Präambel. 1. Kritische Würdigung des Betreuungsgeldes aus finanz-, bildungs-, gleichstellungs- und familienpolitischer Perspektive NDV.

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1 EMPFEHLUNGEN UND STELLUNGNAHMEN Oktober 2012 Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Entwurf eines Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Einführung eines Betreuungsgeldes Wahlfreiheit für Familien vollenden Betreuungsgeldgesetz 1 NDV Präambel In 16 Abs. 4 SGB VIII wurde durch das am 7. November 2008 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (KiföG) die Absicht aufgenommen, ab 2013 den Eltern eine monatliche Zahlung, z.b. in Form eines Betreuungsgeldes, zu gewähren, die ihre Kinder nicht in einer Einrichtung betreuen lassen möchten oder können. Diese Absichtserklärung findet sich auch in dem im Oktober 2009 beschlossenen Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der am 6. Juni 2012 vom Kabinett beraten und beschlossen wurde. 2 Die geplanten Neuregelungen wie auch die dafür aufgeführten Begründungen und Argumentationslinien werden seitens des Deutschen Vereins aus finanz-, bildungs-, gleichstellungsund familienpolitischer Sicht sehr kritisch gesehen Kritische Würdigung des Betreuungsgeldes aus finanz-, bildungs-, gleichstellungs- und familienpolitischer Perspektive Das Ansinnen der Bundesregierung, die vielfältigen Lebensentwürfe von Familien zu unterstützen, die bessere Vereinbarkeit von Familien-, Sorge- und Erwerbsarbeit zu fördern und die Eltern in ihrer Autonomie im Hinblick auf die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern zu bestärken und zu begleiten, begrüßt der Deutsche Verein ausdrücklich. Allerdings bezweifelt er, ob das Betreuungsgeld hierfür der geeignete Weg ist. Zudem bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der beabsichtigten Gesetzesänderungen Finanzpolitische Perspektive Angesichts der finanzpolitischen Folgen sieht es der Deutsche Verein als kritisch an, eine neue dauerhafte monetäre Leistung wie sie das Betreuungsgeld darstellt einzuführen. Sie würde sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die bestehende Staatsverschuldung auswirken. Auch ist anzunehmen, dass der Bund bei der Neuverteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern, die durch die 2020 vollends in Kraft tretenden Schuldenbremse notwendig wird, das für das Betreuungsgeld anfallende Finanzvolumen unter seinen Ausgaben einbringen wird. Es steht zu befürchten, dass daraufhin die Bundesländer ihre Landesmittel für die Einhaltung der Schuldenbremse zulasten der Kommunen reduzieren werden. 5 Des Weiteren stellt sich die Frage nach den Kosten des im Gesetzentwurf bereits benannten erhöhten Vollzugsaufwands, die auf Seiten der Kommunen entstehen. Nach Auffassung des Deutschen Vereins müsste vor Einführung eines solchen Gesetzes eine Verständigung über die bislang nicht bezifferten Folgekosten erfolgen. 1.2 Bildungspolitische Perspektive Bereits 2008 hat der Deutsche Verein in seiner Stellungnahme zum KiföG seine Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass von der staatlich geförderten Nichtinanspruchnahme öffentlicher Förderangebote insbesondere Kinder aus sozial benachteiligenden Lebenssituationen (Familien mit niedrigem Einkommen, niedrigem Bildungsstand und mit Migrationshintergrund) erfasst sein wer- 1) Verantwortliche Referentin im Deutschen Verein: Maria-Theresia Münch. Die Stellungnahme wurde vom Präsidialausschuss des Deutschen Vereins im Umlaufverfahren am 21. August 2012 verabschiedet. 2) Der Gesetzentwurf sieht vor, das Betreuungsgeld in das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu integrieren. 3) Vgl. auch Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz KiföG), DV 13/08 und Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins anlässlich der Befassung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages mit dem 16 Abs. 4 SGB VIII Betreuungsgeld am 4. Juli 2011, NDV 2011, 414. Beide zu finden unter 4) Vgl. u.a.: Schuler-Harms, M./Schildmann, C.: Verfassungsrechtlich prekär. Expertise zur Einführung eines Betreuungsgeldes. Hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, November Die Expertinnen führen u.a. aus, dass die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung gem. Art 72 Abs. 2 GG nicht gegeben sei (vgl. ebd., S. 18 f.); Ewer, W.: Was geht das den Bund an? Im Streit über das Betreuungsgesetz wird ein Aspekt übersehen: Wahrscheinlich verstößt das ganze Vorhaben gegen das Grundgesetz, in: Süddeutsche Zeitung, 8. August 2012, und Sacksofsky, U.: Rechtsgutachten zur Frage Vereinbarkeit des geplanten Betreuungsgeldes nach 16 Abs. 4 SGB VIII mit Art. 3 und Art. 6 GG. Havard, Oktober ) Vgl. hierzu: Commerzbank AG Mittelstandsbank (Hrsg.): Auswirkungen der Schuldenbremse auf die kommunale Ebene. Eine Studie in Kooperation mit der Universität Leipzig und dem Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Frankfurt a. M., Februar Zu finden unter: Schuldenbremse_auf_die_kommunale_Ebene.pdf 459

2 NDV Oktober 2012 den. 6 Deshalb wird nachdrücklich gefordert, dass die für das Betreuungsgeld eingeplanten finanziellen Mittel in den quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung fließen. Nur so kann das Ziel erreicht werden, jedem Kind, unabhängig von seiner familiären und ethnischen Herkunft sowie wirtschaftlichen Lebenslage, dieselben Chancen der Teilhabe an öffentlichen Bildungsund Betreuungsangeboten zu eröffnen. 1.3 Gleichstellungspolitische Perspektive Auch wenn Eltern, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Anspruch auf das Betreuungsgeld erhalten sollen, wird es sich auf die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen auswirken. Das Betreuungsgeld wird bei der Entscheidung unterstützend wirken, sein Kind länger selbst zu betreuen und nicht früher den (Wieder-)Einstieg in die Erwerbstätigkeit zu wählen. Dies werden aufgrund der realen Einkommensverteilung zwischen den Geschlechtern oder der individuellen noch bestehenden klassischen Rollenverteilung in erster Linie die Mütter sein. Damit wirkt das Betreuungsgeld den Bemühungen um eine berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern entgegen. Zudem würde die möglicherweise mit dem Betreuungsgeld verbundene Nichterwerbstätigkeit die Problematik der fehlenden unabhängigen Altersabsicherung des nicht berufstätigen oder Teilzeit erwerbstätigen Elternteils verfestigen und damit zur steigenden Armutsgefährdung dieses Elternteils zumeist der Frauen beitragen. Gleichzeitig widerspricht es dem bisherigen Ziel des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), das durch die Verteilung der Sorgearbeit auf und eine Erwerbsbeteiligung für beide Geschlechter intendiert. Wenn der Gesetzentwurf verabschiedet würde, müsste zur Vermeidung der an dieser Stelle genannten Folgen und Widersprüche eine dem BEEG vergleichbare Regelung gefunden werden, die die gleichstellungspolitischen Anforderungen erfüllt. 1.4 Familienpolitische Perspektive Wenn man will, dass Eltern und zwar beide Elternteile die Möglichkeit haben, insbesondere in den ersten drei Lebensjahren ihres Kindes selbst für dieses zu sorgen, es zu pflegen, zu erziehen und zu bilden, wäre es familienpolitisch konsequent, wenn die Partnermonate innerhalb des Elterngeldes ausgeweitet würden. 7 Auf der anderen Seite müsste ein bedarfsgerechtes qualitativ hochwertiges Kindertagesbetreuungsangebot zur Verfügung stehen. Nur dann hätten Eltern eine echte Wahlfreiheit. Daneben fordert der Deutsche Verein seit Langem 8, dass sich jegliche familien- und sozialpolitischen Maßnahmen und Leistungen darauf ausrichten müssen, Armutsrisiken von Familien zu vermeiden. Die hierfür 2008 ebenfalls vom Deutschen Verein 9 geforderte notwendige und grundlegende Überprüfung des Systems der zahlreichen familienpolitischen Transferleistungen im Hinblick auf ihre Effizienz und Zielgenauigkeit wie auch eine daraus folgende Neujustierung stehen nach wie vor aus. Statt der Einführung einer neuen Transferleistung sollten zunächst die Ergebnisse dieser Evaluation abgewartet werden. Im Einzelnen nimmt der Deutsche Verein zu folgenden Regelungen des BEEG-E Stellung: 2. Regelungen des BEEG-E im Einzelnen 2.1 Betreuungsgeldberechtigte Art. 1 4 a BEEG-E Nach 4 a Abs. 1 Nr. 1 BEEG-E erhalten Eltern das Betreuungsgeld im Unterschied zum Elterngeld (vgl. 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG) unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie erwerbstätig sind. Der Deutsche Verein begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung, die im Vorfeld des Gesetzentwurfes hervorgebrachte Kritik zu entkräften, das Betreuungsgeld würde die Erwerbsbeteiligung von Eltern einschränken bzw. verhindern. Gleichwohl zeigt sich bereits an dieser Stelle eine gewisse Inkonsistenz des Betreuungsgeldkonzeptes. Einerseits sollen laut Begründung Eltern darin unterstützt und ihnen ermöglicht werden, dass sie ihre Kinder in der Familie selbst erziehen, bilden und betreuen können. Andererseits folgt aber aus dieser Regelung, dass die Kinder dennoch während des gesamten Zeitraumes der Erwerbstätigkeit der Eltern (was die Vollzeit erwerbstätigkeit dem Grunde nach einschließt) von einer dritten Person betreut werden können bzw. müssen. Daneben sind gemäß 4 a Abs. 1 Nr. 2 BEEG-E diejenigen Eltern anspruchsberechtigt, die für ihre Kinder keine dauerhaft durch öffentliche Sach- und Personalkostenzuschüsse geförderte Kindertagesbetreuung in Anspruch nehmen. Die Voraussetzung für den Erhalt des Betreuungsgeldes ist demnach ausschließlich die Nichtnutzung eines durch die öffentliche Hand geförderten Kindertagesbetreuungsangebotes. Der Deutsche Verein bewertet diese Vorschrift als problematisch und spricht sich gegen jegliche monetäre Prämierung der Nichtinanspruchnahme einer Infrastrukturleistung aus. Eine derartige Regelung konterkariert das Ziel des Kinderförderungsgesetzes, die Kindertagesbetreuung qualitativ und quantitativ auszubauen und deren Inanspruchnahme zu fördern. Mit der gleichen Argumentation könnte zum Beispiel auch die Nichtinanspruchnahme von staatlich geförderten Kultur- und Bildungsangeboten, wie Bibliotheken oder Theater, künftig monetär ausgeglichen werden, wenn Eltern ihren Kindern Bücher kaufen oder mit ihnen zu Hause Theater spielen. Das Betreuungsgeld ist laut Gesetzesbegründung dem Zweck nach eine Anerkennung der Erziehungsleistung von Eltern, die ihre Kinder in der oben beschriebenen Form betreuen (lassen) wollen. Aber auch Eltern, die ihre Kinder in ein öffentlich gefördertes Kindertagesbetreuungsangebot geben, erbringen eine anerkennenswerte Erziehungsleistung. In 4 a Abs. 2 BEEG-E ist eine Härtefallregelung für Eltern enthalten, die ihre Kinder aufgrund schwerer Krankheit, Schwerbehinderung oder Tod nicht selbst betreuen kön- 6) Vgl. Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz KiföG), DV 13/08, zu finden unter 7) Vgl.: Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsleben 2009, NDV 2009, , und Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Arbeitsbericht Zukunft für Familie des Kompetenzzentrums für familienbezogene Leistungen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom April 2008, NDV 2008, ) Vgl.: Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Entwurf des Gesetzes zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen 2008, NDV 2009, 10 f. 9) Vgl. Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Arbeitsbericht Zukunft für Familie des Kompetenzzentrums für familienbezogene Leistungen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom April 2008, NDV 2008,

3 Oktober 2012 NDV nen. Laut dem Gesetzentwurf erhalten diese Eltern Betreuungsgeld, wenn das Kind nicht mehr als 10 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats in einer öffentlich geförderten Kindertageseinrichtung oder von einer öffentlich geförderten Tagespflegeperson betreut wird und wenn beide Eltern von den oben genannten Gründen betroffen sind. Grundsätzlich wird eine Härtefallregelung für Eltern, die sich in einer besonders schwierigen persönlichen Notlage befinden, begrüßt. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb der Betreuungsumfang in einer öffentlich geförderten Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagespflegeperson auf 10 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats begrenzt wird. Ein sachlicher Grund ist nicht erkennbar. Es steht durch diese Möglichkeit zu befürchten, dass, wenn neben der Betreuung durch die Eltern und der öffentlich geförderten noch eine weitere nicht öffentlich geförderte Betreuungsform in Anspruch genommen wird, dies zu wiederholten Wechseln der Bezugspersonen führt. Damit würde der insbesondere für die Entwicklung dieser sehr kleinen Kinder wichtige emotional sichere und kontinuierliche Beziehungsaufbau erschwert. 2.2 Bezugszeitraum Art. 1 4 d Abs. 1 BEEG-E Gemäß 4 d Abs. 1 BEEG-E besteht der Anspruch auf Betreuungsgeld nur für Eltern von Kindern vom 13. bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats. Diese Regelung dürfte nach Ansicht des Deutschen Vereins nicht mit dem Gleichheitsgebot nach Art. 3 GG vereinbar sein, da sie sich ausschließlich auf Eltern mit Kindern im Alter von zwei bis drei Jahren beschränkt. Die Erziehungsleistungen von Eltern enden nicht mit dem dritten Geburtstag eines Kindes Verfahren und Organisation Art BEEG-E Gemäß der Änderungen in 10 Abs. 1 und 2 BEEG-E soll das Betreuungsgeld auf die Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II), dem SGB XII (Sozialhilfe) und dem 6 a BKKG (Kinderzuschlag) in vollem Umfang als Einkommen angerechnet werden. Grundsätzlich haben Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen, aufgrund der auch von ihnen erbrachten Erziehungsleistungen zwar Anspruch auf Betreuungsgeld. Da das Betreuungsgeld zugleich die ökonomische Situation von Familien, die kein staatlich gefördertes Kindertagesbetreuungsangebot in Anspruch nehmen, verbessern soll 11 und als Transferleistung zum Einkommen der Familien beitragen würde, ist es systemlogisch und folgerichtig, wenn es zur Bedarfsdeckung herangezogen wird. Laut der Gesetzesbegründung sei eine Anrechnung aber auch deswegen vertretbar, weil es ein umfassendes Förderinstrumentarium 12 für Familien im Sozial- und Steuerrecht gebe. Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. Das Betreuungsgeld verfolgt auch den Zweck, Wahlfreiheit durch größere Gestaltungsfreiräume für die familiäre Kindertagesbetreuung zu schaffen, sowie die Erziehungsleistung von Eltern mit Kleinkindern anzuerkennen und zu unterstützen. Das Betreuungsgeld dient demnach in seiner Zielrichtung nicht ausschließlich der Sicherung des Lebensunterhaltes. In ähnlicher Weise hat sich der Deutsche Verein bereits zur Frage der Anrechnung des Elterngeldes an die o. g. Sozialleistungen geäußert Inkrafttreten Art. 4 BEEG-E In Art. 4 BEEG-E ist vorgesehen, dass das BEEG-E am 1. Januar 2013 in Kraft treten soll. Diese Terminierung wird kritisch gesehen. Angesichts der derzeitigen angespannten Haushaltslage wäre wenn überhaupt eine Koppelung an das Inkrafttreten des Rechtsanspruches am 1. August 2013 sinnvoll gewesen, zumal die Geldleistung unter dem Aspekt der Wahlfreiheit als Alternative zur institutionellen Kindertagesbetreuung propagiert und damit in einen unmittelbaren Zusammenhang gestellt wird. Unabhängig davon hat sich aber der Deutsche Verein bereits für eine klare andere Prioritätensetzung ausgesprochen. Bevor ein Betreuungsgeld eingeführt würde, müsste der quantitative und qualitative Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren soweit vorangebracht werden, dass der Rechtsanspruch am 1. August 2013 umgesetzt und sichergestellt werden kann. 10) Vgl. Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz KiföG), vgl. DV 13/08, S. 2f. Zu finden unter 11) Vgl.: Entwurf eines Gesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Einführung eines Betreuungsgeldes Wahlfreiheit für Familien vollenden Betreuungsgeldgesetz, BT-Drucksache 17/9917, S ) Ebd. (Fußn. 11). 13) Vgl.: Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Haushaltsbegleitgesetz 2011 hinsichtlich Artikel 13 Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes NDV 201, ) Vgl. Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins anlässlich der Befassung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages mit dem 16 Abs. 4 SGB VIII Betreuungsgeld am 4. Juli 2011, NDV 2011, 414, und Eckpunktepapier des Deutschen Vereins zu den Herausforderungen beim Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren. NDV 2011, Bitte besuchen Sie uns auch im Internet: 461

4 NDV Oktober 2012 EMPFEHLUNGEN UND STELLUNGNAHMEN Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde 1 Der Deutsche Verein begrüßt die Initiative, durch eine gesetzliche Konkretisierung der Funktionen der Betreuungsbehörde sowohl im Vorfeld als auch im gerichtlichen Verfahren die Bestellung eines/r rechtlichen Betreuers/in möglichst zu vermeiden und damit das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu stärken. In seinen Empfehlungen zur Stärkung des Erforderlichkeitsgrundsatzes im Betreuungsrecht am Beispiel der örtlichen Betreuungsbehörden vom 7. Dezember hat der Deutsche Verein bereits mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass er es insbesondere vor dem Hintergrund von Art. 12 UN-Behindertenrechtskonvention für angezeigt hält, möglichst andere Arten der Unterstützung anstelle von rechtlichen Betreuungen zum Einsatz zu bringen. Allerdings werden die geplanten Änderungen einen ganz erheblichen Mehraufwand für die Betreuungsbehörden auslösen. Insbesondere wird es zusätzlichen Personals bedürfen. Hierzu fehlt es an klaren Aussagen im Entwurf zur Finanzierung. Vielmehr ist es unzutreffend, dass die Änderungen kostenneutral oder sogar mit Entlastungen für die Länder umzusetzen sein werden. Der Deutsche Verein bedauert, dass mit dem vorliegenden Entwurf die Chance verpasst wurde, die Anrufung des Betreuungsgerichts für die Fälle gänzlich vermeiden zu können, in denen nur Unterstützung und Beratung anstelle einer gerichtlichen Entscheidung erforderlich sind. Nach Auffassung des Deutschen Vereins sollten sich betroffene Personen in jedem Falle zunächst direkt an die Betreuungsbehörde im Sinne einer ersten Anlaufstelle wenden können, wo ihre (soziale) Situation geprüft wird und entsprechende Beratungen erfolgen. Durch dieses Vorgehen könnte der unterstützungssuchende Mensch niedrigschwellig und ohne gerichtlichen Eingriffscharakter Unterstützung erfahren und damit der Erforderlichkeitsgrundsatz noch weitgehender gestärkt werden. Die Entscheidung zur Einrichtung einer rechtlichen Betreuung bliebe selbstverständlich dem Betreuungsgericht vorbehalten. Auch sollte es parallel möglich bleiben, dass der/die Betroffene sich selbst an einen Betreuungsverein oder erforderlichenfalls direkt an das Gericht wendet. Stattdessen wird nun ein zusätzlicher Aufwand geschaffen, indem in jedem Einzelfall zwingend zwei Stellen das Betreuungsgericht und die Betreuungsbehörde eingeschaltet werden. Der Deutsche Verein bekräftigt daher seine Forderung, die Betreuungsbehörde als Erste Anlaufstelle in Fragen der rechtlichen Betreuung 3 zu profilieren, damit es nicht zu Zeit- und Effizienzverlusten durch ein Hin und Her zwischen Betreuungsgericht und Betreuungsbehörde kommt. Im Übrigen fehlt es an einer Darlegung und Regelung der angemessenen Finanzausstattung der Betreuungsbehörden. Dies hält der Deutsche Verein für zwingend erforderlich, damit die im Gesetzentwurf vorgesehenen Aufgaben auch tatsächlich erfüllt werden können. Zu den vorgeschlagenen Regelungen im Einzelnen: 1. Änderungen des FamFG a) Obligatorische Anhörung der Betreuungsbehörde Der Deutsche Verein begrüßt zur Stärkung des Erforderlichkeitsgrundsatzes die dahingehende Änderung des 279 Abs. 2 FamFG sowie die entsprechende Spiegelung in 8 BtBG, dass die Anhörung der Betreuungsbehörde nun verpflichtend unmittelbar nach Einleitung des Verfahrens zur Betreuerbestellung vorgesehen ist. Auch wenn bundesweit viele Betreuungsbehörden bereits von den Betreuungsgerichten um die Erstellung eines Sozialberichts ersucht werden, hat der Deutsche Verein in seinen oben genannten Empfehlungen angeraten, diesen Verfahrensschritt regelhaft gesetzlich zu verankern, um sicherzustellen, dass die fundierten Kenntnisse der Betreuungsbehörde hinsichtlich der in Betracht kommenden sozialen Unterstützungsleistungen in die gerichtliche Entscheidung einfließen können. Mit einem obligatorischen Sozialbericht kann gewährleistet werden, dass die Betreuungsbehörde 1) Verantwortliche Referentin im Deutschen Verein: Susann Kroworsch. Die Stellungnahme wurde vom Präsidialausschuss des Deutschen Vereins im Umlaufverfahren am 29. August 2012 verabschiedet. 2) NDV 2/2012, S. 57 ff. 3) In der aktuellen Fachdiskussion wird der Begriff der Eingangsinstanz verwendet. Dieser ist jedoch nicht weiter definiert, weshalb vorliegend von Erste Anlaufstelle in Fragen der rechtlichen Betreuung gesprochen und diese mit ihren Aufgaben und Kompetenzen beschrieben wird. 462

5 Oktober 2012 NDV in jedem Einzelfall prüft, ob die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung tatsächlich erforderlich ist oder ob der Unterstützungsbedarf nicht eher im Bereich des Praktischen liegt und insofern durch andere und konkret durch welche Unterstützungsleistungen vor Ort Abhilfe geschaffen werden könnte. 4 Es verwundert allerdings, dass der Entwurf von keinem zusätzlichen Kostenaufwand für Kommunen ausgeht. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Einführung eines obligatorischen Sozialberichts zu einem höheren Personalbedarf mindestens in den Betreuungsbehörden führt, in denen bisher keine Sozialberichte erstellt wurden. Ohne eine Aufstockung des Personalbestands wäre mit großen Bearbeitungsrückständen zulasten der Betroffenen zu rechnen. Es bedarf einer eindeutigen Klarstellung, dass die Länder für die aufgabenangemessene Ausstattung der Betreuungsbehörden verantwortlich sind. b) Gesetzliche Festlegung qualifizierter Kriterien für den Bericht der Betreuungsbehörde Der Deutsche Verein begrüßt die vorgesehene gesetzliche Festlegung qualifizierter Kriterien für den Bericht der Betreuungsbehörde zur Sicherstellung einer bestimmten Qualität des Berichts sowie die Öffnung des Katalogs für weitere Kriterien durch das Wort insbesondere. Die in Nr. 1 bis 4 des 279 Abs. 2 FamFG genannten Kriterien spiegeln besonders wichtige Aspekte zur Berücksichtigung bei der Erstellung eines Berichts gut wider. Außerdem wird dem Erforderlichkeitsgrundsatz durch den Hinweis auf die Möglichkeit anderer Hilfen in Nr. 2 nochmals Nachdruck verliehen. c) Verknüpfung des ärztlichen Sachverständigengutachtens mit dem Bericht der Betreuungsbehörde Die mit 280 Abs. 2 FamFG vorgesehene Möglichkeit der Verknüpfung des ärztlichen Sachverständigengutachtens mit dem Bericht der Betreuungsbehörde zeigt in die richtige Richtung. Allerdings sollte nicht nur aus Zeit-, Kostenund Effizienzgründen die Verknüpfung regelhaft vorgesehen werden, sondern auch dem Bericht der Betreuungsbehörde im Sinne der oben dargestellten Ersten Anlaufstelle der zeitliche Vorrang eingeräumt werden. Damit könnte die Gleichzeitigkeit von Bericht der Betreuungsbehörde und einem fachärztlichen Gutachten, dessen Erstellung je nach Schwierigkeit des Falles und Zeitaufwand zwischen 100, und 600, kostet und gegebenenfalls aufgrund der Expertise der Behörde nicht erforderlich erscheint, vermieden werden. Außerdem sollte das soziale Gutachten bei der Erstellung des medizinischen Befunds Berücksichtigung finden und daher zuerst vorliegen. Dabei sollte für offensichtlich schwierig gelagerte Fälle die Möglichkeit bestehen bleiben, gleichzeitig ein fachärztliches Gutachten durch das Betreuungsgericht anzufordern. Allerdings kann auch die Erstanforderung des betreuungsbehördlichen Berichts nicht die generelle Inanspruchnahme des Gerichts und damit die Einholung betreuungsbehördlicher und ärztlicher Gutachten in überflüssigen Fällen vermeiden. Denn allein eine obligatorische Anhörung führt nicht unbedingt zu einer Verfahrenserleichterung, da sich bei einem solchen Verfahren der Mensch mit potenziellem Bedarf einer rechtlichen Betreuung weiterhin zunächst an das Betreuungsgericht wenden müsste. 5 Es wird der Aufwand vielmehr erhöht, da wie dargestellt immer zwei Stellen befasst werden müssen. 2. Änderungen des Betreuungsbehördengesetzes Mit dem Ziel, dem Erforderlichkeitsgrundsatz zu mehr Wirksamkeit zu verhelfen und die bestehenden Koordinierungs- und Netzwerkfunktionen der Betreuungsbehörde zu stärken, begrüßt der Deutsche Verein die Konkretisierung der Aufgaben der Betreuungsbehörde sowie die Verankerung ihrer beratenden Aufgaben vor Einleitung eines Verfahrens vor dem Betreuungsgericht in 4 Abs. 1 und 2 BtBG, insbesondere die Festschreibung, dass dem Betroffenen betreuungsvermeidende Hilfen aufgezeigt und vermittelt werden (Abs. 2). Der Deutsche Verein nimmt zudem zustimmend zur Kenntnis, dass durch die offene Formulierung in Abs. 1 die Beratung und Unterstützung sowohl von Vollmachtnehmer/innen als auch von Vollmachtgeber/innen sowie anderen interessierten Personen erfasst wird. Infolge dieser Regelungen wäre nunmehr sicherzustellen, dass die personelle, fachliche und sächliche Ausstattung der Betreuungsbehörde mit zum Teil deutlich unterschiedlichen Verhältnissen vor Ort derart angepasst wird, dass die Behörde diesen Aufgaben entsprechend nachkommen kann. Hierfür stehen die Länder in der Pflicht. Dazu gehören u.a. die Möglichkeit einer internen statistischen Erfassung von Daten zur Qualitätssicherung, Dokumentation und zum Controlling sowie die Zurverfügungstellung eines ausreichenden Fortbildungsangebots sowie regelmäßiger Supervision. 6 Auch die Erweiterung des Personenkreises in 5 BtBG hinsichtlich einer Anleitungspflicht der Behörde auf die Bevollmächtigten im Rahmen einer Vorsorgevollmacht trägt nach Auffassung des Deutschen Vereins zu einer Stärkung der vorgerichtlichen Beratungsfunktion der Behörde bei und wird daher befürwortet. Über die unter 1. bereits ausgeführte, im Hinblick auf die Einführung einer obligatorischen Anhörung gewürdigte Neuregelung von 8 BtBG bleibt anzumerken, dass es in 8 BtBG einer Ergänzung um eine Regelung der datenschutzrechtlichen Befugnisse der örtlichen Betreuungsbehörde bedarf, wenn sie im Auftrag des Betreuungsgerichts zum Sachverhalt ermitteln muss Änderungen des 1908 f Abs. 1 Nr. 2 BGB Vor dem Hintergrund der Überprüfbarkeit der gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen für Betreuungsvereine ( planmäßig ehrenamtliche Betreuer gewinnt anstelle von sich um die planmäßige Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer bemüht ) und der langfristigen 4) NDV 2/2012, S ) NDV 2/2012, S. 58 f. 6) NDV 2/2012, S.60. 7) NDV 2/2012, S

