Bohème - Leben als Experiment - Texte zur Ausstellung in der Warenannahme von FAUST

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Bohème - Leben als Experiment - Texte zur Ausstellung in der Warenannahme von FAUST"

Transkript

1 1

2 Bohème - Leben als Experiment - Texte zur Ausstellung in der Warenannahme von FAUST Texte von: Kathrin Beumelburg, Bernd - Uwe Elsner, Harald Kother, Monika Pabsch, Gabi Paetzold, Andree Schinke, Emilio Sherman, Karl-Heinz Völz, Wolfgang Zimmermann Idee / Konzeption und Koordination: Bernd-Uwe Elsner Herausgeber: AFKA, FAUST, IIK, KIK Redaktion: Kathrin Beumelburg, Bernd-Uwe Elsner, Gabi Paetzold, Wolfgang Zimmermann Layout: Mehdi Parvizian IIK Verlag - FAUST Wilhelm-Bluhm-Str Hannover Tel.: 0511/455001/ NEUE ADRESSE: IIK ZUR BETTFEDERNFABRIK 1 D HANNOVER TELEFON: 0511 / INTERNET: FAX: 0511 / iik@onlinehome.de ISBN Titelbildentwurf: Kathrin Beumelburg / Mehdi Parvizian (c) Alle Rechte der hier veröffentlichten Texte liegen bei den AutorInnen. Hannover, März 1997 CIP- Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Bohème-Leben als Experiment/ Hg.: IIK und FAUST Texte von diversen AutorInnen Red.: Dr. Gabi Paetzold ISBN Hannover

3 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort / Danksagung SEITE 4 Einblick - Überblick Ausblick SEITE 5 1. Emilio Sherman: Das Wilhelminische Zeitalter (Historischer Überblick) SEITE Monika Pabsch: Frauenleben im Kaiserreich SEITE Bernd-Uwe Elsner: Cafés - Kabarett - Frank Wedekind SEITE Wolfgang Zimmermann: Anarchismus - Erich Mühsam, die Bohème und Anarchismus SEITE Harald Kother: Psychoanalyse - Otto Gross: Leben und Werk in Grundzügen SEITE Kathrin Beumelburg: Libertinage - Franziska zu Reventlow / Else Lasker-Schüler SEITE Gabi Paetzold: Offizielle Kunst und Avantgarde Die Berliner Bohème und die bildenden Künstler SEITE Andree Schinke: Alternative Projekte Lebensreform SEITE Karl-Heinz Völz: Die Kosmiker - Ludwig Klages und der Kosmiker-Kreis SEITE Verzeichnisse - Allgemein- und Spezialliteratur SEITE 107 3

4 Vorwort Ende 1995 fand bei FAUST in der Warenannahme eine Veranstaltungsreihe statt. Anläßlich der Kunstausstellung entwickelte sich ein Gespräch über die Quellen von Sozio- und Interkultur. Es entstand das Interesse, die wenig beachtete Bohème als Ganzes zu begreifen und exemplarisch vorzustellen. Im Laufe der Monate wurde ein Gesamtkonzept für ein Projekt mit folgenden vorläufigen Prämissen entwickelt: Leben als Experiment - Bohème - München, Berlin, Ascona Die Bohème existierte als europäische Bewegung der Künstler, und Intellektuellen gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Seitdem es Kultur und Gesellschaften gibt, sind auch deren Gegner zu finden, die Normen und Moralvorstellungen ablehnen und versuchen, alternative Wege zu gehen. Die europäische Bohèmebewegung der 90er Jahre ist eine internationale, interkulturelle und soziokulturelle Quelle unserer modernen alternativen Bewegungen von Politik, Kultur in Theorie und Praxis. Die Zentren der Bewegung lagen in Paris, London, Berlin, München-Schwabing, Wien, Ascona. Namen wie Frank Wedekind, Else Lasker-Schüler, Franziska zu Reventlow, Erich Mühsam, Otto Gross, Ludwig Klages, Gustav Gräser sollen hier stellvertretend für diese gegenkulturelle Bewegung genannt werden. Aber nicht die kreativen Taten des Einzelnen allein soll dieses Projekt darstellen, sondern ihr kollektiver kultureller und gesellschaftlicher Aufbruch. Dieser führt von den Experimenten mit dem eigenen Leben, der Lebensweise in den Gemeinschaften zu einer Gegenkultur. Die individuellen und kollektiven Experimente, die Ideen und die kulturellen Ansätzen sind auch heutzutage in der Psychologie, der Politik, der bildenden Kunst, der Literatur, im Theater und in der Alltagskultur wiederzufinden. So entstand innerhalb des Projektes zu Ausstellung, Workshop, Vorträgen und künstlerischen Darbietungen dieses Buch als Begleitwerk. Es soll Interessierte zur weiteren Arbeit anregen. An dieser Stelle sei besonders der LAGS zu danken. Zu danken ist auch allen Mitarbeiterlnnen, ohne die dieses Projekt nicht zustande gekommen wäre. Bernd - Uwe Elsner im März

5 Einblick - Überblick - Ausblick Ziel dieser Broschüre ist, einen ersten Einstieg in die geistes- und kulturgeschichtlichen Bewegungen um die Jahrhundertwende, also vor ca. 100 Jahren, zu bieten. Die komplexe Materie zur Bohème aufzuarbeiten, würde den Rahmen der hier zusammengetragenen Berichte um ein Vielfaches übersteigen. Daher seien die interessierten Leser auf die Literaturliste verwiesen, die weiterführende Quellen anzeigt. Laut Lexika bedeutet Bohème, aus dem Französischen kommend, die Welt der Studenten, Künstler und Literaten. Die Bezeichnung geht auf Bohemien für Böhme, Zigeuner (ein im 15. Jahrhundert aus dem nordwestlichen Indien in Europa eingewanderter Volksstamm) zurück. Im übertragenen Sinne fand dieser Begriff Anwendung für die Mitglieder einer Gruppe von romantischen, antibürgerlichen Literaten und Malern, die sich um 1830 in Paris zur Zeit der Romantik zusammenfanden. Impulse gerade im kulturellen Bereich gingen von Künstlern wie Hugo, Murger und de Balzac aus. Honore de Balzac ( ), der in seinem Romanzyklus "Menschliche Komödie" Paris als Lebenszentrum seiner Romanfiguren beschrieb, war wohl der erste Bohemien, der mit zwanzig Jahren aus dem bürgerlichen Leben ausbrach und sich 1831 selbst adelte. Zeitgleich schrieb Victor Hugo ( ), Dichter der französischen Romantik, 1831 den Klassiker "Notre-Dame de Paris", uns bestens bekannt durch die Verfilmung ("Der Glöckner von Notre Dame") mit Gina Lollobrigida und Anthony Quinn in den Hauptrollen. Henri Murger ( ) machte die Bohème in seinen 1849 erschienenen "Scènes de la vie de Bohème'' berühmt, in denen er den Randgruppen und Künstlern des Pariser Quartier Latin ein Denkmal setzte. Bereits 1851 wurde sein Werk als "Pariser Zigeunerleben", durch Hugo Hartmann bearbeitet, in Deutschland bekannt. Inhaltlich wurde das Thema von Puccini ( ) in seiner Oper "La Bohème'' 1856 aufgegriffen. Von Paris aus erfaßte diese geistige Bewegung Deutschland, Zentren wurden München und Berlin. Das Leben der frühen Bohemiens spielte sich hier wie da in Lokalitäten ab. In Berlin waren es "Lutter & Wegner" und die "Hippelsche Weinstube", wo sich E.T.A. Hoffmann ( , Dichter der Romantik und Kammergerichtsrat in Berlin), berühmt durch seine Erzählungen, Ludwig Devrient ( , Schauspieler und Freund Hoffmanns) und Christian Dietrich Grabbe ( , Dramatiker) trafen. Hier wurde nächtelang diskutiert und getrunken (Grabbe ging am Alkohol zugrunde). Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr die Bohème mit Wilhelm Bölsche ( , naturwissenschaftlicher Schriftsteller), der sich mit dem Liebesleben in der Natur beschäftigte und den Brüdern Heinrich ( ) und Julius Hart ( ), ebenfalls Schriftsteller des Naturalismus, in 5

6 Berlin eine Neubelebung. Gerhard Hauptmann ( ) sympathisierte mit den Kollegen und unterstützte sie wohl auch, doch das ist nicht eindeutig nachgewiesen. Auch dieser Zeit war der "Dämon Alkohol" ein genehmer Begleiter in den Lokalen, untrennbar mit den nächtlichen Diskussionsmarathons verbunden, wie alles, was wider die bürgerliche Konvention war. Die Bohème als Komplex war vielschichtig: ihr gehörten individualistische Anarchisten (in unpolitischem Sinne) ebenso an wie realitätsferne Ekstatiker, Gesellschaftsrevolutionäre und sonstige Weltverbesserer, Naturapostel und andere. Dennoch hatte Karl Marx die Bohème als "Lumpenproletariat" verunglimpft, obwohl er wußte, daß sich diese Geistesbewegung nicht aus unteren Schichten zusammensetzte. Es fällt heute noch schwer, den Bohemien aus Überzeugung von solchen, die aufgrund ausbleibender äußerer Erfolge eine zigeunernde Existenz lebten, zu unterscheiden. Was den einen ein Wahlzustand war, geriet den anderen zum Zwangszustand, der sie vorübergehend einte. Echte Bohemiens setzten sich aber eher noch über die Schranken der sozioökonomischen Gemeinschaft hinweg - die lost generation" hatte nichts zu verlieren. Dementsprechend zeigte sie auch eine ausgesprochene Gleichgültigkeit gegenüber materiellen Werten und bürgerlicher Konvention bis hin zur Ablehnung, ihre Liebe zur Individualität umso stärker betonend. Häufig genug artete diese Lebensführung ins Zügellose aus, den Sturz ins Bodenlose vorwegnehmend. Als ideelle Väter galten zum einen Jean Jacques Rousseau ( ), der durch seine Gesellschaftskritik und Forderung nach natürlicher Lebensweise vorbildhaft wirkte, zum anderen aber Friedrich Nietzsche ( ), der das dionysische Prinzip (nach Dionysos, dem griechischen Gott des Weines und des schöpferischen Rausches) dem apollinischen (dem Maßvollen, nach Apoll, dem Gott des Lichts und der Künste) in seiner Abhandlung zur "Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" gegenüberstellte. Um 1900 hatten sich in Deutschland zwei Bohème-Mittelpunkte gebildet: Schwabing und Berlin. Hinzu kam das tessinische Ascona in der Schweiz - hier trafen sich die alternativen Lebensreformer auf dem "Monte Verita" in Henri Oedenkovens Landkommune, die er mit Ida Hofmann und den Brüdern Gräser leitete. In den bis dato nur antibürgerlich eingestellten Gruppierungen kam es zur Politisierung aufgrund der bestehenden politischen Realität und der starren sozio-ökonomischen Verhältnisse, die sehr stark materiell geprägt waren und keinerlei Konzessionen an Individualisierungsbestrebungen zuließen. Jegliches Ausbrechen des Einzelnen stigmatisierte ihn, manövrierte ihn in eine Außenseiter-Position, die keine Anbindung oder gar Integration innerhalb der reglementierten Gesellschaft zuließ. Die so Ausgegrenzten trafen sich in Cafés 6

7 und Kabaretts. Hier tauschten sie sich in endlosen Nächten aus und lebten nach fast anarchistischem Prinzip. Für die Bohemiens zählte nur das "hier und heute", für das sie auch Entbehrungen, gerade materieller Art, auf sich nahmen. Die Cafés boten die Diskussionsebene, in den Kabaretts konnten sie dann umsetzen, was bei Kaffee und Alkohol in Gesprächen Form angenommen hatte. Obwohl in Insiderkreisen vorgetragen, mischte sich doch häufig das öffentliche Interesse ein, dem solch geistige Freiheit ein Politikum und somit zensurverdächtig war. In Berlin verkehrten im "Café des Westens" Künstler wie Max Reinhardt, Else Lasker-Schüler (der im Rahmen dieser Broschüre ein Beitrag gewidmet ist) und Herwarth Walden. In München zogen Frank Wedekind ( ) und Franziska zu Reventlow ( ) die Individualisten an - beide standen für die "Emanzipation des Fleisches" ein (s. Beiträge). Die Kosmiker wirkten um den Lyriker Stefan George ( ) und den Dichter Karl Wolfskehl ( ) wie verschieden die Mitglieder des George-Kreises waren, erhellt sich aus der Tatsache, daß George sich dem nationalsozialistischen System anbietet, Wolfskehl hingegen schon 1933 über die Schweiz und Italien flieht, um 1938 nach Neuseeland auszuwandern. Noch zu nennen ist der Kreis um den Psychoanalytiker Otto Gross. Ein anderer Bohème-Zirkel bildete sich um die russischen Künstler Wassily Kandinsky ( ) und Alexej von Jawlensky ( ), die sich im Salon Marianne von Werefkins (alle drei kamen 1896 nach München) zu fachlichen und sonstigen Diskussionen trafen. Die avantgardistische Malerszene erfuhr weiteren Zulauf. Gabriele Münter, eine Schülerin Kandinskys ( ), ab 1911 Franz Marc ( gefallen) u.a. Wie verquickt die Verbindungen auch mit der literarischen Bohème waren, ist an den Beziehungen zwischen den Malern Albert Weisgerber ( gefallen), Oskar Kokoschka, Emil Nolde, Paul Klee und Frank Wedekind sowie Karl Wolfskehl zu erkennen. Bei Karl Wolfskehl verkehrten außerdem der Maler Alfred Kubin ( ) und der 'Kulturpessimist' Oswald Spengler ( ), den seine 1919 und 1922 erschienenen Bände zum "Untergang des Abendlandes" berühmt machten. An dieser Stelle muß der Hinweis auf Hermann Wilhelms Abhandlung zur "Münchener Bohème'' (München 1993) genügen. Die antibürgerliche Haltung fand ihren Niederschlag auch in der Art der Kleidung und des Wohnens, jegliche "Schubladen-Mentalität" vermeidend. Die Bohemiens pflegten das vagabundenhafte "Outfit" (provokativ oder Ausdruck echter Armut) ebenso wie das Dandyhafte und Exzentrische des Äußeren (George Grosz hatte, selbst in Zeiten pekuniärer Schwierigkeiten, großen Wert auf ein dandyhaftes Aussehen gelegt). Der Wohnstil entwickelte sich entsprechend von "abgerissen" bis zu "mondän" (wenn ein zahlungskräftiger Mäzen und Kunstliebhaber dahinter stand!). 7

