Priorisierung der Ziele zu den Herausforderungen der Energiewende

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1 Priorisierung der Ziele zu den Herausforderungen der Energiewende Eberhard Umbach Berlin, 15. Oktober 2015

2 Unsere größten globalen Herausforderungen Politische Stabilität Überbevölkerung Nahrungsmittelversorgung Sauberes Wasser Gesundheitsversorgung Sichere und bezahlbare Energieversorgung Klimaschutz Erhalt natürlicher Ressourcen Umweltschutz Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

3 Welche Konsequenzen ziehen wir? Verantwortung: Wir sind heute verantwortlich für die Welt von morgen, vor allem wenn unser Handeln weitreichende Konsequenzen hat. Zwei Beispiele: Ressourcen: wenn die Ressourcen verbraucht sind (oder gefährlich knapp werden), ist es zu spät zum Sparen. Klimawandel: wenn die Erderwärmung zu weit fortgeschritten ist, ist es zu spät zum Handeln, denn das Klimasystem reagiert sehr träge (Zeitskala: mehrere Jahrzehnte) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

4 Ziele der Energiewende? - Ausstieg aus der Kernenergie? - Klimaschutz? - Sicherung der zukünftigen Energieversorgung? - Ressourcenschonung? - (Forcierter Ausbau der Erneuerbaren Energien?) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

5 Der Ausbau der Erneuerbaren ist zum Ziel der Energiewende geworden : EEG, 1, Abschnitt 1: Übergeordnete Kernziele werden ohne Priorisierung aufgezählt EEG, 2: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien für die Stromerzeugung wird priorisiert Gesetzlich festgelegte Vorrangstellung des Stroms aus EE bei Anschluss und Abnahme Einspeisevergütung beflügelt Wachstum der EE Förderquote lenkt das Wachstum: stärkerer Zuwachs der PV durch höhere Quote Fazit: zwischen Ziel und Maßnahmen unterscheiden! Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

6 De facto: Politische Ziele der Energiewende 1) Ausstieg aus der Kernenergie Gesetz 2) Ausbau der EE per Gesetz (eigentlich Maßnahme) 3) Zieldreieck (de facto nachrangig, nur verbal wichtig) - Klimaschutz - Versorgungssicherheit - Bezahlbarkeit Dazu: 4) ca. 30 Teilziele (im Energiekonzept der Bundesregierung 2010/11) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

7 Zielarchitektur ab 2014 der Bundesregierung Quelle: BMWi Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

8 Zielkonflikte ein Beispiel: Starke Zunahme des Ausbaus von EE, deshalb: Strompreis am Spotmarkt sinkt um die Mittagszeit (gut!?) Aber: Vergütung für EE konstant (EEG), Strompreis für Verbraucher steigt Gas-Regelkraftwerke arbeiten nicht mehr wirtschaftlich Kohlekraftwerke übernehmen Regellast Nicht einmal Pumpspeicherkraftwerke arbeiten wirtschaftlich Anstieg der CO 2 Emissionen Anstieg der Strompreise für Verbraucher Die Maßnahme EEG führt derzeit zur Verfehlung der Ziele Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit. Sie priorisiert unabsichtlich Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

9 Treibhausgasemissionen (ohne Landnutzung) Mio t / a Temporär können Nahziele verfehlt werden, z.b. durch das Abschalten der KKW. In diesem Fall muss eine offene Kommunikation stattfinden! Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

10 Die größten Herausforderungen der Energiewende? Sehr ambitionierte Ziele sind z.b.: - Reduktion der Treibhausgase: 80 % bzgl Reduktion des Primärenergieverbrauchs: 50 % in Anteil der EE an Gesamtenergieverbrauch: 60 % in 2050 Aber: Anteile am Gesamtenergieverbrauch: Strom ~ 20 %, Wärme/Kälte ~ 50 %, Mobilität ~ 30 % Nur möglich durch Optimierung des Gesamtsystems!!! Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

11 Aktuelle Zusammensetzung des Primärenergieverbrauch in Deutschland, 2014 EE Anteil am Primär- Energieverbrauch: der Weg ist noch weit 5,68% 0,99% 0,19% 0,32% 0,86% 0,56% 1,54% 0,96% Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, BMWi Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