6 NDV Oktober 2012 Einbindung ehrenamtlicher Betreuer/innen und Bevollmächtigter ( und unterstützt ) unterstützt der Deutsche Verein den Gedanken des Rückhalts für ehrenamtliche Betreuer/innen im Verein. Die Pflicht zur fortdauernden Begleitung gewonnener ehrenamtlicher Betreuer/innen sowie Bevollmächtigter fördert ein intaktes Netzwerk der Betreuungsvereine und somit funktionierende Beratungsund Unterstützungsstrukturen im Vorfeld bzw. zur Vermeidung betreuungsrechtlicher Verfahren. Der Deutsche Verein merkt in diesem Zusammenhang jedoch an, dass nicht zur Übernahme ehrenamtlicher Arbeit verpflichtet werden kann. Aufgrund der Freiwilligkeit dieser Tätigkeit kann gerade nicht durch die Betreuungsvereine garantiert werden, dass eine konkrete Anzahl an Ehrenamtlichen gewonnen wird. Gleiches gilt für das Unterstützungs- und Begleitungsangebot, das für die Ehrenamtlichen freiwillig und keine Verpflichtung ist. Im Übrigen darf auch die Verbesserung der finanziellen Förderung der Betreuungsvereine nicht vergessen werden, um die freiwillige Arbeit, die auch perspektivisch als solche erhalten bleiben soll, zu gewährleisten. Hier unterstützt der Deutsche Verein die Empfehlung der interdisziplinären Arbeitsgruppe zum Betreuungsrecht, durch gezielte Fördermaßnahmen einen verstärkten Anreiz zur Wahrnehmung von Querschnittsaufgaben zu setzen. 4. Zukünftige Änderungen Vor dem Hintergrund der UN-BRK sowie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) 8 steht zudem die Prüfung weiterer Änderungsnotwendigkeiten von 1906 BGB zur betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung an. Der Deutsche Verein gibt dabei ausdrücklich zu bedenken, ob das Betreuungsrecht der richtige Ort zur Regelung einer solch grundlegenden Frage ist. Hier bedarf es weitergehender, vertiefter Auseinandersetzungen. Auch weist der Deutsche Verein auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit von 1905 BGB hin, wonach eine Sterilisation der/des Betreuten zulässig ist, ohne dass eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, ob eine solch grundlegende Frage vor dem Hintergrund menschenrechtlicher Grundsätze in die Entscheidungsmacht Dritter gestellt werden darf. 9 Der Deutsche Verein regt daher auch diesbezüglich eine Überprüfung und Korrektur an. 8) BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2012 XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12. 9) Stellungnahme der europäischen Gruppe der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Gauer und andere./. Frankreich (Beschwerde-Nr /08). Aus unserem Verlagsprogramm Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Kommentar mit Anhang Herausgegeben von Edna Rasch 2012, 360 Seiten, gebunden, 32,-, für Mitglieder des Deutschen Vereins 24,- (zzgl. Versandkosten). ISBN Reihe Kommentare (K) 1 Mit dem Kommentar zum Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz möchte der Deutsche Verein sein Engagement auf dem Gebiet des Heimrechts fortsetzen und insbesondere dazu beitragen, das WBVG und die neuen Landesgesetze allen Interessierten in möglichst übersichtlicher Form nahe zu bringen. Neben einer Einführung in das Wohn- und Betreuungsvertragsrecht und der Kommentierung des WBVG sind in dem Band alle bislang vorliegenden Landesheimgesetze und eine Einführung zum Landesheimrecht enthalten. Bestellungen direkt bei: Lambertus-Verlag GmbH, Postfach 1026, Freiburg, Tel / , Fax 0761 / info@lambertus.de Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. Michaelkirchstraße 17/18, Berlin Bestellungen in unserem Online-Buchshop: 464

7 EMPFEHLUNGEN UND STELLUNGNAHMEN Oktober 2012 Stellungnahme des Deutschen Vereins zum Weißbuch der Europäischen Kommission Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten 1 NDV 1. Vorbemerkungen Die Stellungnahme des Deutschen Vereins richtet sich an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament sowie an die Bundesregierung. Sie bezieht sich auf das Weißbuch der Europäischen Kommission Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten, KOM(2012) 55 endg. vom 16. Februar Im September 2010 hat sich der Deutsche Verein mit einer Stellungnahme an der Konsultation zum Grünbuch Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme beteiligt. 2 Er greift die in seinem Konsultationsbeitrag dargelegten Positionen erneut auf und erweitert sie dort, wo das Weißbuch von den bisherigen Forderungen der Europäischen Kommission abweicht. 2. Generelle Einschätzungen Die Europäische Kommission betont die Bedeutung der Alterssicherungssysteme und ihrer Reformen in den Mitgliedstaaten für die Wachstumspolitik sowie die Ziele der Strategie Europa 2020, insbesondere für die Erhöhung der Beschäftigungsquote auf 75 % und die Verringerung der Zahl der von Armut bedrohten Personen um mindestens 20 Millionen. Der Deutsche Verein unterstreicht, dass das Ziel der Alterssicherungspolitik in Deutschland die Lebensstandardsicherung ist. Beschäftigungs- und verteilungspolitische Auswirkungen müssen bei der Gestaltung der Alterssicherungssysteme zwar berücksichtigt werden, Wachstumspolitik gehört jedoch nicht zu den primären Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Deutsche Verein begrüßt hingegen, dass die Europäische Kommission die konjunkturell stabilisierende Wirkung der Rentensysteme zur Kenntnis nimmt. 3. Angemessenheit der Rentensysteme Die jüngsten Rentenreformen haben nach Auffassung der Europäischen Kommission das Ziel verfolgt, einen besseren Armutsschutz zu gewährleisten. In erster Linie dienten Pensions- und Rentensysteme der Sicherung eines Ruhestandseinkommens, das älteren Menschen einen würdigen Lebensstandard ermöglicht. Die Europäische Kommission stellt jedoch fest, dass die meisten Rentenreformen zu einer geringeren Ersatzrate führen werden; nach EU-SILC- Erhebungen liegen rund 22 % der Frauen über 75 Jahre unter der Armutsgefährdungsgrenze 3. Bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch Renten hat der Deutsche Verein betont, dass eine Intensivierung der Debatte um Altersarmut notwendig ist. In diesem Zusammenhang ist zu bedauern, dass die Europäische Kommission trotz der Anerkennung der Bedeutung der Alterssicherungssysteme für das Armutsbekämpfungsziel der Strategie Europa 2020 in ihrem Weißbuch keine weiteren Vorschläge in diesem Bereich unterbreitet. Der Verweis der Europäischen Kommission auf kapitalgedeckte, private Zusatzvorsorge ist nicht ausreichend: Sie selbst weist auf die mit der Kapitaldeckung verbundenen Risiken hin, die durch die Finanzkrise besonders manifest geworden sind. Nach Einschätzung des Deutschen Vereins eignet sich private, kapitalgedeckte Altersvorsorge nicht als Ersatz der umlagefinanzierten, gesetzlichen Altersversorgung. Auch eine Teilsubstitution abnehmender Ersatzraten kann zu neuen Verwerfungen führen: Insbesondere von Armut bedrohten Personengruppen wird es besonders schwer fallen, zusätzlich privat vorzusorgen. 4 Die gesetzliche Rentenversicherung ist die wichtigste Säule bei der Sicherung angemessener Ruhestandseinkommen. Für viele Menschen ist sie die einzige Einkommensquelle im Alter. Da sie in besonderer Weise für Generationensolidarität und Generationengerechtigkeit steht, muss sie die vorrangige Säule der Alterssicherung bleiben. Aus Sicht des Deutschen Vereins sind beschäftigungspolitische Aspekte von zentraler Bedeutung für die Vermei- 1) Verantwortlicher Referent im Deutschen Verein: Johannes Eisenbarth. Die Stellungnahme wurde mit dem Fachausschuss Internationale Zusammenarbeit und europäische Integration abgestimmt und vom Präsidialausschuss des Deutschen Vereins am 25. Juni 2012 verabschiedet. 2) Vgl. NDV 2010, S. 537 ff. 3) KOM (2012) 55, S. 5. 4) Bei Bezieher/innen niedriger Einkommen ist die Riester-Vorsorge wenig verbreitet. Laut sozio-oekonomischem Panel lag der Anteil der Riester-Sparer/innen im untersten Einkommens-Quintil im Jahr 2010 bei lediglich 22,1 %. Vgl. Geyer, J: Riester- Rente: Rezept gegen Altersarmut, in: DIW Wochenbericht 45, Berlin 2011, S. 16 ff. 465

8 NDV Oktober 2012 dung zukünftiger Altersarmut. Voraussetzung einer angemessenen Alterssicherung sind in einem beitragsfinanzierten System daher zunächst angemessene Löhne. In seinem Konsultationsbeitrag zum Grünbuch hat er hervorgehoben, dass eine lebenslagenorientierte Personalpolitik gemeinsam mit dem Ausbau von Infrastruktur zur professionellen Unterstützung bei Familien und Betreuungsverpflichtungen dazu beitragen können, dauerhafte Unterbrechungen des Erwerbslebens zu vermeiden 5. Der Deutsche Verein begrüßt daher, dass die Europäische Kommission diese Aspekte unter dem Stichwort Rentenschere zwischen den Geschlechtern 6 aufgreift und die Bedeutung von Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben betont. Unterschiede bei Einkommen und Karriere, die durch die Übernahme von Betreuungsaufgaben, Berufsunterbrechungen oder Teilzeitarbeit entstehen, schlagen sich in Rentenansprüchen nieder. Der Abbau von geschlechterspezifischen Ungleichheiten in der Alterssicherung bedarf des Zusammenspiels von renten-, arbeitsmarkt- und familienpolitischen Maßnahmen. Nach Ansicht des Deutschen Vereins ist der Abbau des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen ebenso erforderlich wie eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben und die rentenrechtliche Anerkennung von Betreuungszeiten. Gleichzeitig erkennt er an, dass durch die Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung und der Pflege in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits Schritte in die richtige Richtung getan wurden. Bei Unterbrechung durch Arbeitslosigkeit sollte dem Verlust von Rentenansprüchen durch Anrechnung von Anwartschaftszeiten oder Beitragsleitungen durch den zuständigen Träger der Arbeitslosenversicherung entgegengewirkt werden. Generell sollte präventiver Politik zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Vorrang vor Maßnahmen des Ausgleichs von Unterbrechungszeiten im Rentensystem eingeräumt werden. Der Deutsche Verein betont, dass die Hauptverantwortung für die Bekämpfung der Altersarmut auf der Ebene der Mitgliedstaaten liegt. Auch in Deutschland besteht hier Handlungsbedarf Nachhaltigkeit und Sicherheit der Rentensysteme Um die Nachhaltigkeit der Rentensysteme in Europa zu fördern, möchte die Europäische Kommission die Dauer der Berufstätigkeit und des Ruhestandes in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dazu schlägt sie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit vor, etwa durch Einschränkung des Zugangs zu vorzeitigem Ruhestand oder durch die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Nach Auffassung der Kommission würde eine automatische Anpassung des Renteneintrittsalters an die zukünftig höhere Lebenserwartung erheblich zu Fortschritten bei der langfristigen Finanzierbarkeit beitragen. 8 Eine automatische Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung lehnt der Deutsche Verein ab. Die Entscheidung über das Renteneintrittsalter ist genuin sozialpolitischer Natur. Sie sollte Ausfluss eines politischen Willensbildungsprozesses sein und vom Gesetzgeber getroffen werden. Ein technokratischer, scheinbar werturteilsfreier Anpassungsmechanismus dient weder der Transparenz noch der Akzeptanz. Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland hat die Rentenanpassungsformel bereits durch einen Nachhaltigkeitsfaktor ergänzt. Dieser berücksichtigt nicht nur demografische Veränderungen, sondern auch relevante Entwicklungen am Arbeitsmarkt und das tatsächliche Rentenzutrittsverhalten. Der Deutsche Verein begrüßt grundsätzlich, dass die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch das Konzept der ökonomischen Abhängigkeitsrate als Alternative zur Alterslastquote zugrunde legt. 9 Diese setzt die Zahl der Arbeitslosen und Personen im Ruhestand in Relation zur Zahl der Erwerbstätigen und verknüpft damit sinnvoll die demografischen Herausforderungen mit den Bedingungen des Arbeitsmarktes und der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung aller Personengruppen. Nach dieser Betrachtung ergibt sich beträchtlicher Spielraum, um den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft und deren Auswirkungen auf die Alterssicherung dauerhaft zu begegnen. Der Deutsche Verein hat bereits in seiner Stellungnahme zum Grünbuch Renten darauf hingewiesen, dass es einer Reihe von Begleitmaßnahmen bedarf, wenn die Integration älterer Arbeitnehmer/innen am Arbeitsmarkt erfolgreich sein soll. Neben betrieblicher Gesundheitsförderung ist vor allem eine alters- und generationenfreundliche Arbeitsorganisation notwendig. Ebenfalls entscheidend für die Erwerbsbeteiligung im Alter ist die Qualifikation. Die Kommission greift diese Aspekte insbesondere vor dem Hintergrund der intensiven Debatte im Rahmen des Europäischen Jahres 2012 für Aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen nur unzureichend auf. Der Deutsche Verein bekräftigt daher seine Forderung nach einem intensiveren Austausch auf europäischer Ebene über erfolgreiche Modelle guter Arbeitsorganisation, intensiver Weiterbildung und Qualifizierung in allen Phasen des Berufslebens und über deren möglichen Beitrag zur dauerhaften Stabilität der Alterssicherungssysteme. Die Europäische Kommission weist zu Recht darauf hin, dass die Fähigkeit zu arbeiten und Arbeit zu finden individuell sehr verschieden ist und dass Arbeitskräfte, die schon früh ins Berufsleben eingestiegen sind, mit 60 oder 65 Jahren meist eine geringere Lebenserwartung haben und einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen 10. Geringere Beschäftigungsquoten bei älteren Arbeitnehmer/innen sind zum Teil auf ein höheres Krankheitsrisiko zurückzuführen. Körperliche und zunehmend auch psychische Belastungen führen vielfach zu verminderter Erwerbstätigkeit und vorzeitiger Verrentung. Vor diesem Hinter- 5) NDV 2010, S ) Vgl. KOM (2012) 55, S. 13 f. 7) Vgl. NDV 2012, 322 ff. 8) Vgl. KOM (2012) 55, Fn. 9. 9) Vgl. KOM (2012) 55, S ) KOM(2012) 55, S

9 Oktober 2012 NDV grund muss das Ziel, die Erwerbsfähigkeit möglichst lange zu erhalten, Vorrang genießen. Präventions- und Rehabilitationsleistungen erfüllen hierbei eine wichtige Aufgabe. Der Deutsche Verein verleiht seiner Forderung Nachdruck, dass Anreize gegen einen früheren Renteneintritt in Verbindung mit Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht zu unverhältnismäßigen Härten für Personen führen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht am Arbeitsmarkt verbleiben können. Eine generelle Anhebung des Renteneintrittsalters mit Abschlägen bei vorzeitiger Verrentung käme für gefährdete Personengruppen einer Rentenkürzung gleich. Der Deutsche Verein ist der Auffassung, dass mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters wirksame Maßnahmen in den Bereichen Gesundheitsförderung und Arbeitsmarktpolitik, die zu einer erkennbaren Verbesserung der Situation älterer Personen am Arbeitsmarkt führen, umso wichtiger werden. Deren wirtschaftliche und soziale Lage ist ebenfalls zu berücksichtigen. Die Anstrengungen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, insbesondere der Älteren und der Frauen, müssen auch auf europäischer Ebene fortgesetzt werden. Dabei muss zukünftig die Qualität der Beschäftigung stärker in den Blick genommen werden. Bereits in seiner vorangegangenen Stellungnahme hat der Deutsche Verein betont, dass die Steigerung der Arbeitsmarktpartizipation durch prekäre Arbeitsverhältnisse dem Ziel der sozialen Sicherung widerspricht. 11 Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Alterssicherung zeichnet sich gute Arbeit nicht nur durch gesundheitsfördernde Maßnahmen sowie alters- und generationenfreundliche Arbeitsorganisation aus. Der Deutsche Verein teilt die Auffassung der Europäischen Kommission, dass insbesondere der Zugang zu Weiterbildung und Qualifizierung, ein solider Kündigungsschutz und angemessene und regelmäßig steigende Löhne wichtige Merkmale für gute Arbeit sind. Die Absicht der Kommission, menschenwürdige und nachhaltige (Mindest-)Entgelte zu fördern und der durch befristete und atypische Beschäftigungsverhältnisse verschärften Segmentierung am Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, 12 wird daher unterstützt. Der Deutsche Verein stimmt grundsätzlich mit der Europäischen Kommission überein, dass Bürgerinnen und Bürger einen möglichst klaren Überblick über ihre im Rahmen der gesetzlichen oder betrieblichen Vorsorgesysteme erworbenen Ansprüche erhalten. Dies gilt nach Auffassung des Deutschen Vereins nicht nur für grenzüberschreitend erworbene Ansprüche. Ein EU-weites System von Rentenaufzeichnungsdiensten scheint aufgrund der hohen Komplexität und Heterogenität der mitgliedstaatlichen Systeme wenig praktikabel. Insbesondere das Subsidiaritätsprinzip legt eine mitgliedstaatliche Lösung in Bezug auf die Aufzeichnung von Rentenansprüchen nahe. 13 In Deutschland informiert die gesetzliche Rentenversicherung ihre Versicherten bereits jetzt regelmäßig und umfassend über persönliche Ansprüche. Auch ist eine grenzüberschreitende Auskunft an Versicherungsträger in anderen EU-Mitgliedstaaten möglich. Insofern besteht hier aus Sicht des Deutschen Vereins kein weiterer Harmonisierungsbedarf. 5. Die Rolle der Europäischen Union Die Vorstellungen der Europäischen Kommission bezüglich der Rolle der Europäischen Union (EU) in der Alterssicherungspolitik werden in der vorliegenden Mitteilung nicht deutlich. Einerseits betont sie zwar die oberste Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Gestaltung der Pensionsund Rentensysteme. Andererseits scheint sie Alterssicherung zunehmend als ein Instrument zu sehen, dass vorrangig für das Gelingen der Wirtschafts- und Währungsunion von Bedeutung und für die Mitgliedstaaten von gemeinsamem Interesse ist und daher im Rahmen der Strategie Europa 2020 und dem Europäischen Semester zu überprüfen ist. Aus Sicht des Deutschen Vereins sollte der Eindruck vermieden werden, Kompetenzen der Mitgliedstaaten würden schleichend auf die europäische Ebene übergehen. Der Deutsche Verein weist erneut auf die engen kompetenzrechtlichen Grenzen hin, die der Europäischen Union im Bereich der Unterstützung und Ergänzung der mitgliedstaatlichen Tätigkeiten bei der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes auferlegt sind. 14 Ein europäischer Mehrwert ergibt sich im Zusammenhang mit Renten insbesondere in den Bereichen Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung, aktives Altern, Koordinierung der Rentenversicherungssysteme und aus der Förderung des Voneinander-Lernens. Ein grundsätzlich geeignetes Instrument für das Tätigwerden der EU in diesem Bereich ist die Offene Methode der Koordinierung (OMK). Zu ihrer Ausgestaltung und Weiterentwicklung hat der Deutsche Verein seine Positionen dargelegt. 15 Er bedauert, dass die Europäische Kommission keine Vorschläge zur Weiterentwicklung der OMK im Bereich Renten unterbreitet. Stattdessen verweist sie auf die stärkere Koordinierung durch die Strategie Europa 2020 und das Europäische Semester. Eine Ablösung der OMK im Bereich Renten durch eine generelle Berücksichtigung des Themas im Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung bedeutet weniger Transparenz und weniger Mitgestaltungsmöglichkeiten für Expert/innen aus den Mitgliedstaaten und aus der Wissenschaft. Im Zusammenhang mit der oben bereits kommentierten privaten Zusatzvorsorge für das Alter sind kompetenzrechtliche Fragen im Einzelnen ebenfalls zu klären. Grundsätzlich sollte die Europäische Kommission in diesem Bereich besonders zurückhaltend agieren, da es sich bei Systemen der Zusatzversorgung bei all der Heterogenität ihrer Ausgestaltung in der Regel um freiwillige Arrangements handelt. 11) Vgl. NDV 2010, ) Vgl. Mitteilung der Europäischen Kommission Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung gestalten, KOM(2012) 173, S. 11 und ) Vgl. NDV 2010, S ) Vgl. Art. 153 AEUV. 15) Vgl. NDV 2011, S. 154 f. 467

10 NDV Oktober 2012 ABHANDLUNGEN Minou Banafsche Inklusion und Sozialraum Behindertenrecht und Behindertenpolitik in der Kommune Bericht über eine Fachtagung Teil 1 1. Einleitung Am 18. und 19. Juni 2012 veranstaltete das Max-Planck- Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München eine Fachtagung zu dem Thema Inklusion und Sozialraum Behindertenrecht und Behindertenpolitik in der Kommune. Dabei handelte es sich um eine interdisziplinär ausgerichtete Tagung, die unter der Leitung des Geschäftsführenden Direktors des Instituts, Prof. Dr. Ulrich Becker, sowie der Rehabilitationssoziologin und Leiterin der am Institut befindlichen Fachgruppe Inklusion bei Behinderung, Prof. Dr. Elisabeth Wacker, stand und sich an ein ausgewähltes Fachpublikum richtete, welches sich aus Vertreter/innen von Landesparlamenten, Sozialgerichtsbarkeit, Verbänden und Wissenschaft zusammensetzte, die gemeinsam mit den Vortragenden das Minou Banafsche Leben von Menschen mit Behinderungen in der Kommune gut drei Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) erörterten. 2. Hintergründe und Zielsetzung der Fachtagung In den letzten elf Jahren wurde das Leben von Menschen mit Behinderungen in Deutschland insbesondere durch drei Faktoren entscheidend geprägt die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), verabschiedet von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Mai 2001, das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), in Kraft getreten am 1. Juli 2001, und die UN- BRK, welche in Deutschland seit dem 26. März 2009 rechtliche Geltung beansprucht. Ihnen gemein sind die Maßgaben der Teilhabe und Selbstbestimmung, mithin die Suche nach (mehr) Handlungsspielräumen und nach Inklusion. Seit dem Inkrafttreten der UN-BRK wird zudem der Versuch unternommen, die Relativität und Relationalität von Behinderung neu zu reflektieren und die interdependenten Ziele der Autonomie und Inklusion in einem Konzept des Disability Mainstreaming zu vereinen, wie es auch die Präambel der UN-BRK in Buchstabe g nahelegt. Ziel war es nun, vor diesem Hintergrund die aktuelle Debatte um die Umsetzung der UN-BRK auf konkrete Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen in der Lebensspanne zu fokussieren. Bezugspunkt war der Sozialraum im Sinne des geografischen und sozialen Lebensraumes, in dem sich alle relevanten Akteure begegnen. So wirken Betroffene, Angehörige, Leistungsträger und Leistungserbringer hier unter Berücksichtigung sowohl des individuellen sozialen Umfeldes als auch konkreter regionaler wie (infra-) struktureller Besonderheiten zusammen. In diesem Rahmen wurde ein Diskurs von Sozialrecht und Sozialwissenschaften eröffnet und die Möglichkeit geboten, die unterschiedlichen Perspektiven darzulegen und zu bewerten. Dem Ganzen lag die Frage zugrunde, welche Wege zu den anstehenden Transformationen im Leistungsgeschehen und in der Lebenswirklichkeit führen und wie man sie gehen kann. 3. Inhalte und Ergebnisse der Fachtagung Die Tagung war in vier Blöcke unterteilt, die sich der Thematik deduktiv und jeweils aus sozialwissenschaftlicher und sozialrechtlicher Sicht näherten. Der erste Themenblock behandelte den Lebensraum Kommune als Herausforderung in einem zunächst ganz grundlegenden Sinne, während der zweite Themenblock unterschiedliche fachliche Zugänge zur Inklusion zum Inhalt hatte. Im Anschluss daran wurden im Sozialraum bestehende Barrie- Dr. Minou Banafsche, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, München. 468