8 Die Mehrzahl der Bohemiens wohnte aber eher ärmlich, mit häufig wechselnden Wohnadressen, weil es auf Dauer gar nicht möglich war, den Mietforderungen nachzukommen. Postalisch waren sie am sichersten in den Cafés zu erreichen, denn diese bildeten einen beständigen Bezugspunkt im Leben dieser Existenzen. Das Verhältnis zu geregelter Arbeit war mehr als gestört. Für einen Bohemien war es schlicht unehrenhaft, sich auf bürgerliche Weise den Lebensunterhalt zu verschaffen. Die Ausübung einer nichtkünstlerischen Arbeit war ein Übel, so z.b. auch von Franziska zu Reventlow empfunden, die Auftragsarbeiten wie Übersetzungen annehmen mußte, um sich und ihren Sohn am Leben zu erhalten. Doch es bedeutete immer ein Weggehen von der Kunst, zu der die Bohèmiens sich doch ausschließlich berufen fühlten. Das "Schnorren, Leihen und Hungern" entzog schon genug Energie. Trotz des eben Gesagten war das Reisen unter den Bohèmiens groß geschrieben. Sie reisten, auch per pedes, so oft es möglich war, besuchten einander oder genossen irgendwo Sonne und Luft. Bei alledem pflegten sie ihr Elite-Denken, schwankten zwischen Einsamkeit (die Reventlow sprach auch diese Kehrseite der Medaille in ihren Erinnerungen an) und Größenwahn, wenn sie sich im Künstlerlokal, Café oder Kabarett profilierten. Der Erste Weltkrieg brachte die Bohème auseinander. Kandinsky, Jawlensky und die Werefkin mußten Deutschland verlassen, Weisgerber, Klee und Marc fielen, andere wurden politisch aktiv oder zogen sich ganz zurück. Gleichzeitig eroberte der Dadaismus Berlin und Hannover (Raoul Hausmann, George Grosz, Kurt Schwitters). Das "Romanische Café", Treffpunkt der ZwischenkriegsBohème, wurde von Bohème-Veteranen wie Erich Mühsam geringschätzig als "Meinungsbörse" bezeichnet. Doch verkehrten auch hier Künstler von Rang (John Höxter, Wieland Herzfelde, George Grosz, Ruth Landshoff). Gerade die letztgenannte, eine schöne Schauspielerin und Muse, die nach ihrer Emigration in New York erfolgreich Fuß faßte, ist uns aus der letztens in der Kestner-Gesellschaft gezeigten Foto-Ausstellung "Umbo" bekannt. "Königin der Bohème'' dieser Zeit allerdings wird Anita Berber ( ) genannt - eine Tänzerin, die uns auch nur durch das Gemälde von Otto Dix (1925) ein Begriff ist und doch in der Berliner Szene durch ihre Performancen berühmt war. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges führte ab 1933 zu einem Massenexodus, viele begangen Selbstmord oder wurden gar ermordet (1933 Ermordung Theodor Lessings in Prag, 1935 Selbstmord Kurt Tucholskys), einige arrangierten sich mit dem nationalsozialistischen System. Nach dem Krieg war nichts mehr wie es war. Die Basis für einen Widerstreit Bohème Gesellschaft gab es nicht mehr. Zuviel lag in Trümmern, Schutt und 8

9 Asche. Die Überlebenden hatten keine Werte mehr, an denen sie sich orientieren konnten. Die Einstellung zum Leben war - als Folge des Krieges nun eine andere. Die Menschen hatten Vergänglichkeit erfahren (nichts war mehr von Konstanz). Was Kontur und Eigenart des Bohèmiens anbetraf, gab es nun keinen Unterschied mehr zum "normalen" Bürger - beide fingen bei Null an, schufen neue Werte, formulierten neue Theorien. Erst ab der 60er Jahre entwickelte sich wieder eine Alternativszene über antiautoritäre, politische Studentenorganisationen und brachte Bewegung in ein mittlerweile wieder recht behäbiges Bürgertum. Frauenbewegte Initiativen und ökologisch orientierte Gruppen sorgten für den ideellen Anschluß an die physischen und psychischen Befreiungsversuche der Jahrhundertwende. Gesunde, natürliche Ernährung auf vegetarischer Basis (Vorläufer: Lebensreformbewegungen wie die Landkommune des Malers K. Wilhelm Diefenbach, Gustav Gräser und Ascona vor dem Ersten Weltkrieg) ist ebenso relevant wie die Befreiung des Körpers und die Suche nach dem "eigentlichen Wesen" ab der 70er Jahre. Rollenverhalten und -verständnis werden erneut hinterfragt, das Verstandesdenken des rationalen Menschen erfährt eine Umwertung: Seele, Unbewußtes und Spiritualität sind die Schlüssel zu Ganzheit und Einheit mit Gott und der Natur. Die Esoterik, die Naturheilkunde, asiatische Körpertherapien und Meditationstechniken wie auch die Psychotherapie erleben einen Siegeszug ohnegleichen in dieser rationalisierten Welt. Das Anderserleben drückt sich im Reiseerlebnis ab der 70er Jahre aus: die Südsee, Mexiko, Indien, Peru sind Stationen auf der Suche nach dem Ursprünglichen - damals wie heute. Wir leben sie: die Renaissance des Ich-Kults! Nun bleibt nur noch, den Lesern viel Vergnügen beim Lesen der einzelnen Beiträge, die doch nur kleine Einführungen darstellen können, zu wünschen! 9

10 Das Wilhelminische Zeitalter (Historischer Überblick) "Dem Geist der Zeit entgegen wurde die stolze Burg des neuen deutschen Kaiserreiches erbaut" urteilte der liberale Historiker Johannes Ziekursch, einige Jahre nach dessen Untergang und er führte fort: "durch List und Gewalt, in schwerem Ringen mit seinen Gegnern im Ausland wie im Inland, unter Verfassungsbruch und Bürgerkrieg, über den Kopf seines widerstrebenden Königs hinweg und gegen den Willen eines großen Teiles des deutschen Volkes, der Bismarcks Weg nicht wandeln wollte". Der Zeitabschnitt von 1890, dem Jahr der Entlassung Bismarcks, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 wird in den Geschichtsbüchern das "Zeitalter des Imperialismus" genannt. Daneben findet sich auch die Bezeichnung "Wilhelminisches Zeitalter". Für beide Formulierungen sprechen gewichtige Gründe. Der Imperialismusbegriff erscheint aus weltgeschichtlicher Sicht zweifellos angebrachter. Er deutet auf das diese Epoche charakterisierende Streben der europäischen und der neuen außereuropäischen Großmächte (USA, Japan) hin, im Wettlauf miteinander sich durch den Erwerb überseeischer Kolonien eine Weltmachtposition aufzubauen. Aus deutscher Sicht ist auch die mit dem Namen des Kaisers verbundene Bezeichnung gerechtfertigt. 10

11 Der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II., war sicher nicht die überragende Persönlichkeit wie der souverän die politische Szene beherrschende -roße Kanzler Bismarck, der der vorhergehenden Epoche seinen Stempel aufgedrückt hatte. Aber der Lebensstil, den der Kaiser in seiner romantischaltmodischen, spätabsolutistischen Auffassung vom Amt des Herrschers entwickelte und in seinem Auftreten, seinem Gebaren und seinen Äußerungen praktizierte, war zugleich der Lebensstil der Gesellschaft in diesem Berlin-kaiserlichen Deutschland der Jahrzehnte um die Jahrhundertwende. Die Gesellschaft, das waren die alten und neuen Machteliten, die Großagrarier, Bankiers und Großindustriellen, und natürlich das Offizierskorps und die höhere Beamtenschaft sowie die Mehrzahl der Hochschulprofessoren. Dazu gehörte auch die überwiegende Mehrheit des durch Wirtschaftswachstum und industrielle Entwicklung zu Wohlstand gelangten Bürgertums, welches sich politisch in den Obrigkeitsstaat eingefügt hatte. Glanz und Gloria, Garderegimenter und Kaisermanöver, Stapelläufe und Flottenparaden, Gala- Uniformen bei jedem gesellschaftlichen Ereignis: der Nimbus deutscher Weltmachtstellung und Weltgeltung lag über allem, erzeugte ein bisher nicht gekanntes Wertgefühl. Ohne Zweifel, einen Aufstieg ohnegleichen hatte das Deutsche Reich in den knapp fünfundzwanzig Jahren seit seiner Gründung 11

12 vollzogen! Ein Hauch dieses neuen deutschen Wertgefühls war bis in die kleinbürgerlichen Wohnstuben in den entferntesten Provinzstädten spürbar, wo das Kaiserbild den bevorzugten Platz über dem Sofa einnahm, gleich neben den Erinnerungsfotos aus der Militärzeit des Familienoberhauptes. Überhaupt beherrschte das vom Kaiser so bevorzugte Militär das Leben im damaligen Deutschland. Ebenso wie der Kaiser trugen auch die hochrangigen Beamten, alle Reichskanzler und Minister, obwohl sie Zivilisten waren, im Reichstag und bei öffentlichen Anlässen Uniform. Jeder Zivilist in gehobener Stellung, ob Beamter oder Rechtsanwalt, ob Apotheker, Lehrer oder Geschäftsmann, war in der Gesellschaft ein angesehener Mann erst, wenn er "gedient" hatte und als Reserveoffizier in das Zivilleben zurückgekehrt war. Diese Haltung führte zu grotesken und oftmals peinlichen Situationen. Der Glaube an den Kaiser, an durch Amt oder Uniform verliehene Autorität war im Preußen-Deutschland des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts so ausgeprägt. wie nie zuvor. Nach Geist, Haltung und Auftreten vollzog sich eine massive Militarisierung der Gesellschaft sogar dort, wo man in der Theorie die herrschende Ordnung zu bekämpfen vorgab: Der Unteroffizierssohn und mitführende Kopf der deutschen sozialdemokratischen Partei, August Bebel, gab im Reichstag im Jahr 1892 folgende Erklärung ab: "Der Herr Reichskanzler möge versichert sein, daß die deutsche sozialdemokratische Partei eine Vorschule des Militarismus ist". Diese klassenübergreifende Militarisierung der Gesellschaft drückte sich in besonderer Weise im Falle des deutschen Bürgertums aus, welches sich mit seiner Ausschließung von der politischen Macht arrangiert hatte. Der 12

13 Schriftsteller Theodor Fontane machte in diesem geschichtlichen Zusammenhang den ironischen Kommentar: "Das Bürgertum hat sich immer mehr verassessort und verreserveleutnantet". Auch von einer Verjunkerung des Bürgertums, welche diese massive Einpassung in den Obrigkeitsstaat zum Vorschein kommen ließ, ist die Rede gewesen. "Naja, in Uniform, da gehts ja, da macht man Figur, das gibt'n kolossalen Halt, da is man'n ganz anderer Kerl. Wissen S' - in Staatsbürjerkluft - da komm ick mir immer vor wie 'ne halbe Portion ohne Mostrich". Diese Worte aus Carl Zuckmayers "Hauptmann von Köpenick" bringen diesen sich damals flächendeckend ausbreitenden Zeitgeist recht eindrücklich zum Vorschein. Der Kaiser selbst, der gern sein eigener Kanzler sein wollte, war nicht die Persönlichkeit, die imstande gewesen wäre, die Lücke auszufüllen, die mit dem Abgang Bismarcks von der politischen Bühne in der Reichsführung entstanden war. Er war oberflächlich und sprunghaft in seinen Entscheidungen. Im Grunde unsicher, ließ er sich oft von Meinungen seiner Berater und Freunde beeinflussen und zu plötzlichen und unausgereiften Entschlüssen hinreißen. Das "persönliche Regiment" des Monarchen war in Wirklichkeit eine Herrschaftsform, in der verschiedene, oft miteinander rivalisierende Mächtegruppen und Kräfte gewillt waren, auf den Kaiser massiv einzuwirken und somit den Kurs der Politik zu bestimmen. Vertreter einflußreicher Interessenverbände oder auch einzelne starke Persönlichkeiten wie der Marinestaatssekretär von Tirpitz oder später - im Kriege - der Generalstabschef Ludendorff spielten hierin eine entscheidende Rolle. Die Politik der Reichsregierung bekam auf diese Weise einen unsteten Zug, der keine klare Linie erkennen ließ, zumal auch die Reichskanzler der Zeit bei weitern nicht das nötige Format besaßen, um souverän gegenüber dem Monarchen einen geraden Regierungskurs zu steuern. Am Anfang sah es so aus, als könnte der Kaiser in der Innenpolitik mit dem propagierten "Neuen Kurs" tatsächlich neue Akzente setzen, indem er das brennendste Problem der Zeit, die soziale Frage, aufgriff. Aber als sich zeigte, daß die Arbeiterschaft nicht so einfach für die Regierung zu gewinnen und von der Sozialdemokratischen Partei zu trennen war, ließ er rasch seine Reformpläne fallen und kehrte zu der verhärteten Politik Bismarckscher Prägung zurück. Das böse Wort von "vaterlandslosen Gesellen" fiel, es machte seine wahre Einstellung zur Arbeiterfrage offenkundig. Er besaß in Wirklichkeit kein Gespür für die drängenden sozialen Probleme der Arbeiterschaft, wie er auch den unaufhaltsam sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandlungsprozeß, den der Übergang vom Agrar- zum Industriestaat in Gang gesetzt hatte, kaum zur Kenntnis genommen hat. Der Aufstieg der Sozialdemokratie zur stärksten Reichstagsfraktion im Jahr 1912 trotz aller Beeinträchtigungen durch den Staatsapparat, durch Polizei und Bürokratie, beunruhigte die Machteliten zutiefst und bestärkte sie in ihrem Vorhaben, durch eine betont aggressive Außenpolitik sichtbare außenpolitische Erfolge einzubringen. Auf diese Weise wollte man die 13

