Nr. 09/ Juli 2017/ma
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1 Arbeits- und Sozialrecht Arbeitgeberverband Zement und Baustoffe e.v. Beckum Nr. 09/ Juli 2017/ma An die Mitglieder I. ARBEITSVERTRAGSRECHT 1. Befolgung unbilliger Weisungen 2. Freigestellte Mitarbeiter dürfen mitfeiern II. BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ Smartphone für den Betriebsrat III. KÜNDIGUNG Anforderung an die Unterschrift bei einer Kündigung IV. SOZIALRECHT Überbrückungsleistungen des Arbeitgebers bis zum Renteneintritt sind beitragsfrei Postfachadresse: Telefon: Hausadresse: Postfach Telefax: Wilhelmstraße Beckum Beckum Internet:
2 Zu I., 1.: Befolgung unbilliger Weisungen Beschluss des BAG vom (10 AZR 330/16): Die Parteien stritten über die Ordnungsgemäßheit einer fristlosen Kündigung. Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund beschäftigt. In einem vorrangegangenen Kündigungsrechtsstreit wurde festgestellt, dass die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Darauf verweigerten weitere Mitarbeiter der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger. Die Beklagte reagierte hierauf, indem sie dem Kläger mitteilte, dass dieser künftig am Standort Berlin eingesetzt werde, da eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Dortmund außerhalb seines ehemaligen Teams nicht bestehe. Der Kläger nahm seine Tätigkeit am Standort Berlin nicht auf. Die Beklagte mahnte ihn hierauf ab. Nach einer weiteren Abmahnung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Das BAG führte aus, dass das LAG in nicht zu beanstandender Weise festgestellt habe, dass die Versetzung des Klägers von Dortmund nach Berlin nicht rechtmäßig erfolgte. Die insoweit von der Beklagten erteilte Weisung entspreche nicht billigem Ermessen und sei daher rechtswidrig. Der 10. Senat des BAG beabsichtigt zu entscheiden, dass der Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht auch nicht vorläufig folgen muss. Dem steht die Rechtsprechung des 5. Senats des BAG entgegen, welcher im Jahr 2012 entschieden hat, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Weisung, die nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, nicht hinwegsetzen dürfe, solang keine rechtskräftige Entscheidung vorliege, die deren Unwirksamkeit feststelle. Mit dem Beschluss fragt der 10. Senat beim 5. Senat des BAG an, ob diese an seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 2012 festhalten will. Gibt der 5. Senat seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2012 auf, müssen Arbeitnehmer unwirksame Weisungen des Arbeitgebers nicht befolgen. Konsequenzen wären dann nicht zu fürchten. Folge wäre, dass die im konkreten Fall ausgesprochene Abmahnung bzw. fristlose Kündigung nicht rechtmäßig wäre. Zu I., 2. Freigestellte Mitarbeiter dürfen mitfeiern Urteil des ArbG Köln vom (8 Ca 2253/16): Die Parteien streiten darüber, ob ein freigestellter Mitarbeiter weiter an Betriebsfeiern sowie Betriebsausflügen teilnehmen darf. Der Kläger war langjährig in leitender Position bei der Beklagten beschäftigt. Im Jahr 2015 vereinbarten die Parteien die Freistellung des Klägers ab bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Renteneintritt. Dem Kläger wurde dabei mündliche zugesichert, dass er auch künftig an Betriebsfeiern und Betriebsausflügen teilnehmen darf. Der Kläger wurde zum Betriebsausflug 2016 auch zunächst eingeladen. Der neue Vorstandsvorsitzende teilte diesem später jedoch mit, dass seine Teilnahme unerwünscht sei. 2
3 Das Arbeitsgericht entschied aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie der mündlichen Zusage zugunsten des Klägers. Ein Arbeitgeber benötige einen Sachgrund, wenn er einzelne Arbeitnehmer von Betriebsfeiern ausschließen möchte. Ein solcher Sachgrund bestehe beispielsweise, wenn ein Arbeitnehmer bei vorherigen Veranstaltungen negativ aufgefallen sei. Eine Freistellung reiche als Sachgrund für die Verweigerung einer Teilnahme nicht aus. Zu II.: Smartphone für den Betriebsrat Beschluss des LAG Hessen vom (16 TaBV 212/16): Der Betriebsrat begehrt von seinem Arbeitgeber die Zurverfügungstellung eines Smartphones nebst Zubehör. Der Arbeitgeber betreibt ein Krankenhaus in A. in dem der Betriebsrat sein Büro hat sowie vier weitere Außenstellen welche zwischen 3 und 20 km von A. entfernt liegen. