wir keine Probleme mit den Türstehern. In der ersten Nacht vergnügten wir uns ganz sorglos und unbekümmert auf dem Kiez, es war einfach
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- Martha Schräder
- vor 6 Jahren
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2 wir keine Probleme mit den Türstehern. In der ersten Nacht vergnügten wir uns ganz sorglos und unbekümmert auf dem Kiez, es war einfach überwältigend. Wenn ich heute dran denke, habe ich rückwirkend ganz schön Muffensausen. Aber den Mutigen passiert ja in aller Regel nichts. Nach einer herrlichen Nacht kamen wir zum Studentenwohnheim. Den Zimmerschlüssel hatten wir schon die Aufgabe war, unbemerkt den Pförtner zu passieren. Damals herrschte eine strenge Zucht. Es durfte niemand einfach so ins Wohnheim, und schon gar kein Pärchen nachts. Wir krochen unhörbar auf dem Boden an der Pförtnerloge vorbei in den Flur. Marias Bruder hatte uns eingeschärft, ja keinen Fehler zu machen; es waren deswegen schon Mitstudenten aus dem Heim rausgeflogen. Endlich im winzigen Zimmer angekommen, fühlten wir uns wie die Könige, tranken Stroh- Rum und ließen unsern Gefühlen freien Lauf.
3 Am nächsten Morgen weckte uns Marias Bruder Christoph. Er legte sich ins warme Bett, und wir bummelten durch Hamburg. Eine wunderschöne Stadt! Ganz anders als der kleine, gebirgige Odenwald. Alles kam uns ungeheuer großzügig, weit und weltoffen vor. Ein ganz neues Lebensgefühl. Gegen Nachmittag meldete sich der Hunger. Als Geldbörse diente eine Taschenlampe ohne Batterien. Darin waren auch Rückfahrkarte und Pass. Ich kramte etwas Geld heraus - wir hatten ja nicht viel davon - und ging mit Maria in einen Albrecht Supermarkt (heute ALDI ) einkaufen. Als unser Budget ausgeschöpft war, fiel mir noch ein Camembert ins Auge. Ich guckte Maria an, sie nickte, und der Käse verschwand in meinem Parka. Wir gingen mit schlechtem Gewissen zur Kasse und legten unsere Einkäufe aufs Band. Plötzlich lag eine schwere Hand auf meiner Schulter, und die Stimme hinter mir fragte: War das alles? Ich
4 antwortete: Ja. Und was ist in Ihrer rechten Parka-Tasche? Ich holte beschämt den Käse raus. Gehen Sie mal mit ins Büro. Schluss mit lustig Auf dem Weg dahin hatte sich Maria aus dem Staub gemacht. Allein saß ich dem Ladendetektiv gegenüber. Würden Sie ihren Diebstahl als Mundraub bezeichnen? Es waren ja schließlich nur 69 Pfennige Warenwert. Da gibt es mildernde Umstände. Ich stammelte Ja, Mundraub. Die Gedanken in meinem Kopf rasten. Wenn es Mundraub war, durfte ich denen nicht das Geld in der Taschenlampe zeigen. Außerdem war mein Personalausweis drin. Sie könnten meine Eltern anrufen, und das durfte nicht passieren. In aller Eile erfand ich einen neuen Namen, Geburtsdatum, Geschwister und versuchte, mir alles zu
5 merken. Mittlerweile war der Detektiv stutzig geworden: Ein nicht verwahrloster sehr junger Bursche klaut einen Käse und plädiert auf Mundraub, bezahlt aber die anderen Einkäufe, kommt aus dem Süden Deutschlands, hat keinen Pass bei sich und stottert bei seinem eigenen Namen. Er hatte den Verdacht, ich sei ein Ausreißer und griff zum Telefon, um die Polizei zu rufen. Hamburg wurde zum Alptraum. Die Polizisten fuhren mit mir quer durch die Stadt ich war ohne jede Orientierung. Auf der Wache wurde ich einem Kommissar übergeben. In seinem Büro herrschte absolute Stille, und er ließ mich erstmal eine Weile schmoren. Dann nahm er mich total auseinander. Wann ich hier in Hamburg angekommen sei? Ich sagte natürlich: Heute morgen, um Christoph in seinem Wohnheim nicht zu verraten. Auf welchem Gleis ist der Zug angekommen? Weiß ich nicht mehr. Um welche Uhrzeit? Keine
6 Ahnung. Allein? Ja. Er fragte, ob ich von daheim ausreißen wolle. Das verneinte ich. Ob ich denn eine Rückfahrkarte hätte? Ja, natürlich, sagte ich. Wo ist die denn? Da ich ja das Geheimnis der Taschenlampe wegen Mundraubs und Passes nicht lüften wollte, behauptete ich, die Karte hätte ich im Laufe des Tages verloren. Nachdem er mich mit Fragen nach dem Geburtsnamen meiner Mutter, den Namen meiner Geschwister, dem Beruf meines Vaters total durcheinandergebracht hatte, nahm er den Telefonhörer und sagte: Da ihre Eltern kein Telefon haben, rufe ich jetzt die Polizei in Darmstadt an (wohin ich meine virtuelle Familie gepflanzt hatte) und schicke einen Wagen vorbei. Wenn das alles nicht stimmt, ist hier die Hölle los! Er fing an zu wählen. Da brach ich zusammen. Stop!, rief ich, alles noch mal von vorne! Als alles neu und richtig ausgefüllt war, begann der Kommissar zu
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