14 innenpolitische Opposition zum Schweigen bringen, so wie seinerzeit Bismarck in der Situation des Verfassungskonflikts mit dem Erfolg seiner Einigungskriege die oppositionellen Kräfte überwunden hatte. Die Außenpolitik des Reiches in den letzten Vorkriegsjahrzehnten war weitgehend von dieser Haltung durchdrungen; die Risikobereitschaft maßgeblicher Führungskräfte in der Julikrise 1914 entstammte dieser Einstellung. "Der Lotse verläßt das Schiff"-, so hatte vieldeutig die wichtige britische Zeitung "Punch" den Sturz Bismarcks in einer berühmten Karikatur kommentiert. Die Kündigung des von Bismarck mit Rußland geschlossenen Rückversicherungsvertrages und der fast gleichzeitige Abschluß des Helgoland- Sansibar-Tauschgeschäftes mit Großbritannien 1890 ließen vermuten, daß das Reich auch in der Außenpolitik neue Wege zu gehen entschlossen war. Logisch wäre es nun für die Reichspolitik gewesen, sich intensiv um eine feste Verbindung mit Großbritannien zu bemühen, um die verhängnisvollen Folgen der Vertragsaufkündigung mit Rußland auszugleichen; denn prompt erfolgte die Annäherung der über die deutsche Haltung enttäuschten Russen an Frankreich. Die von Bismarck stets befürchtete, aber mit seinem kunstvollen Bündnissystem geschickt verhinderte Entwicklung war Wirklichkeit geworden. Das auf Revanche sinnende, bisher isolierte Frankreich gewann einen Bündnispartner, die Gefahr eines Zweifrontenkrieges war für das Reich nun nicht mehr auszuschließen. Aber weder der Kaiser noch die Reichsregierung trafen Anstalten, nun auf die britische Karte zu setzen. Von der eigenen Machtposition überzeugt, glaubte man abwarten zu können, Großbritannien müsse seiner schwerwiegenden Differenzen in Übersee mit Frankreich und Rußland wegen eines Tages selbst die Anlehnung an die stärkste Kontinentalmacht, das Deutsche Reich, suchen. Aber nun setzte der forcierte Ausbau der Flotte ein, vehement von Wirtschaft, Industrie und nationalen Verbänden gefordert zur Absicherung des überseeischen Besitzes; er mußte die führende Seemacht Großbritannien tief beunruhigen. Wäre diese Flottenrüstungspolitik diplomatisch vorbereitet worden und im Einvernehmen mit den Briten unter Einhaltung gewisser Beschränkungen erfolgt, hätte die Trübung des Verhältnisses zu den Vettern jenseits des Kanals durchaus vermieden werden können. Aber von Anfang an erhielt der Flottenausbau, vornehmlich durch die Hauptakteure um den Admiral von Tirpitz, eine deutliche Spitze gegen Großbritannien: das böse Wort des verhaßten Albions machte wieder mal die Runde. Der bald einsetzende ungebremste Rüstungswettlauf wurde auf beiden Seiten von einem aufwendigen Propagandafeldzug begleitet, die in der Bevölkerung beider Nationen eine emotional aufgeladene Feindstimmung hervorrief. Der Kaiser tat das Seine dazu, durch großsprecherische und ungeschickte Äußerungen die Briten vor den Kopf zu stoßen. Das Verhalten der deutschen Delegation auf der Den Haager Friedenskonferenz war vom gleichen Geist geprägt und ließ erkennen, daß der 14

15 Kaiser nicht bereit war, für die Sache des Friedens und der Verständigung in seiner Flottenrüstung Konzessionen zu machen. Der Anschluß Großbritanniens an die französisch-russische Entente war die logische Folge des deutschen Fehlverhaltens. So blieb dem Deutschen Reich als einziger Bündnispartner nur der habsburgische Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, aber gerade die unglückselige Verstrickung der Donaumonarchie in die hochexplosiven Balkankonflikte riß das Reich nach dem Mord von Sarajewo in die Strudel der unentwirrbaren Interessengegensätze und nationalen Leidenschaften, aus denen schließlich, von niemandem gewollt, von allen Großmächten aber einkalkuliert, der große Krieg entstand. Die Deutschen hatten zum Schlieffenplan keine Alternative entwickelt. Dieser von dem Chef des Generalstabes der preußischen Armee, Alfred Graf von Schlieffen, 1905 entwickelte Strategieplan für den Fall eines Krieges ging von der Annahme eines Zweifrontenkrieges aus, in den das Deutsche Reich durch die verbündeten Mächte Frankreich und Rußland verwickelt werden könnte. Der Plan berücksichtigte die schwierige Situation der deutschen Mittellage, die die deutschen Militärs zwinge, mit dem Großteil der deutschen Streitkräfte in der ersten Kriegsphase durch einen überfallartigen Überraschungsschlag die Armeen Frankreichs auszuschalten, um dann die gesamte Heeresmacht dem russischen Aufmarsch entgegenwerfen zu können. Die Deutschen begannen den Krieg und nahmen mit der Neutralitätsverletzung Belgiens fast schon fatalistisch die Kriegserklärung Großbritanniens in Kauf. Der Kaiser, der als "Oberster Kriegsherr" eigentlich hätte führen müssen, trat mehr und mehr in den Hintergrund. Die Begeisterung, mit der der Krieg von allen beteiligten Völkern begrüßt worden war, erlosch sehr bald im Grauen der Materialschlachten. Der von den Parteien im Reichstag verabredete Burgfrieden hielt nur bis zum Frühjahr Er zerbrach an der unterschiedlichen Einstellung zum Kriegsgeschehen und zu den heftig umstrittenen Kriegszielen. Die Rechtsgruppierungen bis in das Zentrum hinein unterstützten die diktatorisch auch in die Innenpolitik eingreifende 3. Oberste Heeresleitung Hindenburg / Ludendorff und ihre Kriegsführung, auch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Sie stellten immer neue, maßlos übersteigerte Kriegszielforderungen auf. Die parlamentarische Linke forderte Anstrengungen zur Beendigung des Krieges ohne Vorbedingungen und verlangte die Einlösung des Versprechens, den Parteien im Parlament Mitspracherechte zuzubilligen. Mit dem Kriegseintritt der USA und dem politisch-militärischen Zusammenbruch Rußlands wurde das Jahr 1917 Krise und Wendepunkt des Ersten Weltkrieges. Der dem revolutionären Rußland auferlegte Friede von Brest-Litkowsk brachte für die Westfront nicht die erhoffte Entlastung, ein Entscheidungssieg im Westen war nun vollends illusionär geworden. Aber erst 15

16 nachdem der Versuch, mit der Frühjahrsoffensive im Jahr 1918 doch noch die militärische Entscheidung zu erzwingen, gescheitert war, gab Ludendorff die Aussichtslosigkeit der Fortsetzung des Kampfes zu, verlangte jetzt plötzlich die sofortige Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen und verordnete selbst die seit Kriegsbeginn überfällige Parlamentarisierung der Verfassung. Mit dieser "Revolution von oben" sollte den ungeliebten Parteien die undankbare Aufgabe zugeschoben werden, den Waffenstillstand auszuhandeln. "Diese Art von Revolution", urteilte der Historiker Arthur Rosenberg ironisch, "ist in der ganzen Weltgeschichte ohne Beispiel." Aber es gab nichts mehr zu verhandeln, die Chance, einen Frieden auf der Basis der 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten Wilson zu erhalten, war vertan. In Berlin wurde die Republik ausgerufen, der Kaiser ging ins Exil nach Holland, die Sozialdemokratie übernahm die Regierungsverantwortung, die Militärs verhielten sich abwartend im Hintergrund, die Machteliten blieben. In Compiégne unterschrieb der deutsche Delegationsführer, der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger, den Waffenstillstandsvertrag, der einer politischen und militärischen Kapitulation gleichkam. An allen Fronten schwiegen die Waffen, der mörderischste Krieg, den die Weltgeschichte bisher erlebt hatte, war zu Ende. Daß ein Politiker der Parteienkoalition, die den neuen, demokratischen Staat zu tragen bereit war, seinen Namen unter diesen Waffenstillstandsvertrag gesetzt hat, sollte die junge Republik, wie sich bald herausstellte, noch teuer zu stehen kommen. 16

17 Frauenleben im Kaiserreich Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, einen knapp gehaltenen Überblick über das Leben der Frauen im Kaiserreich zu vermitteln. Da die betreffende Gesellschaft in scharf voneinander sich unterscheidenden Klassen zerfiel, empfiehlt es sich, Frauenleben, die für die die Gesellschaft ausmachenden Klassen repräsentativ stehen, darzustellen. Zum Zweck einer besseren Prägnanz des darzustellenden Sachverhaltes soll anhand von Lebensberichten bzw. von biographischem Material aus der damaligen Zeit ein plastisches Bild entworfen werden. Detaillierte Ausführungen können in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Schwerpunktmäßig sollen Berufs-, Ehe- und Hausfrauenleben im Zentrum der Beschreibung stehen. Töchter aus dem Adel und dem gehobenen Bürgertum Das Leben der Töchter aus "gehobenen Kreisen" war sehr viel stärker in Konventionen und in von der Gesellschaft festgelegten Benehmensregeln eingebunden als das der Frauen aus den "einfachen Kreisen". Diese waren zum Teil durch materielle Not gezwungen, arbeiten zu gehen, was ein gewisses Maß an Erfahrung und Selbständigkeit mit sich brachte. Selbst die Kleinbürgerin war, was die praktischen Dinge des Lebens betraf, der Tochter aus "gutem Hause" um ein Vielfaches überlegen. Während die jungen Mädchen aus dem Großbürgertum wenigstens noch etwas von der Geschäftigkeit und dem Aufstiegsfieber ihrer Väter beeinflußt waren, wenn auch ihre Erziehung nach den Maßstäben des Adels ausgerichtet gewesen war, so hatten die Mädchen aus dem Adel nichts von alledem. Die Gesellschaft von damals gab ihnen eine Erziehung, die sie zu nichts anderem befähigen sollte, als bei ihrer Verheiratung eine gute Partie zu machen. Nach den damaligen Normen sollte eine junge Dame möglichst ungebildet, schamhaft, ahnungslos, unsicher und unpraktisch in die Ehe gehen. Sie durfte nicht berufstätig sein, durfte auch im Hause keine Arbeiten verrichten und hatte niemals die Möglichkeit, sich alleine in Gesellschaft zu begeben, außer zum Kaffeekränzchen oder bei Handarbeiten mit anderen jungen Damen. Die Beschäftigung mit geistigen Dingen blieb ihr ebenso versagt. Ihre einzige Aufgabe bestand darin, Wohlstand und gutes Benehmen zu repräsentieren. Den Status der Ehe zu erreichen und das Gelingen dieser war das einzige wichtige Ziel im Leben der Frau. Die Frauen hatten somit so gut wie keine andere Chance, als sich dem Mann und der Familie ergebenheitsvoll aufzuopfern und übermenschliche Kräfte zu mobilisieren, wenn es darum ging, unerträgliche und demütigende Verhältnisse über sich ergehen zu lassen. Besonders nach außen hin mußte der Schein der glücklichen Ehe, die helle Welt des harmonischen Familienlebens gewahrt bleiben. Das gelang oft nur durch das Schweigen der Frauen, ihren Verzicht auf Gespräche über die sie berührenden Probleme, auf das Austragen von Konflikten in einer Diskussion, und damit 17

18 wuchs ihre Unfähigkeit, persönliche Dinge überhaupt formulieren und aussprechen zu können. Derartig fortgesetzte Verdrängungsvorgänge haben viele von ihnen krank gemacht und führten zu Neurosen und Hysterien, deren familienbezogene Ursprünge Siegmund Freud zum Ende des Jahrhunderts aufdeckte (vgl. Weber-Kellermann, S.98). Die Auswahl des richtigen Ehemannes nahmen die Eltern des Mädchens vor, hauptsächlich unter Berücksichtigung materieller Gründe. Folgende Heiratsannonce eines Vaters für seine Tochter war damals durchaus nicht unüblich: "Zwecks Heirat. Im Hinblick auf mein Alter suche als Vater, völlig sekreter Weise allen Angehörigen gegenüber, für meine Tochter, evang., 25 Jahre alt, stattliche Erscheinung, angenehm gebildet, auch musikalisch und sprachlich, sowie in Kunstfertigkeiten geübt, dabei sehr häuslich und bescheiden, vornehm in Gesinnung und Charakter, zwecks Heirat, akademisch gebildeten Mann von empfehlendem Äußeren, größerer Figur, bester Gesundheit und zweifellos gediegenem Charakter, etwa Anfang Dreißig, bevorzugt Arzt, Jurist, höherer Beamter, Oberlehrer, Apotheker. (Witwer ausgeschlossen). Bei angenehmer Aussteuer Jahreszuschuß circa 5000 M. als Zinsen, sichergestelltes Kapital von M. Diskretion gegen Diskretion. Streng reelle, möglichst erschöpfende Zuschriften, zunächst wohl anonym, unter... innerhalb acht Tagen erbeten. Ev. Antwort etwa 14 Tage darauf zu gewärtigen." (vgl. Fuchs, S.62). Die Heiratschancen einer Frau hingen weit weniger von ihrer Schönheit als von der Höhe ihrer Mitgift ab - und die stand im umgekehrten Verhältnis zur Zahl der Geschwister. Das Einkommen der bürgerlichen Familie wurde in erster Linie in die Ausbildung der Söhne investiert. Eine Mitgift, die den Töchtern gezahlt wurde, bedeutete häufig Kapital, das dem Familienunternehmen entzogen werden mußte: Bei mehreren Töchtern konnte es an die Substanz gehen - es sei denn, sie machten ausgezeichnete Partien, die der Familie andere Geschäftvorteile brachten. So wurde die "höhere Tochter" von der Hand des Vaters in die Hand des Gatten "weitergegeben", ohne jemals die Chance gehabt zu haben, sich eine eigene Persönlichkeit aufzubauen. Die Mädchen wurden bis zu ihrer Verheiratung kindlich gehalten. Das Ideal der bürgerlichen Ehe war die "vernünftige" Liebe: Mann und Frau sollten einander schätzen und achten, und die Frau sollte nicht geradezu Widerwillen beim Gedanken an die physische Vereinigung empfinden, aber gefragt war keineswegs eine blinde Leidenschaft, die sich über alle finanziellen Erwägungen hinwegsetzte. Damit waren die Wahlmöglichkeiten schon erheblich eingeschränkt, vor allem für die Frauen, die sich häufig nicht leisten konnten, einen Antrag abzulehnen, da die Alternative, als "alte Jungfer" sitzenzubleiben, besonders trostlos erschien. Es bedeutete, nach dem Tod der Eltern, die soziale 18