11 Oktober 2012 NDV ren der Inklusion aufgezeigt, um sodann den Blick auf die Inklusion über die Lebensspanne anhand zweier Beispiele, konkret Alter und Behinderung Aufgabe des Sozialraums und Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in der Kommune, zu richten. 3.1 Lebensraum Kommune als Herausforderung Welchen Herausforderungen die Kommune als regionaler wie sozialer Lebensraum im Hinblick auf die Schaffung inklusiver Strukturen gegenübersteht, wurde von Prof. Dr. Elisabeth Wacker aus soziologischer, von Prof. Dr. Ulrich Becker aus rechtswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. a) Elisabeth Wacker legte ihrem Vortrag Überall und nirgendwo Disability Mainstreaming und Sozialraumorientierung als Transformationskonzepte die Frage zugrunde, wie im Sozialraum nach der Maßgabe der Vision der Inklusion, welche in der UN-BRK aufscheine, Neues entstehe. Diese Frage erörterte sie anhand des Lebensraums Kommune in drei Gedankensträngen. Die erste Zielvorgabe sah Elisabeth Wacker darin, Behinderung sichtbar werden zu lassen. Menschen mit Behinderungen seien mehr als andere Bevölkerungsgruppen, wie Arbeitslose oder Alleinerziehende, gefährdet, von Anfang an ausgeschlossen zu sein. Diese Exklusion werde etwa durch die Gewährung von Sozialleistungen erst ab dem Zeitpunkt der eingetretenen Behinderung noch verfestigt. Hinzu komme, dass es im Hinblick auf die tatsächlichen Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft an Wahrnehmung, Problembewusstsein und Wissen fehle. Daran habe auch das Inkrafttreten des SGB IX nichts geändert, so dass die Zielsetzung der gesellschaftlichen Inklusion bei Behinderung derzeit noch eine Vision sei. Es gehe vor diesem Hintergrund um eine schrittweise Realisierung einer Identifikation von Behinderung in der Gesellschaft im Sinne des Lebenschancenansatzes, um auf diesem Weg Aussagen über die soziale Anerkennung und Zugehörigkeit verschieden beeinträchtigter Menschen in der Gesellschaft zu ermöglichen. In einem zweiten Schritt leitete Elisabeth Wacker dazu über, der Sichtbarkeit von Behinderung einen Ort zu geben den Sozialraum. Dies sei nicht nur ein Ort, sondern ein Geschehensfeld, in welchem das von Menschen konstruierte Leben erkennbar werde. Der Sozialraum sei geprägt von Wechselwirkungen zwischen Konstruktionen und Handelnden sowie von deren Verflechtung. Chancen seien hier ungleich verteilt, was Konflikte zwischen an Menschen gestellten Ansprüchen und ihren realen Möglichkeiten sichtbar werden lasse. 1 Gerade aufgrund dieser im Sozialraum offenbar werdenden sozialen Divergenzen und Differenzen lohne sich nun allerdings die Frage, ob mit Hilfe des Konzepts der Sozialraumorientierung nach objektiven Kriterien für Teilhabechancen gesucht werden könne, um Veränderungen in Richtung einer wirklichen Inklusion durchzusetzen. Als maßgeblichen internationalen und fachübergreifenden Standard für einen Verständigungsprozess darüber, Beeinträchtigungen nicht als Eigenschaft der Person, sondern als Teil menschlicher Verschiedenheit zu begreifen, legte Elisabeth Wacker die ICF zugrunde, die vor allem soziale Aspekte von Behinderung in den Vordergrund stelle und auch den Blick auf die Leistungssysteme verändere, indem sie die konkreten Wohnund Lebensverhältnisse fokussiere. Darauf aufbauend wurde schließlich das Disability Mainstreaming als aus der UN-BRK abgeleitete Maßgabe, Behindertenpolitik als Querschnittsaufgabe in allen politischen Gestaltungsfeldern zu verankern, in einen inklusionsgerichteten Transformationsprozess einbezogen. In einem Ausblick verwies Elisabeth Wacker auf die Notwendigkeit einer Analyse von Ausgrenzungsprozessen und einer Suche nach gegenläufigen Handlungsoptionen als gesellschaftliche Aufgabe. Inklusion sei keine Utopie im Sinne eines Unerreichbaren, sondern eines Noch-nicht- Ortes ( U-topos ) 2, den es zu schaffen gelte. b) Die Vision der Kommune als inklusivem Sozialraum unterzog Ulrich Becker in seinem Vortrag über Aufgaben und Handlungsspielräume der Kommune einer Machbarkeitsanalyse. Aus juristischer Perspektive, so Ulrich Becker, sei der räumliche Bezug aus zwei Gründen aufschlussreich: Dahinter stehe zum einen die Ortsgebundenheit hoheitlicher Gewalt, welche räumlich gegliedert und auf mehrere Ebenen verteilt sei. Zum anderen lasse der Raumbezug eine Gliederung nach sozialpolitischen Sachmaterien in den Hintergrund treten. In den Mittelpunkt der raumbezogenen Betrachtung solle nun die Kommune gestellt werden, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sei, dass diese im Zuge neuerer sozialpolitischer Entwicklungen an Bedeutung gewinne. Auf dieser Grundlage erörterte Ulrich Becker in einem ersten Schritt die kommunale Verantwortung für die Inklusion und in einem zweiten Schritt die Bedingungen kommunalen Handelns in einer föderalen Ordnung und gab damit den rechtlichen Rahmen vor, der bedacht werden muss, will man, wie er es nannte, in das Dickicht des kommunalen Sozialraums vordringen. Im Kontext mit der kommunalen Verantwortung für Inklusion wurde zunächst die Frage der Zuständigkeiten in den Blick genommen. So sei die Übernahme sozialpolitischer Aufgaben seit der Herausbildung der Städte als eigenständige politische Gemeinschaften für diese ein wichtiges Handlungsfeld gewesen. Durch die Entstehung der modernen Nationalstaaten hätten sie indes eine staatliche Überformung erfahren. Dies habe nicht zu einer Entpflichtung der Kommunen geführt, sie aber unter eine staatliche Gesamtverantwortung gestellt, die sich im 20. Jahrhundert wiederum zu einem wohlfahrtsstaatlichen Gefüge ausgewachsen habe. In den letzten Jahren zeichne sich jedoch eine Entwicklung der Rekommunalisierung ab und spielten gerade für teilhabebezogene Ansätze soziale 1) Unter Verweis auf Jan Weisser: Sozialraumorientierung und Situationen der Behinderung Über die sozialräumliche Strukturierung von Abhängigkeitsbeziehungen, VHN 79, S. 4 (6). 2) Nach Anne-Dore Stein: Integration als Möglichkeitsraum der Vergesellschaftung von Individuen, Behindertenpädagogik 47, S. 283 (288). 469

12 NDV Oktober 2012 Interaktionen im unmittelbaren räumlichen Umfeld eine besondere Rolle, seien doch die selbstbestimmte Entfaltung wie auch der Zugang zu existenziell wichtigen Leistungen und Einrichtungen nur in konkreten räumlichen Zusammenhängen möglich. Nicht übersehen werden dürfe aber dennoch die Einbindung der Kommunen in eine gesamtstaatliche Verantwortung. Im Weiteren ging Ulrich Becker auf die Aufgabenfelder der Kommunen ein, und zwar konkret auf die sozialrechtlichen Aufgaben, die die Kommunen nicht nur strukturell, sondern auch finanziell vor große Herausforderungen stellten; beispielhaft führte er die Sozialhilfe sowie die Kinder- und Jugendhilfe an. Hier liege auch der Anknüpfungspunkt für die Sozialraumorientierung, die unter anderem die Verpflichtung für die Kommunen beinhalte, im Rahmen ihrer Gesamt- und Planungsverantwortung das Handeln der sozialen Akteure mit den Bedarfen und Bedürfnissen der Leistungsberechtigten abzustimmen. Schließlich wurde im Kontext mit der Inklusion von Menschen mit Behinderungen auf die UN- BRK als völkerrechtliche Direktive hingewiesen, welche die Kommunen ebenso in die Pflicht nehme wie etwa Vorgaben des Baurechts und der Behindertengleichstellungsgesetze zu einem barrierefreien Bauen. Im Kontext mit den Bedingungen kommunalen Handelns in der föderalen Ordnung betonte Ulrich Becker, dass der den Kommunen eingeräumten Selbstverwaltungsgarantie durch Gesetze zum Teil enge Grenzen gesetzt seien. Hinzu komme infolge der starken Zersplitterung kommunaler Aufgabenwahrnehmung durch ein Nebeneinander mehrerer Ebenen eine räumliche Begrenzung kommunaler Selbstverwaltung. Die sich dadurch ergebenden Aufgabenüberschneidungen und Schnittstellenprobleme würden durch das Einnehmen einer sozialräumlichen Perspektive gerade sichtbar. Eine maßgebliche Bedingung kommunalen Handelns sei zudem immer die Finanzierbarkeit. Zwar besäßen die Kommunen eigene Einnahmequellen, zum Beispiel über Steuern, blieben aber zu einem großen Teil auf staatliche Finanzmittel angewiesen. Aus diesen komplexen Strukturen kommunaler Aufgabenwahrnehmung, die eine Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, zwischen verschiedenen kommunalen Ebenen, zwischen Kommunen und anderen Behörden sowie zwischen kommunalen Trägern und dritten Leistungserbringern erforderten, resultierten nun, so Ulrich Becker, vielfältige Herausforderungen bei der Erreichung des Ziels, allen Menschen in einem materiellen Sinne gleiche Teilhabechancen zu gewährleisten. 3.2 Zugänge zur Inklusion Anknüpfend an die oben herausgearbeiteten Herausforderungen, die sich aus dem Ziel der Schaffung inklusiver Sozialräume ergeben, gingen Peter Masuch (Präsident des Bundessozialgerichts, Kassel) und Prof. Dr. Clemens Dannenbeck (Hochschule Landshut) in einem zweiten Schritt der Frage nach, welche Instrumente zur Verfügung stehen, um Inklusion greifbar zu machen. a) Peter Masuch näherte sich dieser in seinem Vortrag über Die UN-Behindertenrechtskonvention als normative Handlungsdirektive rechtlich und stellte seinen Ausführungen die Frage voran, welche Bedeutung und unter Umständen Bindungswirkung die UN-BRK und das dazugehörige Fakultativprotokoll in Deutschland entfalteten und welche Rolle dabei der Rechtsprechung zukomme. Zwar bestehe nach dem Fakultativprotokoll die Möglichkeit einer Individualbeschwerde im Falle der Annahme, Opfer einer Verletzung der UN-BRK durch die Bundesrepub lik Deutschland geworden zu sein, mit der sich dann der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen befassen müsse. Allerdings handele es sich bei dem Ausschuss nicht um ein Gericht, das sich dadurch auszeichne, dass es eine Einzelfallentscheidung zu treffen habe. Die Denkschrift der Bundesregierung zu der UN-BRK beantworte, so Peter Masuch, die aufgeworfene Frage dahingehend, dass die UN-BRK keine subjektiven Ansprüche begründe, sondern diese sich vielmehr erst aufgrund innerstaatlicher Regelungen ergäben. Diese Auffassung bewertete er jedoch als zu undifferenziert. Korrekt sei der Verweis der Bundesregierung auf Art. 4 Abs. 2 UN-BRK, wonach die Verpflichtung der Vertragsstaaten grundsätzlich auf eine sukzessive Verwirklichung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte gerichtet sei. Nicht übersehen werden dürfe aber der letzte Halbsatz der Norm, wonach solche Verpflichtungen von dem Progressionsvorbehalt ausgenommen seien, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. Darunter fielen die Diskriminierungsverbote. Die Pflicht zur rechtlichen Gleichbehandlung bestehe demnach unmittelbar und verleihe Menschen mit Behinderungen im Gegenzug ein subjektives Recht auf rechtliche Gleichbehandlung. Daran anschließend warf Peter Masuch die Frage auf, ob daneben noch weitere Verpflichtungen aus der UN-BRK unmittelbare Anwendbarkeit genössen. Dies sei dann zu bejahen, wenn die betreffende Norm nach ihrem Inhalt und ihrer Struktur sachlich für die Anwendung geeignet, mithin ausreichend bestimmt sei, wenn sie also nach Wortlaut, Zweck und Inhalt wie eine innerstaatliche Gesetzesvorschrift rechtliche Wirkungen auszulösen geeignet sei. Am Beispiel eines Urteils des Bundessozialgerichts vom 6. März 2012 zur Versorgung eines Menschen mit Behinderung mit dem Arzneimittel Cialis 3, in welchem das Gericht zum Rang der UN-BRK innerhalb der deutschen Rechtsordnung ausführlich und höchstrichterlich Stellung genommen hat, erläuterte Peter Masuch im Folgenden die vorangestellten theoretischen Erwägungen. Im Hinblick auf Art. 25 Satz 3 Buchstabe b UN-BRK, der die Vertragsstaaten verpflichtet, die Gesundheitsleistungen, die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderung benötigt werden, soweit dies angebracht ist, anzubieten, sei das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich hierbei nicht um eine unmittelbar anwendbare Norm handele. Dessen unbeschadet hätten jedoch, so Peter Masuch, viele Regelungen der UN-BRK eben auch im Alltag der Betroffe- 3) BSG, Urteil vom 6. März 2012 B 1 KR 10/11 R. 470

13 Oktober 2012 NDV nen rechtliche Bedeutung. Dort könnten sie für eine Verbesserung der Lage von Menschen mit Behinderungen verbindliche Richtschnur und Anregung zugleich sein. In der Hand der Betroffenen seien sie ein wirkliches Rechtsmittel. b) An diesen Inklusionsdiskurs, wie er seit dem Inkrafttreten der UN-BRK in Deutschland geführt wird, knüpfte nun Clemens Dannenbeck mit seinem Vortrag Inklusionsorientierung im Sozialraum Verpflichtung und Herausforderung an, um die nach seinem Dafürhalten bestehende Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung der sozialräumlichen Perspektive in der öffentlichen Inklusionsdebatte zu begründen. Der genannte Diskurs bringe, so Clemens Dannenbeck, eine inflationäre Inklusionsrhetorik hervor, ohne die gesamtgesellschaftliche Dimension der Herausforderung durch Inklusion einzubeziehen. Damit werde der umfassende Anspruch, welcher sich aus der UN-BRK ableiten lasse, in unzulässiger Weise reduziert. Clemens Dannenbeck erörterte sodann die Frage, welche Konsequenzen sich aus einem inklusionsorientierten Blick auf den Sozialraum beziehungsweise aus einer sozialräumlichen Interpretation der Orientierung an Inklusion ergäben. Er begreife Sozialraum als einen Ort, an und in dem sich Inklusionsdiskurse handlungspraktisch, strukturell und rhetorisch manifestierten. Inklusive Entwicklungen setzten notwendig strukturelle Veränderungen voraus, die darauf zielten, bestehende Teilhabebarrieren abzubauen oder neue zu verhindern. Inklusion bemesse sich demgemäß am Zustand der Gesellschaft insgesamt. Der Maßstab für Inklusionsqualität sei das Erleben des barrierefreien und Teilhabe ermöglichenden Sozialraums. Schwerpunktschulen mit dem Schulprofil Inklusion etwa würden dem nicht gerecht. Hier lenkte Clemens Dannenbeck den Blick auf Praxen, die sich theoretisch an intersektionalen Fragestellungen orientierten, um zu zeigen, dass es bei Inklusion nicht um eine Statusverbesserung benachteiligter Menschen gehe, sondern um einen Abbau von Diskriminierungspotenzialen, die zum Beispiel mit Geschlecht, Herkunft oder Alter verknüpft würden. Die zentrale Bedingung für sozialraumorientierte Inklusionsbemühungen liege in der unauflösbaren Ambivalenz des Spannungsfeldes von Vielfalt und Differenz. Eine einseitige Auflösung dieser Ambivalenz in die eine oder andere Richtung würde dazu führen, dass Vielfalt entweder folkloristisch überhöht oder verkannt würde. Im Folgenden stellte Clemens Dannenbeck den Kommunalen Index für Inklusion, ein Selbstevaluationsinstrument zur Gestaltung kommunaler Inklusionsentwicklung, vor, bei dem es um Diversität in der Entwicklung eines inklusiven Gemeinwesens geht. 4 Die Kommune werde hier nicht nur als lokale Verwaltungseinheit begriffen, sondern als große Gemeinschaft. 5 Ansatzpunkt für die Initiierung, Kontrolle und Fortentwicklung des Inklusionsprozesses sei dabei der einzelne Akteur, Kern des inklusiven Prozesses sei Partizipation. Ob Inklusion letztendlich die Lösung für die bestehenden Probleme oder doch nur einen weiteren Begründungszusammenhang für den Auftrag zur Gestaltung einer menschengerechten Welt biete, ließ der Vortrag bewusst offen. 3.3 Barrieren der Inklusion Der dritte Themenblock behandelte, aufbauend auf den Zugängen zur Inklusion, deren Barrieren, und zwar aus sozialwissenschaftlicher Perspektive zum einen theoriebasiert durch Prof. Dr. Markus Dederich (Universität zu Köln), zum anderen empirisch belegt durch Prof. Dr. Gudrun Wansing (Universität Kassel) sowie aus rechtswissenschaftlicher Perspektive durch Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel). Flankiert wurden die drei Referate durch zwei Kommentare, zum einen von Dr. Markus Schäfers von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V. (Berlin), zum anderen von Dr. Andreas Kuhn vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Berlin). a) Markus Dederich stellte seinem Vortrag über Inklusionsbarrieren im Sozialraum die These voran, dass das Fehlen der Zuerkennung eines positiven Werts von Menschen mit Behinderungen ein zentrales Hindernis bei der Verwirklichung von Inklusion im Sozialraum sei. Dies sei (auch) auf ästhetische Gründe zurückzuführen. Der soziale Raum sei das Feld, in dem die soziale Welt in ihrer differenzierten Gestalt anschaulich werde, in dem Beziehungsnetze geknüpft, Nähe und Distanz ausgehandelt und Zugehörigkeiten und Nicht-Zugehörigkeiten erfahren, in dem Interessen durchgesetzt und Verteilungskämpfe ausgefochten würden. In der Heil- und Sonderpädagogik stehe die Sozialraumorientierung für den Versuch, die traditionsreiche Verbesonderung von Hilfen und durch Hilfen rückgängig zu machen und Inklusionsräume zu schaffen. Im Fokus des Konzepts stehe nicht das für sich betrachtete Individuum mit seinen Problemen, Defiziten, Schädigungen und Beeinträchtigungen, sondern das jeweilige konkrete Lebensumfeld, in dem das Individuum sich aufhalte. Spezielle Hilfen im Sozialraum könnten nun, so Markus Dederich, den Effekt haben, die Besonderheit von Individuen oder Gruppen zu markieren und dadurch ihre Marginalität unterstreichen. Damit leitete Markus Dederich über zur ästhetischen Dimension sozialer Barrieren im Sozialraum. Dort würden Menschen weniger als Individuen in ihrer Einmaligkeit, sondern typisiert und als Angehörige spezifischer sozialer Gruppen wahrgenommen und mit klaren Bewertungen belegt. Sozialraumorientierung sorge für Sichtbarkeit, aber Sichtbarkeit allein sei kein Garant für positive Wertschätzung oder Anerkennung und damit für Inklusion. Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit, Vertrautheit und Fremdheit, die gemeinschaftsbildende Un- 4) Nach Wiebke Lawrenz: Diversität in der Entwicklung eines inklusiven Gemeinwesens: Erfahrungen mit dem Kommunalen Index für Inklusion, Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit, 1/2012, S. 83 ff. 5) Nach Karl-Heinz Imhäuser: Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, 2011, S

14 NDV Oktober 2012 terscheidung von wir und die anderen, kulturelle Wertvorstellungen und deren Negation würden in hohem Maße über ästhetische Prozesse geschaffen. 6 Es seien in nicht unerheblichem Maße ästhetische Faktoren, die zu erhöhten Sensibilitäten gegenüber ordnungswidrigen Elementen im Sozialraum führten. 7 Vor diesem Hintergrund könne auch Behinderung als eine solche ästhetische Störgröße empfunden werden. Dem Unbehagen respektive der Abneigung gegenüber Menschen, die als unangemessen anders eingeordnet würden, entspreche die Ablehnung eines disharmonischen öffentlichen Raums, in dem sich die Gesellschaft und der Staat physisch und symbolisch repräsentierten. Barrieren hätten insofern eine stabilisierende Funktion und quasi hygienische Aufgabe, nämlich die Ordnung zu bewahren und öffentliche Räume sauber zu halten. Wichtig sei angesichts dessen, wie es Markus Dederich abschließend formulierte, nicht nur die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen im sozialen Raum, sondern auch ihre Anerkennung. Die Schaffung inklusiver Lebensräume sei nicht allein durch eine sozialtechnologisch angelegte Umstrukturierung und Reorganisation der Hilfe zu bewerkstelligen. Die Verwirklichung des inklusiven Anspruchs der Sozialraumorientierung erfordere vielmehr auch einen tiefgreifenden kulturellen Wandel. Dieser Wandel bestehe im Kern darin, dass es neben der Zuerkennung von Rechten und der Neuorganisation der Hilfe um die Zuerkennung eines positiven Werts behinderter Menschen gehen müsse. Entscheidend für die Sozialraumorientierung wie für die Inklusion überhaupt sei daher die Frage, wie es möglich sein werde, Voraussetzungen für tatsächlich gelingende Anerkennungsprozesse zu schaffen. b) Gudrun Wansing befasste sich in ihrem Vortrag Mit gleichen Wahlmöglichkeiten in der Gemeinde leben Behinderungen und Enthinderungen selbstbestimmter Lebensführung mit Art. 19 UN-BRK, der die selbstbestimmte Lebensführung und die Einbeziehung in die Gemeinschaft regelt. Im Gegensatz zum Wohnen als institutioneller Kategorie sei die Lebensführung eine subjektive Konstruktion. Wohnformen, wie man sie in einer Kommune vorfinde, seien, so Gudrun Wansing, immer gesellschaftliche Seismografen für den Umgang mit Behinderung. 8 Die UN-BRK setze hier klare Maßstäbe, indem sie die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen (Präambel, Buchstabe n) in Art. 19 durch das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben sowie ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, ohne verpflichtet zu sein, in besonderen Wohnformen zu leben, konkretisiere. Jedem Menschen müssten demnach die Entscheidungs- und Handlungsspielräume zur Verfügung stehen, die er bei unbehinderter und gründlicher Selbstbesinnung als bestimmend für den Sinn seines Lebens ansieht. 9 Die Grundlagen der Selbstachtung dürften hierbei nicht infrage gestellt werden. 10 Auf dieser Grundlage ging Gudrun Wansing der Frage nach, ob und inwieweit die Vorgaben des Art. 19 UN-BRK in Deutschland für Menschen mit wohnbezogenem Unterstützungsbedarf bereits umgesetzt würden. Sie präsentierte ausgewählte Forschungsbefunde betreffend die Wohnwünsche von Menschen mit Unterstützungsbedarfen. Diese hätten erbracht, dass etwa die Hälfte der befragten Personen mit ihrer aktuellen Wohnsituation unabhängig von der Wohnform zufrieden sei. Etwa jeder Zweite wünsche sich hingegen künftig eine andere Wohnsituation. Die Kritik von Menschen in Wohngemeinschaften und -einrichtungen beziehe sich vor allem darauf, dass man mit Menschen zusammenleben müsse, die man sich nicht selbst ausgesucht habe, und dass es viele Regeln und Vorgaben gebe, an die man sich zu halten habe. Zudem hätten die Befunde ergeben, dass Selbstbestimmung und Wahlfreiheiten bei hohen Hilfebedarfen geringer seien. Unzufriedenheit bestehe aber auch bei Menschen in ambulanten Wohnformen, insbesondere im Hinblick auf die Ausstattung der Wohnungen und die Bedingungen im Wohnumfeld. In allen Wohnformen zeigten sich schließlich erhebliche Defizite, was soziale Kontakte und soziale Einbindung angehe. Gewünscht würde ein Leben in einer eigenen Wohnung mit individuell passender Assistenz, mit sozialen Bezügen und in einem Wohnumfeld mit guter Infrastruktur. Eben diese Wünsche greife nun Art. 19 UN-BRK mit seiner Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Gewährleistung von Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten [ ] einschließlich der persönlichen Assistenz und zur Gewährleistung, dass gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen [ ] zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen, auf. Im Ergebnis formulierte Gudrun Wansing Zweifel, ob die Nicht-Verpflichtung auf besondere Wohnformen, wie sie Art. 19 UN-BRK regelt, überhaupt noch die Möglichkeit offen lasse, das Angebot stationärer Wohneinrichtungen aufrechtzuerhalten. c) Der Vortrag von Felix Welti über Rechtliche Grundlagen einer örtlichen Teilhabeplanung schloss an die von seinen Vorredner/innen aufgezeigten Bedarfe und Mängel an inklusiven Steuerungsinstrumenten in den Kommunen an und stellte die Bedeutung einer örtlichen Teilhabeplanung zur Überwindung von Inklusionsbarrieren heraus. Diese liege, so Felix Welti, bereits in dem Umstand begründet, dass sich Behinderung aus einer Wechselwirkung von Funktionsbeeinträchtigung und Umweltbarrieren ergebe. Auf der Leistungsseite führe dies dazu, dass es nicht mehr 6) Nach Tobin Siebers: Zerbrochene Schönheit. Essays über Kunst, Ästhetik und Behinderung, Bielefeld 2009, S ) Unter Hinweis auf Zygmunt Bauman: Unbehagen in der Postmoderne, Hamburg ) Nach Wilfried Rudloff: Das Ende der Anstalt? Institutionalisierung und Deinstitutionalisierung in der Geschichte der bundesdeutschen Behindertenpolitik, in: Elsbeth Bösl/Anne Klein/Anne Waldschmidt (Hrsg.): Disability History. Konstruktionen von Behinderung in der Geschichte. Eine Einführung, Bielefeld 2010, S. 169 (186). 9) Unter Hinweis auf Weisser (1957), zitiert nach Ortrud Leßmann: Lebenslagen und Verwirklichungschancen (capability) Verschiedene Wurzeln, ähnliche Konzepte, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 75 (2006), 1, S. 30 (33). 10) Nach Amartya Sen: Ökonomie für den Menschen. Wege zur Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft, München 2000, S

15 Oktober 2012 NDV nur darum gehe, Interventionen bereitzustellen, die am Gesundheitszustand ansetzten, sondern vielmehr darum, Menschen mit Behinderungen in Bildung, Arbeitsleben, Kultur, Politik und Gesellschaft einzubeziehen. Dazu bedürfe es aber nicht nur einer individuellen Teilhabeplanung (vgl. 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX), sondern einer umfassenden, auf die Verfügbarkeit von unterstützenden Leistungen und auf die Gestaltung von Kontextfaktoren im Sinne von Zugänglichkeit zielenden Teilhabeplanung auf regionaler Ebene. Zunächst widmete sich Felix Welti der Frage, ob eine Pflicht zu einer solchen regionalen Teilhabeplanung bestehe. Aus den verfassungsrechtlichen Maßgaben des Sozialstaatsprinzips, welches für Bund und Länder gleichermaßen verbindlich sei, sowie aus dem staatsgerichteten Verbot der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen lasse sich eine klare Zuordnung der Verantwortung für die betroffenen Menschen zu Bund, Ländern, Gemeinden oder Sozialversicherungsträgern nicht vornehmen. Entsprechendes gelte auch für die UN-BRK, der allerdings angesichts der Artt. 31 und 33 das Konzept eines koordinierten und geplanten Vorgehens zugrunde liege. Dafür spreche auch die Verpflichtung der Vertragsstaaten aus Art. 19 UN-BRK, Menschen mit Behinderungen Zugang zu kommunalen Unterstützungsdiensten sowie Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit zu verschaffen; die offizielle Übersetzung von community mit gemeindenah kritisierte Felix Welti, denn hier werde der Bezug des Begriffs community zur kommunalen Selbstverwaltung nicht hinreichend wiedergegeben, so dass er irrtümlicherweise allein geografisch verstanden werden könnte. Das Recht, einen umfassenden Planungsprozess zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem Gebiet einer kommunalen Körperschaft zu initiieren, sei jedenfalls von der verfassungsrechtlich gewährten Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen gedeckt, die jedoch bisher von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hätten. Es bestehe indes eingedenk des Grundsatzes der Konnexität noch die Möglichkeit der Regelung von Pflichten zur örtlichen Teilhabeplanung seitens der Länder mit Wirkung für die Kommunen (pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben) oder die Möglichkeit, Teilhabeplanung den Kommunen als staatliche Weisungsaufgabe zu übertragen. Wichtig sei es in jedem Fall, die Menschen mit Behinderungen in den Prozess der örtlichen Teilhabeplanung partizipativ einzubinden. Schließlich erörterte Felix Welti die den Sozialleistungsträgern obliegende Planungsverantwortung und die entsprechenden Instrumente, welche das Sozialrecht im Allgemeinen und im Besonderen für Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX, für Pflegeleistungen nach dem SGB XI und für Gesundheitsleistungen nach dem SGB V zur Verfügung stellt. Auf Grundlage seiner Erwägungen kam Felix Welti zu dem Schluss, dass es sinnvoll wäre, eine örtliche und regionale Teilhabeplanung im Bundesrecht am besten im SGB IX explizit zu verankern, wobei herausgestellt werden müsste, dass das Recht und die Pflicht zur näheren Ausgestaltung den Ländern zu übertragen sei. d) Anknüpfend an die vorangegangenen Vorträge betonte Markus Schäfers, dass es selbstverständlich wichtig sei, eine teilhabeförderliche Umwelt zu schaffen. Natürlich seien Sozialraumorientierung, Regional- und Teilhabeplanung sowie die Kooperation der betreffenden Akteure wichtige Konzepte und Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen. Bei einem Festhalten an unserem aktuell bestehenden Leistungssystem werde sich dieses Ziel dennoch nicht verwirklichen lassen, weil es sich dabei um ein Sondersystem handele, das eine Typisierung und damit Unterscheidung zwischen hilfebedürftig und nicht hilfebedürftig erst schaffe und perpetuiere und damit dem Sozialraumgedanken zuwiderlaufe. In Anbetracht dessen bedürfe es einer Reformierung der Unterstützungssysteme, die nicht nur exkludierend wirkten, sondern weder effektiv noch effizient seien. Für besonders wichtig für eine gelingende Inklusion erachtete Markus Schäfers die Vermittlung eines positiven Bildes von Behinderung in der Öffentlichkeit. Erreicht werden könne dies im Wege des Aufbrechens festgefahrener Rollenklischees. So könnten auch Menschen mit Behinderungen ehrenamtlich aktiv sein und die ihnen klassisch zugeschriebene Rolle des Hilfeempfängers gegen die des Unterstützung Gewährenden eintauschen. e) Andreas Kuhn griff in seinem Kommentar im Schwerpunkt die Ziele einer örtlichen Teilhabeplanung für ein inklusives Gemeinwesen auf, wie sie der Deutsche Verein in seinen Empfehlungen vom 14. März 2012 formuliert hat, die wiederum auf den Eckpunkten des Deutschen Vereins für einen inklusiven Sozialraum vom 7. Dezember 2011 aufbauen. Dort werde, so Andreas Kuhn, inklusiver Sozialraum als barrierefreies Lebensumfeld definiert, das alle Menschen mit und ohne Behinderungen, alte und junge Menschen, Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund selbstbestimmt gemeinsam nutzen und mitgestalten könnten. Zu seiner Schaffung bedürfe es einer gemeinsamen Strategie aller Akteure vor Ort. Diese zu entwickeln, sei Aufgabe einer örtlichen Teilhabeplanung. Die Umsetzung der UN-BRK sei dafür ein wichtiger Baustein. Andreas Kuhn nannte drei Zieldimensionen, die eine örtliche Teilhabeplanung operationalisieren müsse: die Herstellung einer barrierefreien öffentlichen Infrastruktur, die Entwicklung eines an Inklusion ausgerichteten Hilfesystems und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Diskriminierungsrisiken sowie die damit verbundene Schaffung eines Solidaritätsbewusstseins. Nach einer daran orientierten Bestandsaufnahme müssten die Umsetzung der Planung und die Erreichung der Ziele fortlaufend evaluiert werden. (wird fortgesetzt) 473

