Sinn im hohen Alter Dr. Heinz Rüegger
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- Monika Geisler
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1 Sinn im hohen Alter Dr. Heinz Rüegger Bibliothek Pro Senectute Schweiz 29. September 2016
2 Demografische Alterung Demografische Alterung als entscheidendes Merkmal ggw. gesellschaftlicher Veränderung: - wir werden individuell immer älter (Langlebigkeit) - die Älteren machen einen immer grösseren Teil der Gesellschaft aus. Das ist eine menschliche Errungenschaft, die wir durch Kultur der Natur abgetrotzt haben. eine natürlich-evolutionäre Entwicklung eine uns von Gott zugedachte Bestimmung 2
3 Ambivalenz Was ein zivilisatorischer Riesenerfolg ist, wird allerdings mehr als Problem empfunden: - gesellschaftlich: «Überalterung», «Vergreisung», «Alterslast» - kulturell: Anti Aging (forever young) - individuell: lange leben wollen alle alt sein will niemand. 3
4 Unterscheidung - junges Alter (ca 65-85) > goldenes Lebensalter (P.Baltes: Hoffnung) - hohes Alter (ca 85+) > vulnerables Lebensalter (P.Baltes: Trauerflor) Alt ist man heute erst im hohen Alter. Dann drohen Gebrechlichkeit, Demenz, Abhängigkeit, Sterben all das, was man im Leben lieber vermeiden möchte. > Alter wird als pathologisches Phänomen gesehen. 4
5 Hohes Alter in der Sinnkrise Mit dieser Perspektive stösst man direkt auf die Sinnfrage: - Was soll ein solches Leben im Zeichen von Abnahme und Defiziten noch? - Soll man das sich und andern zumuten? - Worin liegt das Positive, bejahenswerte dieser Lebensphase? Peter Gross diagnostiziert eine Sinnkrise des hohen Alters. Gefragt wäre eine «Sinngebung der Schwäche.» 5
6 Das Bedürfnis nach Sinn Nach V.E. Frankl ist «Wille zum Sinn» eines der urmenschlichsten Bedürfnisse. Menschen sind Sinnsuchende Wesen. Sinnfrage begleitet das Leben meist hintergründigunreflektiert. Wenn selbstverständliche Sinnhaftigkeit nicht mehr gegeben ist, bricht Sinnfrage bewusst auf. Sinn ist das, was einem das Gefühl gibt, das irdische Leben hier und jetzt sei stimmig, lohnend und bejahenswert. 6
7 Zum menschlichen Leben gehören allerdings auch Erfahrungen des Leidens an Sinnlosigkeit oder Widersinn: - das gilt es auszuhalten - damit gilt es umzugehen im Suchen nach neuen Sinnperspektiven. (vgl. Tradition biblischer Klagepsalmen) 7
8 Gibt es einen Sinn DES hohen Alters? Biologisch-evolutionär nicht. Theologisch nicht. Hohes Alter kann allenfalls als Geschenk oder Segen verstanden werden allerdings nur, wenn man es geniessen kann (Koh 6). Einen besonderen religiösen Sinn hat hohes Alter nicht, schon gar nicht im NT. Soziologisch: fraglich. P. Gross: Mässigung/Befriedung einer ausbeuterischen, aggressiven, leistungswütigen Gesellschaft/Kultur. 8
9 Psychologisch-spirituell: Ermöglichung neuer, menschlich wertvoller Erfahrungen - der Reifung/Vertiefung - der Lebenssättigung - der inneren Freiheit, zu sich selbst zu finden - des Loslassens und Abdankens - des Zugangs zu den passiven/rezeptiven Seiten des Lebens Sinnfindung im hohen Alter als Möglichkeit und als Entwicklungsaufgabe 9
10 Sinnaspekte IM hohen Alter Bescheidenere Perspektive: Leben kann sinnvoll/ stimmig sein auch ohne übergreifende Sinnperspektive. So bewusst leben, dass sich Erfahrungen von Sinnhaftigkeit auch unter den Bedingungen des hohen Alters einstellen können = Lebenskunst des Alters 10
11 Sinnfindung im Glück alltäglicher Lebensvollzüge Sinnkonstitutive Dimension alltäglicher Lebensvollzüge wie Essen, Musik hören, Natur erleben, Gespräche führen, Beziehungen leben Hilfreich dafür ist eine Lebenshaltung geprägt durch - Achtsamkeit - Fähigkeit, etwas auszukosten - Dankbarkeit - Selbstbescheidung/Genügsamkeit 11
12 Eine solche Haltung ist ein Gegenakzent zu gängiger - Oberflächlichkeit - Konsumgier - Anspruchshaltung - Masslosigkeit 12
13 Sinnfindung im Ausschöpfen von Lebensmöglichkeiten Teilnahme am Leben der Gesellschaft aus gelöster Distanz aus dem zweien Glied (engagiertes Disengagement) Vita contemplativa (H. Hesse) Offenheit für die passiven Seiten des Lebens: aktive Passivität, «ergriffenes Ergreifen» (L. Rosenmayr) Musse: Zeit für das Zweckfreie, das um seiner selbst willen sinnvoll erscheint 13
14 Sinnfindung im Loslassen von Lebensmöglichkeiten Umgang mit Grenzen: - Gelassenheit (loslassen zulassen sich überlassen) - Positive Resignation - Aufrechtes Leiden (V.E. Frankl) - Toleranz gegenüber dem, was nicht aufgeht - Akzeptanz der Fragmenthaftigkeit/Unvollkommenheit Loslassen: - Bejahung der Endlichkeit (ars moriendi) - Abdanken 14
15 Relativierung des Sinnanspruchs Es ist zutiefst menschlich, die Sinnfrage zu stellen. Es ist ebenso tief menschlich, trotz Ringen mit der Sinnfrage keinen Sinn im Leben erkennen zu können. Das irdische Leben ist nicht immer sinnvoll. Es ist menschlicher, eine gewisse Sinnlosigkeitstoleranz zu entwickeln, statt jeder Erfahrung von Sinnlosigkeit einen vermeintlichen geheimen Sinn zu unterstellen (= billiger Trost). 15
16 Gott und die Verheissung eines ewigen, jenseitigen Lebens sind keine Garanten für Sinnfindung im diesseitigen Leben. Es empfiehlt sich eine gewisse «Sinndiät durch Diätetik der Sinnerwartung» (O. Marquard). Es macht Sinn, dass der Sinn des Lebens im hohen Alter irgendwann primär im Enden des Lebens besteht. - das gilt es auszuhalten und Betroffene empathisch zu begleiten; - dem Enden sollte dann nichts in den Weg gelegt werden. 16
17 Wenn das Enden ein Abdanken sein kann, ist damit wohl die letzte Dimension von Sinnhaftigkeit im hohen Alter erreicht. 17
18 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Heinz Rüegger Institut Neumünster Neuweg 16, 8125 Zollikerberg 18
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