19 Isolation, wenn nicht verheiratete Brüder oder Schwestern bereit waren, sie zu sich zu nehmen, und es bedeutete sehr häufig eine quälende finanzielle Abhängigkeit. Nur wenige Frauen erbten so viel Vermögen, daß sie sich davon auf Dauer allein unterhalten konnten (vgl. Schenk, S. 61). Die Not einer "sitzengebliebenen" jungen Frau soll im folgenden verdeutlicht werden: "Ich bin achtundzwanzig und schon ein spätes Mädchen... Heiraten soll ich durchaus... drum werde ich 'rumgeschickt... Überall, wo 'ne gute Partie zu machen ist, da muß ich in die Erscheinung treten... und war es mal wieder nichts, dann geht die Geschichte von neuem los... Zwei Schwestern und zwei Tanten habe ich... die wechseln sich ab... und alle haben eine Heidenangst, daß ich sitzen bleibe, denn dann lieg' ich ihnen für immer auf dem Halse... Gelernt habe ich nichts. Dafür war meine Kinderstube zu fein... Höchstens Hausdame könnte ich werden. Repräsentation nennt man das wohl. Bei einem älteren Witwer... Es mag auch ein Junggeselle sein... der sich dann vielleicht in einen verliebt... Und wenn er auch grau und picklig ist... Dafür muß man Gott danken, denn das ist die einzige Karriere, die man zu machen hat." ( vgl. Sudermann, S. 273ff.). Es gehörte zur guten Erziehung, so wenig wie möglich von den Realitäten der Welt zu wissen, von Politik, Arbeitsverhältnissen und Sexualität. Allem sollte sie naiv gegenüberstehen und gesellschaftliche Prozesse nur über die Vermittlung des Ehemannes in Erfahrung bringen. Selbst wenn Zuneigung oder Verliebtheit die Grundlage der Ehe war, konnte eine Frau vor dem Hintergrund ihrer Unerfahrenheit "das große tiefe Geheimnis des Geschlechts... wie eine gräßliche Untat" erleben. So berichtet Vicky Baum ( ) von der Hochzeitsnacht ihrer Mutter: "Ich glaube, daß meine Mutter noch bis zu diesem Tag mit Puppen gespielt hat. Und da auch ihre Mutter ein Kind geblieben war, ließ sie ihre Tochter in die Hochzeitsnacht stolpern, ohne ihr weitere Instruktionen mitzugeben, als daß eine Braut sich in jegliches, noch so unangenehm und unanständig geartetes Tun des Bräutigams zu fügen habe. Für meine Mutter hörte sich das ähnlich an wie die Predigt vor dem ersten Gang zum Zahnarzt. In ihrer unglaublichen Unwissenheit hoffte die kleine Braut wahrscheinlich, ohne wesentliche Belästigungen davonzukommen. Schließlich hatte ja auch der Zahnarzt niemals einen Defekt an ihren kräftigen weißen Zähnen gefunden und ihr niemals weh getan. Jetzt ist sie also zum erstenmal allein mit ihrem Mann. Ganz Unschuld, Dummheit, Gehorsam, mit den allerfeinsten handgestickten weißen Seidenstrümpfen, weißen Satinschuhen in Kindergröße, weißem Schleier und weißem Mürtenkranz. Auch Vater bebt vermutlich in seinen Lackschuhe, denn, um Himmels willen, wie machte man den Anfang mit einer Jungfrau? Er stellt ihr ein paar ungeschickte Fragen, entdeckt ihre abgrundtiefe Unkenntnis der Dinge. Es rührt ihn zwar an, doch es macht die ohnehin schwierige Situation noch so viel schwieriger. Die 19

20 Mietdroschke rattert über das Kopfsteinpflaster, es wird dunkel, es regnet. Vater sagt dem Kutscher, er solle eine Fahrt um den Ring machen. Das ist kostspielig, aber es braucht Zeit, um seiner kleinen Frau die schrecklichen Tatsachen des Lebens zu erklären. Ich bin sicher, daß er es mit Methode tat, in echtem Revisorenstil und den rauen, ungeschminkten Ausdrücken eines älteren Junggesellen. Um die Mitte dieser gänzlich viktorianischen Hochzeitsnacht lief sie fort. Zurück zu den Eltern wie so manche andere entsetzte junge Braut. Früh am nächsten Morgen übergab ihr Vater, der Mann von Welt, der stürmische Romantiker, sie ihrem Ehemann erneut zu treuen Händen. Vielleicht mit ein paar zarten Winken, wie man eine noch sehr kindliche, empfindsame Braut behandelte. Und sie fügte sich, ganz wie man es ihr gesagt hatte - und wie Tausende von Mädchen sich einem unerwünschten, ungeliebten Mann fügten." (vgl. Baum, S. 56f). Auch wenn die Mutter von Vicky Baum nicht ganz repräsentativ für die Kaiserzeit sein kann, so haben sich die Erziehungspraktiken der älteren Generation ohne wesentliche Veränderungen tradiert. Hinzu kommt die Tatsache, daß das Leben der Frauen insbesondere in puncto Sexualität in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht restriktiver war als zuvor. Exkurs: Bildung und die gesetzliche Verankerung der Rolle der Frau Eine Berufsausbildung der Mädchen wurde damals von dem überwiegenden Teil der Standesgenossen als nicht standesgemäß betrachtet; schlimmer noch: sie war als Emanzipiertheit verpönt. Auch bei bescheidener materieller Lage wurde eine Ausbildung für die "höheren Töchter" nicht in Erwägung gezogen. Die einzige Möglichkeit, die in Einzelfällen überhaupt in Frage und zum Zuge kam, war der Besuch einer höheren Mädchenschule zum Zwecke der Ausbildung zur Lehrerin oder zum Zwecke der Erlangung elementarer Kompetenzen im Umgang mit Sprachen, mit kaufmännischen Zusammenhängen und dergleichen mehr. Diese Schulform wurde aber grundsätzlich vom mittleren Bürgertum (z.b. Kaufmannsfamilien) bevorzugt. Diese höheren Mädchenschulen zur Zeit der Jahrhundertwende waren vom Elementarschulwesen deutlich abgehoben. Als Schulen für Mädchen aus mittleren und höheren Sozialschichten hatten sie auf diese Schichten bezogene Erziehungs- und Bildungsaufgaben zu erfüllen sowie in ihrer Außendarstellung den sozialen Abstand zu den Elementarschulen zum Ausdruck zu bringen. Die höheren Mädchenschulen sollten der Bildung der zukünftigen Gattin, Hausfrau und Mutter dienen, "damit der deutsche Mann in seinem Heim nicht gelangweilt werde von der Kurzsichtigkeit und Engstirnigkeit seiner Frau und daher in seiner Hingabe an höhere Aufgaben behindert werde." Zum Lehrplan der Schulen gehörte nahezu immer das Fach weibliche Handarbeiten. Die Höhe des 20

21 Schulgeldes zeigt, daß die höhere Bildung für die Töchter sicherlich auch mit der Überlegung verknüpft wurde, die Chancen auf Verheiratung zu verbessern. Um die Jahrhundertwende gab es natürlich einige Studentinnen. 1897/98 besuchten 200 Frauen die Berliner Universität. Die Zulassung für Frauen wurde jedoch äußerst restriktiv gehandhabt: sie brauchten die Erlaubnis des Kuratoriums, sodann die des Rektorats sowie die der Professoren und Dozenten. An den preußischen Universitäten durften die Frauen zu diesem Zeitpunkt noch kein Staatsexamen absolvieren. Es versteht sich von selbst, daß auf Universitäten und Schulen die leitenden Funktionen mit männlichem Personal besetzt waren. Die studierenden Frauen rekrutierten sich zunächst fast ausschließlich aus Gelehrtenfamilien. Die Überzeugung, daß die Frauen in ihren traditionellen Rollen und Aufgaben verbleiben sollten, erhielt Ausdruck im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900: Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheit zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung Die Frau ist, unbeschadet der Vorschriften des 1354, berechtigt Lind verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten. Zu Arbeiten im Hauswesen und um Geschäfte des Mannes ist die Frau verpflichtet, soweit eine solche Tätigkeit nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist Die Frau ist berechtigt, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten. Der Mann kann das Recht der Frau beschränken oder ausschließen.(... ) Das Vermögen der Frau wird durch die Eheschließung der Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen (eingebrachtes Gut). Zum eingebrachten Gute gehört auch das Vermögen, das die Frau während der Ehe erwirbt (vgl. Hubbard, S.73). Aus diesen Gesetzestexten geht deutlich hervor, daß die Frauen, relativ unabhängig ihrer Klassenzugehörigkeit, massiv benachteiligt wurden. Frauen des Mittelstandes und des Kleinbürgertums Die Frauen der Bevölkerungsgruppe der kleinen Handwerker und Kaufleute, der kleinen Angestellten und Beamten und Dienstleistungsberufe in der Kaiserzeit zeichneten sich durch Arbeitsfleiß aus, sei es als Mitarbeiterinnen ihres Mannes in einem Familienbetrieb, sei es als Hausfrauen, die nur die Hilfe ihrer heranwachsenden Kinder zur Verfügung hatten, sei es als Heimarbeiterinnen. 21

22 Versehen mit einem konformistisch-privatistischen und unselbständig politischen Bewußtsein neigten sie zu sozialen Vorurteilen, Stereotypen und betrachteten sich gerne als die Vertreterinnen eines "gesunden Volksempfindens". Im Widerstreit zwischen Bourgeoisie und Arbeiterschaft versuchten Teile des Kleinbürgertums, Vermittlungsaufgaben wahrzunehmen. Jedoch der mehrheitlich empfundene Wunsch, aufzusteigen und dem bürgerlichen Vorbild nachzueifern, verhinderte meist eine autonome Lebensplanung und -gestaltung. Das Konkurrenzdenken innerhalb der Gruppe, deren nach Ordnung, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Sparsamkeit und gutem Ruf gestaffelter Katalog von Normen und Werten unanfechtbare Gültigkeit besaß, drängte sie zur Absicherung ihres Lebensstandards und einer ängstlichen Anpassung an bürgerliches Denken (vgl. Weber-Kellermann, S. 148). Die Notwendigkeit der Eheschließung war für das Kleinbürgermädchen genauso zwingend wie für ihre großbürgerliche Geschlechtsgenossin im Hinblick auf das soziale Ansehen in ihrer Gesellschaftsschicht. Aber da sich die Mädchen meist in irgendeiner Weise erwerbstätig beschäftigten und nicht nur hinter "weiblichen Handarbeiten" saßen, hatten sie mehr ungezwungene Gelegenheit zum Kennenlernen eines zukünftigen Ehepartners. Auch waren sie oft freimütiger, wohl auch aufgeklärter und nicht so unerfahren wie die Bürgertöchter, wußten mehr vom "Leben", denn sie hörten von klein auf die Gespräche der Erwachsenen und lebten nicht künstlich abgeschirmt von den Realitäten des Tages. So lernten die Mädchen auf dem Markt die Händler kennen, beim Arbeitsgespräch des Vaters einen Handwerksgesellen, beim Wareaustragen andere Gleichgestellte, beim Tanzvergnügen einen Soldaten, an der Haustür den Briefträger. Daß nach außen genauso auf Tugend und Anstand gehalten wurde wie in den höheren Kreisen, versteht sich, denn das gehörte um bürgerlichen Image (vgl. Weber-Kellermann, S. 149f.). Dennoch ist festzuhalten, daß diese Frauen aller Repressivität des bereits genannten Tugendkatalogs zum Trotz sehr viel freizügiger im Umgang mit Sexualität waren. 22