16 NDV Oktober 2012 ABHANDLUNGEN Robert Lehmann und Thomas Ballweg Soziale Arbeit zahlt sich aus: der Social Return on Investment einer stationären Einrichtung der Wohnungslosenhilfe 1. Problemstellung Moderne Soziale Arbeit kommt nicht umhin, die Frage nach der eigenen Wirksamkeit zu stellen. In den letzten Jahren wurde diese Frage häufig aus der Not, die eigenen Kosten zu rechtfertigen, gestellt. Inzwischen tendieren viele Träger der Sozialen Arbeit dazu, aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Klientinnen und Klienten die Arbeit ihrer Einrichtungen unter dem Aspekt der Wirksamkeit zu untersuchen. Mit dem Instrument des Social Return on Investment Robert Lehmann (SROI) besteht die Möglichkeit, die Wirksamkeit einer Einrichtung der Sozialen Arbeit unter einem monetarisierten Blickwinkel zu messen und relativ anschaulich als soziale Rendite darzustellen. Bisher wurden solche Untersuchungen vor allem im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Behinderung 1 und Arbeitsförderung 2 durchgeführt. In der vorliegenden Studie wird versucht, den SROI für eine stationäre Einrichtung der Wohnungslosenhilfe zu ermitteln. Dabei sollen möglichst viele Wirkungen monetarisiert abgebildet werden und dem finanziellen Input des Kostenträgers gegenübergestellt werden. Nicht alle Wirkungen der Sozialen Arbeit lassen sich jedoch (sinnvoll) monetarisieren. Daher wird außerdem untersucht, welche weiteren Wirkungen der Sozialen Arbeit gemessen werden können, und diese Erkenntnisse ebenfalls in den Kontext des SROI gestellt. Die Ermittlung des SROI wurde in einer Arbeitsgruppe unter der Federführung des Bezirks Oberbayern, Stabsstelle strategische Sozialplanung, in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Männerfürsorgeverein München e.v. (KMFV) koordiniert. Die Studie wurde vom Bezirk Oberbayern als überörtlichem Sozialhilfeträger initiiert und im Adolf Mathes Haus, einer stationären Einrichtung für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten, gemäß 67 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) durchgeführt. Es hat 55 Wohnplätze und ist in der Trägerschaft des KMFV. Aufnahme finden wohnungslose, arbeitslose, suchtgefährdete und haftentlassene Männer im Alter von 18 bis 63 Jahren, die ihre sozialen Schwierigkeiten aus eigener Kraft nicht bewältigen können. 2. Das Verfahren SROI Thomas Ballweg Bei der Betrachtung von Einrichtungen und Leistungen der Sozialen Arbeit ist ein betriebswirtschaftlicher Blickwinkel schon lange Standard. Da der Kernauftrag sozialer Dienste jedoch nicht auf der Erwirtschaftung eines monetären Mehrwerts liegt, sondern in der Generierung von Werten, die in den klassischen betriebswirtschaftlichen Instrumenten nur unzureichend erfasst werden, 3 wurden in den USA bereits in den 1990er-Jahren Verfahren gesucht, die geeignet sind, soziale Wirkungen monetarisiert darzustellen. 4 Eines dieser Verfahren, der Social Return on Investment, wurde auch 1) Z.B. Halfar, B./Lehmann, R./Schellberg, K.: Berechnung des SROI einer besonderen Werkstatt der Pfennigparade Forschungsbericht, Eichstätt ) Z.B. The Wise Group: Cadder Environmental Improvement Project. Social Return on Investment Report, Glasgow 2007, component/ option,com_docman/task,doc_download/gid,22. 3) Loidl-Keil, R.: Soziale Dienste sind keine Non-profit-Organisationen!, in: soziales_kapital 1/2008, sozialeskapital/article/view/58/64. 4) Roberts Enterprise Development Fund: SROI-Methodology. Social Return on Investment. San Francisco Dr. Robert Lehmann ist Akademischer Rat an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Thomas Ballweg ist Abteilungsleiter beim Katholischen Männerfürsorgeverein München e.v. 474

17 Oktober 2012 NDV für die Nutzung in Großbritannien, Österreich und Deutschland adaptiert. 5 Die betriebswirtschaftliche Grundlage bildet das Konzept des Return on Investment, das zur Beurteilung von Investitionen in Unternehmen herangezogen wird. Auch wenn es in der klassischen Betriebswirtschaftslehre als veraltet kritisiert wird, erscheint die Anwendung der Logik einer Gegenüberstellung aller monetären Inputs und Outputs dann für die Beurteilung der Wirksamkeit einer sozialen Dienstleistung relevant, wenn diese entsprechend monetarisierbar ist. 6 Die Monetarisierung der sozialen Wirkungen und die Zuordnung gemessener Wirkungen beim Klientel stellen bei der Umsetzung dieses Verfahrens die größte Herausforderung dar. 7 Das hier verwendete modulare Konzept zur Ermittlung des SROI wurde von der Arbeitsstelle für NPO-Controlling und SROI an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt in einer engen Entwicklungspartnerschaft mit der xit GmbH entwickelt. 8 Dabei stellt jedes der Module einen eigenen SROI dar. Der empirische Erhebungsaufwand nimmt hier von Modul zu Modul zu, allerdings steigt entsprechend auch die Aussagekraft bezüglich der Wirkung der Sozialen Arbeit an der untersuchten Stelle. In der hier vorliegenden Studie wurden die SROI 1 3 ermittelt, es wurden also die Transfers zwischen Einrichtung und öffentlicher Hand, zwischen Klienten und öffentlicher Hand sowie die vermiedenen Sozialkosten und Opportunitätserträge ermittelt. Weiterhin wurden die monetär nicht bezifferbaren, empirisch aber gut abbildbaren Wirkungen im Bereich der Kompetenzen der Klienten gemessen. 3. Der SROI im Adolf Mathes Haus Um die Wirkungen des Adolf Mathes Hauses monetarisieren zu können, musste zunächst ein entsprechendes Wirkungsmodell entwickelt werden. Anschließend wurde eine Messmethode entwickelt, die die entsprechenden Wirkungen sichtbar machen sollte. Der Fokus des Wirkungsmodells lag auf den Veränderungen bei den Bewohnern des Adolf Mathes Hauses im Bezug auf Straftaten, Schulden, Arbeit und Wohnen sowie der Entwicklung von Sozialkompetenzen. Es wurde davon ausgegangen, dass sich objektive Veränderungen, z.b. bei den vermiedenen Hafttagen durch eine Unterbringung im Adolf Mathes Haus oder den Eintritt in die Erwerbsarbeit, vergleichsweise einfach innerhalb eines SROI abbilden lassen. Die Entwicklung von Sozialkompetenzen dagegen stellt zwar eine notwendige Vorbedingung für monetarisierbare Effekte dar und ist mit sozialwissenschaftlichen Methoden auch gut abbildbar, eine Übertragung in Geldwerte wurde jedoch nicht angestrebt. 3.1 Methoden der Datenerhebung Um die relevanten Daten für die Bestimmung des SROI zu erheben, wurden verschiedene Datenquellen verwendet. Zur Bestimmung der Geldströme, die zum Adolf Mathes Haus und von dort zu Finanzbehörden und Sozialversicherungsträgern fließen, wurde das interne Rechnungswesen des Adolf Mathes Hauses herangezogen und potenzielle gesetzliche Ansprüche der Klienten für Alternativszenarien zugrunde gelegt. Die Veränderungen der Bewohner des Adolf Mathes Haus wurden durch eine Onlinebefragung der betreuenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zu Beginn der Zusammenarbeit und am Ende erhoben. Die Berechnung der monetarisierbaren Teile des SROI erfolgte über eine Darstellung des Return als Rendite. Es soll verdeutlicht werden, welcher Geldbetrag an die verschiedenen Institutionen der öffentlichen Hand zurückfließt. Für eine bessere Übersichtlichkeit sind dazu die absoluten Beträge in relative übersetzt. So können Aussagen dazu getroffen werden, welche Rückflüsse jeder Euro, der in das Projekt hineinfließt, generiert. Daher werden hier die jeweiligen SROI als Centbeträge ausgewiesen, die Summe aller Mittel, die dem Adolf Mathes Haus zufließen, beträgt in dieser Logik 100 %, also 1, SROI 1: Institutionelle Sozialbilanz Zunächst wurde der tatsächliche Aufwand der überörtlichen Kostenträger für die Leistungen gemäß 67 ff. SGB XII ermittelt. Dieser beläuft sich im Adolf Mathes Haus im Jahr auf ca. 1,8 Mio. Diesem Aufwand wurden im Folgenden alle Transfers, vermiedenen Sozialkosten und monetären Effekte gegenübergestellt, die durch die geförderte Maßnahme erzielt wurden. Im SROI 1 beträgt die Summe der direkten monetären Rückflüsse insgesamt 0,32. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass bereits durch die Personalausgaben sowie durch Verbrauchssteuern etc. 32 % der öffentlichen Aufwendungen direkt an den Fiskus und an soziale Sicherungssysteme zurückfließen. 3.3 SROI 2: Individuelle Sozialbilanz Die Zahlungsströme auf der Ebene der Klienten werden beim SROI 2 erhoben. Zur Vereinfachung wurde hier lediglich der Rückfluss von monetären Transfers von der Klientenebene an Steuerbehörden und Sozialversicherung erhoben. Andere Effekte wurden in die SROI 1 und 3 überführt. Von besonderer Relevanz für diesen SROI ist die Überführung der Klienten in reguläre Erwerbsarbeit. Da sich die Arbeits- und Ausbildungsaufnahme auf den gesamten Erhebungszeitraum verteilte, wurde davon ausgegangen, dass die Beschäftigungsdauer im Mittel sechs Monate des Untersuchungszeitraumes betrug. Deshalb werden die Transfers hier nur zu 50 % angerechnet. 5) Siehe z.b. Subliminal Directions: Gateway2Media. Social Return on Investment Report 2007, task,doc_ download/ gid,21/itemid,38/; Laskowski, M W./Loidl-Keil, R.: SROI Made in Austria, Graz 2007, Kehl, K./Then, V.: Analytischen Tiefgang wagen! Vom Social Return on Investment zur sozioökonomischen Mehrwertanalyse, in: BBE-Newsletter 15/2009, Lehmann, R./Halfar, B.: Wirkungsforschung in Konzepten zum Social Return on Investment, in: Macsenaere, M./Hiller, S./ Fischer, K. (Hrsg.): Outcome in der Jugendhilfe gemessen, Freiburg i.br. 2011, S ) Javits, C. I.: REDF s Current Approach to SROI, San Francisco ) Mildenberger, G./Münscher, R.: Social Return on Investment Ein vielversprechender Ansatz zur Wirkungsmessung im Dritten Sektor?, in: BBE-Newsletter 15/2009, 07/nl15_mildenberger_ muenscher.pdf. 8) Wagner, B./Halfar, B.: Soziales wirkt. Teil 1: Der Social Return on Investment bewährt sich in der Praxis, in: BFS-Info, 10/2011, S ; Teil 2: Wirkungsorientiertes Controlling, in: BFS-Info, 11/2011, S

18 NDV Oktober 2012 Übersicht SROI 1 bis 3 so fortiger SROI SROI einschl. 12 Monate Zukunftswirkung SROI 1: Institutionelle Sozialbilanz 1.1 Aufwendungen 1,00 1,00 Kostenträger 1.2 Steuerzahlungen 0,08 0,08 (Lohnsteuer etc.) 1.3 Steuerzahlungen 0,02 0,02 (Umsatzsteuer) 1.4 SV-Beiträge 0,23 0,23 Summe SROI 1 0,32 0,32 (ohne 1.1): SROI 2: Transfers auf Klientenebene 2.1 Lohnsteuer 0,01 0, SV-Beiträge 0,03 0, Lohnsteuer 0, SV-Beiträge 0,05 Summe SROI 2:* 0,03 0,09 SROI 3: Vermiedene Sozialkosten (u.a.) 3.1 Eingesparte Kosten für 0,33 0,33 Unterbringung 3.2 Eingesparte Regelsätze 0,10 0,10 SGB II 3.3 Einsparungen durch 0,05 Arbeitsvermittlung 3.4 Einsparungen durch 0,04 Wohnungsvermittlung 3.5 Vermiedene Kosten 0,07 0,07 für Inhaftierung 3.6 Reduktion von Schulden 0,11 0,11 Summe SROI 3 0,61 0,70 Summe SROI 1 bis 3 0,96 1,11 Tabelle 1: Übersicht SROI 1 bis 3 * Die Abweichungen dieser Werte von der Summe der Unterpunkte ist auf Rundungsdifferenzen zurückzuführen. Außerdem konnte hier auch eine zukünftige Wirkung angenommen werden, da Klienten, die in Arbeit vermittelt werden, diese Stelle auch über den Untersuchungszeitraum hinaus behalten. Obwohl die Erfahrung zeigt, dass die Klienten, die in Arbeit vermittelt wurden, dort deutlich länger verbleiben, wurde hier eine zukünftige Wirkung auf ein Jahr berücksichtigt. Der SROI 2 beträgt während des Untersuchungszeitraumes 0,04 und einschließlich des Folgejahres 0, SROI 3: Vermiedene Sozialkosten und Opportunitätsbeträge Im SROI 3 wurden die Kosten, die aufgrund der Unterbringung im Adolf Mathes Haus nicht angefallen sind, dem vorhandenen Input gegenübergestellt. Zur Bezifferung der vermiedenen Unterbringungskosten wurden inflationsbereinigte Zahlen aus einer Studie von sine e.v. 9 zugrunde gelegt. Die Wirkung der Vermeidung einer öffentlich- rechtlichen Unterbringung kann insgesamt mit 0,33 monetarisiert werden. Nimmt man außerdem eine Nachhaltigkeit der Vermittlung in Wohnung von einem Jahr an, entstehen weitere 0,04 vermiedene Sozialkosten. Die Vermittlung der Klienten in Arbeit führt nicht nur zu Transfers auf Klientenebene an die öffentliche Hand, sondern dadurch werden auch Zahlungen nach SGB II eingespart, die hier mit 0,10 für den Untersuchungszeitraum angerechnet werden. Legt man auch hier eine Nachhaltigkeit von einem Jahr zugrunde, werden weitere 0,05 eingespart. Weiterhin entstehen auf Seiten der bayerischen Justiz Opportunitätserträge, da aufgrund der Unterbringung im Adolf Mathes Haus Haftstrafen in Bewährungsstrafen oder Geldstrafen statt in Ersatzfreiheitsstrafen in gemeinnützige Arbeit umgewandelt wurden. Dieser Effekt kann insgesamt auf 0,07 beziffert werden. Weiterhin wird im Adolf Mathes Haus an der häufig vorliegenden Schuldenproblematik gearbeitet. Durch die professionelle Auseinandersetzung mit Gläubigern konnten die Schulden der Bewohner deutlich reduziert werden. Ohne Schuldnerberatung hätte die Solidargemeinschaft diese in unterschiedlicher Form (Umlagen, Abschreibungen etc.) tragen müssen. Daher wird hier ein Opportunitätsertrag vom 0,11 angesetzt. Der SROI 3, die vermiedenen Sozialkosten und Opportunitätsbeträge, beträgt während des Untersuchungszeitraumes summarisch 0,61 und einschließlich des Folgejahres 0,70. Bei Addition der SROI 1 bis 3 errechnet sich auf den Einsatz von 1.8 Mio (1,00 ) durch die Kostenträger der Maßnahmen ein sofortiger SROI von 0,96 und unter Einbeziehung der Wirkungen innerhalb von zwölf Monaten nach dem Untersuchungszeitraum ein SROI von 1,11 (s. Tabelle 1) Nicht monetarisierbare Wirkungen Wie oben ausgeführt wurde, sind die Wirkungen des Adolf Mathes Haus nicht auf die drei berechneten SROI beschränkt. Vielmehr wird aus seinem Konzept deutlich, dass verschiedene psychosoziale Kompetenzen der Bewohner gefördert werden sollen. 10 Daher wurde in der Untersuchung erhoben, wie sich die Kompetenzen der Bewohner in verschiedenen Bereichen entwickeln. Dazu wurde die Einschätzung der jeweiligen Kompetenzen durch die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter auf Ratingskalen zu den beiden Messzeitpunkten erhoben. Die Ergebnisse wurden jeweils in den Zahlenraum zwischen 0 und 1 transformiert, wobei 0 für keine Kompetenz steht und 1 für die vollkommene Ausprägung der Kompetenz. Bemerkenswert ist, dass bei einer ersten inferenzstatistischen Analyse zwar in einigen Kompetenzbereichen statis- 9) Süddeutsches Institut für empirische Sozialforschung (sine e.v.): Evaluation des Projekts Streetwork im Gemeinwesen für die Bereiche Hasenbergl und Haidhausen Kosten-Wirksamkeits-Abschätzung, Studie im Auftrag der LH München, ) Katholischer Männerfürsorgeverein München e.v.: Adolf Mathes Hauses, Konzeption, München 2009, S. 3 ff. (unveröffentlicht). 476

19 Oktober 2012 NDV tisch signifikante Veränderungen festgestellt werden konnten, diese sich jedoch spätestens bei Berechnung der Effektstärke als wenig bedeutsam erwiesen. Betrachtet man jedoch das Klientel des Adolf Mathes Hauses genauer, wird deutlich, dass die wenigsten Bewohner mit Defiziten in allen Kompetenzbereichen einziehen. Die meisten haben zumindest bei einigen keine Schwierigkeiten und weisen dort schon bei Einzug ein Kompetenzniveau auf, das keine sozialarbeiterische Intervention nahelegen würde. In der statistischen Analyse wurde daher in einem weiteren Schritt der Blick auf das untere Quartil bei jeder Kompetenz gelegt. Damit wurden nur die Bewohner in die Analyse aufgenommen, die zu den 25 % mit der geringsten Ausprägung der Kompetenz bei Einzug zählten. Hier ist aus sozialarbeiterischer Sicht in jedem Fall ein Handlungsbedarf gegeben. Betrachtet man bei dieser Subgruppe die Entwicklung zwischen Einzug und Auszug, wird offensichtlich, dass hier ausnahmslos statistisch bedeutsame Steigerungen der Kompetenzen zu verzeichnen sind (siehe Tabelle 2). Diese Zahlen machen deutlich, dass die Soziale Arbeit im Adolf Mathes Haus bedarfsgerecht stattfindet und dort, wo sie ansetzt, auch Wirkungen erzielt, die sozialwissenschaftlich sehr belastbar nachgewiesen werden können. Skala Allgemeine Sozialkompetenz Gesamt Allgemeine Sozialkompetenz Unteres Quartil Mißerfolgsattributierung Gesamt Mißerfolgsattributierung Unteres Quartil Alltägl. Lebensführung Gesamt Alltägl. Lebensführung Unteres Quartil Hygiene Gesamt Hygiene Unteres Quartil Umgang mit Ämtern Gesamt Umgang mit Ämtern Unteres Quartil Wohnfähigkeit Gesamt Wohnfähigkeit Unteres Quartil Mittelwert Einzug Mittelwert Auszug Signifikanz Effektstärke 0,56 0,59 p<.05 d=0,25 schwach 0,40 0,51 p<.05 d=1,17 0,53 0,55 n.s. hoch 0,32 0,43 p<.05 d=0,81 hoch 0,62 0,68 p<.05 d=0,47 mittel 0,45 0,62 p<.05 d=1,53 hoch 0,68 0,72 p<.05 d=0,19 schwach 0,45 0,57 p<.05 d=0,81 hoch 0,49 0,56 p<.05 d=0,36 mittel 0,28 0,41 p<.05 d=1,22 0,64 0,67 n.s. hoch 0,42 0,59 p<.05 d=1,73 hoch Tabelle 2: Mittelwerte auf den Kompetenzskalen im Adolf Mathes Haus Grenzen der Untersuchung Die vorliegende SROI-Berechnung beruht auf einer Datenbasis, die nur einen Teil der Tätigkeiten des Adolf Mathes Haus abbildet. Die Entscheidung für diese Auswahl beruht darauf, dass der Fokus auf möglichst monetarisierbaren Daten lag. Anknüpfungspunkte für weitergehende Studien bestehen z.b. bei der Wirkung der beruflichen Bildung. Die Reduktion des langfristigen Arbeitslosigkeitsrisikos durch berufliche Bildung ist für die Gesamtbevölkerung bereits relativ gut erforscht, 11 die genaue Auswirkung der Vermittlung Wohnungsloser in berufliche Bildung liegen jedoch derzeit noch nicht vor, würden aber den SROI von Einrichtungen wie dem Adolf Mathes Haus weiter differenzieren. Weiterhin werden im Rahmen der stationären Unterbringung Leistungen erbracht, die andernfalls durch ambulante Einrichtungen der Sucht- oder Schuldnerberatung erbracht werden würden. Aufgrund inkompatibler Finanzierungssysteme konnten im Rahmen dieser Studie die vermiedenen Kosten in diesem Bereich nicht ermittelt werden, obgleich sie sicherlich vorhanden sind. Unberücksichtigt bleiben musste in diesem Modellprojekt auch die Verbesserung der somatischen und psychischen Gesundheit einschließlich der Reduzierung des Suchtrisikos. Aufgrund erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen sowie vielfach vorhandener psychischer Erkrankungen 12 ist die Motivierung zur Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung ein wichtiger Bestandteil der Hilfe für wohnungslose Menschen. Zur Abbildung der komplexen gesundheitlichen und gesundheitsökonomischen Wirkungen sind jedoch weitaus aufwendigere Untersuchungen nötig, als die vorliegende Studie leisten konnte. Eine weitere Limitierung der Ergebnisse der Studie ergibt sich aus der sehr konservativen Berücksichtigung zukünftiger Effekte. Bei der vorliegenden Berechnung wurden alle zukünftigen Effekte der Arbeit des Adolf Mathes Haus nur auf ein Jahr hochgerechnet. Viele Studien aus anderen Ländern 13 rechnen die Wirkungen bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren hoch. In Rahmen dieser Studie wurde die Entscheidung für diese sehr zurückhaltende Zukunftsperspektive aufgrund der Spezifika der Zielgruppe jedoch sehr bewusst gefällt. Dennoch ist selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass die Wirkungen nach mehr als einem Jahr nicht mehr widerspruchsfrei der Arbeit des Adolf Mathes Hauses zuzuordnen sein werden, mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Arbeit noch nachwirkt. Die genaue sozialwissenschaftliche Klärung jedoch, welche Fakten im Leben der Klienten nach mehr als einem Jahr noch seriös dem Adolf Mathes Haus zuzuordnen sind und welche auf andere Einflüsse zurückzu- 11) Z.B. Braun, U./Bremse, F./Schöngen, K./Weller, S.: Erwerbstätigkeit ohne Berufsabschluss Welche Wege stehen offen?, in: BIBB-Report, Forschungs- und Arbeitsergebnisse aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung, Heft 17/2012, bibb.de/dokumente/pdf/bibbreport_17_12_def.pdf. 12) Fichter, M./Quadflieg, N.. Psychische Erkrankungen bei (vormals obdachlosen) Bewohnern von Heimen des Katholischen Männerfürsorgevereins in München. Eine epidemiologische Untersuchung, München ) Subliminal Directions (Fußn. 5); The Wise Group (Fußn. 2). 477