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Smartphone erforderlich im Sinne des 40 Abs. 2 BetrVG ist. Nach 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Informations- und Telekommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Die Prüfung, ob ein Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsausgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist, obliegt nach ständiger Rechtsprechung des BAG dem Betriebsrat. Dieser hat bei seiner Entscheidung die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben zu berücksichtigen. Dabei hat der Betriebsrat die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts und die berechtigte Interessen des Arbeitgebers gegenseitig abzuwägen. Vorliegend halte die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit der arbeitsgerichtlichen Kontrolle statt. Der Betriebsrat hat seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Er hat insbesondere die betrieblichen Verhältnisse berücksichtigt. Der Betriebsrat betreut mehrere Außenstellen, die von ihm in regelmäßigen Abständen besucht werden. Zu diesen Zeiten ist er in seinem Betriebsratsbüro nicht erreichbar. Außerdem werden Arbeitnehmer im Schichtdienst betreut, mit denen der Betriebsrat auch an Wochenenden und zu Abendstunden kommunizieren muss. Auch die ständige Abrufbarkeit von Dienstplänen und Terminplänen ist wichtig, um Termine koordinieren zu können und zu sehen, wer gerade im Dienst ist. Das LAG stellt im Übrigen fest, dass ein Betriebsratsmitglied nicht verpflichtet ist, eigene Gerätschaften für die Betriebsratsarbeit einzusetzen. Zu III.: Anforderungen an die Unterschrift einer Kündigung: Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom (7 Sa 286/16): Die Parteien streiten über die Ordnungsgemäßheit einer Kündigung. Der Kläger war bei der Beklagten seit dem beschäftigt. Die Parteien vereinbarten eine Probezeit von fünf Monaten. Am erhielt der Kläger ein 3
4 Kündigungsschreiben. Das Kündigungsschreiben trägt links unten einen handschriftlichen Schriftzug mit den maschinenschriftlichen Unterzeilen E., Vorstand, C. sowie rechts handschriftlich ppa. Y. Z. mit den maschinenschriftlichen Unterzeilen ppa. Y. Z., Kaufmännische Leitung, C.. Der Kläger rügte, dass hier an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Unterschrift des E. nicht erfüllt sei. Das Gebilde, das die Unterschrift darstellen solle, sei nicht lesbar. Das LAG stellte fest, dass der Schriftzug unter dem Kündigungsschreiben den Anforderungen an eine eigenhändige Unterschrift im Sinne der 623, 126 BGB genügen. Durch das in 126 Abs. 1 BGB vorgesehene Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift werde der Aussteller der Urkunde erkennbar. Die Unterschrift stelle eine unzweideutige Verbindung zwischen der Urkunde und dem Austeller her. Der Erklärungsempfänger erhalte die Möglichkeit zu überprüfen, wer die Erklärung abgegeben habe und ob die Erklärung echt ist. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift verlange hingegen nicht, dass unmittelbar bei Abgabe der schriftlichen Erklärung für den Erklärungsempfänger die Person des Ausstellers feststehen muss. Dieser soll nur identifiziert werden können. Hierfür bedarf es nicht der Lesbarkeit des gesamten Namenszuges. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der verwendete Schriftzug den Anforderungen genüge. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn ein Schriftzug lediglich eine Paraphe darstellt aus einem oder zwei einzelnen Buchstaben besteht. Der Name müsse vollständig, wenn auch nicht leserlich wiedergegeben werden. Im Ergebnis sei daher dem Schriftformerfordernis genüge getan. Zu IV.: Überbrückungsleistungen des Arbeitgebers bis zum Renteneintritt sind beitragsfrei Urteil des Bundessozialgerichts vom (B 12 KR 12/15 R): Die Parteien stritten über eine Forderung der Krankenkasse, die Nachzahlung von Beiträgen verlangt. Der Kläger ist ein Arbeitnehmer, dem bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ab dem 55. Lebensjahr eine Betriebsrente von 1.327,55 DM zugesagt wurde. Diese wurde ab Dezember 1998 laufend ausgezahlt. Der Kläger nahm in der Folge eine andere versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Seit Beginn seiner Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zahlt er auf die Betriebsrente Krankenversicherungsbeiträge. Die Krankenkasse verlangt nunmehr auch für die Zeit vor Rentenbeginn die Nachzahlung von Beiträgen. Der Kläger wendet sich gegen einen entsprechenden Bescheid. Das BSG hat entschieden, dass es sich bei einer Betriebsrente aus einer Direktzusage nicht um beitragspflichtige Versorgungsbezüge handelt, solange der Überbrückungszweck der Leistungen im Vordergrund steht. Das gelte auch für unbefristet gewährte Leistungen. Dies könne jedoch nur bis zum Renteneintritt, längstens aber bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze der Fall sein. Die Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung greife in die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit ein. Dieser Eingriff sei dem Gebot grundrechtsschonender Auslegung entsprechend möglichst gering zu halten. Das Gesetz ist folglich dahingehend auszulegen, dass auch unbefristete, 4
5 über den Renteneintritt hinaus gezahlte Arbeitgeberleistungen solange keine Versorgungsbezüge darstellen und daher beitragsfrei sind, als sie vorrangig einem Überbrückungs- und keinem Versorgungszweck dienen. Freundliche Grüße ARBEITGEBERVERBAND ZEMENT UND BAUSTOFFE E. V. Alexander Palme 5
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