23 "Daß Anni trotz ihres unschuldvollen Gesichtchens und ihrer kindhaften Gestalt schon manches erlebt hatte, darüber durfte ich mich nach der Unbedenklichkeit, mit der sie in der ersten Stunde unserer Bekanntschaft meine Zärtlichkeiten erwidert, und der glühenden Erfahrenheit ihrer Küsse keiner Täuschung hingeben, und auf dem ersten abendlichen Spaziergang, wenige Tage später, vertraute sie mir mit der halben Aufrichtigkeit, die bei der Einleitung solcher Beziehungen nicht wohl zu umgehen ist, und die zugleich einen Reiz mehr bedeutet, daß sie zwar schon einigen Männern sehr nahegestanden, aber nur einen wahrhaft geliebt habe und eigentlich noch immer liebe: einen zu jener Zeit ziemlich populären, übrigens verheirateten Kapellmeister eines kleinen Orchesters, das in Wirtshäusern zum Tanz oder auch zur Unterhaltung aufzuspielen pflegt. Von diesem Vorstadt-Don-Juan war sie in die Hoffnung gekommen, hatte es aber vorgezogen, ihrem Zustand ein gewaltsam-vorzeitiges Ende zu bereiten; und so gehörte sie, in der mahnenden Erinnerung jenes peinlichen Zwischenfalls und durch ihr Temperament doch immer wieder in neue Liebesabenteuer getrieben, zu den fast bedauernswerten weiblichen Geschöpfen, die von einem Monat zum andern in einem steten Wechsel von Leichtsinn und Angst dahinzuleben verdammt sind. Doch war in ihrer Seele Leichtsinn das stärkere Element; und so verlief auch unser nur kurz währendes Verhältnis, abgesehen von wenigen unruhvollen Tagen, in deren Sorgenbann sie sich mit einem rasch wieder gebrochenen Eid verschwor, mir jemals wieder anzugehören, beinahe ungetrübt, und da ich für meine Person mich völlig ohne Verantwortung fühlte so zählten die spärlichen Stunden, die mir in Annis Armen vergönnt waren, zwar nicht zu den leidenschaftlichsten und tiefsten, doch zu den angenehmsten und heitersten meiner Jugendzeit....Und war sie eben noch in dem behaglichen, wohlbeheizten Kämmerchen, in das sie mir immer erst nach einigem Zögern folgte, im Zauber der Stunde selig verloren, die ausgelassenzärtliche Geliebte gewesen, so mußte sie nur über die schwach beleuchtete Treppe, durch den halb dunklen Hausflur, aus der verschwiegendämmerigen Nebengasse in den nüchtern-grellen Laternenschein der Hauptstraße treten, um sich, ein unauffälliges, kleines Bürgerfräulein unter vielen anderen, mit unbefangen hellem Aug, in das Gewimmel der abendlichen Geschäfts-, Spazier- und Heimwärtsgänger zu schicken; und eine Viertelstunde darauf erschien sie gewiß, zwar etwas verspätet, aber harmlos lustig und Lustigkeit um sich verbreitend, als das brave, schlimme Töchterchen am Familientisch und brachte, ob man's nun glauben wollte oder nicht, eine schöne Empfehlung von dem Kaufmann, wo sie irgendwas besorgt, oder einen Gruß von der Freundin, mit der sie sich wie gewöhnlich ein bißchen verplaudert hatte. Und merkte die Mutter vielleicht, während das anmutige Kind mit Appetit ihr aufgewärmtes Nachtmahl verzehrte, daß die Zöpfe nicht genauso gesteckt waren wie am Nachmittag, da man sich nach dem Kaffee so eilig davongemacht hatte, so unterließ sie lieber naheliegende Bemerkungen und Fragen, warf einen Seitenblick auf den seit jeher so vertrauensvollen Vater... (vgl. Schnitzler, S. 144ff.). 23

24 Diese zynisch anmutende Beschreibung dokumentiert eindrücklich den äußeren Scheincharakter des erwähnten Tugendkataloges, denn hinter den Kulissen spielten sich Frauenschicksale ab, die deutlich machen, wieviel Lebenslüge am Werke war. Wenn diese Mädchen tatsächlich ein uneheliches Kind zur Welt brachten, mußten sie mit Verfemung und Ausgrenzung sozialer Art rechnen. Eine etwaige Abtreibung bei einer "Engelmacherin" ging immer mit der Möglichkeit des tödlichen Ausgangs für die Mutter einher. Das Leben der Mittelstandsfrau verlief hinter den verschlossenen Türen des bürgerlichen Wohnzimmers. Berufliche Aktivitäten, mittels derer sie bestrebt waren, ein Stück Selbständigkeit und materielle Beweglichkeit zu erlangen, konnten nur versteckt durchgeführt werden, denn es war ihnen nicht erlaubt, sich offen zur Berufstätigkeit zu bekennen. Aus diesem Hintergrundleben heraus war ihnen die Arbeit vertraut und gelegentlich erfüllte sie auch ihre Lebenswelt - im krassen Gegensatz zu ihren großbürgerlichen Geschlechtsgenossinnen. In diesem Zusammenhang darf es also nicht verwundern, daß für die meisten Frauen die Küche so etwas wie den "Hausfrauen-Stolz" ausmachte. Der Unterschied zur Frau aus dem Großbürgertum bestand darin, daß die Mittelstandsfrau in der Küche selbst tätig war, während ihre großbürgerliche Geschlechtsgenossin lediglich Anweisungen erteilte. Dienstmädchen Zur Veranschaulichung der Lebenswelt dieser Frauengruppe seien folgende lange Passagen aus damaligen Originalquellen zitiert. Hervorzuheben ist, daß diese Frauengruppe in besonderer Weise Ausbeutung, sozialer Isolierung und Diskriminierungen aller Art ausgesetzt war. Die Natur ihrer Arbeit, die sie zu verrichten hatten, brachte es mit sich, daß wenig Kontakt zu "Kolleginnen" bestand, und die Abhängigkeit zu den "Herrschaften" um so größer war, so daß die Bildung von Interessenverbänden um die Jahrhundertwende nur sehr zögerlich vonstatten ging. Diese Mädchen hatten einen langen Arbeitstag, mußten immer zur Verfügung stehen und wurden nicht zuletzt sexuell ausgebeutet. Es war durchaus üblich, daß der "junge Herr" seine ersten sexuellen Erfahrungen bei dem Dienstmädchen machen sollte. Treues Dienen Gute, rechtschaffene Dienstmädchen sind eine zuverlässige Stütze der Hausfrau; sie erweisen sich treu, lassen sich weder durch Furcht vor ihren Mitgenossen, noch durch Geschenke zu irgend einer Untreue verleiten, auch vermeiden sie den Umgang mit solchen Leuten, die von der Herrschaft übel reden. Sie halten es für unrecht, der Herrschaft auch nur das geringste von ihrem Hab und Gut zu entwenden; sie beherzigen auch, daß derselben durch Trägheit und Nachlässigkeit Zeit und Vorteile verloren gehen, und die Herrschaft dadurch ebenso benachteiligt wird, wie durch Veruntreuung. Sie machen ihrer Herrschaft das Regiment nicht durch Ungehorsam schwer, sondern üben ihr Gebot ebenso 24

25 getreu hinter ihrem Rücken, als vor ihren Augen. Sie geben sich Mühe und suchen eine Ehre darin, alle ihre Pflichten und Arbeiten zur Zufriedenheit der Herrschaft pünktlich auszuführen, sich immer mehr nützlich zu erweisen und den Wohlstand ihrer Herrschaft fördern zu helfen. Darum verschlafen sie die frühen Morgenstunden nicht, stehen vielmehr ungeweckt zeitig auf, sich auf die Glocke der Hausfrau zu verlassen, wäre beschämend für sie. Sie lassen auch nicht das geringste von dem, was unter ihrer Hand ist, und was zum Nutzen für Menschen und Vieh gebraucht werden kann, verderben und verkommen. Sie weigern und schämen sich keiner Arbeit, welche die Herrschaft sie verrichten heißt, auch dann nicht, wenn sie unbequem auszuführen ist. Guter Wille macht jede Arbeit leicht. Der verächtlichen Gewohnheit des Naschens geben sie sich nicht hin, sind nicht neugierig, horchen nicht an den Thüren, was meist nur Dienstboten thun, welche ein böses Gewissen haben; sie plaudern nicht aus dem Hause, viel weniger äußern sie sich nachteilig über ihre Herrschaft; denn die Ehre der Herrschaft ist ihre eigne Ehre. Sie sind bescheiden, ehrerbietig und freundlich und setzen in die Herrschaft ein festes Vertrauen. Sie bleiben in allen Stücken bei der Wahrheit; es ist ein schöner Ruhm, wenn die Herrschaft sagen kann: ich darf mich auf das Wort meiner Dienstboten verlassen. Darum gestehen sie lieber ein Versehen ein und nehmen eine Zurechtweisung mit Bescheidenheit hin, als daß sie sich mit Unwahrheiten durchhelfen wollten. Auch trotzen sie nicht, selbst dann nicht, wenn sie glauben, daß ihnen unrecht geschehen sei. Die Dienstboten sollten bedenken, daß es oft leichter ist, zu gehorchen als zu regieren, und daß eine Herrschaft vieles, vieles zu überdenken hat, womit manche Sorge verbunden ist, welche sie gar nicht kennen. Wenn sie ihre Pflichten redlich erfüllt haben, können sie sich sorglos zu Tische setzen und sich sorglos zur Ruhe legen. Die Herrschaft aber muß neben der Leitung des Ganzen zugleich darauf bedacht sein, die Mahlzeiten zu beschaffen und den Lohn zu entrichten, und hat es oft weniger gut als die Dienstboten. Ferner betragen sich ehrbare Dienstboten sittlich, sie führen keine unschicklichen Reden, unter keiner Bedingung in Gegenwart von Kindern, erlaubte Wünsche aber gewähren sie den Kindern - dem höchsten Gut ihrer Herrschaft - gern. (... ) Gute Dienstboten gehen auch gern zur Kirche-, aber sie sorgen auch, daß die Herrschaft nicht dadurch in Verlegenheit gerate, stehen vielmehr früh genug auf, um vorher die ihnen obliegende Morgenarbeit zu verrichten. Sie gewöhnen sich an Reinlichkeit und Ordnung, sind zufrieden mit ihrer Lage und blicken nicht neidisch auf solche, die ein besseres Los empfangen haben; sie wissen, es ist Gottes Werk, daß Reiche und Arme untereinander wohnen, und daß dadurch einzig und allein die Weltordnung bestehen kann, sie wissen, daß der höhere Stand seine Freuden und Vorzüge hat und glauben es, daß er auch sein Ungemach hat, und daß mitunter solche am allerwenigsten zu beneiden sind, 25

26 denen Reichtum den Genuß aller irdischen Freuden gewährt." (vgl. Davidis, S. 133). Dienstmädchen in Berlin um 1900 Die Dienstboten bilden bei uns einen Berufsstand von 1,3 Millionen Menschen, von diesen entfällt ca. der 20. Teil auf Berlin. Als die größte Stadt in Deutschland hat sie absolut, wenn auch nicht relativ, die größte Dienstbotenhaltung. Durch einige weitere statistische Angaben über Geschlecht, Civilstand und Alter suchten wir in die Structur dieser Classe etwas näher einzudringen. Wir sahen, daß die große Masse der Dienstboten, nämlich 96%, aus ledigen Mädchen besteht. Sie treten in jugendlichem Alter, teilweise noch als Kinder, in den Dienst ein und sind mit ca. 30 Jahren verbraucht. Der Dienstbotenberuf ist nur eine Episode in ihrem Dasein. Aus der enquete ergiebt sich, daß die oberen Altersclassen stärker mit Köchinnen besetzt sind. Wir können daher innerhalb des Dienstbotenberufs einen socialen Aufstieg annehmen, dessen drei Etappen wir anführten. Was die Herkunft der Mädchen anbelangt, so ergab sich, daß jährlich über Mädchen nach Berlin kommen. Das Hauptcontingent stellt die Provinz Brandenburg. Die Ansprüche dieser aus culturell wenig entwickelten Gebieten kommenden Mädchen sind gering. Daher die Begünstigung des Zuzugs von seiten der Herrschaften. Das Mädchen vom Lande ist heute der Typus des Berliner Dienstmädchens. In Berlin gebürtige Dienstboten sind verhältnismäßig selten; ihre Zahl beträgt ca Die Armee dieser ortsgebürtigen recrutiert sich vornehmlich aus Waisen, Unehelichen und den am schlechtesten gestellten Proletarierinnen. Die Zugezogenen müssen sich in den bürgerlichen Haushaltungen ganz neuen Arbeits- und Lebensbedingungen anpassen, ein Proceß, der gewisse Störungen im Gefolge hat, die noch viel zu wenig beachtet werden. Das ortsfremde Mädchen fühlt sich in den meisten Fällen verlassen, es hat keinen Anschluß und findet denselben auch nicht etwa in der Familie des Dienstgebers, der einer ganz anderen socialen Classe angehört und andere Interessen, Neigungen, Sitten und Gewohnheiten hat. Das Berliner Dienstmädchen stammt aber nicht nur aus Gegenden mit niederer Lebenshaltung, sondern auch, was schwerer wiegt, aus Familien, in denen dieselbe zu Hause ist. Diese repräsentieren Berufsclassen, die auf der untersten Sprosse der socialen Leiter stehen und meistens einen harten Kampf ums Dasein kämpfen. Es sind der ländliche und kleinstädtische Arbeiterstand, das zu 50% auf dem Lande vertretene Handwerk und eine Anzahl kleiner, schlecht bezahlter Beamtenfamilien, die ihre Töchter in herrschaftliche Dienste schicken. Ein Übergang aus anderen Berufen dürfte selten sein. Die Zahl der gewerblichen Berufe, die Dienstboten stellen, beschränkt sich fast ausschließlich auf die großstädtische Hausindustrie. Selbst der Niedergang der industriellen Conjunctur läßt der Fabrikarbeiterin den häuslichen Dienst noch nicht als begehrenswert erscheinen... Das Wesentliche der von den Dienstmädchen geleisteten Hausarbeit liegt in ihrer zeitlichen Unbegrenztheit. 26