20 NDV Oktober 2012 führen sind, wäre nur im Rahmen aufwendiger Längsschnittdesigns möglich. 4. Fazit Das Modellprojekt zur Ermittlung des Social Return on Investment am Beispiel des Adolf Mathes Hauses zeigt, dass eine Darstellung der von der Einrichtung erzeugten Wirkungen nach mehreren Ebenen differenziert möglich ist. Dabei lassen sich sehr unterschiedliche Erkenntnisse ableiten: Rund 32 % der investierten Mittel fließen sofort an öffentliche Kassen sowie in soziale Sicherungssysteme zurück. Einen hohen Nutzen durch die Arbeit des Adolf Mathes Hauses haben andere öffentliche Träger, vor allem Kommunen (vermiedene Kosten für Unterbringung von Wohnungslosen), Bund (eingesparte SGB II-Leistungen) und Land (vermiedene Haftkosten). Monetär gut zu erfassen sind die erzielten Erfolge bei der Vermittlung in Arbeit und Wohnung. Die Verbesserung der Sozialkompetenzen der Bewohner lässt sich für die besonders unterstützungsbedürftigen Lebensbereiche sehr gut belegen. Die Anwendung fortgeschrittener sozialwissenschaftlicher Analysemethoden verdeutlicht diese Wirkung eindeutig. Zwar ist diese nicht monetarisierbar, die Datenbasis, die zu dieser Erkenntnis führt, ist jedoch dennoch ausgesprochen belastbar. Mit dem SROI-Projekt konnten sehr aussagekräftige Erkenntnisse bezüglich der Wirksamkeit dieser stationären Hilfeform gewonnen werden. Hier zeichnet sich jedoch auch die Notwendigkeit weiterer Wirkungsforschung ab, denn nur auf der Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse lassen sich tiefer gehende Folgerungen für die zukünftige Ausgestaltung der Hilfen für wohnungslose Menschen ziehen. Es steht zu hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studie allen Beteiligten im deutschen Hilfesystem Mut machen, genaue Wirkungsanalysen ihrer Angebote durchzuführen. Bereits die Ergebnisse dieses ersten Blicks auf eine stationäre Form der Wohnungslosenhilfe zeigen deutlich die Rentabilität der Sozialen Arbeit auf. Daher erweisen sich Befürchtungen, dass Wirkungsstudien dazu beitragen würden, die Existenz bewährter Angebote Sozialer Arbeit undifferenziert in Frage zu stellen, als unbegründet. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die stationäre Hilfe für wohnungslose Männer, so wie sie im Adolf Mathes Haus geleistet wird, aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel betrachtet durch ihre vielfältigen Wirkungen auszahlt. Die vom Bezirk Oberbayern und KMFV intendierten ethischen, sozialrechtlichen und sozialintegrativen Zielsetzungen der Hilfe für Menschen am Rande unserer Gesellschaft werden sich jedoch auch weiterhin einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise entziehen. Jetzt Mitglied werden! Liebe Leserin, lieber Leser, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. Michaelkirchstraße 17/18, Berlin Tel. (030) , Fax (030) als Mitglied des Deutschen Vereins erhalten Sie neben zahlreichen anderen Vorteilen unsere Publika tionen mit einem Rabatt von bis zu 25% und den monatlichen Nachrichtendienst (NDV) kostenlos. Sind Sie an einer Mitgliedschaft interessiert? Dann fordern Sie weiteres Informationsmaterial an (Deutscher Verein, Michaelkirchstr , Berlin, Telefon , Fax -550, redlich@deutscher-verein.de) oder besuchen Sie unsere Website Bitte schicken Sie mir kostenlos: weitere Informationen das Verlagsverzeichnis den Veranstaltungskalender einen Antrag auf Mitgliedschaft den Newsletter per Name, Vorname Straße/Nr. PLZ/Ort 478

21 ABHANDLUNGEN Oktober 2012 NDV Uwe Berlit Wie sichern wir nachhaltige Infrastrukturen bei freiwilligen kommunalen Leistungen? Das Beispiel Engagementförderung und Bildung Teil 2 3. Allgemeines zur Bundesmitfinanzierung 3.1 Erweiterung bisheriger Bundesmitfinanzierung Der Ruf nach einer verstärkten Bundesbeteiligung in den Bereichen Bildung und bürgerschaftliches Engagement darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bund bereits heute im Bildungsbereich vielfach engagiert ist 1 und es nicht nur nach bildungsökonomischen Berechnungen gute Gründe dafür gibt, dass bislang dem Bund zustehende Mittel über die Länder in den Bildungsbereich fließen sollten. Nach geltendem Verfassungsrecht gibt es auch gute Gründe dafür, dass die Bundesbeteiligung in den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie sonst im Hochschulbereich überproportional hoch ist, in dem die Kommunen so gut wie keine Zuständigkeiten haben und von denen sie nicht Uwe Berlit profitieren. Der Ruf setzt einen im Ansatz zahlungswilligen Bund voraus und fragt nach den Wegen, wie Bundesmittel zweckgebunden und auch regional treffsicher dort ankommen, wo sie benötigt werden. 3.2 Inhalte vor Finanzierung Der Ruf nach mehr Bundesbeteiligung darf sich indes nicht auf eine bloße Finanzierungsbeteiligung beschränken. Er muss integriert sein in eine kohärente, ebenenübergreifende Strategie zur Aufgabenwahrnehmung (inkl. Prioritätensetzung) (Inhalte vor Finanzierung). Ein (substanzieller) Finanzierungsbeitrag des Bundes ohne dessen inhaltliche Mitsprache ist irreal. Die Forderung nach verstärkter Bundesbeteiligung muss daher auch angeben, in welchem Umfange ein (mit-)steuernder Bundeseinfluss hingenommen werden soll und inwieweit der Bundeseinfluss in die Planung und Koordination auf der Ebene der Länder und Kommunen eingepasst werden kann. 3.3 Bundesmitfinanzierung bedeutet nicht mehr Mittel Eine (verstärkte) Bundesbeteiligung an der Aufgabenerfüllung ist nicht notwendig mit insgesamt mehr Finanzmitteln für einen bestimmten Aufgabenbereich verbunden. Das Beispiel des sog. Bildungs- und Teilhabepakets ( 28 SGB II) zeigt, dass die Gefahr besteht, dass sich Länder (z.b. im Bereich der Lernmittelfreiheit) und Kommunen (z.b. im Bereich der Angebote der offenen Jugendarbeit) aus der Finanzierung zurückziehen können und es dann im Kern lediglich zu einer Veränderung der Finanzierungsstrukturen, nicht zu einer Verbesserung der Finanzierungslage kommt. Bei Mittelumschichtungen innerhalb des Etatbereiches können auch Kofinanzierungspflichten als Voraussetzung einer Bundesförderung ein Absinken der Mittel insgesamt nicht (wirksam) verhindern. 3.4 Ergänzungsfunktion einer Bundesmitfinanzierung Das absolute Volumen der (dauerhaft) aktivierbaren Bundesmittel kann die strukturellen Finanzierungsprobleme der Bildung in Ländern und Kommunen oder der Förderung bürgerschaftlichen Engagements nicht lösen. Denkbar sind allein punktuelle/sektorale Finanzierungsbeiträge. Dies erfordert, die Bereiche, in denen der Bund zusätzliche Mittel bereitstellen soll, nach auszuweisenden Kriterien zu bezeichnen. Kommunale Finanzierungsschwierigkeiten sind auch im Bereich der Bildung und der Förderung bürgerschaftlichen Engagements für sich allein kein hinreichender Grund verstärkter Bundesförderung. 1) Dazu eingehend die Studie von D. Dohmen: Bildungsfinanzierung. Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Juni Prof. Dr. Uwe Berlit ist Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. 479

22 NDV Oktober Verfassungsrechtliche Ansätze im Bereich der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements 4.1 Förderkompetenz des Bundes de lege/ constitutione lata Schwieriger noch als im Bildungsbereich (s. u. 5.) stellt sich die Verfassungsrechtslage im Bereich der Förderung bürgerschaftlichen Engagements dar. Dieser Begriff ist als Sammelbegriff unterschiedlichster Erscheinungsformen so heterogen, 2 dass sich nach geltendem Verfassungsrecht eine Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenz für alle Erscheinungsformen bürgerschaftlichen Engagements in allen Tätigkeitsbereichen schwerlich konstruieren lässt. Eine selbständige Querschnittsmaterie Förderung des bürgerschaftlichen Engagements ist dem Grundgesetz weder für die Gesetzgebungs- noch für die Verwaltungskompetenz zu entnehmen. Eine solche Kompetenz folgt bezogen auf die Gesetzgebung auch nicht aus der Natur der Sache. Eine solche Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist vom Bundesverfassungsgericht nur angenommen worden, wenn gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigene, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Bundes darstellen und (sachgerecht) nur von diesem geregelt werden können. 3 Auch wenn eine kohärente, in den einzelnen Sektoren abgestimmte Förderung bürgerschaftlichen Engagements und ehrenamtlicher Tätigkeit durch den Bund fachlich sinnvoll sein mag, bewirkt allein dies daher keine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache. Der Bund ist für die Förderung von Elementen bürgerschaftlichen Engagements beschränkt auf die punktuelle Wahrnehmung sektoraler Gesetzgebungskompetenzen, z.b. im Bereich des Sozialversicherungsoder des Steuerrechts. Dass er hiervon in der Vergangenheit auch Gebrauch gemacht hat, bedeutet nicht, dass der Bundesgesetzgeber die Staatsaufgabe der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements seit langem unbestritten auf dem Gebiet der Gesetzgebung wahrnehmen darf. 4 Bereits die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung von Freiwilligendiensten ist zwar akzeptiert, aber doch nicht unproblematisch. Dass die (ausschließliche) Bundeskompetenz für das Bundesfreiwilligendienstgesetz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG hergeleitet wird, 5 der neben auswärtigen Angelegenheiten die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung erfasst, wird mehr als mühsam damit begründet, dass eine Reaktivierung der Wehrpflicht und damit des Wehrersatzdienstes nicht ausgeschlossen sei und damit die Vorhaltung intakter Zivildienststrukturen ein Gebot institutioneller Vorsorge des Staates bilde, für die der Bund Einsatzplätze vorzuhalten habe. Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement und allgemeine Dienstpflicht sind normativ fundamental zu unterscheiden. Die weitere Herleitung aus dem Aspekt der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) knüpft an die Beschäftigung Jugendlicher als Maßnahme präventiver Jugendpflege an; sie kann aber die Öffnung des Bundesfreiwilligendienstes auch für ältere Menschen nicht erklären. Es sind Umgehungskonstruktionen, die ausblenden, dass nach Art. 12a GG lediglich zur Verpflichtung zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden kann und diese Verfassungsnorm gerade keine Grundlage für eine allgemeine Dienstpflicht aus sozialen und/oder ökologischen Gründen bietet. 6 Für das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten hatte der Bund denn auch seine Gesetzgebungskompetenz nicht auf einen einheitlichen Kompetenztitel gestützt, sondern die Kompetenztitel herangezogen, auf denen die zur Förderung geänderten Bundesgesetze beruhen. 7 Aus einer unterstellten Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die de constitutione ferenda auf die Sicherung der Rahmenbedingungen zivilgesellschaftlichen Engagements beschränkt sein könnte, folgt vor allem keine Verwaltungsund damit Finanzierungskompetenz des Bundes. 8 Eine Gegenansicht geht für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in zumindest unorthodoxer Verfassungsinterpretation davon aus, sie vollziehe sich in einer kompetenzfreien Zone bzw. einem gesetzesfreien Bereich paralleler Zuständigkeiten. 9 Gerade die Finanzierungskompetenzen nach Art. 104a GG sind grundsätzlich lückenlos und erlauben keine kompetenzfreie Ausgabenund damit Förderpolitik. 10 Die verfahrensrechtlichen Vorkehrungen, die von der Gegenansicht zur Gewährleistung des Föderalismusprinzips durch eine verfahrensrechtlich gesicherte Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen für notwendig gehalten werden, beschreiben mit der Maßgabe, dass sie offen ist auch für eine Beteiligung weiterer Akteure des bürgerschaftlichen Engagements, die sinnvolle Ordnung von Kooperationsbeziehungen bei einer Gemeinschaftsaufgabe oder im Rahmen einer dauerhaften Finanzhilfe nur dass eine solche de constitutione lata nicht geregelt ist. Auf halbwegs gesicherter Rechtsgrundlage kann der Bund, allzumal nach den Änderungen durch die beiden Föderalismusreformen, bei der Förderung lokaler Infrastrukturen und Angebote nur tätig werden, wenn er sich nach Maßgabe des sog. Flurbereinigungsabkommens 11 auf eine Projektförderung mit eindeutig überregionalem Charak- 2) Klein, A.: Der Begriff Bürgerschaftliches Engagement, in: Klein, A./Fuchs, P./ Flohé, A.: Handbuch Kommunale Engagementförderung im sozialen Bereich, Berlin 2011, S ) St. Rspr. seit BVerfGE 3, 407 (322); 11, 89 (99). 4) So aber das Gutachten Igl, G.: Fördermöglichkeiten des Bundes bei lokalen und regionalen Infrastrukturvorhaben auf dem Gebiet des bürgerschaftlichen Engagements. Rechtsgutachten, erstellt im Auftrag des BMFSFJ, Oktober 2009, S. 35; s.a. ders.: Entwicklung von Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeiten des Bundes auf dem Gebiet des bürgerschaftlichen Engagements, in: FS E. Schmidt-Jortzig, Heidelberg 2011, S ) BR-Drucks. 840/10 vom 31. Dezember ) Dazu Pietzcker, J.: Gutachten zu Rechtsfragen der Einführung einer allgemeinen Dienstleistungspflicht, Bonn 1991; Frank, KJ 1996, ) BR-Drucks. 598/07, 18. 8) Nicht zuletzt dies vernachlässigt das Gutachten Igl (Fußn. 4). 9) Igl (Gutachten) (Fußn. 4), S. 32 f., 35, 49, passim. 10) So auch Isensee: Die bundesstaatliche Kompetenz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 3. Aufl., 133 Rdnr ) Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern aus dem Jahre 1971, die zwar nie abgeschlossen worden ist, aber die Staatspraxis wesentlich geprägt hat und inzwischen als quasi Verfassungsgewohnheitsrecht, jedenfalls als Leitschnur für die Anerkennung ungeschriebener Verwaltungs- und Finanzierungskompetenzen gelten kann. 480

23 Oktober 2012 NDV ter 12 beschränkt 13 und es sich um Bestrebungen handelt, die ihrer Art nach nicht durch ein Land wirksam gefördert werden können. Eine (dauerhafte) Förderung der regionalen oder lokalen Infrastruktur für die Koordination und den Einsatz bürgerschaftlichen Engagements ohne überregionalen Bezug ist hiernach nicht möglich. 4.2 Verfassungsänderungen zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements Die Querschnittsfunktion der Förderung bürgerschaftlichen Engagements und die hohe Bedeutung dieses Aufgabenfeldes für die Bewältigung der in Staat und Gesellschaft anstehenden Aufgaben rechtfertigen eine Grundgesetzergänzung auch in diesem Bereich. Die Finanzierung der erforderlichen institutionellen Infrastruktur sollte hierfür indes nicht Hauptmotiv sein. Im Vordergrund muss stehen, dass die vielfältigen Erscheinungsformen zivilgesellschaftlichen Engagements sich nicht an den bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen orientieren, sondern in einer lebendigen, sich ständig ändernden Weise miteinander vernetzt sind. Es gilt, eine grundgesetzlich tragfähige Grundlage für eine geordnete und zugleich flexible Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen in diesem Bereich zu schaffen. Die wachsende Bedeutung dieses Bereichs legt es nahe, auch für die materielle Gesetzgebung dem Bund eine ausdrückliche Querschnitts -Gesetzgebungskompetenz zu eröffnen. Sie sollte indes nicht an die ausschließliche Kompetenz des Bundes für die Verteidigung und den Zivilschutz (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) angekoppelt werden. Auch die konkurrierende Kompetenz des Bundes für das Fürsorgewesen ist nicht der sachgerechte Regelungsort. Bürgerschaftliches Engagement hat zwar oft eine soziale Komponente, ist aber nicht auf diesen Bereich beschränkt. Zumindest für den Bundesfreiwilligendienst gilt, dass es sich der Sache nach um einen öffentlichen Dienst des Bundes besonderer Art handelt, 14 der kompetenziell nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG geregelt werden mag. Die Sachgesetzgebungskompetenz sollte als konkurrierende Gesetzgebung ausgestaltet werden, um die Kooperationsund Koordinationsnotwendigkeiten bereits im Gesetzgebungsverfahren zu spiegeln. Für die Förderkompetenz liegt eine Verortung bei den Gemeinschaftsaufgaben näher als eine allgemeine Finanzhilfekompetenz. Denn es geht um die Bewältigung einer Daueraufgabe, die im Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen erfüllt werden soll. Es ist genau zu definieren, welcher Förderungs- und Finanzierungsbereich dem Bund zugewiesen werden soll. Denkbar ist aber auch eine reine, dann aber auf Dauer gestellte Förderkompetenz des Bundes, die als Mischfinanzierungstatbestand ausgestaltet ist und bei der in der Programm- und Förderplanung die Mitfinanzierungsanteile von Ländern und Kommunen ihr substanzielles Mitspracherecht legitimieren. Verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist schließlich eine Alleinfinanzierungs- bzw. -förderkompetenz des Bundes, bei der die Länder und Kommunen ggf. auch zivilgesellschaftliche Akteure mit substanziellen Mitwirkungs- oder gar Mitbestimmungsrechten in die Programm- und Förderplanung des Bundes einbezogen sind, sich an der Durchführung aber nicht mit eigenen Mitteln beteiligen. Realpolitisch mag eine Bottom-up-Förderstruktur, die im Rahmen einer neuen Förderlogik mit einer neuen Entscheidungskultur anschlussfähig ist, für eine substanzielle Beteiligung der Zivilgesellschaft nicht die wahrscheinlichste Variante sein. Ihre Etablierung wäre aber ein Prüfstein für die Durchsetzungskraft der politischen Idee einer zivilgesellschaftlich fundierten starken Demokratie, die auf eine aktive Bürgerschaft bauen kann, der die Politik einen engagementfördenden Rahmen zu schaffen hat, ohne ihren Eigensinn zu beeinträchtigen oder sie zu funktionalisieren Verfassungsrechtliche Ansätze im Bildungsbereich 5.1 Finanzverfassungsrechtliche Instrumente Nach geltendem Verfassungsrecht ist der Bund an enge, in der Staatspraxis teils bereits überdehnte Grenzen einer gezielten Finanzierungsbeteiligung in den Bereichen kommunaler Bildungsinfrastruktur und Engagementförderung gebunden. Eine spürbare Verstärkung der Bundesbeteiligung erfordert eine Verfassungsänderung, die das sog. Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufhebt oder modifiziert. Bei kommunaler Infrastruktur geht es nicht um Geldleistungsgesetze. Ein zielgerichteter Mitteltransfer über eine Kostenbeteiligung nach Art. 104a Abs. 3 GG scheidet daher aus. Bis zur Grenze der Bundesauftragsverwaltung (Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG) kann die Beteiligungsquote des Bundes bei Geldleistungsgesetzen indes zur nicht zweckgebundenen Kompensation zusätzlicher Lasten der Länder oder Kommunen genutzt werden. Auch wenn völlig neue Formen einer gemeinsamen Finanzierung nicht auszuschließen sind, kommen realistischerweise als Transfer- und Kooperationswege (und damit als Ansatzpunkte für eine Verfassungsänderung) die Gemeinschaftsaufgaben (Art. 91a ff. GG) oder die Finanzhilfen für bedeutsame Investitionen der Länder (Art. 104a GG) in Betracht. Ausgeblendet wird der Sonderlastenausgleich nach Art. 106 Abs. 8 GG in Fällen, in denen besondere Einrichtungen des Bundes in einzelnen Ländern oder Kommunen unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen verursachen, die wegen ihrer Höhe unzumutbar sind (und die nicht typischerweise von den Steuerertragsaufteilungs- und Finanzausgleichsregelungen erfasst sind); die allgemeine Bildungsinfrastruktur und/oder die zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements erforderliche Infra- 12) S.a. BVerfGE 22, 180 (217). 13) Igl (Gutachten) (Fußn. 4) erkennt an, dass im Katalog des Flurbereinigungsabkommens keine Tatbestände enthalten [sind], die auf eine Förderung des bürgerschaftlichen Engagements auf lokaler oder regionaler Ebene hindeuten. Sein Hinweis auf die Kritik in der Staatsrechtslehre an diesem Abkommen vernachlässigt, dass sich diese primär gegen die hiernach dem Bund verbliebenen ungeschriebenen Finanzierungszuständigkeiten richtet. 14) Klenter, AiB 2011, ) Zu diesem Ansatz s. Roth, R.: Das Politikfeld kommunale Engagementförderung eine Bilanz, in: Klein/Fuchs/Flohé (Fußn. 2), S

24 NDV Oktober 2012 struktur ist flächendeckend im gesamten Bundesgebiet im Kern gleichmäßig erforderlich und zudem regelmäßig nicht als Sonderlast vom Bund veranlasst. Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen zur Förderung von Bildungsinfrastruktur schließen einander nicht aus. Beide Instrumente können sinnvoll sein und sich wechselseitig ergänzen. Für beide Transferwege gilt, dass ein Mindestmaß an bildungspolitischer Problemanalyse und Zwecksetzung als Maßstab für Grund und Grenze von Finanztransfers des Bundes in den Verfassungsbestimmungen genannt wird. Keinen Sinn machen Finanzhilfen des Bundes, die allein zum Ausgleich unzureichender Grundfinanzierung im Bildungsbereich als Folge der Schuldenbremse gewährt werden; hier ist eine allgemein verbesserte Finanzausstattung von Ländern und Kommunen (primäre Steuerverteilung; Finanzausgleich) das sachgerechtere Instrument. Eine strukturelle Unterfinanzierung von Ländern und Kommunen kann durch Finanzhilfen ohne Schaden für das föderale System nicht ausgeglichen werden. 5.2 Gemeinschaftsaufgabe (Art. 91b GG) Bildung gilt als kompetenzielles Hausgut der Länder. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde die Kooperation im Bildungsbereich auf die Förderung bestimmter Bereiche des Hochschulwesens 16 reduziert und ein weitergehendes Zusammenwirken thematisch auf die Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen 17 beschränkt. 18 Dies schließt mit Ausnahme der außerschulischen beruflichen Bildung und Weiterbildung eine Verwaltungs- und damit auch eine Förderkompetenz des Bundes für den (vor-)schulischen Bildungsbereich selbst für Modellversuche 19 weitestgehend aus; 20 für die Kompetenz kraft Natur der Sache bleiben Randbereiche, wie z.b. im Bereich der Auslandsschulen. Ein Zusammenwirken zur Förderung des Betriebes z.b. von Ganztagsschulen 21 ist nicht möglich. Das sog. Ganztagsschulprogramm 22 war auf die Investitionsförderkompetenz des Bundes (Art. 104a GG) gestützt und auch dort als Umwegfinanzierung nicht unumstritten. 23 Eine Öffnung der Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen einer neu gefassten Gemeinschaftsaufgabe Bildung über den Hochschulbereich hinaus ist verfassungsrechtlich jedenfalls dann möglich, wenn im Bereich der (vor-)schulischen Bildung den Ländern die maßgeblichen Gestaltungs-, aber auch Finanzierungskompetenzen verbleiben. Die verfassungsänderungsfeste Gliederung des Bundes in Länder fordert lediglich, dass der Eigenstaatlichkeit der Länder ein Kernbestand eigener Aufgaben und eigenständiger Aufgabenerfüllung verbleibt; 24 jenseits dieser Grenze ist die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern prinzipiell variabel und auch offen für ein Kooperationsgebot. Problematisch dürfte indes eine allgemeine, tatbestandlich nicht gebundene Kooperationsmöglichkeit im Bereich der Bildung sein ( Bund und Länder können aufgrund von Vereinbarungen im Bereich der schulischen, außerschulischen und universitären Bildung zusammenwirken ), und zwar auch dann, wenn dies an Vereinbarungen gebunden wird, für die ein Einstimmigkeitserfordernis gilt. Beschränkungen sind erforderlich in Bezug auf die Gegenstände und Voraussetzungen einer Kooperation, die Art der Förderung, in Bezug auf die eine Kooperation zugelassen wird (nur die Projektförderung von Vorhaben oder auch die institutionelle Förderung von Einrichtungen), und auch die verfahrensrechtlichen Sicherungen (Mehrheitserfordernisse bei Vereinbarungen), die vorzusehen sind, um eine maßgebliche Verantwortung der Länder(-gesamtheit) zu gewährleisten und sicherzustellen, dass der Bund nicht aus sachwidrigen Gründen Vereinbarungen nur mit einzelnen Ländern schließt. Denkbar ist auch, nach dem Vorbild des Art. 104b Abs. 2 Satz 2 und 3 GG die Bundesmittel grundsätzlich zu befristen und/oder degressiv auszugestalten, soweit sie punktuell zur Erreichung bestimmter (Projekt-)Ziele eingesetzt werden sollen, und eine Evaluationspflicht vorzusehen. Jedenfalls für den Bereich der (vor-)schulischen Bildung ist bei einer Erweiterung des Art. 91b GG auf das Erfordernis der überregionalen Bedeutung für eine Kooperation zu verzichten. Schon im Bereich der Forschung und Hochschulen ist dieses Tatbestandsmerkmal interpretationsbedürftig und kaum geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen. Für den Bereich der (vor-)schulischen Bildung sind jenseits der allgemeinen Floskel, dass eine gute Bildung in einem ressourcenarmen Land wie der Bundesrepublik Deutschland eine Frage nationalen Interesses ist, Maßnahmen überregionaler Bedeutung schwer vorstellbar. Systematischer Vorteil einer Erweiterung der Kooperation im Rahmen einer Gemeinschaftsaufgabe ist, dass diese Kooperation prinzipiell auf Dauer gestellt ist und je nach Formulierung Bund und Länder zur Zusammenarbeit zwar nicht verpflichtet sind, die Gemeinschaftsaufgabe aber einen weiten Rahmen für eine nachhaltige Zusammenarbeit setzt. Je nach Perspektive und Interessenlage ist dieser Vorteil zugleich ein Nachteil. Denn in dem Bereich, der von den Kooperationsmöglichkeiten erfasst ist, werden dem Bund eigene Handlungs- und Gestaltungsbefugnisse zugebilligt, die gleichberechtigt neben jene der Länder treten. Der Bund greift damit intensiver in die Bildungshoheit der Länder ein als bei einer punktuellen Befugnis zur Gewährung von Finanzhilfen im Bereich von Bildung und Wissenschaft Finanzhilfen De constitutione lata kann der Bund, soweit das Grundgesetz ihm Gesetzgebungsbefugnisse verleiht, unter be- 16) U.a. Nolte, DVBl. 2010, 84; Seckelmann u.a.: Die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in der Wissenschafts- und Bildungspolitik, Baden-Baden ) Guckelberger, RdJB 2008, ) Mager, RdJB 2005, ) Wieland, J.: Bildungsföderalismus. Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2011, S ) S.a. Hufen, RdJB 2005, ) Dazu Häde, JZ 2006, ) Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB), mit dem der Bund in den Jahren 2003 bis 2009 die Länder mit insgesamt 4 Mrd. beim Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen unterstützt hat. 23) S. etwa Winterhoff, JZ 2005, 59; Hufen, RdJB 2005, ) BVerfGE 87, 181 (196 f.). 25) Schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen Wieland zur Ausschussanhörung vom 19. März 2012 im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 1F(18) 265c. 482

