970iger Jahre installiert wurde. In der Strafprozessordnung ist die Beiziehung der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren ( 160 Abs.3) und auch im Vollstreckungsverfahren ( 463) benannt, mit dem Ziel, dadurch einen optimalen Ansatz zur Erfassung der Täterpersönlichkeit zu erreichen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich lt. Gesetz auf die Umstände erstecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Die Bildung dieses speziellen Dienstes wurde von Juristen forciert, die der Ansicht waren, dass in einem noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren täterspezifische Informationen (u. a. persönliche Verhältnisse, soziales Umfeld) für die Anwendung des Strafrechts unbedingt notwendig wären. Weder das Maß der persönlichen Schuld, noch Maß und Art der Resozialisierungsbedürftigkeit, insbesondere nicht die Strafempfindlichkeit lasse sich ohne die Kenntnis der Täterpersönlichkeit beurteilen (vgl. BGHSt 7,28, 31). Die Gerichtshilfe ist generell als Ermittlungsorgan zu betrachten. Für die Betroffenen stellt sie ein Angebot auf freiwilliger Basis dar. Wenn das Gericht keine Kenntnis über die Täterpersönlichkeit hat, stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung von Urteilen führen kann, wie dies in der Vergangenheit z.b. beim mehreren Urteilen des OLG Koblenz erfolgt ist. Dem Großkommentar Löwe-Rosenberg zur StPO und dem Gerichtsverfassungsgesetz ist zu entnehmen, dass die Gerichtshilfe kein zusätzlicher Betreuungsdienst, sondern
3 vorrangig eine soziale Ermittlungshilfe für die Strafjuristen ist und somit primär im Ermittlungsverfahren eingesetzt werden soll. Die Gerichtshilfe hat sich um ein objektives Bild zu bemühen, alle Umstände herauszufinden, die Wirklichkeit herauszufinden, ohne Rücksicht darauf, ob es sich für den Beschuldigten positiv oder negativ auswirken kann (Löwe-Rosenberg Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar zum 160 Abs. 3 stopp). Die Beauftragung durch die Dezernenten der Staatsanwaltschaften erfolgt um Anhaltspunkte über die Täterpersönlichkeit, seine Strafempfindlichkeit, die Resozialisierungsbedürftigkeit des Beschuldigten zu erhalten. Ob es im Verlauf einer Fortführung des Verfahrens bei Gericht zu einer Bewährungsunterstellung käme ist offen. Es gibt von daher keine Deckungsgleichheit bei der Klientel der Gerichts- und Bewährungshilfe. Ein weiteres Hauptaugenmerk des Gerichtshilfeauftrags ist auf die Opferberichterstattung und betreuung bzw. deren Vermittlung an geeignete Stellen gerichtet. Sie stellt ein wichtiges strafprozessuales Element dar, um der Subjektrolle des Opfers im Strafverfahren angemessen Geltung zu verschaffen (vgl. BGH-Beschluss vom StR 276/07). Grundsätzlich sei darauf hingewiesen, dass sich zu Beginn eines Strafverfahrens spezifische Lösungen durch besondere Sanktionsmöglichkeiten ergeben können. Diese sind neben oder anstelle der klassischen Sanktionen anwendbar. Hierzu müssen allerdings Erkenntnisse über den Beschuldigten und die Geschädigten vorliegen. Somit bleibt festzustellen: die Tätigkeitsfelder der Bewährungs und Gerichtshilfe zeigen in ihren Ursprüngen, den Arbeitszielen und der fachlichen Herangehensweise deutliche Unterschiede auf. Die in diesen Sozialdiensten beschäftigten Sozialarbeiter*innen sind in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten tätig. Ein kausaler und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten beider sozialen Dienste innerhalb Justiz ist nicht gegeben. Eine Zusammenlegung birgt verschiedene Probleme in sich. Prekär ist vor allem die Frage des Datenschutzes. Die Gerichtshilfe hat heute als Teil der Ermittlungsbehörde direkten Zugang zu Informationen, Ermittlungsunterlagen und Vollstreckungsakten. Gliedert man sie aus dieser Struktur aus, wird der Zugang zu den Daten und Unterlagen der Staatsanwaltschaft problematisch. Werden die Grenzen zwischen den Institutionen Bewährungs- und Gerichtshilfe verwischt besteht aus unserer Sicht die Gefahr des Kontrollverlustes bzgl. des Umgangs und der Weitergabe von vertraulichen Informationen. Darüber hinaus führt die Ausübung der Bewährungs und Gerichtshilfe in Personalunion zu Rollenkonflikten. Wie werden sensible Gesprächsinhalte gehandhabt, die man als