12 Beispiel: Problem der fluktuierenden Stromquellen Lösungsansätze: Speicher und Netze Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

13 Windstromeinspeisung in Deutschland Installierte Windkraftanlagen (2008): 23 GW Installierte Windkraftanlagen (2012): 30 GW Durchschn. Nutzung (2012): 1547 h/ 8760 h 17,7 % Quelle: ISET Beispiel 2008 mit Korrektur für Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

14 Probleme erneuerbarer Energien: Fluktuationen von Stromverbrauch und Stromerzeugung Mo Kurz und längerfristige Fluktuationen Flaute Ungleichgewicht Last schwankt, aber gut vorausberechenbar. Bisher: Stromregelung Verbrauchs-bestimmt Regenerative Energiequellen wenig steuerbar. Künftig: Stromregelung Angebots-bestimmt Sonne und vor allem Wind sind wenig vorhersagbar. z.b. Änderungen von 10 % in 15 min Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

15 Fluktuierende Leistung aus EE in 2012 optimaler Mix : Wind:PV = 75:25 % Stromverbrauch / a: ~ 580 TWh (integral) Benötigte Leistung: min: 35 GW, max: GW Verschiedene Anteile EE Verbrauchskurve TWh grüner Strom Überschuss ~ 130 TWh fossile Leistung erforderlich (Regel-KW) Fig.4: F. Wagner, EPJ Plus (2014)) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

16 Zusammenfassung der Herausforderungen I: (nur Stromsektor) Selbst im Fall 100 % EE (580 TWh) müssen ca. 130 TWh fossil dazu geregelt werden (Ersatzkraftwerke), bzw. 130 TWh Strom aus EE sind überflüssig.* Das führt zu negativen Strompreisen (mit EEG) bzw. zur Verschwendung von EE Strom.* Abhilfe: Speicher? Aber: Speicher sind teuer und bleiben meist ungenutzt (wie Ersatzkraftwerke): Wirtschaftlichkeitsproblem! *(Wagner: EPJ Plus) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

17 Beispiel: Problem der fluktuierenden Stromquellen Lösungsansätze: Speicher und Netze Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

18 Benötigte Speicherkapazität (nur Stromsektor) Maximalwert: 30 TWh * (keine fossile Verbrennung, aber extrem teuer) Zum Vergleich: Kapazität aller Pumpspeicher: ca. 50 GWh 2,4 Mio Elektrofahrzeuge: 40 GWh Erdgasinfrastruktur: 110 TWh Guter Kompromiss: 5 10 TWh Speicherung 5 TWh Speicherung reduzieren die fossile Ersatzstromenergie von 130 auf 40 TWh (CO 2 Reduktion!), aber Ersatzleistung bleibt nahezu unverändert.* *(Wagner: EPS Plus) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

19 Zusammenfassung der Herausforderungen II: (gesamtes Energiesystem) Stromsektor macht nur 20 % der Primärenergie aus! Ziel ist aber 60 % EE im gesamten Energiesystem. oder in anderen Worten: Wind und PV haben zurzeit nur einen Anteil von 2,5 %, sollten aber ~ 50 % in 2050 haben. Das heißt: wir brauchen ungefähr 1300 TWh/a Strom von Wind und PV (20 mal mehr als heute) d.h. 20 mal mehr Solarpaneele und 20 mal mehr Windparks Das geht nur mit viel stärkerer Vernetzung der Sektoren, vor allem mit stärkerer Elektrifizierung und Power-to-X. X heißt Treibstoffe, Gase, Chemikalien, Wärme, Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

20 Priorisierung der Ziele: Alternativen Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

21 Option I: Ziel Klimaschutz hat höchste Priorität Dann ist CO 2 -Vermeidung prioritär CO 2 -Einsparpotential als oberstes Bewertungskriterium einer Maßnahme nutzen 80% des Primärenergieverbrauchs gehen in Wärme und Kälte Anteil CO 2 -armer Technologien sehr gering Großer Hebel der Effizienz und Einsparung weitgehend ungenutzt Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