25 Oktober 2012 NDV stimmten Voraussetzungen den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen gewähren. Für eine nachhaltige Finanzierung von Bildungsinfrastruktur ist diese Regelung nicht geeignet. Im Bildungsbereich scheitert eine Finanzierungshilfenkompetenz des Bundes regelmäßig bereits an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes, auf die nur im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, verzichtet werden kann (Art. 104b Abs. 1 Satz 2 GG). 26 Die Finanzhilfen sind zudem gebunden an Investitionen, die Hilfen für den laufenden Betrieb und Personalaufwendungen nach dem herkömmlichen, auf Sachinvestitionen beschränkten Verständnis ausschließen, und sind zudem befristet und einem Degressionsgebot unterworfen (Art. 104b Abs. 2 GG). Vor allem stehen dem Grunde nach zulässige Finanzhilfen des Bundes nach Art, Gegenstand und Umfang in dessen Ermessen; der Bund ist zur finanziellen Unterstützung der institutionellen Bildungslandschaft in Ländern und Kommunen allenfalls berechtigt, nicht aber verpflichtet. Eine bildungsbezogene Finanzhilfekompetenz des Bundes ist nicht als Erweiterung des Art. 104b GG sinnvoll, die für Bildungsfinanzhilfen auf einzelne Tatbestandsmerkmale verzichtet. Der Bedeutung des Politikfeldes Bildung entspricht eine eigenständige Regelung, die auf das Regelerfordernis einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes verzichtet und bei der die Finanzhilfenkompetenz des Bundes nicht auf bestimmte externe Förderziele (Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder Förderung des wirtschaftlichen Wachstums) bezogen ist, sondern bei der eine Bundesförderung von Bildungsinfrastruktur oder Bildungsprojekten Selbstzweck ist. 27 Auf eine materiellrechtliche, tatbestandliche Einhegung der Finanzhilfekompetenz für Bildung sollte gleichwohl nicht völlig verzichtet und nicht allein prozedural darauf abgestellt werden, dass die zur Umsetzung zwischen Bund und Ländern vorzusehenden Vereinbarungen einstimmig zu beschließen sind. Das Einstimmigkeitserfordernis verschafft jedem einzelnen Land eine Vetoposition und fördert damit in der Tendenz eine sachwidrige Kompromissbildung oder Kompensationsgeschäfte. Als materielle Voraussetzung reicht auch nicht aus, dass bildungsbezogene Finanzhilfen die Bildungshoheit der Länder nicht einschränken dürfen. 28 Dies versteht sich nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung im Ansatz von selbst. Es ist zudem nicht justiziabel. Eine gewisse Einschränkung der Bildungshoheit ist mit jeder Finanzhilfekompetenz, die der Bund an wenn auch vereinbarte Bedingungen knüpfen kann, verbunden; auch sonst ist die Bildungshoheit der Länder keine exklusive. Know-how Software Service für alle Bereiche der Sozialwirtschaft Altenhilfe Behindertenhilfe Jugendhilfe Offene Sozialarbeit Telefon: C&S Computer und Software GmbH, Augsburg info@cs-ag.de Näher liegt, die Finanzhilfen des Bundes im Bildungsbereich an abstrakt umschriebene Politikziele im Bildungsbereich (z.b. den Ausgleich unterschiedlicher Leistungsfähigkeit im Bildungsbereich, 29 die Erprobung innovativer Bildungskonzepte, Vorhaben und Projekte der inklusiven, integrativen Bildung) zu binden und für die erforderlichen Vereinbarungen lediglich eine qualifizierte Mehrheit der Länder (2/3- oder 3/4-Mehrheit) vorzusehen. Dass auch bei solchen, mit qualifizierter Ländermehrheit geschlossenen Vereinbarungen die Bildungsfinanzhilfen des Bundes nicht unter Verletzung des föderativen Gleichbehandlungsgebots 30 verteilt werden dürfen, bedarf keiner ausdrücklichen Erwähnung im Verfassungstext. Denkbar ist auch, die Entschließungsfreiheit des Bundes zur Gewährung bildungsbezogener Finanzhilfen einzuengen, eine Planungsund Koordinationsinstitution mit Entscheidungskompetenz zwischenzuschalten und/oder einen indikatorengebundenen Volumenkorridor (z.b. in v.h. der Bildungsausgaben der Länder) vorzusehen. 26) Ein Bildungs notstand gehört evident nicht hierzu; s.a. Wieland (Fn. 19), S ) So auch Entschließungsantrag der Freien und Hansestadt Hamburg, BR-Drucks. 43/12 (vom 3. Februar 2012); s.a. Schriftliche Stellungnahme des SV Wieland zur Ausschussanhörung vom 19. März 2012 (Fußn. 25). 28) So wohl Entschließungsantrag der Freien und Hansestadt Hamburg, BR-Drucks. 43/12 (vom 3. Februar 2012). 29) So Entschließungsantrag Schleswig-Holstein, BR-Drucks. 43/12 (vom 24. Januar 2012). 30) Dazu etwa M. Koemm, Eine Bremse für die Staatsverschuldung. Verfassungsmäßigkeit und Justitiabilität des neuen Staatsschuldenrechts, Tübingen 2011,

26 NDV Oktober 2012 ABHANDLUNGEN Beate Finis Siegler Gut gemeint aber auch gut gemacht? Das Bildungs- und Teilhabepaket aus steuerungstheoretischer Sicht Teil 2 3. Föderative Kompetenzordnung und Ressourcensteuerung Der Bund hat zur Förderung der Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien insgesamt 1,6 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Im Laufe des Verfahrens wurde über Zuständigkeitsfragen gestritten und es zeigten sich die Fallstricke[n] der föderativen Kompetenzordnung. 1 Unter anderem ging es um die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Seit der Föderalismusreform 2006 darf der Bund gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG keine Aufgaben mehr direkt auf die Kommunen übertragen. 2 Für die vorgesehenen Leistungen im Bildungsbereich sind die Länder zuständig. Außerdem sind direkte Finanzbeziehungen zwischen Bund und Beate Finis Siegler Kommune nach der geltenden Finanzverfassung untersagt, sodass die Finanzierungsströme ausschließlich über die Länder laufen müssen. Eine Ausnahme von dem Grundprinzip, dass jede Ausführungsebene die eigenen Verwaltungs- und Zweckausgaben selbst trägt, ist in Art. 91 e GG geregelt, der bei der Umsetzung des SGB II eine Mischverwaltung zulässt, sowie die Finanzierung von Leistungen der Optionskommunen durch den Bund. Am Ende der Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern stand eine Vereinbarung dergestalt, dass die Kommunen und Landkreise für die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zuständig seien, ihnen dadurch aber keine weiteren zusätzlichen finanziellen Belastungen entstehen sollten. Die Kosten des Bildungs- und Teilhabepakets müssen ihnen erstattet werden. 400 Mio. der 1,6 Mrd. sind nicht für die Umsetzung des Pakets im engeren Sinn, sondern sind den Kommunen jährlich für drei Jahre befristet zusätzlich zur Verfügung gestellt worden. Dieses Geld ist auf Wunsch der Länder ungebunden vergeben worden. Die jährlich vom Bund finanzierten 1,6 Mrd. Leistungserstattung werden an die Kommunen über die erhöhten Kosten der Unterkunfts-Beteiligung weitergereicht. Von 2011 bis 2013 beteiligt sich der Bund an den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) mit 30,4 % statt ehemals 24,5 %. In diesem Betrag enthalten sind 400 Mio. (2,8 %) für Schulsozialarbeit oder Essen in Kinderhorten. Zusätzlich finanziert er das Bildungs- und Teilhabepaket mit einer Beteiligung von 5,4 % an den KdU. Insgesamt beträgt die Quote bis ,8 %. Nach 2013 fallen die 2,8 % an den KdU wegen Schulsozialarbeit und Essen in Kinderhorten weg, sodass die Beteiligungsquote von 30,4 % auf 27,6 % sinkt. Die Höhe der zusätzlichen Bundesquote zur Finanzierung des Bildungs- und Teilhabepakets, die bis 2012 festgeschrieben ist, wird ab 2013 jährlich gemäß den tatsächlichen Kosten des Vorjahres angepasst. Außerdem erfahren die Kommunen eine finanzielle Entlastung durch die schrittweise Übernahme der Kosten der Grundsicherung für Ältere und Erwerbsgeminderte durch den Bund. 3 Das Land Hessen beabsichtigt die Verteilung der Bundesmittel analog der Quote für die Unterkunftskosten an die Landkreise und kreisfreien Städte zu verteilen. Eine Benachteiligung von Landkreisen mit niedrigem Mietpreisniveau gegenüber Ballungsräumen kann dabei nicht ausge- 1) Zur Gathen, M. von/struck, N.: Soziale Teilhabe lässt sich nicht in Bildungspäckchen packen! Zu den Neuregelungen im SGB II für Kinder und Jugendliche, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Vierteljahresheft zur Förderung von Sozial-, Jugend- und Gesundheitshilfe, 42. Jg., Nr. 1/2011, S ) Vgl. Struck, N.: Skizze zu einer Neutarierung des Verhältnisses von Bund, Ländern und Kommunen zur Gewinnung von Gestaltungsspielräumen und Finanzierungswegen für Erziehung, Bildung und Betreuung, in: Forum Jugendhilfe, Nr. 2/2011, S ) Vgl. Göppert, V.: Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets für bedürftige Kinder, in: Forum Jugendhilfe, Nr. 2/2011, S Dr. Beate Finis Siegler, Dipl. Volkswirtin, Professorin für Ökonomie und Sozialpolitik an der Fachhochschule Frankfurt am Main, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. 484

27 Oktober 2012 NDV schlossen werden. Eine Anpassung der Quoten an die tatsächlichen Aufwendungen ist spätestens ab 2014 vorgesehen, weil bis dahin empirisch belastbares Material zur Leistungsinanspruchnahme vorliegen wird. Der Bund verbindet mit der Ressourcenvergabe die Erwartung, dass das Geld in den Kommunen auch für die Umsetzung der Verbesserung von Bildungs- und Teilhabechancen ausgegeben wird und nicht zur Konsolidierung des kommunalen Haushalts. Viele Kommunen haben erhebliche Haushaltsdefizite und könnten versucht sein, bisher freiwillig erbrachte Leistungen nun zurückzufahren. Es käme zu reinen Mitnahmeeffekten. Auch die Eigeninteressen der Länder könnten sich als Hindernis auf dem Weg einer wirksamen Umsetzung des Pakets erweisen. So gibt es unterschiedliche Interessenlagen, wie mit den nicht verwendungszweckgebundenen 400 Mio. verfahren werden soll, die für Sozialarbeiter in Schulen und Mittagessen im Hort, aber auch für Anderes ausgegeben werden können. Im föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland offenbart sich folglich ein Steuerungsproblem: Träger entsprechender Maßnahmen (ökologische Interventionsformen B.F.S.) sind in der Regel nicht der Zentralstaat, sondern Länder und Kommunen, häufig allerdings im Rahmen zentralstaatlicher Gesetze. In diesem Bereich ist die Implementationsstruktur in der Regel besonders komplex und spannungsreich, da sich sehr unterschiedliche Interessen an die Verteilungsentscheidungen und die damit verbundenen Mittelzuweisungen heften können und die lokalen Umstände für den Entscheidungsprozeß von großer Bedeutung sind. 4 Ganz in diesem Sinne können auch die Einlassungen von Walter zum Teilhabepaket aus kommunaler Sicht verstanden werden, der befürchtet, dass zahlreiche Details der praktischen Umsetzung der Ergebnisse des komplizierten Kompromisshandels vor Ort noch einiges an Schwierigkeiten mit sich bringen werden, die wahrscheinlich auch nicht immer die schnell formulierte unbürokratische Umsetzung schon in sich tragen. 5 Das Steuerungsproblem betrifft zwei Bereiche: die Steuerung der finanziellen Ressourcen und die Steuerung der finanzierten Leistungen. Welche beabsichtigten und unbeabsichtigten Wirkungen werden mit der Finanzierung des Bundes auf den verschiedenen Ebenen erreicht? Dienen die Ressourcen zur Finanzierung neuer Leistungen, sind es reine Mitnahmeeffekte, werden die Ressourcen zur Konsolidierung der Haushalte eingesetzt? Wie hoch ist der Anteil der finanziellen Ressourcen für die Administrierung des Gesetzes/des Verwaltungsaufwandes? In welcher Quantität und Qualität werden welche der in Betracht kommenden Leistungen von wem erbracht? Hier spielen die Leistungsanbieter und deren Eigeninteressen eine wichtige Rolle. Die Leistungsanbieter können nach dem Willen des Gesetzgebers über zwei Wege an der Erbringung der Leistungen beteiligt werden: über das Gutscheinmodell und über Direktzahlungen an die Anbieter. Beide Verfahren der Ressourcensteuerung sind auf ihre Implikationen hin zu untersuchen. Es kann aber nicht nur darum gehen, die Ressourcen (Input) und die Leistungen (Output) in Beziehung zu setzen, sondern es muss auch danach gefragt werden, ob die Leistungen ihrerseits auch die beabsichtigten Wirkungen erzeugen. Im Verständnis eines sozialwissenschaftlichen Wirkungsmodells sind diese einmal subjektiv am Leistungsempfänger als Impact zu erforschen und als mittelbare gesellschaftliche Wirkung als Outcome. 6 Werden sich durch das Bildungspaket die Teilhabechancen verbessern und zwar in den verschiedenen Landesteilen vergleichbar oder ist eher nicht damit zu rechnen? Letzteres vermuten Keller und Wiesner (2011) in ihrem Beitrag zu den Umsetzungschancen und -hindernissen des Bildungspakets im ländlichen Raum. Sie vermuten, dass sich bundesweit keine einheitlichen Modelle und Standards in der Umsetzung des Bildungspaketes entwickeln werden Informationsasymmetrien im Gewährleistungsstaat Die bereits mehrfach erwähnten Informationsasymmetrien werfen im Gewährleistungsstaat zwei Arten von Steuerungsproblemen auf: Erfassung des tatsächlichen Bedarfs einer Zielgruppe und die Kontrolle der institutionellen Akteure. Vor diesem Problem steht sowohl der Gesetzgeber mit dem Bildungs- und Teilhabepaket als auch die staatliche Verwaltung. Die Bedarfsbestimmung sollte nicht ohne Kenntnis der Bedürfnisse der Zielgruppe erfolgen. Das nötige Wissen um die tatsächlichen Bedürfnisse fehlt aber häufig. In vielen Fällen genügt es der Verwaltung zu wissen, dass Leistungen von einer Vielzahl von Menschen nachgefragt werden und diese mit der Leistungserbringung zufrieden sind. Ob damit Wirkungen im Sinne des Gesetzgebers respektive der Bürgerinnen und Bürger erzielt werden oder gar Lebenslagen Betroffener nachhaltig verbessert werden, bleibt meist im Dunkeln. 8 Die fehlende Beteiligung der Zielgruppen des Bildungs- und Teilhabepakets an dessen konkreter Ausgestaltung wird denn auch von der Hartz IV-Plattform in einer Presseerklärung kritisch gesehen. Es wird eher für die Betroffenen gehandelt, aber nicht mit und durch sie. Das Problem wird potenziert durch die fehlende Kontrolle beim Vollzug. 4) Kaufmann, F. X.: Konzept und Formen sozialer Intervention, in: Albrecht, G./Groenemeyer, A./Stallberg, F. W. (Hrsg.): Handbuch Soziale Probleme. Opladen u.a. 1999, S ) Walter, T.: Das Bildungs- und Teilhabepaket aus kommunaler Perspektive, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Vierteljahresheft zur Förderung von Sozial-, Jugend- und Gesundheitshilfe, 42. Jg., Nr. 1/2011, S ) Vgl. Kettinger, D./Schwander, M.: Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit Möglichkeiten und Grenzen, in: Fritze, A./Maelicke, B./Uebelhart, B. (Hrsg.): Management und Systementwicklung in der Sozialen Arbeit. Baden-Baden 2011, S ) Keller, U./Wiesner, A.: Grundsicherung für Arbeitssuchende und Bildungspaket für Kinder welche Umsetzungschancen und -hindernisse gibt es im ländlichen Raum?, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Vierteljahresheft zur Förderung von Sozial-, Jugend- und Gesundheitshilfe, 42. Jg., Nr. 1/2011, S ) Uebelhart, B. (2011): Das Social-Impact-Modell (SIM) vom sozialen Problem zur Wirkung. In: Fritze, A./Maelicke, B./Uebelhart, B. (Hrsg.): Management und Systementwicklung in der Sozialen Arbeit, Baden-Baden: Nomos, S

28 NDV Oktober 2012 Da der Gesetzgeber Bund die Leistungen nicht selbst erstellt, kann er weder die Qualität noch die Angemessenheit der Leistungen beurteilen. Dies gilt auch für die Kommunen, die mit der Umsetzung zwar betraut sind, in der Regel die Leistungen für Bildung und Teilhabe aber nicht selbst erstellen. Auch die Eltern sind mit Informationsasymmetrien konfrontiert; denn es sind ja ihre Kinder, die die Leistungen nutzen. Im Umgang mit den Informationsasymmetrien kommen verschiedene Instrumente zur Kontrolle der institutionellen Akteure zum Einsatz. Mit der Dokumentationspflicht und Rechnungslegung durch die Kommunen versucht der Bund über die Länder Kontrolle auszuüben, die Kommunen ihrerseits versuchen die Leistungsanbieter über den Abschluss von Leistungs-, Qualitäts- und Entgeltvereinbarungen zu kontrollieren. Eltern sollen davon ausgehen können, dass nur solche Anbieter zugelassen werden, deren Leistungen kommunal geprüft wurden. Die Kinder und Jugendlichen als die eigentliche Zielgruppe können aber das Nachsehen haben, wenn ihre Eltern nicht ausreichend informiert sind und die Leistungen wegen fehlender Beantragung erst gar nicht nachgefragt und von den Kindern und Jugendlichen folglich auch nicht genutzt werden können. Trotz gesetzlich verankertem Hinwirkungsgebot kämen die Leistungen in diesen Fällen gar nicht bei der Zielgruppe an. 5. Steuerungsprobleme im Kontext von Prinzipal-Agentur-Ketten Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, beinhalten die Prinzipal-Agentur-Ketten im Bildungs- und Teilhabepaket Steuerungsprobleme sowohl bezogen auf die Gewährleistung des Angebots in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch auf die tatsächliche Inanspruchnahme. Schnittstellenprobleme zwischen und auf verschiedenen Ebenen und die Konstellation nicht-schlüssiger Tauschbeziehungen erschweren eine wirtschaftliche und wirksame Leistungserstellung, die im Ergebnis zu einer Verbesserung der Bildungs- und Teilhabechancen der Zielgruppen führen soll. Aber auch der gewählte Finanzierungsmechanimus selbst personalisierte Gutscheine oder Direktzahlungen ist kostenintensiv und könnte zu einem Missverhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und eigentlicher Leistung und damit zur Verschwendung von Ressourcen führen. 5.1 Schnittstellen zwischen und auf verschiedenen Ebenen Steuerungsprobleme gibt es auf verschiedenen Ebenen. Eine Herausforderung ist die Steuerung im Kontext des föderalen Staatsaufbaus. Stichworte sind hier Kooperationsverbot und die Finanzierung kommunaler Aufgaben mit Bundesmitteln. 9 Ein weiteres Steuerungsproblem entsteht im bürokratischen System selbst zwischen Bundesagentur für Arbeit und kommunalen Trägern resp. Jobcenter, Kommune und Sozialamt. Auf der Umsetzungsebene entstehen hier neue Schnittstellen mit dem Erfordernis von Aufgaben-, Verantwortungs- und Entscheidungskompetenz- sowie Informationsklärung. Ein weiteres Steuerungsproblem entsteht an der Schnittstelle des bürokratischen Systems mit der Lebenswelt und Lebenslage der anspruchsberechtigten Kinder und Jugendlichen und deren Eltern: Nutzermobilisierung durch Hinwirkungsgebot einerseits und Vermeidung von Doppelbezug andererseits. Auf der Leistungsseite resultiert das Steuerungsproblem einerseits aus den Zugangsregeln zum Kreis potenzieller Leistungsanbieter und aus der Kontrolle von deren Partikularinteressen und andererseits aus der Subjektsubventionierung durch personalisierte Gutscheine. Die nicht schlüssigen Tauschbeziehungen können zu quantitativen und qualitativen Fehlsteuerungen führen. 5.2 Steuerungsprobleme durch nicht-schlüssige Tauschbeziehungen Nicht-schlüssige Tauschbeziehungen sind durch Dreiecksbeziehungen gekennzeichnet, die nicht symmetrisch gestaltet sind und bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass die divergierenden Nutzenvorstellungen zum Ausgleich kommen, eher gering ist. Folge davon können Unter-, Überoder Fehlversorgung sein Ressourcensteuerung über personalisierte Gutscheine Bei einer Ressourcensteuerung mittels personalisierter Gutscheine wurde bewusst auf die Objektsubventionierung verzichtet, bei der Einrichtungen auch unabhängig von ihrer Auslastung finanziert werden und bei der die Ausgestaltungsautonomie beim Leistungsanbieter liegt. Personalisierte Gutscheine sind zweckgebundene Transfers mit positiven externen Effekten. Die Einlösung des individuellen Rechtsanspruchs über personalisierte Gutscheine erhöht die Wahlmöglichkeit für den Nutzer und steigert das Erfordernis für den Anbieter, attraktiver zu sein als der Mitbewerber. Die Wahl könnte für den Nutzer allerdings auf den Kreis von Leistungsanbietern eingeschränkt sein, die mit dem Kostenträger eine entsprechende Vereinbarung haben bzw. die ihrerseits bereit sind, Gutscheine anzunehmen. Das Risiko der Einlösung der Gutscheine trägt letztlich der Leistungsberechtigte 10, denn es gibt keine Pflicht des Leistungsanbieters, Gutscheine ohne Deckungszusage zu akzeptieren. Im Dreiecksverhältnis zwischen Kostenträger, Leistungsanbieter und Nutzer hat sich das Machtgefüge dennoch etwas zulasten der Anbieter und zugunsten der Nutzer verschoben, die meritorisierende Absicht des Gesetzgebers führt im Gutscheinsystem aber immer auch zu einer Einschränkung der Wahlmöglichkeiten der Nutzer ganz im Sinne eines güteraltruistischen Verhaltens. Die Zielgruppe soll die Güter und Leistungen in Anspruch nehmen, die aus Sicht des Staates für die Zielgruppe nützlich sind und nicht so sehr aus deren eigener Sicht, und sie sollen möglichst zwischen denjenigen Anbietern auswählen, die mit dem 9) Vgl. Sell, S.: Bürokratie 2 oder: Die Schildbürgerstreichhaftigkeit des Bildungspakets im Rahmen der Hartz IV-Reform, in: Remagener Beiträge zur Sozialpolitik, Nr. 11/2011, S ) Brühl, A. /Hofmann, A.(2012): Das Bildungs- und Teilhabepaket für junge Menschen. Leitfaden für Betroffene, Berater und Behördenmitarbeiter, Freiburg i. Br.: Lambertus, S

29 Oktober 2012 NDV Quelle: Eigene Darstellung kommunalen Träger vorab eine Rahmenvereinbarung getroffen haben bzw. als anerkannt gelten. Dadurch reduziert sich der Gestaltungsspielraum durch den Nutzer. Mit dem Gutschein behält sich der Leistungsträger vor, zu bestimmen, wofür die öffentlichen Mittel eingesetzt werden. Der Leistungsberechtigte hat die Möglichkeit zu bestimmen, von welchem Leistungserbringer er die Leistung bezieht. 11 Die aus den verschiedenen Interventionsformen des Bildungs- und Teilhabepakets resultierenden Formen der Ressourcensteuerung zeigt die Abbildung 2. Bereits mit der Ausgabe der Gutscheine gilt der Bedarf als gedeckt. Die Leistungsträger haben keinen Sicherungsauftrag für die Bereitstellung hinreichender Leistungsangebote. Der kommunale Träger hat aber dafür zu sorgen, dass die Realisierung des Bedarfs durch den Berechtigten überhaupt möglich ist. Sie haben in diesem Sinne eine Gewährleistungspflicht. Mit dem Gutschein ist eine Kostenzusage bzw. ein Zahlungsversprechen verbunden und die Zusicherung, das beantragte Angebot auch in Anspruch nehmen zu können. Maßgebend für die Kostenübernahme via Gutschein ist die Inanspruchnahme der Leistung während der Geltungsdauer des Gutscheins. 12 Bei der Beantragung nach 28 SGB II geht es in der Regel um bestimmte Leistungen bei einem bestimmten Anbieter. Möchte der Berechtigte den Anbieter wechseln, geht das nur über eine erneute Beantragung Ressourcensteuerung über Direktzahlungen Die Alternative zum personalisierten Gutschein ist die Direktzahlung. Auch in diesem Fall entsteht ein Dreiecksverhältnis. Vertragspartner sind der Leistungsanbieter und das Kind oder der Jugendliche bzw. deren Sorgeberechtigte. Dieser Vertrag wird dem Jobcenter zum Nachweis der Aufwendungen vorgelegt. Nach positiver Prüfung wird die vertraglich vereinbarte Summe an den Anbieter überwiesen. Für den Anspruchsberechtigten ist der Bewilligungsbescheid die Kostenzusage. Zwischen Anbieter und Jobcenter gibt es aber keine vertragliche Beziehung, die einen eigenen Vergütungs- und Abrechnungsanspruch gegenüber dem kommunalen Träger beinhalten würde. Insoweit unterscheiden sich die Dreiecksverhältnisse beim Bildungsund Teilhabepaket sowohl bei Direktzahlungen als auch im 11) Vgl. Titz, K.: Gutscheinsysteme im Sozialbereich ein Instrument für viele Zwecke?, in: NDV 2011, S ) Arbeitslosenprojekt TuWas (2011) ( Hrsg.): Leitfaden zum Arbeitslosengeld II Der Rechtsratgeber zum SGB II, Frankfurt am Main: Fachhhochschulverlag. 13) Vgl. Arbeitslosenprojekt TuWas 2011, S