27 Sie sind zur Arbeit verpflichtet Tag und Nacht. Dem Gesinderecht ist der Begriff der Ueberarbeit unbekannt, ebenso der Begriff der Nachtarbeit. (... ) Von den Dienstmädchen, die Angaben gemacht haben, arbeitet etwa die Hälfte länger als 16 Stunden, nämlich 51,5%, die andere kleinere Hälfte arbeitet Stunden und nur etwa 2% weniger als 12 Stunden. Am ungünstigsten unter allen Dienenden stehen die Mädchen für alles da. Bei ihnen beträgt der Anteil derjenigen, die länger als 16 Stunden täglich in die Tretmühle häuslicher Verrichtungen eingespannt werden, 58,8%. Relativ günstiger gestaltet sich die Arbeitszeit für die Köchinnen und die Hausmädchen. Von den ersten arbeiten 49,1%, von den letzteren 42,3% über 16 Stunden täglich (vgl. Stillich, S. 135f). Proletarische Lebensläufe Uneheliche oder voreheliche Kinder waren bei den doch wenig kontrollierten Beziehungen in Arbeiterfamilien zwischen den Geschlechtern keine Seltenheit und keine Katastrophe wie in Bürgerkreisen. Die Proletarierin erblickte im vorehelichen Geschlechtsverkehr nichts Schändliches, sobald er sich nur auf einen erstreckt, von dem sie es dann aber auch für selbstverständlich hält, daß er sie heiratet, ebenso wie er es als unehrenhaft empfinden würde, die Geliebte zu verlassen. Die "Ehre" bestand nicht darin, "keusch" zu bleiben; Jungfräulichkeit besaß keinen eigenständigen Wert. Der "Ehre" war Genüge getan, wenn der Entschluß zur Heirat oder zum Miteinandergehen gefallen war, es bestand dann kein moralischer Anreiz mehr, sexuelle Bedürfnisse aufzuschieben. Im Gegenteil: Da niedrige Löhne in den ersten Fabrikarbeitsjahren, Wohnungsprobleme oder Schwierigkeiten mit der Aufenthaltserlaubnis oft eine Familiengründung erschwerten, schaffte der voreheliche Verkehr als Antizipation der Ehe Bindungen, die es erst erlauben, gemeinsam auf die Schaffung einer wirtschaftlichen Basis hinzuarbeiten. Die Heirat selbst wurde möglichst lange hinausgeschoben, und viele Paare waren bis zu 8 bis 10 Jahre miteinander verlobt (vgl. Lipp, S.59). Daß auch eine Heirat nicht sein mußte, war eine der wenigen Freiheiten, die sich diese Klasse leisten konnte und zu der sie von ihren Arbeiterführern ermuntert wurde. Es waren meist die Vertreter der Kirche, die hier ordnend eingriffen. Die österreichische Arbeiterführerin Adelheid Popp ( ) schrieb: "Liebe ist sittlich auch ohne Ehe, aber Ehe ist unsittlich ohne Liebe." Liebesgefühle, eine Schwangerschaft und der Wunsch, sich gemeinsam eine Existenz zu schaffen, führten zwei Menschen zusammen. Daß ein schwangeres Mädchen von ihrem Arbeiterliebsten endgültig "sitzengelassen" wurde, soll selten vorgekommen und von den Arbeitskollegen mit harten Sanktionen belegt worden sein. Die konservative Gesellschaft warf den Sozialisten "Unmoral" vor, sexuelle Libertinage und den geplanten Untergang von Ehe und Familie. 27

28 Die Hochzeit war für das Arbeitermädchen - anders als für die Bürgertochter - kein entscheidender Einschnitt in ihr Leben, denn es änderte sich für sie nichts Grundlegendes. So wurde oft Heirat, Geburt oder Taufe zusammen gefeiert. Der Familienzusammenhang verlor überhaupt an Bedeutung für die Arbeiterin, denn sie bewegte sich ja den ganzen Tag in der Arbeitsszene. So spielten offenbar Freunde und Kollegen für das Feiern von Festen eine große Rolle, vielleicht eine größere als die Verwandten. Meist straften die traurigen Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen den Begriff des "Kindersegens" Lügen. Kinder wurden weder als zukünftige Arbeitskräfte begrüßt, wie das bei den Bauern der Fall war, noch als "Stammhalter", die Namen und Vermögen weitertrugen. Sie waren wie eine unvermeidbare Plage, die den Verdienst des Mannes aufsogen und jedes Vorwärtsstreben zunichte machten, die die Kräfte der Frau seelisch und körperlich verzehrten. Da die Frauen bis zum letzten Augenblick arbeiteten, um keinen Lohn zu verlieren, waren oft die Folgen für sie und die Neugeborenen verheerend. "Geradezu mörderisch wirkt auf das keimende Leben des ungeborenen Kindes die Frauenarbeit. Während die Durchschnittsquote der Totgeburten für die Jahre 1898 bis 1901 in Deutschland 3,3%, in Österreich 2,9% betrug, war sie im böhmischen Textilgebiet mit fast allgemein verbreiteter Frauenfabrikarbeit in Reichenberg 8,9% (Land), Stadt 5,8%, Friedland 6,3%, Gablonz 4,6%, Rumburg 5,4%, ganz Böhmen im Durchschnitt 3,2%. Für unehelich Geborene waren die Ziffern teilweise fast um das Doppelte höher. Der böhmische Sanitätsbericht für 1899 bis 1901 führt zur Erklärung dieser Erscheinung ausdrücklich an, daß die Frauen, um die Kassenmitgliedschaft nicht zu verlieren, bis ans Ende der Schwangerschaft ihrer Arbeit nachgehen, wodurch fehlerhafte Kindeslagen, Nabelschnurvorfälle, Frühgeburten usw. hervorgerufen werden (vgl. Weber-Kellermann, S. 178). Um den kärglichen Arbeitslohn ein wenig aufzubessern, war es üblich, ein Bett zu vermieten. Dazu ein Zitat der Kindheitserinnerungen der Adelheid Popp: "Zum Glück war meine Mutter mißtrauisch, und wir mieteten ein Kabinett, das wir für uns allein hatten. Auch mein jüngerer Bruder kam wieder zu uns und brachte einen Kollegen mit, mit dem er das Bett teilte. So waren wir vier Personen in einem kleinen Raum, der nicht einmal ein Fenster hatte, sondern das Licht nur durch die Fensterscheiben erhielt, die sich in der Tür befanden. Als einmal ein bekanntes Dienstmädchen stellenlos wurde, kam sie auch zu uns, sie schlief bei meiner Mutter im Bett, und ich mußte zu ihren Füßen liegen und meine eigenen Füße auf einen angeschobenen Stuhl lehnen." (vgl. Popp, S. 36). Fabrikarbeit und Dienstmädchenstellung waren die einträglichsten und sichersten von allen respektierten Erwerbstätigkeiten für junge Frauen in den Städten. Wie in früheren Zeiten führten die Frauen die anstrengendsten und 28

29 unangenehmsten Arbeiten für niedrige Löhne aus, um zu überleben. Eine der größten weiblichen Erwerbsgruppe war die der Wäscherinnen, deren Arbeit überaus berüchtigt war für lange Arbeitszeit, Kräfteverschleiß, ungesunde Bedingungen und schlechte Bezahlung. Zur Veranschaulichung der Arbeitsbedingungen in einer Fabrik soll noch einmal Adelheid Popp zitiert werden: "Ich wurde in eine große Fabrik empfohlen, die im besten Rufe stand. 300 Arbeiterinnen und etwa 50 Arbeiter waren beschäftigt. Ich kam in einen großen Saal, in dem 60 Frauen und Mädchen arbeiteten. An den Fenstern standen 12 Tische, und bei jedem saßen 4 Mädchen. Wir hatten die Ware, die erzeugt wurde, zu sortieren, andere Arbeiterinnen mußten sie zählen, und eine dritte Kategorie hatte den Stempel der Firma aufzubrennen. Wir arbeiteten von 7 Uhr früh bis 7 Uhr abends. Zu Mittag hatten wir 1 Stunde Pause, am Nachmittag eine halbe Stunde... Hier waren die anerkannt besten Arbeitsbedingungen. In keiner der benachbarten Fabriken wurde so viel Lohn gezahlt, man wurde allgemein beneidet... Und selbst hier, in diesem "Paradies", ernährten sich alle schlecht. Wer in der Fabrik über die Mittagsstunde blieb, kaufte sich um einige Kreuzer Wurst oder Abfälle in einer Käsehandlung. Manchmal aß man Butterbrot und billiges Obst. Einige tranken auch ein Glas Bier und tunkten Brot ein.... Wir trösteten uns mit dem Gedanken an den Kaffee, den wir für den Nachmittag mitgebracht hatten." (vgl. ebda., S. 77). Neben der Fabrikarbeit mußte auch die Hausarbeit erledigt werden. Für die Frauen begann der Arbeitstag eher als für ihre Männer, einen Feierabend kannten sie nicht, und auch das Wochenende war zumeist mit Hausarbeit verplant. Eine junge Textilarbeiterin beschreibt den Beginn ihres Arbeitstages so: "Die Haare werden gebürstet und gekämmt, das Kleid übergeworfen und sogleich auch die Arbeitsschürze vorgebunden. Das Wasser zur Suppe wird auf Gas gestellt. Die Kartoffeln, die ich am Abend vorher geschält und geschnitten, übergetan. Unterdessen gehe ich ans Treppenhausfenster, um Schuhe zu putzen, damit fertig, gehe ich in die Küche, die nötigen Zutaten in die Suppe zu tun. Kartoffeln und Suppe kochen, die Gashähne werden auf "Klein" gestellt. Dann gehe ich in den unweit vom Haus liegenden Garten Salat zu holen, nehme sogleich den Aschenbehälter vom Kohlenherd und was sonst noch zu befördern ist, mit. Nach wenigen Minuten bin ich wieder zurück, schaue erst nach dem Essen. Der Salat wird geputzt und gewaschen und ins frische Wasser gelegt. Die Küche wird feucht aufgezogen und gekehrt. Das Treppenhaus muß ebenfalls gekehrt werden. Suppe und Kartoffeln sind ebenfalls fertig und werden kühlgestellt. Nun wird Kakao gekocht, das Vesperbrot zum Mitnehmen gerichtet, die Tassen bereitgestellt, gleich ist's 1/2 7 Uhr. Leise gehe ich ins Schlafzimmer, um Otto, meinen Mann, zu wecken." (vgl. Beier, S. 163f). Verheiratete Industriearbeiterinnen scheinen die doppelte, ja mehrfache Arbeitsbelastung jedoch nicht als Diskriminierung empfunden zu haben. Sie akzeptierten die Freisetzung ihrer Männer von der Hausarbeit, denn sie 29

30 identifizierten sich mit ihren Tätigkeiten als Hausfrau und Mutter und litten darunter, wenn sie über der Fabrikarbeit ihren häuslichen Pflichten nur ungenügend nachkommen konnten. Abschließend sei gesagt, daß für die Frauen, die im proletarischen Zusammenhang ihr Dasein fristen mußten, doch ein paar Spielräume vorhanden waren, im Gegensatz zu den besser situierten Geschlechtsgenossinnen, bei denen der soziale Druck flächendeckender ausfiel. Schlußbetrachtung Um die Jahrhundertwende vollzog sich eine Veränderung im Bewußtsein einiger weniger intellektueller Frauen. Wenn sie auch nicht repräsentativ für eine ganze Gesellschaft stehen, so war in derselben doch einiges in Bewegung geraten. Im Widerspruch zu der doppelten Moral der Gründerzeit entstand eine Art von erotischer Bewegung, eine breit angelegte, sich kulturell verstehende Weltanschauung sexueller Libertinage, die gerade von Frauen aus den sogenannten "besten Familien" vertreten wurde. Das Zentrum dieses Treibens war vor allem das Münchener Schwabing, der soziale Ort der "Kosmikerkreis" um Stefan George ( ), Ludwig Klages ( ), Karl Wolfskehl ( ) u.a. Hierein flossen der geistige Gehalt verschwommener Ideologien um heidnische Natürlichkeit aus "uralten Kulten" sowie Körperbefreiung - aber auch Antisemitismus und Rassismus. Neben den Schwestern Else und Frieda von Richthofen ( ; ), Alma Mahler ( ), Isadora Duncan ( ), Lou Andreas-Salomé" ( ) und manchen anderen gab vor allem Franziska Gräfin zu Reventlow ( ) dieser Gruppe die Färbung. Das schwarze Schaf ihrer hocharistokratischen Familie, stolze Mutter eines unehelichen Sohnes, ständig in Geldnöten und in solchen Situationen auch vor gehobener Prostitution nicht zurückschreckend, lebte sie der damaligen Intellektuellengeneration offenkundig vor, was freie Liebe sein könnte (vgl. Weber-Kellermann, S. 205). 30

31 CAFÉS - KABARETT - FRANK WEDEKIND Neben den privaten Bohèmetypischen Treffpunkten (Privat/Kreise/Ateliers) gehörten auch die öffentlichen Lokale zum ritualisierten Wesenszug und Lebensstil der Bohemiens. Die Cafés dienten als Showbühne, Exiltreff, Wärmehalle, Kabarett- und Kleinkunstbühne, Kontakt- und Meinungsbörse, Bettelplatz, geselliger Platz, Heimat der Halt- und Herdlosen, Paradies der Lebendigen sowie als Geburtsstätte von Programmen, Manifesten und revolutionären Plänen. Die bekanntesten Bohémecafes waren in Berlin das "Café des Westens" und das "Simpl" in München. Entscheidend für die Attraktivität eines Cafés war auch die Möglichkeit, solange wie möglich hinter einer Tasse Kaffee sitzen zu können. Motiviert zum Kaffeehausbesuch wurden die Bohemiens auch durch persönlich miserable Wohnverhältnisse (Ringelnatz schlief zeitweise in einer billigen Holzkiste auf dem Dachboden), aber ebenso durch die Chance, Kontakte zu Freunden, Gönnern und Bewunderern zu bekommen. Denn auf der Suche nach dem großen Coup, dem großen Erfolg war dieser Mikrokosmos den Intellektuellen, Künstlern und bürgerlichen Besuchern der ideale Schauplatz. Neben den existenzerhaltenden Tätigkeiten wurde leidenschaftlich über Kunst und Politik diskutiert und gestritten. Durch die besondere Konstellation der Gäste kamen die Bohèmecafés in den Ruf eines 31

