Bundesarbeitsgericht entscheidet über die Wirksamkeit einer Versetzung
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- Steffen Engel
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1 NEWSLETTER Bundesarbeitsgericht entscheidet über die Wirksamkeit einer Versetzung ARNECKE SIEBOLD Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburger Allee Frankfurt/Main Germany Tel Fax Frankfurt@ArneckeSiebold.de Web 1
2 Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 13. Juni 2012, 10 AZR 296/11, entschieden, dass wenn der Arbeitsvertrag neben dem Arbeitsort die Berechtigung des Arbeitgebers zum unternehmensweiten Einsatz des Arbeitnehmers bestimmt, damit grundsätzlich keine vertragliche Festlegung des Arbeitsorts verbunden ist. Wenn der Arbeitgeber das Direktionsrecht nicht ausübt, führt dies regelmäßig nicht zu einer Konkretisierung des Arbeitsorts. Bei der Bestimmung des Leistungsorts nach billigem Ermessen muss eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. Der Fall: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweisen Änderungskündigung. Die Klägerin trat im Jahr 1990 als Purserette (Kabinenchefin) in die Dienste der S Fluggesellschaft mbh, eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Der Arbeitsvertrag enthält u.a. folgende Regelung: Einsatzort ist grundsätzlich Frankfurt/Main. S kann Frau... auch vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, an einem anderen Ort sowie befristet bei einem anderen Unternehmen einsetzen. Nachdem das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen war, wurde die Klägerin bis zum Ausspruch der Versetzung zunächst befristet in Hannover stationiert. Infolge erheblicher Reduzierung ihres Flugprogramms ab Hannover schloss die Beklagte im Juli 2009 mit ihrer Personalvertretung eine Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit-Kabinenpersonal in Hannover. Gegenstand war u.a. der Abbau der 43 Arbeitsplätze in Hannover. Um den von der Stationierung betroffenen Mitarbeitern weiterhin den Einsatz ab Hannover zu ermöglichen, hatte die Beklagte diesen angeboten, als Flugbegleiter nicht jedoch als Purser mit Stationierungsort Hannover für ihre Tochtergesellschaft B zu 2
3 fliegen. Einzelheiten wurden in einem entsprechenden Interessenausgleich geregelt. Die Klägerin teilte der Beklagten ihr Interesse an einem Wechsel zur B GmbH mit, jedoch nur als Purserette und nicht als Flugbegleiterin. Nach Beteiligung der Personalvertretung versetzte die Beklagte die Klägerin unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Purserette von Hannover nach Frankfurt a.m.. Hilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächst möglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem mit der Maßgabe, dass Stationierungsort nunmehr Frankfurt a.m. sein solle. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an. Die Klägerin hielt die Versetzung für unwirksam. Das ArbG hat der Klage stattgegeben. Das LAG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision zum BAG war begründet. Die Entscheidungsgründe: Nach dem BAG umfasst das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten die Befugnis zur Zuweisung eines anderen Einsatzorts. Im Rahmen der erforderlichen Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen sei festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort festgelegt sei und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt habe. Dabei sei zu beachten, dass die Bestimmung des Arbeitsorts in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindere. Fehle es an der Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag, ergebe sich der Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers aus 106 GewO. Nach Ansicht des BAG ergibt die Auslegung im vorliegenden Fall, dass kein Einsatzort vertraglich vereinbart wurde. Dies resultiere aus den Formulierungen im Arbeitsvertrag, die einen Arbeitsort grundsätzlich festlegten und daneben vorsahen, dass die Arbeitgeberin die Klägerin auch vorübergehend oder auf Dauer... an einem anderen Ort
4 einsetzen könne. Die Bestimmung des Einsatzortes im Arbeitsvertrag stelle daher nur eine erstmalige Ausübung des Weisungsrechts dar. Es liege auch keine Konkretisierung des Arbeitsvertrages auf den Arbeitsort Hannover vor. Allein die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schaffe regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen wolle. Nicht abschließend entscheiden konnte das BAG mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz darüber, ob die Beklagte von ihrem Weisungsrecht nach billigem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen. Einzubeziehen sind vor allem auch die vertragliche Risikoverteilung sowie die sozialen Lebensverhältnisse. Eine soziale Auswahl wie bei 1 Abs. 3 KSchG findet hingegen nicht statt. Zugunsten der Beklagten führt das BAG deren unternehmerische Entscheidung zur Schließung des Standorts Hannover an. Darüber hinaus habe die Beklagte mit ihrer Personalvertretung maßgebliche Abmilderungen der für die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten vereinbart. Nach Ansicht des BAG stellt die Möglichkeit der befristeten Beschäftigung der Klägerin als Purserette bei einer Tochtergesellschaft keine weniger belastende Maßnahme dar. Solange eine unbefristete vertragsgemäße Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber möglich sei, bestehe keine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine befristete Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen anzubieten. Praxishinweis: Das Bundesarbeitsgericht hat mit dieser Entscheidung einige aus Arbeitgebersicht relevante Punkte klargestellt. Bei Verzicht auf die Festlegung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag besteht insofern ein weites Direktionsrecht nach 106 GewO. Es ist daher zu empfehlen, in den Arbeitsvertrag eine Bestimmung aufzunehmen, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeit- 4
5 nehmer im gesamten Unternehmen auch an anderen Orten einzusetzen. Eine Nichtausübung des Direktionsrechts über einen langen Zeitraum ist insoweit unschädlich, als sie regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend schafft, dass der Arbeitgeber von seinem Recht in Zukunft keinen Gebrauch machen will. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in seinem Unternehmen unbefristet an einem anderen Ort zu im Übrigen unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigen kann, so muss er ihm in aller Regel weder im Rahmen einer Versetzung noch im Rahmen einer Änderungskündigung die befristete Weiterbeschäftigung am selben Ort bei einem anderen Unternehmen des Konzerns anbieten. 5
6 Für weitere Informationen zu den Themen dieses Newsletters oder für sonstige rechtliche Fragen stehen Ihnen unsere Kollegen der Fachgruppe gerne zur Verfügung. Dieser Newsletter fasst höchstrichterliche Rechtsprechung und andere Rechtsfragen abstrakt zusammen und gibt keinen Rechtsrat zu einem konkreten Sachverhalt oder Problem. Soweit Urteile dargestellt werden, betrifft die Darstellung immer nur die konkrete Entscheidung des jeweiligen Gerichts, ungeachtet deren späteren Aufhebung oder einer anderweitig eingetretenen Rechtsänderung. Bei konkreten Fragen sollten Sie einen der Spezialisten aus unserer Sozietät konsultieren. Dieser wird Ihre Fragen gerne beantworten. ANNETTE KNOTH, MBA Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht THOMAS HARTMANN, LL.M. Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht SCHAHIN HAGHANI, LL.M. Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Tel Dr. JAN GRAWE Rechtsanwalt PETER KIESGEN Rechtsanwalt und Notar Fachanwalt für Arbeitsrecht Fachanwalt für Versicherungsrecht Tel INGA ROHWEDER Rechtsanwältin MAIKE STRÖMER Rechtsanwältin und Notarin Fachanwältin für Arbeitsrecht Fachanwältin für Medizinrecht Tel ARNECKE SIEBOLD Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburger Allee Frankfurt/Main Germany Tel Fax Frankfurt@ArneckeSiebold.de Web
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