30 NDV Oktober 2012 Gutscheinsystem vom klassischen sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis. 6. Steuerungswirkungen des Bildungs- und Teilhabepakets Für die Beurteilung der Steuerungswirkungen des Bildungs- und Teilhabepakets sind verschiedene Dimensionen zu berücksichtigen. In der Dimension Zeit sind kurzund langfristige Wirkungen zu differenzieren, aber auch time lags zu berücksichtigen. Bei der Analyse von Maßnahmen ist außerdem in Rechnung zu stellen, dass es nicht nur beabsichtigte Wirkungen gibt, sondern auch unbeabsichtigte, die sich auf die Zielerreichung positiv, negativ oder neutral auswirken können. Der Erfolg des Bildungs- und Teilhabepakets lässt sich quantitativ dimensionieren und qualitativ beschreiben. Da die Definition des Erfolges je nach Partikularinteresse der Akteure unterschiedlich ausfallen kann, ist es wahrscheinlich, dass es für die Beurteilung keinen Gesamtindikator gibt. Es wird also auf den unterschiedlichen Ebenen zu analysieren sein, welche Kosten und Nutzen direkter und indirekter Art mit dem Bildungs- und Teilhabepaket erzeugt werden. Ein wichtiger Schritt, um die Umsetzung des Bildungsund Teilhabepakets zu steuern, liegt nun darin, Bewertungskriterien und Indikatoren auf den Ebenen Input, Output, Ergebnis und Wirkung zu benennen, die Aufschluss über die Organisation, den Verlauf der Umsetzung und die Zielerreichung (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) geben Kurzfristig langfristig Ein zeitlicher Engpass für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets ist auf die langwierigen Verhandlungen im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat zurückzuführen. Mit der Verabschiedung des Pakets trat auch sogleich die Umsetzung in Kraft, ohne die notwendigen Teilschritte rechtlich und organisatorisch auf den nachgelagerten Ebenen eindeutig geregelt zu haben. Die nur schleppend in Gang gekommene Inanspruchnahme des Paktes war eine kurzfristige Folge. Auch die beiden runden Tische konnten daran nur wenig ändern. Nach wie vor gibt es bei der Umsetzung viele offenen Fragen, an deren Lösung u.a. eine Arbeitsgruppe auf Bund- Länder-Ebene arbeitet. Mit Blick auf die Steuerungswirkungen sind die time lags weniger bedeutsam, weil sie ein Übergangsphänomen darstellen. Die neuesten Zahlen zur Inanspruchnahme zeigen, dass das Bildungs- und Teilhabepaket mittlerweile bei der Zielgruppe bekannter geworden ist und verstärkt Leistungen beantragt werden. Kurzfristige Wirkungen lassen sich auf der Output-Dimension ermitteln. Es kann festgestellt werden, wer welche Leistungen anbietet, in welcher Höhe Ressourcen hierfür eingesetzt werden und wie viele Leistungen auch abgerufen werden. Ob sich mit den Leistungen auch tatsächlich die Teilhabechancen der Zielgruppe verbessert haben, kann hingegen nur langfristig festgestellt werden. 6.2 Beabsichtigt unbeabsichtigt Eine zweifellos unbeabsichtigte Folge des Bildungs- und Teilhabepakets wären reine Mitnahme- und Preiseffekte. Beides ist aufgrund des Selbstreproduktionsinteresses der institutionellen Akteure nicht auszuschließen. Bei den Mitnahmeeffekten handelt es sich um eine reine Substitution der Finanzierung bisheriger kommunaler Leistungen. Die bislang freiwillig aus kommunalen Mitteln oder anderen Fördertöpfen finanzierten Leistungen werden jetzt mit den Bundesmitteln nach 46 SGB II finanziert. Die vom Bund zur Verfügung gestellten Ressourcen kommen den Zielgruppen also nicht zusätzlich zugute, sondern entlasten die kommunalen Haushalte, was angesichts der angespannten Haushaltslage vieler Kommunen durchaus nachvollziehbar ist und auch bereits angekündigt wurde. Eine weitere unbeabsichtigte Folge könnte der Aufbau zusätzlicher statt Abbau vorhandener Bürokratie durch die Verlagerung der Verantwortung für das Paket von den Jobcentern zur Kommune sein. Damit steigen die Verwaltungskosten noch mehr und es wird schwieriger, Doppelbezüge zu kontrollieren. Aber auch im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements und ehrenamtlicher Arbeit könnten unbeabsichtigte Wirkungen ausgelöst werden. Dies wäre dann der Fall, wenn die den Kindern und Jugendlichen bislang kostenfrei zur Verfügung gestellten Mitmachmöglichkeiten bei Vereinen etc. nun als Teilhabeleistungen über die Annahme und das Einlösen von Gutscheinen mit der Kommune abgerechnet werden. Maximal könnte es sich um 120 pro Kind pro Jahr handeln. Eine andere unbeabsichtigte Wirkung könnte sein, dass die Leistungen von der Zielgruppe nicht in dem Umfang abgerufen werden wie beabsichtigt. Gründe können sein das Gefühl von Diskriminierung durch die Gutscheinlösung, die mangelnde Beteiligung Betroffener am Gesamtkonzept, ein Meritorisierungskonzept, das auf der Nano- Ebene nicht funktioniert. 6.3 Quantitativ qualitativ Die Ressourcen sollen so eingesetzt werden, dass sich die Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus einkommensschwachen Familien verbessern. Dazu müssen Leistungen in einer ausreichenden Menge und Qualität angeboten werden. Sie müssen von den Berechtigten auch abgerufen werden, die sie als für sie nützlich einschätzen können müssen. Das Nutzen der Leistungen muss auf längere Sicht bewirken, dass sich die Bildungs- und Teilhabechancen tatsächlich verbessern. Der Bund erwartet, dass die Kommunen das Paket in Zusammenarbeit mit den Ländern erfolgreich umsetzen, und finanziert die Leistungen über eine erhöhte Beteiligung an den KdU ( 46 Abs. 5 und 6 SGB II). Erfolg definiert sich jedoch je nach Perspektive unterschiedlich. 14) Ruschmeier, R./Staats, M.: Das Bildungs- und Teilhabepaket: Erste Erfahrungen und Wege zu einer besseren Umsetzung, in: Zeitschrift für das Fürsorgewesen, Nr. 9/2011, S

31 Oktober 2012 NDV Erfolg kann sein, wenn mindestens X % der Berechtigten die Leistung abrufen (Output). Davon zu unterscheiden ist die subjektive Wirkung bei den Leistungsempfängern, die die Leistung als für sie nützlich wahrnehmen (Impact). Erfolg läge dann vor, wenn mind. X % der Leistungsnehmer mit der Leistung zufrieden wären. Beim Erfolg handelt es sich aber auch um die objektive Wirkung, dass sich, gesellschaftlich betrachtet, die Chancen der Zielgruppe tatsächlich verbessert haben (Outcome). 6.4 Kosten-Nutzen-Relationen Bei einer Kosten-Nutzen-Betrachtung muss es deshalb darum gehen, das Bildungs- und Teilhabepaket daraufhin zu befragen, welche direkten und indirekten Kosten und Nutzen bei welchen Akteursgruppen entstehen. Die vorgenannten Erfolgsfaktoren beziehen sich auf die Wirksamkeit der gesetzlichen Regelungen. Neben der Wirksamkeit der Maßnahmen kommt die Wirtschaftlichkeit als weitere Komponente hinzu. 46 Abs. 8 Satz 5 SGB II regelt, dass die Länder gewährleisten, dass die Ausgaben der kommunalen Träger begründet und belegt sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. Hier wäre das Verhältnis von Zweckausgaben und Verwaltungskosten zu untersuchen. Aber auch für die in Betracht kommenden Leistungsanbieter stellt sich auf der Mikro-Ebene die Frage, ob sich für sie die Beteiligung an der Umsetzung des Pakets aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands lohnt. Für die Zielgruppe erfolgt eine Abwägung der vermuteten Nutzen durch die Inanspruchnahme mit den aufzuwendenden Kosten in Form von Überwindung von Zugangsbarrieren wie Diskriminierungsängsten und Zugänglichkeit der Angebote. Fazit Mittlerweile liegen erste Erfahrungen mit der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets vor, die bestätigen, dass das Bildungs- und Teilhabepaket zwar gut gemeint ist, aber nicht gut genug gemacht. Aus steuerungstheoretischer Sicht kann dieses Ergebnis nicht überraschen. Vorankündigung Soziale Dienste in Europa zwischen Kooperation und Konkurrenz Deutsche und englische NPOs als Governance-Akteure Von Christoph Golbeck 2012, 256 Seiten, kart., 25,90, für Mitglieder des Deutschen Vereins 19,80 ISBN Nonprofit-Organisationen (NPOs) werden im europäischen Mehrebenensystem zunehmend in die Erbringung sozialer Dienste und die Politikgestaltung einbezogen. Steigert dies die Effektivität und Effizienz europäischen Regierens? Wie betrachten die NPOs selbst ihre Rolle als Governance-Akteure? Und welchen Einfluss hat die Ökonomisierung auf ihr Selbstverständnis? Die Studie untersucht deutsche und englische NPOs im Vergleich. Sie gibt empirisch fundiert Auskunft über ihre aktuelle Entwicklungen und Handlungsspielräume im europäischen Integrationsprozess und analysiert ihre Bedeutung als Governance-Akteure. Bestellungen in unserem Online-Buchshop: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. Michaelkirchstraße 17/18, Berlin 489

32 NDV Oktober 2012 ABHANDLUNGEN Frank Früchtel und Wolfgang Hinte Betroffene sind Experten wie der Fami lienrat Sozialraumorientierung umsetzt und was der ASD davon hat 1. Einleitung 1989 beschloss das neuseeländische Parlament ein fundamental verändertes Jugendhilfegesetz. Der Name Children, Young Persons, and Their Families Act 1 besagte schon, dass nicht mehr das Hilfesystem im Zentrum stehen sollte, sondern die Betroffenen. In vielen Aspekten ähnelt dieses Gesetz dem deutschen Kinder- und Jugendhilfegesetz, das ja fast zeitgleich entstand. An zwei Stellen gibt es aber signifikante Unterschiede. Kernstück des deutschen Gesetzes sind weit aufgefächerte Leistungsrechte. Für die Paragrafen, die bestimmte Hilfeformen als Frank Früchtel subjektive Rechtsansprüche kodifizieren (z.b. SGB VIII 19, 28 bis 34) oder den Personenkreis der Anspruchsberechtigten diagnostisch differenzieren (z.b. SGB VIII 20, 27, 35 a, 41), gibt es im neuseeländischen Recht nur relativ allgemeine Entsprechungen. Dafür sind dort die Bestimmungen zur Hilfeplanung viel genauer ausgearbeitet. Gewollt war, nicht nur Kindern und deren Eltern in schwierigen Situationen zu helfen, sondern deren private Netzwerke (Verwandtschaft, Freunde, Nachbarn etc.) und ihren sozialen Raum (Vereine, Kirchengemeinden, Stadteilinitiativen, Selbsthilfegruppen etc.) bei den Hilfen zur Erziehung und beim Kinderschutz (if a young person is in need of care and protection) mitwirkungsberechtigt zu machen. In der Konsequenz dieser unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen hat sich in Deutschland ein System mit vielen hochwertigen professionellen (Spezial-)Leistungsformen entwickelt, während in Neuseeland ein immens weitgehendes Verfahren der Beteiligung von Bürger/ innen an Hilfeplanung und -erbringung entstand: das Family Group Conferencing (dt. Familienrat, Familiengruppenkonferenz, Verwandtschaftsrat 2 ). Im folgenden Beitrag wird untersucht, welche Potenziale im Familienrat für das durch die Sozialraumorientierung inspirierte deutsche Jugendhilfesystem stecken, wie sich dadurch die Arbeit im Jugendamt, insbesondere im ASD, verändern würde und wie das Verfahren für das hiesige System adaptiert werden könnte. 2. Kurze Erklärung des Familienrates Der Beginn des Familienrates ist wie bei der normalen ASD-Arbeit eine Meldung, der die zustände Fachkraft ermittelnd nachgeht. Stellt sie einen grundsätzlichen Hilfebedarf fest oder sehen die Betroffenen selbst einen, beauftragt sie eine von Ju- Wolfgang Hinte gendamt und Hilfesystem unabhängige Koordination, deren Aufgabe es ist, den Kreis zu erweitern, indem so viele Beteiligte wie möglich für den Familienrat gewonnen werden. Es gilt: Je mehr Leute aus der Lebenswelt mitwirken, umso besser, weil dann die Situation facettenreich besprochen werden kann, weil die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass Kinderschutzfragen oder andere brisante Themen unter den Teppich gekehrt werden, weil bei den Teilnehmer/innen tätige Aufmerk- 1) Children, Young Persons, and Their Families Act, in: 2) S. Früchtel, F.: Die Moral des Verfahrens: Family Group Conferences als Alternative zum Hilfeplangespräch, in: Forum Erziehungshilfen 8(2)/2002, S ; Früchtel, F./ Budde, W./Cyprian, G.: Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook: Methoden und Techniken, Wiesbaden 2007; Hansbauer, P./Hensen, G./Müller, K./Spiegel, H. von: Familiengruppenkonferenz. Eine Einführung, Weinheim und München Dr. Frank Früchtel ist Professor am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Potsdam; Prof. Dr. Wolfgang Hinte ist geschäftsführender Leiter des Instituts für Stadtteilentwicklung, sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISSAB) der Universität Duisburg-Essen. 490

33 Oktober 2012 NDV samkeit für das Wohl eines jungen Menschen erzeugt wird und weil neue Kontakte zwischen oft isolierten Menschen entstehen. Daneben lädt die Koordination auch diejenigen Fachkräfte ein, die ihr oder der ASD-Fachkraft wichtig erscheinen für die Erklärung der Situation aus Fachkräftesicht zu Beginn des Familienrats. Nachdem die Professionellen ihre Sorge deutlich gemacht und alle wesentlichen allgemeinen Informationen zur Situation aus fachlicher Sicht gegeben haben, verhalten sie sich lösungsabstinent und verlassen die Szene, um der versammelten Familiengruppe den Raum zum eigenständigen Planen zu lassen. Gemeinsam entwickeln dann Verwandte, Nachbarn und Freunde Ideen, diskutieren Hilfemöglichkeiten und machen schließlich ihren eigenen Plan. Die Teilnehmer/innen überlegen naturgemäß zuerst, was sie selbst tun und beisteuern können. So kommen Stärken des Netzwerks zum Tragen und zwischen dem großen Kreis der Beteiligten entstehen neue Verbindungen und Kooperationen. Das Gelingen eines Familienrats ist nicht unwesentlich von der Haltung der ASD-Fachkraft, vom Organisationsgeschick der Koordination und von der Ausgestaltung als Heimspiel für die Familie 3 was Ort, Mitwirkende, Verhandlungskultur, Essen und Sprache betrifft abhängig. 3. Sozialraumorientierung und Familienrat Die Grundphilosophie des Familienrats ist identisch mit dem in Deutschland in der Tradition der GWA entwickelten Fachkonzept der Sozialraumorientierung. 4 Das beginnt bei dem in der Gemeinwesenarbeit immer wieder betonten Glauben an die Fähigkeit der Betroffenen, in einem entsprechenden Kontext die für sie richtige Lösung zu finden; das geht über die zahlreichen Anregungen zum Einbezug sozialräumlicher Ressourcen bei der Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und Familien, über die Betonung der Bedeutung von Netzwerken und Kooperationen bis hin zu einem bisweilen radikalen Partizipationsverständnis, bei dem die Deutungshoheit in den für Unterstützungsprozesse entscheidenden Momenten des Aufeinandertreffens von Bürokratie und Lebenswelt konsequent bei den Betroffenen verbleibt ( Heimspiele ). Somit wird Beteiligung nicht zu einer bürokratieseits gewährten Qualität, sondern schlichtweg als Tatbestand gesehen wird, der besagt, dass die Betroffenen ohnehin an allen Stadien des Prozesses beteiligt sind, die Arrangements in einer Art und Weise gestaltet werden müssen, dass diese Beteiligung folgenreich und machtvoll ist. Überhaupt folgt der Familienrat einer wesentlichen Programm-Formel aus der Sozialraumorientierung: Arrangements gestalten statt erziehen 5 wird hier geradezu in Reinform praktiziert. Dass Sozialraumorientierung mittlerweile in zahlreichen deutschen Jugendämtern (nun ja, gelegentlich etwas verwässert) als State of the Art gilt, 6 lässt annehmen, dass zentrale Grundhaltungen dieses Konzepts zumindest programmatisch von den wesentlichen Akteuren im Jugendamt geteilt werden und somit ein guter Boden besteht, um den Familienrat als Verfahren im Jugendamt zu integrieren. Doch die aktuelle Situation im ASD macht es trotz positiver Evaluationen des Familienrats 7 schwer, Hilfeplanung auf Familienrat oder zumindest auf familienratsähnliches netzwerkmobilisierendes Arbeiten umzustellen. 8 Gerade weil der Familienrat im Sinne der Sozialraumorientierung Fallbearbeitung konsequent auf eine Netzwerkperspektive erweitert und die Betroffenen ihren Hilfeprozess maßgeblich selbst gestalten, hat er es mit demselben Gegenwind wie die Sozialraumorientierung zu tun, wenn es darum geht, eine für Adressaten und Gemeinwesen zweckdienliche Fachlichkeit zu etablieren. 4. Die aktuelle Situation im ASD Der ASD als gestaltende Instanz im sozialen Raum im Sinne der in den 1980er-/1990er-Jahren entwickelten Konzepte 9 ist weiterhin eine im Kern richtige Idee, die sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen immer wieder als wenig realistisch erwiesen hat: 1. Dominanz des Kinderschutzes Insbesondere angesichts medialen Drucks und der dadurch initiierten Aktivität der Politik dominiert quantitativ wie auch in den Köpfen der ASD-Beschäftigten der Kinderschutz Personalstand Der ASD ist zwar nicht die Spardose der kommunalen Jugendhilfe, leidet jedoch in unterschiedlichem Ausmaß immer wieder an Personalknappheit, die dadurch entsteht, dass es angesichts einer je nach kommunaler Situation definierbaren Bandbreite von Aufgaben nicht auf den ersten Blick sonderlich auffällt, wenn frei werdende Stellen nicht sofort besetzt werden, Schwangerschaftsvertretungen grundsätzlich nicht statthaft sind, Nachbesetzungen nur aus Personalpools möglich sind (dem Jugendalter entwachsene Mitarbeiter/innen aus der offenen Jugendarbeit, die für die letzten zehn Berufsjahre eher hinter der Front arbeiten wollen) oder Fallzahl bzw. Aufgabenspektrum bei gleich bleibendem Personalstand schlichtweg erhöht wird. 3. Programmierung auf den Einzelfall Die durch institutionelle und rechtliche Rahmen vorgegebene Fall-Orientierung führt dazu, dass trotz Lebenswelt- 3) Hinte, W.: Jugendämter auf dem Prüfstand, in: Der Amtsvormund, 70/1997, S. 724; Früchtel/Budde/Cyprian (Fußn. 1), S ) S. dazu Hinte, W.: Das Fachkonzept Sozialraumorientierung, in: Hinte, W./Treeß, H.: Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ-integrativen Pädagogik, Weinheim und München, 2. Aufl. 2011, S. 29 ff., und Budde, W./Früchtel, F./Hinte, W. (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Wege zu einer veränderten Praxis, Weinheim und München ) Hinte, W.: Arrangements gestalten statt erziehen, in: Kluschatzka, R./ Wieland, S. (Hrsg.): Sozialraumorientierung im ländlichen Kontext, Wiesbaden 2009, S ) S. dazu Budde/Früchtel/Hinte (Fußn. 3); Gissel-Palkovich, I.: Lehrbuch Allgemeiner Sozialer Dienst ASD, Weinheim/München 2011; Hinte, W.: Das Fachkonzept Sozialraumorientierung als Grundlage für den Umbau der Jugendhilfe, in: Jugendhilfe, 40, 4/2011, S ) Vgl. Früchtel, F./Brycki, G./Hampe-Grosser, A./Hunsche, G./Jung, M./Litta, R./Plewa, M./Rogge, C./Schober, J.: Wirkung durch Selbsthilfe. Evaluationsstudie zum Familienrat der Berliner Jugendämter Mitte, Treptow-Köpenick und Steglitz-Zehlendorf sowie der Jugendhilfeträger DASI, Compass, Sozialarbeit & Segeln und JaKuS, in: Das Jugendamt 10/2010, S ) Vgl. Hansbauer u.a. (Fußn. 1), S. 211 ff. 9) Institut für Soziale Arbeit (Hrsg.): ASD: Beiträge zur Standortbestimmung, Münster ) Vgl. Hinte, Wolfgang: Integration statt sektoraler Spezialisierung für mehr Dominanz der Sozialarbeit gegenüber der Ökonomie, in: Theorie und Praxis für Soziale Arbeit, 41, 6/2011, S

34 NDV Oktober 2012 orientierung und Sozialraumbezug letztlich die korrekte Bearbeitung des Einzelfalls aktenmäßig dokumentiert und bei Bedarf gerichtsfest brutal im Vordergrund steht. Sämtliche Innovationsdebatten aus den letzten 20 Jahren ( vom Fall zum Feld, Gestaltung statt Verwaltung usw.) wurden verwässert durch die Dominanz bürokratischer Vorgaben, die letztlich ein flexibles Anschmiegen an die Lebenswelt verhindern: Es braucht schlichtweg eine leistungsgesetzliche Grundlage, um tätig zu werden, und angesichts kommunaler Sparzwänge (aber vielleicht auch professioneller Bequemlichkeit) geht der Handlungsimpuls häufig entweder aus vom Druck durch den Kinderschutz oder durch einen leistungsgesetzlichen Anspruch (Pflichtleistung), der immer nur für eine einzelne Person bzw. Familie gilt. 4. Falldurchlauf Der ASD als institutionelle Instanz ist in keinem Gesetz verankert, und seine Leistungen sind in gewisser Weise beliebig ableitbar aus einzelnen Paragrafen im SGB VIII. Der ASD ist letztlich eine Durchlaufinstanz, die im Wesentlichen vermittelt und dazu da ist, Ansprüche zu prüfen und ggfs. eine Pflichtleistung zu attestieren und eine Hilfe zu rahmen, die dann in den meisten Fällen von anderen Instanzen (häufig freie Träger) durchgeführt wird. Die mentale Ausrichtung des Personals ist dementsprechend orientiert an Diagnose, Gewährleistungsmentalität, obrigkeitsstaatlichem Denken für die Betroffenen sowie einem Abgabe- und Vermittlungsmuster nach der Fragestellung: Welcher Träger kann die Leistung erbringen? Die Fachleute der Jugendhilfe brauchen Positionen und Strategien zum Umgang mit diesen, einer in Fachpublikationen und auf Kongressen gewollten Fachlichkeit gegenläufigen Trends, wollen sie später nicht sagen müssen: Wir haben zwar die sozialarbeiterische Fachlichkeit der Jugendhilfe demontiert, aber wir haben es wirklich nicht gewollt! Im Folgenden zeigen wir auf, durch welches Leistungspotenzial der Familienrat o.g. Trends entgegenwirken würde, und beschreiben, welche flankierenden Maßnahmen notwendig wären, um eben dieses Leistungspotenzial entfalten zu können. 4.1 Kinderschutz Die fachliche Herausforderung beim Kinderschutz besteht darin, nicht bloß als Retter aus als gefährlich diagnostizierten Familienverhältnissen zu agieren, sondern Familien und Netzwerke so zu stärken, dass Gefahren minimiert werden oder bei unvermeidbaren Fremdunterbringungen so viel Familienverantwortung und Bindung wie möglich erhalten bleibt. Nicht nur das staatliche Wächteramt, sondern auch der soziale Raum des Kindes ist ein wesentlicher Schutzfaktor. Behördliche Fachkräfte eignen sich nicht als Alarmsysteme. Kinder werden geschützt, weil Teile der Umwelt funktionieren, die das Jugendamt einschalten, um Hilfe zu holen. Wenn ein Kind in Gefahr ist, müssen die Fachkräfte kurzfristig, konsequent und qualifiziert handeln und zwar in Zusammenarbeit mit Eltern, Kind, Verwandten, Freunden und Nachbarn. Fachkräfte haben eine gesetzliche Verantwortung, während Eltern, Verwandte und Bekannte eine natürliche Verantwortung haben, für das Wohl von Kindern zu sorgen. Keine der beiden Verantwortlichkeiten darf der anderen untergeordnet oder übersehen werden, auch dann nicht, wenn fachliche Entscheidungen gegen den Willen von Eltern oder Kindern notwendig sind. Das Verfahren Familienrat scheint hierbei so hilfreich zu sein, dass er zur Umsetzung des Art. 19 (Recht des Kindes auf Freiheit von allen Formen von Misshandlung und Gewalt) vom ständigen Komitee zur Kinderrechtskonvention angeraten wird: Die primäre Verantwortung der Familie und Familiengruppe wird anerkannt, allerdings muss der Staat eingreifen, wenn Kinder dort nicht sicher sind. 11 Ähnlich formuliert dies das Grundgesetz, mit der Einschränkung, dass dort nicht die komplette Familiengruppe benannt wird. Das Komitee zur Kinderrechtskonvention schlägt dann, wenn professionelle Interventionen in die Verantwortung der Familie und Familiengruppe nötig sind, den Familienrat als das Verfahren vor, das dem Wohl des Kindes wie auch der Verantwortung der Familie und Familiengruppe gerecht werden kann (ebd.: I., Abs. 3h, Satz 4). Auch in Kinderschutzverfahren anderer Länder kann der Familienrat eingesetzt werden, um in einer kompromisslosen Weise die Sicherheit von Kindern zu gewährleisten. 12 So könnte das, was keine Fachkraft gerne tut, aber unter bestimmten Umständen unbedingt getan werden muss Kinder vor ihren eigenen Eltern zu schützen, so getan werden, dass auch in der Phase des Eingriffs die betroffenen Kinder und Familiengruppen merken: Wir werden gebraucht. Gerade weil die Kinder ins Heim müssen, weil einige ihre Sache nicht gut machen, sind die anderen umso wichtiger. Somit ist klar: Sozialraumorientierung wie auch das Verfahren Familienrat bieten für den Kinderschutz enorme Ressourcen. Die immer wieder gern verbreitete Mär, Kinderschutzarbeit, Sozialraumorientierung und Familienrat passten nicht zusammen bzw. der Familienrat sei zu aufwendig, wenn man schnell handeln müsste, lässt sich nicht aufrechterhalten. 4.2 Personalstand Familienrat ist genauso wie das übliche Clearing eine Möglichkeit für den ASD, die von ihm verlangte Quadratur des Kreises zu schaffen: Immer weniger Mitarbeiter/innen müssen immer schwierigere Problemlagen bearbeiten und Entscheidungen treffen. Anders als durch den Einsatz externer Ressourcen ist diese Aufgabe nicht zu leisten. Deswegen könnte es ratsam sein, den Familienrat als eine Zugangsweise zu profilieren, die den ASD entlastet (das TOP-Thema in den ASDs) und ein Verfahren in Bewegung setzt, in das hinein der ASD schlichtweg vermittelt und ansonsten nahezu unbehelligt bleibt. Notwendig wäre nur, dass sich der ASD Gedanken darüber macht, welches die 11) UN-Committee on the Rights of the Child: General comment No. 13 (2011), The right of the child to freedom from all forms of violence. 12) Ministry of Justice (2008): The Public Law Outline. Guide to Case Management in Public Law Proceedings, 3.15 (England and Wales); Children and Young People Act, Capital Territory 2008 (Australien), Children Act 2001 (Irland), Child and Family Service Act 2008 (Yukon/Kanada), Family Service Act 1997 (New Brunswick/ Kanada), Child, Family and Community Service Act 1996 (British Columbia/Kanada), Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, de wet op de jeugdzorg en de pleegkinderenwet in verband met herziening 2011 (Niederlande). 492