32 außeruniversitären Institutes. Die Cafés der Bohème waren ein besonderer Schauplatz eines entfesselten und gesteigerten Lebens. Extravaganz, Exzentrik, Erotik, Exotik, Lebenslust und -frust charakterisieren die einmalige Atmosphäre dieser Oasen im restriktiven Militär - und Polizeistaat während der kaiserlichen Regierungsphase. Als gegenkulturelle Antwort auf die herrschende Monarchie und die bürgerliche Moral entwickelte sich, wie schon lange vorher in Paris, eine für deutsche Verhältnisse neue Kunstform: das Kabarett. KABARETT Spruch für Prüde Natur, mein Freund, ist immer sittlich. Der Staatsanwalt freilich ist unerbittlich. Jüngst hat er ein Andachtsbuch konfisziert, weil sich zwei Fliegen drauf kopuliert. (O.J. Bierbaum) Dem berühmten Pariser "Chat noir" (1881 ) folgte das "Überbrettl" (Januar 1901) in Berlin. Doch das Münchener Kabarett "Die Elf Scharfrichter" (April 1901) avancierte zur originellsten Kleinkunstbühne in Deutschland. "Von dem Witz eines Scharfrichterabends könnten allerdings drei Berliner Überbrettl ein halbes Jahr lang leben." (Bühne und Brettl, Berlin 1902). Die Schwabinger Spielstätte stellte sich als eine gemütliche Ecke mit einem Schandpfahl dar. Die Protagonisten (darunter so illustre Namen wie Bierbaum, Falkenberg, Weinhöppel, Wedekind und Delvard) boten jeden Monat ein neues sensationelles Programm. Neben Satiren und Parodien, Sketchen und Liedern, Einaktern und Ein-Satz-Theaterstücken werden Schattentheater, Puppenspiele und Tanzgrotesken wie automatisches Zeichnen zur Aufführung gebracht. 32

33 Eröffnet wurde die Show durch den Conférencier Marc Henry, gefolgt von den in rotes Ornat gekleideten elf Scharfrichtern. Diese sangen das schaurig schöne Eröffnungslied. Dann wurde eine bunte Mischung aus verschiedenen Genres offeriert. Zum Beispiel wurde das erste politische Puppenspiel "Die feine Familie" von W. Rath aufgeführt. Dieses Stück wurde sofort von der allmächtigen Zensur verboten. Ebenso wurde mit großem Erfolg das Schattenspiel "Die Sphinx" uraufgeführt. Neben Kurztheaterstücken, Gedichten und Sketchen gab es auch Auszüge aus dem zeitgenössischen Avantgardetheater, wie zum Beispiel Frank Wedekinds "Erdgeist". Neben dem automatischen Zeichnen waren besonders die Parodien von Gumppenberg ("dem teutschen Dichterross") sehr beliebt. Seine Ein- Minuten-Theaterstücke bezeichnete er sinnigerweise als Überdramen. Die erotischverruchten Chansons Wedekinds, lasziv vorgetragen von dem ersten "Vamp" Marya Delvard, lösten wahre Begeisterungsstürme beim Publikum aus. Die "Elf Scharfrichter" waren die ersten, die den Typus der Kleinkunstbühne kreiert haben. Das Gesamtkunstwerk, bestehend aus künstlerischem Plakat- und Programmheft, selbstgestalteter Bühne, eigens komponierter und getexteter Stücke sowie selbstentworfener Dekoration und Kostüme, war einzigartig in seiner Bedeutung als Wegbereiter für neue Ideenwelten und Lebensstile. Unter den "Elf Scharfrichtern" befand sich der avantgardistischinnovative Bohemien Frank Wedekind. 33

34 FRANK WEDEKIND Erdgeist Greife wacker nach der Sünde aus der Sünde wächst Genuss ach, du gleichest einem Kinde dem man alles zeigen muss. Melde nicht die ird'schen Schätze wo sie liegen nimm sie mit, hat die Welt doch nur Gesetze, dass man sie mit Füssen tritt. Glücklich wer geschickt und heiter über frische Gräber hopst. Tanzend auf der Galgenleiter, hat sich keiner noch gemopst. Der Bohemien, Schauspieler, Theaterdichter, Lyriker, Satiriker, Liedermacher, Kabarettist, Reklamechef und Essayist Frank Wedekind ( ) ist aufgrund seiner vielfältigen Wandlungsfähigkeit schwer geistes- und stilgeschichtlich einzuordnen. Aber gerade dieser Umstand machte ihn zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten in den Kreisen der Bohème. Sein Engagement für die Freiheit des Ichs und für ein erotisches Leben wurde durch Verunglimpfungen und Verurteilung zur Festungshaft hart bestraft. Dennoch gilt er neben B. Brecht als einer der bedeutendsten Erneuerer und Gesellschaftskritiker in der Kulturlandschaft Deutschlands. In seinen literarischen Werken kämpft er gegen bürgerliche Doppelmoral, materielles Profitstreben, Beschränktheit sowie Duckmäusertum. Gegen die bürgerliche Normierung Konvention setzte er Libertinage als probates Mittel zur Befreiung ein. Signifikant für seine Einstellung sind die dramatischen Werke "Frühlingserwachen", "Die Büchse der Pandora", "Erdgeist" und "Lulu". Aber auch sein persönlicher provokativer Lebensstil war typisch bohémehaft. In seiner Erscheinung, im Wohnstil und in seinem Benehmen lebte er bis zu seinem 40. Lebensjahr die symbolische Aggression. 34

35 Lange Bartkoteletten, ein Bocksbart, eine gelbkarierte Pepitahose, grauer Gehrock, ein glänzender Zylinder und gelbe Glacéhandschuhe gehörten zum schillernden Outfit des Provokateurs. In seiner Münchener Frank Wedekind mit seiner Frau Tilly Wohnung befand sich ein gänzlich weißes Schlafzimmer mit passendem weißen Fahrrad. Hier empfing der Hausherr inmitten der keuschen Kühle seine Liebschaften in einem rotleuchtenden Nachthemd. Im Arbeitszimmer zierten Peitschen und freizügige Fotos die rote Tapete. Besonders in geselliger Runde wußte er durch sein Verhalten und Benehmen zu schockieren. Gefürchtet waren seine an die Damenwelt gerichteten Standardfragen "Wie oft schlafen Sie mit Ihrem Mann?" und "Sind Sie noch Jungfrau?". Diese praktizierte symbolische Provokation fundamentierte auch seinen Ruhm als Sänger und Lautenspieler während seiner aktiven künstlerischen Zeit bei den "Elf Scharfrichtern". Frank Wedekind war bis zu seiner Heirat ein großer 35

36 Verfechter der Libertinage. Getreu der Devise "Greife wacker nach der Sünde - aus der Sünde wächst Genuss" hatte er unzählige Liebschaften in Paris, London und München. Die freie Liebe war für ihn ein Zeichen des nach außen hin dokumentierten provokativen Anderssein. Die christlichbürgerliche Wertvorstellung von Liebe und Treue wurde praktisch negiert zugunsten einer Beziehung, deren Basis die Triebbefriedigung und der Rausch war. Im Kontext der symbolischen Aggression und der Libertinage steht auch sein dramatisches Werk "Lulu". Verschiedene Interpretationen deuten Lulu als das Prinzip weiblicher Sexualität, Urweib, Hetäre und als Nymphomanin. Gemeinsamer Nenner ist aber die Machtlosigkeit der Gesellschaft gegenüber der schrankenlos ausgelebten Sexualität. In der Figur Dr. Schöns (die Verkörperung des Geistes und der Intelligenz) erliegt dieser der omnipotenten Triebkraft Lulus. Der Geist des Fleisches (Vitalität, Schönheit und Elastizität), personifiziert in der Hauptfigur Lulus, beinhaltet auch den Begriff des gesteigerten Eros. Als Paradigma für den gesellschaftlichen Umbruch thematisiert Wedekind hier den Kampf der Geschlechter - von Mann und Frau, Patriarchat und Matriarchat. Weiter läßt sich Lulu einerseits als Männerfantasie und andererseits aber auch als männliches Trauma deuten. Lulu wird zum Rätsel, zum Raubtier und zum Mythos. Lulu bedeutet die schöne Helena, die Hofdame, die Kokette, die Hausfrau, die Göttin und die Dämonin. Neben seiner Begeisterung für den Zirkus und das Varieté ist für ihn die Bindung an öffentliche Lokale typisch. Meistens schrieb er in Kneipen und Kaffeehäusern. An seinem Schreibtisch arbeitete er nur, wenn es sich nicht anders einrichten ließ. Diese bevorzugte Arbeitsplatzwahl gehörte auch zum bohémetypischen Verhalten. Im Ambiente der Cafés wurden Kontakte mit anderen Bohemiens gepflegt, ebenso war hier der Ort, um sich selbst darzustellen. Wichtig war auch die Frage "Wieviel Uhr Kunst ist?". Bevor er als Dramatiker berühmt und wohlhabend wurde, verdiente er sich als Bänkelsänger seine Brötchen in München. Im Gegensatz zur Mißerfolgsideologie vieler Bohemiens wollte Wedekind den Erfolg - der Preis dafür war eine partielle Integration in die bürgerliche Welt. 36

37 Anarchismus Erich Mühsam, (* Berlin , ermordet: in Oranienburg) die Bohème und der Anarchismus Für die pazifistische Tradition innerhalb und außerhalb der Bohème ist Erich Mühsam eine der herausragendsten Gestalten. Erich Mühsam gehörte zu den antiautoritären Sozialisten, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre politischen Ziele in der alltäglichen Lebenspraxis umsetzten. Mühsam wurde am als Sohn eines jüdischen Apothekers in Berlin geboren. Seine frühen schriftstellerischen Ambitionen und sozialkritischen Aktionen begannen bereits in der Schulzeit. Ab 1900 war er freier Schriftsteller und hielt sich mit kleinkünstlerischen Auftritten über Wasser. Er gewann zahlreiche Freunde und Bekannte in der literarischen Bewegung des Naturalismus und die Freundschaft mit Wedekind. Mühsam verstand sich bald als Schüler Gustav Landauers, den er 1901 kennenlernte war er Mitglied der Münchener Räteregierung und landete mit Ernst Toller (Dichter und Sozialist, der sich 1939 umbrachte) und anderen im Gefängnis. Mühsam wurde 1924 amnestiert. Während des 1. Weltkrieges hatte er sich an Streikbewegungen beteiligt und für den Pazifismus eingesetzt. Ähnlich wie Rosa Luxemburg saß er bis November 1918 im Gefängnis wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet starb er im Konzentrationslager Oranienburg. Vielen ist Mühsam als revolutionärer Lyriker, Dramatiker und Essayist nach den 68ern geläufig geworden. Als Publizist schuf er außer politischen Texten eine Reihe von Bänkelliedern, Gedichten und auch Bühnenstücke (Staatsraison über Sacco und Vanzetti u.a.). Seine satirischen Texte zählen zum wichtigsten Repertoire der deutschen Literatur. Durch den Sänger Ernst Busch wurde "Der Revoluzzer" weltberühmt. Vom rebellierenden Schüler zum sozialkritischen Bohemien und Anarchisten Mit 17 Jahren flog Erich Mühsam aus dem Lübecker Katharineum (Gymnasium). Seine künstlerischen Übungen begann er früh: "Ich glaube, ich habe Verse gemacht, ehe ich schreiben und lesen konnte. Als Elfjähriger dichtete ich Tierfabeln, verdiente mit knapp sechzehn Jahren in der Woche drei Mark, indem ich - in ängstlicher Heimlichkeit vor den Eltern und Geschwistern - für den Komiker eines Lübecker Varietés regelmäßig die letzten lokalen und 37

38 politischen Aktualitäten in seine Couplets hineinwob, und verfaßte als Sekundaner das übliche Gymnasiasten - Drama." (Namen und Menschen, S. 18). Mit 16 Jahren flog er aus dem Gymnasium, weil er den Direktor und einige Lehrer in anonymen Berichten an sozialdemokratische Zeitschriften bloßgestellt hatte. Daraufhin war er ein Jahr auf dem Gymnasium in Parchim in Mecklenburg. Lehrzeit und Begegnung mit den Gebrüdern Hart Er machte zunächst eine Apothekerlehre in Lübeck. Später setzte er diese Tätigkeit in Berlin fort. Während dieser Zeit publizierte er seine ersten Gedichte und sozialkritischen Aufsätze unter seinem Namen (1898, 1899). Er las von Heinrich und Julius Hart "Das Reich der Erfüllung", beschäftigte sich auch mit Nietzsche und Schopenhauer und suchte im Dezember 1900 Heinrich Hart auf. Regelmäßige Teilnahme an den Treffs in der Uhlandstraße folgten. Über die Harts schrieb er: "Das Brüderpaar - die fröhlichste Kreuzung von Weinwirten und Religionsstiftern." (Namen und Menschen, S. 40). Bei den Harts begegnete er den Dichtern und Schriftstellern John Henry Mackay, Cäsar Flaischlen, Bruno Wille, Wilhelm Bölsche, Karl Henkell, Wilhelm Hegeler, Max Kretzer; den Malern und Bildhauern Franz Metzner, Max und Oskar Kruse, Oskar Zwintschner u.a. "Einmal erschien auch Ernst Häckel als Gast... Ich öffnete, da stand vor mir Bernhard Kampffmeyer, der Begründer der deutschen Gartenstadtgesellschaft und neben ihm ein alter freundlicher Herr: Elisée Reclus, der große französische Gelehrte und Revolutionär und fragte mich aus, aber was wir besprachen - ich war nämlich schon aufmerksamer Schüler Landauers -, das gehört hier nicht her."(namen und Menschen, S. 40f.). Dies waren die Grundlagen für eine frühe Hinwendung zum Anarchismus und zur Bohème. Wobei sich in der Bohème nicht jeder politisch oder anarchistisch als Individuum zur Gesellschaft verstand. 38