4 Bewährungshelfer*in bzw. als Gerichtshelfer*in erfährt? Der Bewährungshelfer*in sieht den Probanden unter einem anderen, vor allem auf Langfristigkeit angelegten, Blickwinkel. Im Vordergrund des Gerichtshelfer*in steht das Ermittlungsverfahren unter dem Leitgedanken der Unschuldsvermutung. Die bisher ohnehin wenig genutzte Beiziehung der Gerichtshilfe durch die Dezernenten der Staatsanwaltschaften wird durch die angestrebte Strukturreform nicht verbessert. Vielmehr sind Nähe, regelmäßige und direkte Kontakte zu den Dezernenten der Staatsanwaltschaft die Voraussetzung für die Beauftragung der Gerichtshilfe. Hiervon kann in späteren Verfahrensgängen die im Vollstreckungsverfahren tätige Bewährungshilfe profitieren. Bei einer Verlagerung der Gerichtshilfe durch eine Zusammenlegung (gemeinsamer Sozialer Dienst der Justiz) und Anbindung an die Landgerichte entstehen neue, längere Verfahrensabläufe. Im Fall einer Auftragserteilung durch die Staatsanwaltschaft muss erst geklärt werden ob dort bereits Erkenntnisse über Personen vorliegen, ob und welche Daten mitgeteilt werden können usw. Dies erzeugt zusätzliche Arbeit, die vorher üblichen kurzfristigen Besprechungstermine würden dann entfallen. Die Bereitschaft die Gerichtshilfe zu beauftragen wird dadurch eher ausbleiben als sich erhöhen. Diese Entwicklung ist klar in den Bundesländern mit einem einheitlichen Sozialdienst feststellbar. Nur dort wo die GH unabhängig von der Bewährungshilfe mit der Staatsanwaltschaft gekoppelt ist, sind nennenswerte Beauftragungszahlen der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren überprüfbar vorhanden. Die jetzige Beauftragungslage der Gerichtshilfe in Bayern bedarf einer deutlichen Optimierung. Diese ist unter Beibehaltung der Organisationsform als Sozialdienst der Staatsanwaltschaften leichter, nachhaltiger und ergiebiger zu erreichen. Durch die Aufstockung von Bewährungshilfestellen in den letzten Jahren konnte endlich eine Reduzierung der Fallzahlen erreicht werden. Die Zusammenlegung der Gerichts und Bewährungshilfe würde ohne gleichzeitige Stellenmehrung - zu einer erneuten Mehrbelastung der Bewährungshelfer*innen führen. Es ist auch zu betonen, dass es für die Erfüllung eines Auftrags im Vollstreckungsverfahren im Hinblick auf das Nichtbezahlen einer Geldbuße oder Nichtableisten von gemeinnütziger Arbeit keiner sozialpädagogischen Fähigkeiten bedarf und damit z.b. auch Rechtspfleger betraut werden können.
5 Wenn die Gerichtshilfe kriminalpolitisch gewollt ist, muss sie vielmehr und deutlicher in das öffentliche Bewusstsein treten und eine Stärkung erfahren, indem: - die Staatsanwaltschaften ihre zugehörigen Gerichtshelfer weit mehr als bisher in Anspruch nehmen, insbesondere im Ermittlungsverfahren und in der Opferberichterstattung - für eine flächendeckende Versorgung aller bayerischen Staatsanwaltschaften mit Gerichtshelfern und damit einhergehend eine personelle Verstärkung gesorgt wird - eine entsprechende Qualifizierung für methodisches Handeln, wie teilweise in anderen Bundesländern üblich, erfolgt - ein stärkerer Focus auf die Opferberichterstattung und Begleitung Betroffener im Verfahren sowie Weitervermittlung an andere Stellen gelegt wird. Neben der Ermittlung von Täterpersönlichkeiten ist auch die Opferarbeit wichtig. Politisches Ziel sollte sein, den Opfern von Straftaten eine adäquate Betreuung und Begleitung im Strafverfahren zukommen zu lassen und somit deren Stellenwert zu stärken. Dadurch kann das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz gestärkt werden. Die Frage nach Erkenntnissen anderer Bundesländer ist weitestgehend offen. Fest steht aber, dass die Eingliederung / Zusammenlegung der Gerichts- in die Bewährungshilfe in den meisten Fällen wenig erfolgreich war, da die Gerichtshilfe dann meist in der Bedeutungslosigkeit versank. Ein genauer Vergleich zwischen den Ländern ist schwierig, da die vorliegenden Statistiken wenig aussagekräftig sind. Gültige Zielvorstellungen der Gerichtshilfe wurden jedoch nachweislich nicht erreicht. Die derzeitige Planung, einen Sozialen Dienst der Justiz in Bayern zu schaffen, bei dem die Gerichtshilfe und die Bewährungshilfe zusammengelegt, bzw. Tätigkeiten in Personalunion ausgeführt werden sollen würde den Tod der Gerichtshilfe in Bayern bedeuten. Als Fazit der vorherigen Ausführungen erscheint es uns vielmehr sinnvoll, die Eigenständigkeit von Bewährungs- und Gerichtshilfe in Bayern aufrechtzuerhalten, in dem die Gerichtshilfe weiterhin bei den Staatsanwaltschaften und die Bewährungshilfe beim jeweiligen Landgericht angegliedert bleibt. Aufgrund der vorgetragenen Argumente ist die ABB der Meinung, dass es nicht notwendig ist, das Ende und die Auswertung des Modellprojekts im März 2016 abzuwarten um hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
6 Die aufgeführten Aspekte machen sehr deutlich, dass eine Zusammenlegung der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Bayern nicht sinnvoll ist und deshalb keinesfalls umgesetzt werden sollte. Die ABB lehnt deshalb die Schaffung eines einheitlichen Sozialen Dienstes der Justiz durch eine Zusammenlegung von Bewährungs- und Gerichtshilfe in Bayern, insbesondere in Personalunion, ab. Cornelia Neher, ABB Vorsitzende.
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