Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot
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- Gert Färber
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1 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot Beispielsfall: Folgende Regelung wird in das StGB aufgenommen: Vermögensstrafe: Verweist das Gesetz auf diese Vorschrift, so kann das Gericht neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren auf Zahlung eines Geldbetrages erkennen, dessen Höhe durch den Wert des Vermögens des Täters begrenzt ist. Der Wert des Vermögens kann geschätzt werden Das Gericht bestimmt eine Freiheitsstrafe, die im Fall der Uneinbringlichkeit an die Stelle der Vermögensstrafe tritt (Ersatzfreiheitsstrafe). Das Höchstmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist zwei Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat. Rechtliche Bedenken gegen die geplante Regelung? 1
2 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot Das Bestimmtheitsgebot gilt auch für die Strafandrohung, die in einem vom Schuldprinzip geprägten Straftatsystem gerecht auf den Straftatbestand und das in ihm vertypte Unrecht abgestimmt sein muss Die Strafe als missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht muss deshalb in Art und Maß durch den parlamentarischen Gesetzgeber normativ bestimmt, eine strafende Antwort auf eine Zuwiderhandlung gegen eine Strafnorm muss für den Normadressaten vorhersehbar sein. (BVerfG NJW 2002, S ff., 1780). 2
3 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot Je schwerer die angedrohte Strafe ist, umso dringender ist der Gesetzgeber verpflichtet, dem Richter Leitlinien an die Hand zu geben, die die Sanktion vorhersehbar machen, die bei Verwirklichung des Straftatbestandes droht, und den Bürger über die zu erwartende Strafrechtsfolge ins Bild zu setzen (BVerfG, a.a.o., S. 1780). Die Vermögensstrafen Regelung betrifft einen intensiven Grundrechtseingriff und müsste daher in besonderem Maße den Bestimmtheitsanforderungen genügen, vgl. BVerfG, 3 a.a.o., S
4 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot Regelung der Vermögensstrafe ( 43 a StGB a. F.) ist wegen Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig (vgl. BVerfG, a.a.o., S ff.). Es fehlen inhaltliche Vorgaben für den Strafrichter, nach denen er entscheiden könnte, in welchen Fällen er die Vermögensstrafe wählen soll und in welchen nicht. Entscheidung über Angemessenheit der Vermögensstrafe wird allein dem Richter überlassen, jegliche Vorgaben bzw. Kriterien des Gesetzgebers fehlen (z. B. Strafrahmen). Richter soll hier sogar ohne gesetzliche Vorgaben hierzu Vermögen schätzen dürfen! 4
5 Verfassungsrechtliche Grundlagen des Strafrechts Das Bestimmtheitsgebot Gesetzliche Vorgaben zur Festsetzung der Vermögensstrafe im Verhältnis zur Freiheitsstrafe fehlen. Wie soll z. B. Ersatzfreiheitsstrafe bestimmt werden? Es fehlt eine abstrakt bestimmte oder auch nur bestimmbare Unter und Obergrenze für die Vermögensstrafe. Ihre Höhe wird erst im Zeitpunkt der konkreten Rechtsanwendung auf den Einzelfall erkennbar. Zudem ist nicht nur der Wert eines Vermögens eine unscharfe Größe, sondern der Richter soll hier schätzen dürfen. Somit besteht die Gefahr einer tatsächlichen Überschreitung der gesetzlichen Obergrenze und eines konfiskatorischen Eingriffs. 5
6 Strafrecht 11 StGB enthält wichtige Definitionen der Personen und Sachbegriffe (z. B. Begriff des Amtsträgers ( 11 Abs. 1 Nr. 2), rechtswidrige Tat ( 11 Abs. 1 Nr. 5), Unternehmen einer Tat ( 11 Abs. 1 Nr. 6) und Entgelt ( 11 Abs. 1 Nr. 9). Rechtswidrige Tat ist gemäß 11 Abs. 1 Nr. 5 nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. 12 StGB enthält die grundlegende Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen: Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind ( 12 Abs. 1). Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind ( 12 Abs. 2). 6
7 Übung Unterscheidung Verbrechen/ Vergehen 84 Abs. 1 StGB 90 Abs. 1 StGB 249 Abs. 1 StGB 253 Abs. 1 StGB 259 Abs. 1 StGB 267 Abs. 1 StGB 283 Abs. 1 StGB 287 Abs. 1 StGB 306 Abs. 1 StGB 339 StGB 344 Abs. 1 StGB 49 BörsenG: Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen 26 Abs. 1 BörsenG andere zu Börsenspekulationsgeschäften oder zu einer Beteiligung an einem solchen Geschäft verleitet. 23 ApothekenG: Wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne die erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung eine Apotheke, Krankenhausapotheke oder Zweitapotheke betreibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft. 7
8 Strafrecht Prüfungsschema vollendete vorsätzliche Tat durch positives Tun 1. Tatbestandsmäßigkeit a) Objektiver Tatbestand b) Subjektiver Tatbestand: Vorsätzliches Handeln in Bezug auf alle Merkmale des objektiven Tatbestandes sowie etwaige besondere subjektive Tatbestandsmerkmale (z. B. besondere Absichten) 2. Rechtswidrigkeit (Rechtfertigungsgründe wie z. B. Notwehr ( 32 StGB) oder rechtfertigender Notstand ( 34 StGB) 3. Schuld (Schuldfähigkeit, vgl. 20 StGB; Möglichkeit der Unrechtseinsicht, z. B. vermeidbarer Verbotsirrtum nach 17 StGB; Entschuldigungsgründe, vgl. z. B. 35 StGB) 8
9 Strafrecht Subjektiver Tatbestand 15 StGB: Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Vorsatz muss bei Begehung der Tat bezüglich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes vorliegen, vgl. 16 Abs. 1 Satz 1 StGB. Vorsatz = der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände bzw. Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung 9
10 Strafrecht Subjektiver Tatbestand Formen des Vorsatzes: Absicht (dolus directus 1. Grades): Dem Täter kommt es gerade auf die Tatbestandsverwirklichung bzw. auf den Erfolg an. Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades): Der Täter weiß um die Tatbestandsverwirklichung bzw. sieht diese als sicher voraus und will diese. Dolus eventualis (auch als bedingter Vorsatz bezeichnet): Der Täter hält die Tatbestandsverwirklichung ernstlich für möglich und ist damit einverstanden bzw. nimmt sie zumindest billigend in Kauf. 10
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