35 Oktober 2012 NDV Themen und Sichtweisen der Beteiligten sind und wie man sie am klarsten auf den Punkt bringt. Die fallbezogenen Recherchearbeiten des ASD würden dieselben bleiben: Meldungen nachgehen, Situation und Handlungsbedarf klären, mit akuten Gefährdungssituationen umgehen oder andere Hilfesysteme einschalten. Bei der darauf folgenden Hilfeplanung ginge es aber weniger um das Erarbeiten von Zielen und Handlungsschritten mit den Betroffenen und die Suche nach einem passenden Träger, sondern um die Erweiterung der Hilfeplanung auf einen großen Kreis. Aufgabe von speziell dafür eingesetzten Koordinatoren wäre es, möglichst viele Mitwirkende aus der Lebenswelt zu mobilisieren. Dazu braucht es Hilfeplanungs-Settings, die sich an die Lebenswelt anpassen, was Zeit, Ort und Ablauf betrifft. Die Fachkräfte würden sich darauf konzentrieren, ihre Sorge mit nachvollziehbaren Fakten eindrucksvoll zu benennen, und ihr Expertenwissen im Hinblick auf Genese, Auswirkungen und professionelle Hilfeangebote zur Verfügung stellen. Sie würden aber nicht mit den Betroffenen selbst an Zielen und Maßnahmen arbeiten, sondern dies dem versammelten Familiennetzwerk in der Family-Only-Zeit überlassen. Die ASD-Fachkraft würde danach den Plan der Familie abnehmen oder gegebenenfalls auf Verbesserungen drängen. Nur wenn ein Plan die fallzuständige Fachkraft überzeugt und die evt. notwendigen Überprüfungsschleifen eingebaut sind, würde sie ihn genehmigen. Gelingt dies nicht, stehen weiterhin alle Optionen der klassischen Arbeitsweise offen. Die kollegiale Fallberatung im Amt würde sich darauf konzentrieren, ob ein Fall zum Familienrat angemeldet wird (bzw. warum nicht), was genau die Sorge des Jugendamtes ist, welchen fachlichen Handlungsspielraum die zuständige Fachkraft im Familienrat haben soll, aber nicht mehr, was in diesem Fall zu tun und welcher Träger zu beauftragen ist. Somit schafft der ASD ganz im Sinne der Sozialraumorientierung ein Arrangement, das die Betroffenen mit ihrer eigenen, oft recht speziellen Aktivität mit Leben füllen. Annahme oder Zurückweisung des Planes der Familie gehören jedenfalls entweder aus Verantwortung über die Verwendung öffentlicher Gelder oder aus Kinderschutzgründen in die Zuständigkeit des öffentlichen Trägers. Allerdings müsste die fallzuständige Fachkraft ihre Entscheidung zum Plan der Familie einer in der Überzahl befindlichen Gruppe von Betroffenen argumentativ begründen. Im Vergleich zum Clearing hat der Familienrat den entscheidenden Vorteil, dass dabei ein Plan der Betroffenen entsteht, der den Blick konsequent auf die eigenen Ressourcen der Betroffenen richtet und nicht auf die des Hilfesystems. Er wirkt also präventiv und mobilisiert Hilfe zur Selbsthilfe, auch deswegen, weil die damit betraute Koordination keine Verbindung zum potenziellen Hilfesystem haben darf und kein Interesse daran hat, eigene Plätze zu füllen oder auf bewährte Lösungskonzepte oder bewährte Partnerschaften mit bestimmten Kollegen bei Erziehungshilfeträgern zurückzugreifen. 4.3 Programmierung auf den Einzelfall Die Konzentration auf den Einzellfall ist keine sozialarbeiterische Qualität. Bereits Mary Richmond die Begründerin der Einzelfallarbeit als professionelle Methode hat eine extensive Umweltperspektive gelehrt. Sie forderte von Sozialarbeiter/innen die Fähigkeit, die Einflüsse von Nachbarschaften, Freundeskreisen, Stadtteilen, Berufs- und Vereinsleben nicht nur zu verstehen, sondern auch gewinnbringend als Ressourcen zu nutzen (1922). So kam Richmond zu ihrer berühmten Definition Sozialer Arbeit: Soziale Fallarbeit sind Prozesse mit dem Ziel, die Persönlichkeit zu entwickeln, durch bewusst bewirkte, auf das Individuum zugeschnittene Anpassungen zwischen Menschen und ihrer sozialen Umwelt. 13 Hilfen sind effektiver, wenn sie Netzwerke, Nachbarschaften, Kirchengemeinden und Vereine einbeziehen. Genau in diesem Sinne erweitern Sozialraumorientierung und Familienrat die Perspektive der modernen Fallarbeit wieder zur Richmondschen Weitwinkeloptik. Hier wird fallbezogen fallunspezifisch gearbeitet, indem ausgehend von einem bestimmten Fall der Kreis der Beteiligten weit über diesen Fall hinaus erweitert wird. Man zieht viele Menschen hinzu, von denen man zum Zeitpunkt ihrer Beteiligung noch nicht weiß, ob sich das lohnen wird. Doch da es um ein ganz bestimmtes Kind geht, ist es potenziell Mitwirkenden leichter zu vermitteln, was ihre Aktivität bringen kann, der Zeitabstand zwischen Kontakt und Mitwirkung ist kurz, und die Mitwirkung wird durch das vorliegende Problem konkretisiert und begrenzt. Beim vom Fall ausgehenden fallunspezifischen Arbeiten schafft die persönliche Betroffenheit der Angesprochenen eine unmittelbare, affektive Verbindung zwischen Fall und Feld. Genau dadurch entkommt der ASD der Programmierung auf den Einzelfall zumindest fallbezogen. Die leistungsgesetzliche Grundlage dafür ist 36 Abs. 2 SGB VIII: Werden bei der Durchführung der Hilfe andere Personen, Dienste oder Einrichtungen tätig, so sind sie oder deren Mitarbeiter an der Aufstellung des Hilfeplans und seiner Überprüfung zu beteiligen. Großeltern und Tanten sind zwar keine Mitarbeiter/innen von Erziehungshilfeträgern, aber wenn auch die Pflegepersonen bei Vollzeitpflegen zu beteiligen sind, 14 spricht vieles dafür, dass auch Personen aus dem Umfeld, die als (Teil-)Leistungserbringer in Betracht kommen, einbezogen werden, zumal 27 Abs. 2 SGB VIII ausdrücklich dazu auffordert, das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einzubeziehen. 4.4 Falldurchlauf Die durch das derzeitige System (Fallaufnahme, Anspruchsprüfung, Gefährdungsprüfung, Hilfegewährung, Trägersuche) geprägte Professionalität des ASD wird bei konsequenter Nutzung des Familienrats ergänzt, wenn nicht gar abgelöst durch eine stärkere Orientierung auf mehrere, auch und gerade im Fachkonzept Sozialraumorientierung immer wieder benannte Blickrichtungen: Die Gestaltung von Arrangements ( im Feld ) ist häufig wirkungsvoller als die Vertiefung in die Poren des Einzelfalls; aktivie- 13) Richmond, M.: What is Social Case Work, New York 1922, S ) Wiesner, R.: SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar, München 2006, S

36 NDV Oktober 2012 rende Arbeit gerade mit Blick auf lebensweltliche Ressourcen und Netzwerke führt zu tragfähigeren Lösungen als zeitaufwendige Betreuung durch das professionelle System; und die Koordination von lebensweltlichen Ressourcen, Leistungsansprüchen, hoheitlichen Aufgaben und sozialräumlichen Unterstützungsmöglichkeiten ist eine anspruchsvolle und gleichzeitig anregende und erfolgversprechende Herausforderung. Der ASD wäre in einer solchen Konstruktion weder Falldurchlauf-Instanz noch Case- Manager, sondern Feld-Manager, und er erfüllt diese Funktion als Gestalter eines Rahmens, als Anwalt eines Verfahrens und als Prüfinstanz mit Blick auf zivilgesellschaftlich und juristisch vorgegebene Standards. Somit bestünde die Qualität der jeweiligen Hilfe in einem gut organisierten Verbund von Lebenswelt- und Systemleistungen. Die Hauptaufgabe des Hilfesystems könnte zum Beispiel darin bestehen, sich mehrmals pro Woche bei den unterschiedlichen Leistungserbringern aus der Lebenswelt nach dem Fortgang der Unterstützung zu erkundigen und bei Schwierigkeiten kurzfristig auszuhelfen oder zu coachen. Der in der Regel zeitaufwendige und fachlich häufig fragwürdige Beziehungsaufbau zum Kind, verbunden mit eigenen Hilfeleistungen, wird ersetzt durch die aufmerksame Begleitung (nicht: Kontrolle) einer lebensweltlich gestalteten und geplanten Dynamik. Hilfreich zur respekt- und wirkungsvollen Unterstützung eines Familienplans sind zudem und auch dies ganz im Sinne der Sozialraumorientierung ausgesprochen flexible Träger, die auf der Grundlage nicht-fallbezogener Finanzierungsformen (Pauschalfinanzierungen, Budgets usw. 15 ) solche Hilfen kreieren, die schnell, passgenau und veränderbar an die in der Lebenswelt erbrachten Leistungen anschließen. 5. Schluss Der Familienrat wird missverstanden, wenn er auf begründete, aber nicht in allen Prozessen realisierbare Verfahrensstandards reduziert wird. Nicht immer müssen professionelle und bezahlte Koordinatoren 25 Leute zusammentrommeln, die am Samstagabend im Vereinslokal, um eine Tafel ihres selbst gekochten Lieblingsessens versammelt, gemeinsam mit dem Dorfältesten auf Kisuaheli einen Plan verhandeln. Es lassen sich zahlreiche Varianten denken, die der klassischen Hilfeplanung ähnlicher sind und dennoch entscheidende Unterschiede zu ihr machen, weil sie die Verengung auf die isolierte Kernfamilie aufheben, das Wohl eines Kindes als Aufgabe eines ganzen Netzwerks verstehen und die professionalisierten Erziehungshilfen für die Mitwirkung von Bürger/innen öffnen und zur Re-Sozialisierung und Vergemeinschaftung von Hilfe beitragen. Hilfeplanung als Heimspiel ist keine Erfindung des Familienrats, sondern der Sozialraumorientierung. Heimspiel heißt, Betroffene in ihrer Rolle als Gastgeber zu sehen und ihre familiäre Kultur, die sich im spezifischen Essen, im Singen, Beten, Musikhören, in Zugehörigkeiten zu Vereinen oder Milieus ausdrücken kann, zum Gestaltungsprinzip des Verhandlungs- und Unterstützungssettings zu machen. Die beteiligten Fachkräfte bringen Fachwissen ein, sind aber nicht für die Entwicklung einer bestimmten Lösung zuständig, deren Umsetzung sie allerdings wenn sie ihnen einleuchtet wieder unterstützen. Die Family-only- Zeit scheint dafür ausgesprochen zweckdienlich. Die Koordinationsarbeit kann durch Bürger/innen oder Fachkräfte erfolgen, muss aber eine eigene, neutrale Aufgabe sein. Diese Koordination baut den binären Widerspruch des doppelten Mandats (Hilfe und Kontrolle) zu einer besser handhabbaren Triangulation aus. Bei alledem gilt: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Durch die Nutzung von Familienräten als Hilfeplanungsverfahren wird sich wenig verändern, wenn nicht gleichzeitig eine stärker sozialräumliche Ausrichtung von Organisationsstrukturen und Leistungen stattfindet und auch diese allein verändern nicht sozialstrukturelle Ungleichheiten, die zu Bedarfen führen. Besuchen Sie auch unseren Online-Buchshop: 494

37 BERICHTE Oktober 2012 NDV Andreas Beck, Alina Kroll, Jochen Stöckmann Strategische Sozialplanung umsetzen Eine Machbarkeitsstudie aus Thüringen In den Eckpunkten für eine integrierte Sozial- und Finanzplanung in Kommunen des Deutschen Vereins findet sich folgender Vorschlag: 1 Der Deutsche Verein regt an, bereits in den Anfangsstadien der integrierten Sozial- und Finanzplanung eine Verabredung mit der Freien Wohlfahrtspflege über deren Rolle und Aufgaben im gesamten Prozess der strategischen Steuerung und Sozialplanung anzustreben. Diese Verabredung sollte [ ] die grundsätzlichen Regeln der Mitwirkung und Mitverantwortung klären helfen. 1 Für die Studie wurde ein interdisziplinäres Team gebildet (Diplom-Sozialarbeiterin [FH], Diplom-Sozialverwaltungswirt [FH] und Bachelor of Arts Sozialmanagement). Insgesamt standen für die Studie 2,0 Vollzeitstellen zur Verfügung. Die operative Umsetzung und fachliche Begleitung erfolgte beim PARITÄTISCHEN Landesverband Thüringen e.v. Die Machbarkeitsstudie verfolgte eine neuartige und notwendigerweise suchende Herangehensweise mit dem Ziel, praktische Orientierung für alle zu bieten, die sich in Thüringen mit Sozialplanung befassen. In einem ersten Teil wurde der Status quo der Sozialplanung Diesem Ansatz in Thü- folgte die Machbarkeitsstudiringen durch Strategische Sichtung von Planungsdaten und Sozialplanung 2 der LIGA der Freien Studien sucht. unterpflege Wohlfahrts- in Thüringen, Der zweite Teil die dem beschäftigt sich Wie aus Sicht mit konkreten Andreas Beck Alina Kroll Jochen Stöckmann der Freien Träger Planungsprozessen, und der Spitzenverbände nachging. Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen der Studie zusammen. die die soziale Infrastruktur Thüringens im Jahr 2011 prägten. Das Studienteam nahm rund 200 Termine mit folgenden Zielen wahr: 1. Konzept der Studie Strategische Sozialplanung wurde für die Studie als die langfristige, planmäßige und bedarfsgerechte Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur in Thüringen definiert, wobei der Beteiligung von Expert/innen in eigener Sache und von Freien Trägern bzw. deren Spitzenverbänden besondere Aufmerksamkeit galt. Nach einer mehrjährigen Konzeptentwicklung wurde die Studie von September 2010 bis Februar 2012 aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF), des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit (TMSFG) und der Verbände der LIGA ermöglicht. Sie stand unter der Schirmherrschaft der Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Öffentlichkeitsarbeit bezüglich des Studienziels, Kontakt zu Akteuren aus Politik, Verwaltung, Einrichtungen und Verbänden, Beobachtung und Analyse von Planungsprozessen, konkrete Mitarbeit in einigen Planungsgremien. 1) NDV 2011, S , hier: ) Die vollständige Bezeichnung der Studie ist Machbarkeitsstudie zur Implementierung eines Strategischen Zentrums für Sozialplanung. Sie kann unter heruntergeladen werden. Andreas Beck war Leiter, Alina Kroll und Jochen Stöckmann waren Mitarbeiter/innen der Machbarkeitsstudie. 495

38 NDV Oktober 2012 Die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung öffnete viele Türen und brachte zahlreiche Kontakte und Informationen. Zudem bestand eine enge Einbindung in die Leitungsgremien und Prozesse der LIGA. Dies stellte die laufende Justierung der Studienarbeit und einen schnellen Informations- und Erfahrungsaustausch sicher. Thematisch ging es z.b. um die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, um soziale Infrastruktur in kleinen Dörfern, um Sozialberichterstattung oder um den Entwurf des Thüringer Landesentwicklungsprogramms Der hohe Anteil an Feldstudien war die zentrale Erkenntnisquelle, um das theoretische Konzept eines LIGA- Kompetenzzentrums für Strategische Sozialplanung praktisch zu erproben. Dazu wurde kontinuierlich mit der Stabsstelle Strategische Sozialplanung im TMSFG zusammengearbeitet. Und schließlich profitierte die Ausarbeitung der Studie von der Begleitung durch einen 12-köpfigen Beirat aus Leitungskräften der Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Forschung und der Verbände. So wurde der praktische Bezug der Studie gesichert und die Beiräte wirkten als Multiplikatoren für den Studienansatz in ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern. Die im Bereich der Jugendhilfe entwickelten und gesetzlich normierten Planungsverfahren 3 dienten als Inspiration dafür, dass eine kontinuierliche Zusammenarbeit von Öffentlichen und Freien Trägern möglich ist. Die Studie untersuchte daher Strukturen und Prozesse anderer Felder Sozialer Arbeit, in denen Planungsverfahren nicht in gleicher Weise normiert sind. Die Studienergebnisse und Handlungsempfehlungen sind als Dialogvorschläge des Studienteams zu verstehen. An vielen Stellen ist weitere Forschung notwendig, um die Beobachtungen kritisch zu beleuchten. 2. Ergebnisse der Studie Folgende Ergebnisse können festgehalten werden: Das in der Studie eruierte Konzept eines LIGA-Kompetenzzentrums Strategische Sozialplanung ist sinnvoll und bedarfsgerecht. Verkürzt gesagt ermöglicht nur eine verbandsübergreifende Ressource die Umsetzung der nachstehenden Empfehlungen für die Landschaft der Freien Träger. Wissenschaftliche Untersuchungen 4 zeigen, dass Instrumente strategischen Controllings in der Sozialwirtschaft nur gering genutzt werden: Nur etwa jedes zehnte Unternehmen nutzt strategische Analyse-Instrumente. Strategisches Controlling und Planung werden hier als siamesische Zwillinge verstanden. Viele Führungskräfte der Sozialwirtschaft benennen den Strategiebedarf bezüglich der Fachkräftesituation. Deutlich niedriger ist der Anteil derjenigen, die konkret an Lösungen arbeiteten. Dies weist auf Unsicherheiten über die zukünftige Entwicklung ihrer Aufgabenfelder hin (= Sozialplanung): Wenn unklar ist, wie sich die relevante Organisationsumwelt entwickelt, wird die strategische Personalentwicklung erheblich erschwert. Sozialwirtschaftliche Organisationen nutzen Sozialberichte kaum für ihre Angebotsentwicklung. Zwar sind diese meist bekannt, werden jedoch in ihrer Ausrichtung und (sozialräumlichen) Detailtiefe als nicht kompatibel mit den Erfordernissen der Einrichtungen beschrieben. Die Daten für spezifische Zielgruppen sind selten vorhanden oder sozialräumlich nicht präzise genug. Sozialplanung findet auf kommunaler Ebene in höchst unterschiedlicher Ausgestaltung statt (mit Ausnahme der Jugendhilfeplanung). Die Entwicklung und Fortschreibung der Sozialberichterstattung wird als wichtige Aufgabe angesehen. Es gibt zwar Ähnlichkeiten der Methodik und Themenfelder, aber ein gemeinsamer Standard ist nicht erkennbar. Gleiches gilt für den Rhythmus der Aktualisierungen. Neben Sammelwerken gibt es eine große Bandbreite thematischer Einzelberichte (z.b. Seniorenberichte). Die Sozialberichterstattung wird meist von den kommunalen Sozialplaner/innen sehr arbeitsintensiv selbst organisiert und durchgeführt. Die Ressourcen für weiterführende Planungen sind folglich gering. Sozialberichte werden z.b. durch die Stadträte, Kreistage, Bürgermeister oder Landräte in Auftrag gegeben. Sie dienen nicht allein zur Planung der sozialen Infrastruktur vor Ort, sondern auch als Argumentationsgrundlage für die lokale Sozialpolitik. Insofern ist es legitim, den Auftraggeber/innen die Interpretation der Daten und die Entwicklung von Lösungsstrategien zu überlassen. Kommunale Sozialplanung findet vielfach quantitativ, deskriptiv, operativ und separiert statt: Quantitativ und deskriptiv: Sozialberichte bestehen in einem hohen Maß aus Tabellen, Grafiken und Zahlen. Dies erfordert hohe Interpretationsfähigkeiten. Qualitative Lebenslagen- und Sozialraumanalysen mit Bezug auf komplexe Problemlagen sind selten. Konkrete und sozialräumliche Handlungsempfehlungen zu einzelnen Lebenslagen fehlen oft ganz. Operativ: Daten werden vergangenheitsbezogen berichtet und dienen als Planungsgrundlage für die gegenwärtige Lage und nähere Zukunft. Vielfach wird auf eine Sozialausgabenplanung fokussiert. Strategische Szenarien sind die Ausnahme. Separiert: Kontinuierliche gemeinsame Planungsbezüge zu anderen Fachplanungen (Bau, Verkehr, Wirtschaft, Umwelt) sind die Ausnahme. Diese Trennung ist in der Regel nicht ausdrücklich gewollt, sondern Folge z.b. enger Personalressourcen. Das Potenzial, über Datensammlungen präventive, ressourcenschonende Wirkungen zu planen, wird oft nicht ausgeschöpft. Die meisten Statistiken beschränken sich auf Personengruppen, die sich bereits in akuten Bedarfsla- 3) Vgl. 71 SGB VIII. 4) Z.B.: König, M. u.a.: Zum Stand des Controllings in der Sozialwirtschaft, Hamburg 2011, S. 26 ff. 496

39 Oktober 2012 NDV gen befinden (Leistungsbeziehende). Frühindikatoren oder die Beschreibung von Risikogruppen fehlen vielfach. Die Beteiligung von Expert/innen in eigener Sache ist unterentwickelt. Sofern vor Ort z.b. Sozialraumkonferenzen stattfinden, sind diese thematisch oft überladen und dienen eher dem Informationsaustausch als der tatsächlichen Planung und Entscheidung sozialräumlicher Entwicklung. Die meisten Verfahren sehen keine Beteiligungskreisläufe vor. Viele Sozialplanungsprozesse starten ohne vorher ausgehandelte Rahmenbedingungen. Eine (schriftliche) Übereinkunft der Akteure über Rollen, Ressourcen, Meilensteine fehlt vielfach. Einem nur unscharf formulierten Finalziel ( Inklusion! ) können die Arbeitsebenen nicht gerecht werden. Beteiligungsverfahren zeichnen sich durch verschiedene Perspektiven, Rollen und Interessen der Akteure aus. Wirtschaftliche Abhängigkeiten oder unterschiedliche Wissensstände können zu Machtasymmetrien in Beteiligungsrunden führen. Teilweise ist in planerischen Prozessen mit vielen Beteiligten unklar, wer die Gesamtverantwortung für den Prozess trägt. 3. Handlungsempfehlungen und Perspektiven (1) Über die Zukunft der sozialen Infrastruktur in Thüringen entscheiden fortlaufend vielfältige Akteure mit unterschiedlichen Zielen und Methoden. Dazu gehören kommunalpolitische und legislative Verfahren und das Ringen um die Einordnung sogenannter gesetzlicher und freiwilliger Leistungen. Meistens gibt es dazu keinen erklärten sozialplanerischen Prozess. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sind jeweils für sich und über die LIGA aktuell nur teilweise involviert. Wo sich die Verbände und LIGA nicht selbst aktiv und kompetent einbringen, fallen die Entscheidungen ohne ihre Expertise. Den LIGA-Verbänden wird eine strategisch planende und vernetzte Arbeitsstruktur empfohlen, die dem gerecht wird. (2) Sozialplanung ist ein Querschnittsthema und sollte nicht isoliert bearbeitet werden. (3) Für die zentralen Zukunftsaufgaben sollte die verbandsübergreifende Strategieentwicklung vorangetrieben werden. (4) Die LIGA ist gefordert, ihren lokal agierenden Leitungskräften Strategische Sozialplanung als ihr ureigenstes Interesse schmackhaft zu machen. Das benötigt Ressourcen und konkrete Unterstützung. (5) Die Verbindlichkeit verbandsübergreifender Strategien sollte als strategische Leitlinien und (Ver-)Handlungsspielräume soweit operationalisiert sein, dass die Agenten der Verbände (ver-)handlungssicher und arbeitsteilig agieren können. (6) Anreize für Integriertes Planen verstärken: Die weit verbreitete, auf fachliche Abgrenzung setzende Förderpolitik sollte einen Paradigmenwechsel vollziehen. Konzepte, die mehrere Themen planerisch integrieren (z. B. Soziales, ÖPNV, Umwelt), sollten durch ein Scoring-System 5 deutlich höhere Chancen auf öffentliche Förderung erhalten als solitäre Strategien. Eine wirksame Beteiligung der Expert/innen in eigener Sache sollte dabei Bedingung werden. Künftige Förderprogramme sollten synergetisches Handeln nicht sanktionieren, sondern belohnen dafür muss ermöglicht werden, verschiedene Förderquellen zu kombinieren. (7) Beteiligung der Expert/innen in eigener Sache: Bezogen auf soziale und demografische Herausforderungen entnehmen die meisten Bürger/innen Statistiken und Prognosen den Medien, oft als düstere Vision, vor der selbst Fachleute kapitulieren. Die Möglichkeit des engagierten gesellschaftlichen Mit-Gestaltens bleibt weit unter den Potenzialen. Je näher der Planungsbezug durch eigene Betroffenheit ist, desto direkter kann die Beteiligung angestrebt werden. Das setzt eine flexible und unterstützende Beteiligungskultur voraus. (8) Neue Formen der Zusammenarbeit als ein Miteinander der verschiedenen Akteure, ohne bestehende Interessenkonflikte zu leugnen. Es wird vorgeschlagen, die Zusammenarbeit verbandsübergreifender Ressourcen der LI- GA mit kommunalen Spitzenverbänden, den politischen Entscheidungsträgern, den Thüringer Ministerien und Landesbehörden, den Leistungsträgern, den Sozialplaner/ innen usw. zu intensivieren. Ziel ist die Schaffung eines flexiblen Verbunds von Expert/innen, der punktuell Formen der Zusammenarbeit vereinbart und Ergebnisse an Politik, Verwaltung und (Sozial-)Wirtschaft heranträgt. Dass ein solcher Verbund auf Dauer funktionieren kann, belegt gerade der Deutsche Verein durch fundierte Empfehlungen zur Sozialpolitik und Qualifizierungsangebote. (9) Sozialplanung strukturell auf Stabsebenen ansiedeln: Sozialplanungsaufgaben ähneln Controllingaufgaben (messbare Ziele, Umsetzung planen, Verlaufskontrolle und ggf. Interventionsauslösung). Daher wird eine Anbindung von Sozialplaner/innen auf Stabsebene vorgeschlagen. 6 (10) Sozialplanung als kontinuierlichen Prozess arbeitsteilig organisieren: Gute Sozialplanung erkennt man daran, dass sie nie fertig wird. Da die sozialen Lebenslagen der Menschen in dauerhafter Bewegung sind, sollte es Sozialplanung auch sein (siehe Abb. 1). (11) Die Perspektive auf Soziale Infrastruktur verändern: Die Ansicht, soziale Infrastruktur und soziale Dienstleistungen seien reine Kostenfaktoren in öffentlichen Haushalten, war lange vorherrschend. Soziale Infrastruktur hat vor allem in ländlichen Gebieten eine wichtige Haltefunktion für alle Generationen. Sie ermöglicht flächendeckend qualifizierte, weitgehend konjunkturstabile und 5) Scoring ist hier gemeint als Methode zur Entscheidungsfindung unter Einbeziehung mehrerer relevanter Faktoren. 6) Vgl. Lutz, R./Rund, M.: Integrierte Sozialraumplanung: Ein Beispiel aus der Praxis, Frankfurt a.m. 2010, S. 267 ff. 497

40 NDV Oktober 2012 standorttreue Arbeitsplätze; sie ist eine Investition mit Rendite für andere Lebensbereiche. Statt zu fragen: Können wir uns in unserer Gemeinde den Kindergarten noch leisten? scheint die Perspektive geeigneter: Können wir es uns unter Abwägung aller Faktoren gesellschaftlich leisten, den aktuellen und künftigen Eltern keine wohnortnahe Betreuung anzubieten? 4. Aktueller Stand Die Hauptempfehlung der Machbarkeitsstudie wurde durch die LIGA-Verbände Anfang Mai 2012 umgesetzt durch Einrichtung einer Stabsstelle für Strategische Sozialplanung, die an die LIGA-Geschäftsstelle in Erfurt angegliedert ist. Zeitnah werden dort nun Strategien bezüglich der o.g. Handlungsempfehlungen vorbereitet. (12) Es liegt eine große Chance darin, sozialplanerische Schwerpunktthemen zu entwickeln (z.b. Inklusion, Armutsbekämpfung) und diese nach Vorbereitung koordiniert und vernetzt von möglichst vielen Akteuren auf Ebene des Landes und der Kommunen parallel zu bewegen. Abb. 1: Managementkreislauf Quelle: Verein für Sozialplanung (VSOP) Vorankündigung Urban Governance und Stadtrendite: Chancen für die kommunale Wohnungspolitik Herausgegeben von Jürgen Hartwig und Dirk Willem Kroneberg 2012, 96 Seiten, kart., 14,80, für Mitglieder des Deutschen Vereins 11,50 ISBN Strategische Bündnisse von Wohnungswirtschaft, Sozialwirtschaft und Kommunen bieten Chancen für eine integrierte und nachhaltige Wohnungspolitik. Trotz knapper Kassen und Verschuldung gibt es Möglichkeiten, auf die negativen Auswirkungen des demografischen und sozialen Wandels zu reagieren und einer Segregation entgegenzuwirken. Dieser Band stellt alternative ökonomische Konzepte wie die Stadtrendite und modellhafte Projekte als Urban Governance in der Praxis vor. Er zeigt, dass ein kommunales Wohnungsunternehmen Mehrwert für die Kommune als Akteur im ersten und zweiten Sektor, aber auch durch eine weitere Kompetenz erbringen kann: als Experte für Bürgernähe und -beteiligung in seinen Bestandsquartieren. Damit bietet er neue Ansätze und Anregungen für Vertreter/innen der Kommunalpolitik, des Sozialwesens, der Wohnungs- und Sozialwirtschaft. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. Michaelkirchstraße 17/18, Berlin Bestellungen in unserem Online-Buchshop: 498

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