22 Option I: Ziel Klimaschutz hat höchste Priorität Option 1a: Klimaschutz gefolgt von Versorgungssicherheit Die europäische Dimension ist entscheidend Netz- und Speicherausbau haben Toppriorität Gaskraftwerke als Regelkraftwerke müssten gefördert werden Option 1b: Klimaschutz gefolgt von Wirtschaftlichkeit Vorzug für Maßnahmen, bei denen CO 2 am wirtschaftlichsten gesenkt wird Steuerung über den CO 2 - Zertifikatepreis verbesserter Emissionszertifikatehandel (ETS) Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

23 Option II: Ziele Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit haben höhere Priorität als Klimaschutz Langfristige Versorgungssicherheit durch schrittweise Substitution fossiler Energieträger durch EE dadurch Reduktion der Importabhängigkeit Wirtschaftlichkeit durch konsequentere Investitions- und Amortisationsaspekte erzeugen weniger negative Begleiterscheinungen höhere Akzeptanz in der Bevölkerung dadurch Änderungen des Verhaltens besser zu erzielen Internationale Nachahmung wahrscheinlicher Aber: CO 2 -Emissionen werden deutlich langsamer verringert und könnten sogar (zeitweise) ansteigen Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

24 In jedem Fall: die Priorisierung der Ziele und ihr Zusammenhang mit dem Maßnahmenkatalog müssen in der Öffentlichkeit transparent dargestellt werden. Transparenz schafft mehr Akzeptanz für das langfristige Projekt Energiewende erleichtert Umsteuerung bei Änderung der Randbedingungen verringert Skepsis gegenüber Veränderungen generiert flexiblere Geschäftsmodelle, die länger (betriebs- bzw. volkswirtschaftlich) erfolgreich sind Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

25 Zusammenfassung der Herausforderungen Energiewende - Eine klare Priorisierung und Kommunikation der Ziele und darauf ausgerichtete Maßnahmenpakete sind erforderlich. - Das EEG hat zum Start gute Dienste geleistet, ist aber nicht mehr zielführend. Statt vieler kleiner Reformen wäre ein Paradigmenwechsel angebracht: z.b. Ersatz durch ein verbessertes ETS System (ETS = European Trading System = CO 2 Zertifikate Handel). - Das Problem der fluktuierenden Stromquellen muss gelöst werden unter den Randbedingungen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz. - Merke: Anteil von PV und Wind an Gesamtenergie ist heute nur 2 %! Es sollen aber 60% werden! - Wir haben noch einen großen Forschungsbedarf! Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

26 Zusammenfassung der Herausforderungen Energiewende - Die Energiewende muss europäischer werden, z.b. Windstrom von den europäischen Küsten und PV Strom vom südeuropäischen Sonnengürtel. Dazu gehört ein europäisches Verbundnetz. - Aber: die europäischen Staaten haben sehr unterschiedliche Stromversorgungskonzepte, von 100 % Strom aus Wasserkraft bis zu 100 % aus fossilen Quellen oder bis zu 75 % Atomstrom. - Sehr wichtige Teilziele werden bisher stark vernachlässigt und deshalb grandios verfehlt, vor allem das Energiesparen. Das betrifft vor allem Wärme und Mobilität! Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

27 Zusammenfassung der Herausforderungen Energiewende - Die Energiewende muss sehr viel stärker systemisch ausgerichtet werden. - Das Ineinandergreifen der technischen Systeme, der ökonomischen und juristischen Gesichtspunkte, der internationalen Zusammenhänge und der gesellschaftlichen Entwicklungen ist hochkomplex, schwer überschaubar, dynamisch und kaum vorhersehbar. Dennoch muss die politische Steuerung alle Faktoren berücksichtigen, wenn sie erfolgreich sein soll. - Beim hohen Tempo der Energiewende spielen die Bürger eine entscheidende Rolle in Hinsicht auf Akzeptanz, Wählerverhalten, neue Geschäftsmodelle, Partizipation, - Partizipation (Beteiligung) bedeutet gegenseitige Information, ausführliche Diskussion, gemeinsame Entscheidungsfindung, Rücksichtnahme der Entscheidungsträger, Verantwortungsübernahme durch Bürger, - Das müssen wir alle aber erst noch lernen! Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele

28 Fazit: Die Energiewende bietet Chancen und Risiken und noch viele Aufgaben! Vielen Dank Eberhard Umbach Priorisierung der Ziele