39 Freiheitsdrang Der gesellschaftspolitische Standort der Bohème außerhalb der vorgeschriebenen "Hochkultur des Kaiserreichs" wurde von Erich Mühsam wie folgt gesehen: "Weder Armut noch Unstetigkeit ist entscheidendes Kriterium für die Bohème sondern Freiheitsdrang, der den Mut findet gesellschaftliche Lebensformen zu schaffen, die der eigenen inneren Entwicklung die geringsten Widerstände entgegensetzen... Bewußt oder geahnt - der Rebellentrotz der Fronde war bei all den Bohèmenaturen lebendig, die nur je meinen Weg gekreuzt haben, ob sie sich aus dumpfen Proletarierkreisen, aus bigottischer Kleinbürgeratmosphäre, aus behütetem Bürgerwohlstand oder aus dem Museumsstaub adliger Herrenschlösser zur Freiheit der Künste und zur Geselligkeit auf sich selbst gestellter Menschen geflüchtet hatten." (Namen und Menschen, S. 24f), Friedrichshagen: Der arme Teufel 1902 zog Mühsam an den Müggelsee nach Friedrichshagen, wo in jenen Tagen der junge Naturalismus die revolutionär-literarischen mit den revolutionärpolitischen Tendenzen zum Verschmelzen brachte. Mühsam kam nach Friedrichshagen als Mitbegründer, Mitarbeiter und verantwortlicher Redakteur der Wochenzeitschrift "Der arme Teufel". Herausgeber war Weidner. Berliner Szene: Café des Westens, Zum hungrigen Pegasus und Kabarettauftritte, Kleinkunst Von Friedrichshagen zog er im Frühjahr 1903 in ein möbliertes Zimmer in der Augustenstraße, ganz in der Nähe des "Café des Westens" in Berlin. Mühsam verkehrte auch bei den "Kommenden", einer losen Vereinigung junger Künstler und Dichter, in die ihn Margarete Beutler einführte. Dr. Rudolf Steiner war Leiter der Freitagabende, an denen sie sich im Nollendorf-Casino in der Kleiststraße trafen. Neben Vorträgen und Diskussionen gab es auch Rezitationsabende. Peter Hille, Else Lasker-Schüler und Peter Baum bezeichnete Mühsam als die stärksten Persönlichkeiten dieses Kreises. Zu den wichtigen Auftrittsmöglichkeiten der jungen Literaten und künstlerisch-politisch Schaffenden gehörte auch das Lokal "Zum hungrigen Pegasus", wo man aufs Podium steigen konnte, wenn man etwas zu sagen hatte. Zu seinen eigenen kabarettistischen Auftritten bemerkte Mühsam: Das "zur merkantilen Einrichtung gewordene Kabarett" habe er nie als etwas anderes betrachtet... denn als eine Einkunftsquelle. Ich habe in den vielen Jahren, in denen ich längere oder kürzere Zeit als Kabarettist aufgetreten bin, niemals etwas anderes vorgetragen als Wortspiele und andere Gleichgültigkeiten. Die Rezitation ernsthafter Produktion vor einem zahlenden Amüsierpublikum habe ich stets, auch wenn es ausdrücklich verlangt wurde, verweigert." (Namen und Menschen, S. 69). Das "Cabarett zum Peter Hille", das Mühsam auf ausdrücklichen Wunsch mitbegründete, entsprang dem letzten "kindlichen Einfalts-" und Auftrittswillen von Hille kurz vor seinem Ableben 1904 (vgl. Pub., S. 12f, Sammlung, S. 221). 39

40 Erster Gedichtband Erich Mühsams erster Gedichtband erschien Zusammen mit Paul Scheerbarths "Machtspäße" war beiden diese Veröffentlichung gelungen, Mühsam weist in seinem Artikel "Scheerbartiana" darauf hin (in: Namen und Menschen, S. 72). Gustav Meyrink und seine Geschichten im "Simplizissimus" wurden auch in Berlin mit Begeisterung gelesen. Meyrink wollte in Wien den "Lieben Augustin", ein Witzblatt, herausgeben. Mühsam setzt sich als Kandidatenwerber für das Blatt ein und besucht den noch nicht berühmten Heinrich Zille in seinem Proletariermilieu. Es war dort keine Spur Atelierluft. Zille, der gerade wegen einer Beteiligung am Streik in einem industriellen Betrieb als Lithograph arbeitslos geworden war, sagte die Mitarbeit zu. Wanderjahre und Schwabing Die Jahre 1904 bis 1909 betrachtete Eric4h Mühsam als seine Wanderjahre. Er lernte München das erste Mal für ein paar Tage kennen. Er begegnet Margarete Beutler, der "von Berlin her befreundeten Betreuerin meiner Schritte", Paul Schlesinger u.a. (Namen und Menschen, S. 92). Frank Wedekind sollte er erst später begegnen. Er besuchte Italien und auch Ascona, über das 1905 eine Broschüre von ihm erschien. "Vegetarier mit teils ernsten Lebensauffassungen, teils höchst spleenigen Erlösungsideen hatten sich an den Abhängen des Lago angesiedelt." (Namen und Menschen, S. 97). Genf und Zürich gehörten auch zu seinen Reisezielen. Schwabing war für ihn wie Montmartre weniger ein geographischer als ein kultureller Begriff. "Ja, ganz München gewöhnte sich an das Ungewöhnliche, lernte Toleranz und gönnte der Seltsamkeit ihr Lebensrecht." (Namen und Menschen, S. 112). Während Schwabing sich durch Langhaarigkeit der Männer auszeichnete, gab es nur im Zirkel um Stefan George Uniformität, so Mühsam wurde er angemeldeter Einwohner Münchens. Café Stefanie wurde sein erstes Stammlokal. Er lernte Max Halbe und Max Dauthendey kennen. Mit Roda Roda und Gustav Meyrink spielte er dort jahrelang Schach. Das Lokal wurde von vielen Schriftstellern und Malern, Genieanwärtern jeglicher Art besucht, auch viele ausländische Künstler, Russen, Ungarn, Balkanslawen zählten zu den Besuchern. Im Café Leopold im 40

41 eigentlichen Schwabing verkehrten Albert Langen und seine Mitarbeiter vom "Simplicissimus". Um das Schwabinger Gesamtmilieu kennenzulernen, empfahl Mühsam, die zwölfhundert Seiten der "Gesammelten Werke" von Franziska zu Reventlow zu lesen. Auch mit Rainer Maria Rilke kam er später "in Fühlung." Wien und Karl Kraus - Paris lebt und Berlin funktioniert 1906 hielt er sich im April/Mal und November und Dezember, insgesamt 4 Monate in Wien auf. Er arbeitete bei seinem ersten Aufenthalt im Kabarett "Nachtlicht", dessen Ensemble sich zum Teil aus den ehemaligen "Elf Scharfrichtern" zusammensetzte. In Wien machte er die Bekanntschaft von Karl Kraus, dem Herausgeber der "Fackel", und seinem Kreis. Im Herbst 1906 war er beim Kabarett "Simplicissimus" in Wien und arbeitete u.a. mit Mary Irber, Frank Wedekinds "Venus Duplex Amathusia" (Namen und Menschen, S. 127). Im Laufe des Jahres 1907 bis Frühjahr 1908 verbrachte Mühsam seine Zeit in Paris. Hier war er vor allem in deutschen Künstlerkreisen zu finden. "Selbst wenn mich meine mangelhafte Sprachbegabung einmal über das Radebrechen im Französischen hinausgelangen ließe, möchte ich nicht dauernd gezwungen sein, in anderen Worten zu sprechen, als ich denke", so Mühsam (Namen und Menschen, S.137). Zurück in Berlin beschrieb er den Unterschied: "Paris lebt - Berlin funktioniert". Die folgende Zeit verkehrte er wieder im Lokal "Simplicissimus" in München. Dort waren auch alle bekannten Zeichner des gleichlautenden Blattes zu finden: Th. Th. Heine, Eduard Thöny, Rudolf Wilke, Wilhelm Schulz, Pascin und Karl Arnold. Die Wirtin Kathi Kobus machte von der Begabung ihrer Gäste Gebrauch und gab ihnen Gelegenheit, vom Podium herab Verse zu deklamieren. Das Ambiente war durch die Bilder der Gäste geprägt: Albert Weisgerber, Joseph Futterer, E.M. Engert, Franz Marc und Max Unhold. Franziska zu Reventlow In der Erinnerung an Franziska zu Reventlow kam Erich Mühsam zugleich auf seine Kindheit zu sprechen: "Als Kinder waren wir Nachbarn gewesen. Aber Franziska zu Reventlow gehörte so wenig wie ihre Brüder zu meinen Lübecker Spielkameraden." (Namen und Menschen, S. 147). Erich Mühsam wurde zum Vermittler ihrer Ehe mit dem russischen Baron Rechenberg, der unbedingt heiraten wollte, um seiner Verwandtschaft nichts vererben zu müssen. Mühsam wollte der Gräfin endlich zu Geld verhelfen. Das kurze Glück dauerte nicht lange, da die Bank pleite und so die Erbschaft zum Teufel ging erfuhr er von Reventlows Tod: "Ich grüße diese Tote mit inniger Verehrung. Sie trug außer ihrem Namen nichts an sich, was vom Moder der Vergangenheit benagt war. In die Zukunft gerichtet war ihr Leben, ihr Blick, ihr Denken; sie war ein Mensch der wußte was Freiheit bedeutet, ohne traditionelle Fesseln, ohne 41

42 Befangenheit vor der Philiströsität der Umwelt" (Namen und Menschen, S. 154f). Frank Wedekind, Oskar Kokoschka, Walter Rathenau... In der Torggelstube kam Frank Wedekinds Persönlichkeit voll zur Geltung, so Mühsam. Das geistige Niveau soll dort sehr hoch gewesen sein. Wedekind charakterisierte Mühsam wie folgt: "Wedekind war ein unbedingt wahrhaftiger Mensch." (Namen und Menschen, S. 160). Wie Wedekind sich verhielt, schildert Mühsam in der Begegnung mit Oskar Kokoschka. Mühsam: "Er brachte mal den damals in Mode kommenden Oskar Kokoschka an den Tisch", der "ein wenig gemacht, naive Äußerungen fallen ließ. Wedekind sah ihn freundlich an und fragte mit leichtem Zucken unter der Nase: "Sie reisen in Kindlichkeit, Herr Kokoschka lohnt sich das wieder?" (Namen und Menschen, S. 161). In der Torggelstube lernte Mühsam außer zahlreichen Bühnenkünstlern noch Franz Werfel kennen. In München kam er gelegentlich auch mit Ludwig Ganghofer, Thomas Mann, Hans Pfitzner, Franz Blei, der Bosetti von der Oper u.a. zusammen. Des öfteren traf er Heinrich Mann, Kurt Martens, Friedrich Huch und Franz Dülberg. Im Münchener 'Neuen Verein' wurde Mühsam 1913 in den literarischen Beirat gewählt. Im Bühnenklub kam er mit dem Philosophen Scheler zusammen und lernte 1916 Walter Rathenau kennen. Anfangs kam es zu allgemeinen Gesprächen über Kulturfragen, "jedenfalls nicht zu so wesentlichen Auslassungen, wie sie kurz vor der Errichtung der bayrischen Räterepublik in einem rein politisch zusammengesetzten engen Kreise aus Rathenaus Munde" geführt wurden (Namen und Menschen, S. 191). Bestätigt Vom Münchener Fasching war Erich Mühsam nur durch die Atelierfeste angetan, und überhaupt verkehrte er hauptsächlich in Schwabing. Er fühlte sich unterschiedlich bestätigt: "Mehr noch als bei Wedekind fand ich meine Ansichten bei Karl Kraus in Wien bestätigt, in dessen Kreis freiheitliche Gedanken der Befreiung der Sexualität von jeder moralischen Norm in einer nicht immer vom Verhalten der gefeierten Schwärmerei für die Genialität hetärischer Frauencharaktere verlorenging. Die allgemeinen Aufstellungen des Psychoanalytikers Dr. Otto Gross - über das Wesen der Eifersucht und den Zwangscharakter der Vaterschaftsfamilie kamen meinen Ideen darüber ganz nahe, ohne sie indessen in ein Gesamtbild künftiger Gesellschaftsgestaltung einzuordnen. Für mich selbst gehörte die Befreiung der Persönlichkeit von den gewaltigen Bindungen des Liebeslebens von jeher als organischer Bestandteil in das Programm der Befreiung der Menschheit von jedem knechtischen Druck, und ich habe das Thema, das ich übrigens schon 1909 in einem 'polemischen Schauspiel' dramatisch behandelt habe, in einem Thesenstück, 'Die Freivermählten', erörtert, um sichtbar zu machen, wie eng zusammengehörig in mancher Hinsicht der leidenschaftliche Kampf um neue Lebensgestaltung der ganzen künftigen Menschheit und die natürliche Haltung ihrer Zeit kulturell 42

43 zuvorkommender Menschen in ihrer geselligen Fröhlichkeit sein kann." (Namen und Menschen, S. 235f.). Soweit also Erich Mühsams eigene Worte über seine Zeit, Zeitgenossen und vor allem die Bohème. Es ist hieraus zu entnehmen, daß der politische Einfluß Gustav Landauers zwar groß ist, wie er selber betont, aber sein kulturelles und politisch-anarchistisches Engagement auf einer breiten Basis der kulturellen Gegenströmungen der Zeit aufbaut, von deren internationaler Zeitgenossen er eine große Anzahl persönlich gut kannte. Was Mühsam und seine Zeitgenossen innerhalb der Bohème damals geschaffen haben, ist auch als ein Beitrag, wie man heute sagt, interkulturellen Schaffens zu sehen. Was in Wien, München, Ascona, Paris und Berlin beispielsweise zusammenkam, war bereits international, meist aus den europäischen "Hochkulturen", der "kulturellen Hegemonie", ausgebrochen, um einen neuen Anfang, Sozialkritik, Persönlichkeitsentwicklung und kollektive und gesellschaftliche Erfahrung durch Schaffung einer Gegenkultur zu machen. Wie dies in Arbeiten von Erich Mühsam politisch zum Ausdruck kommt, soll im folgenden versuchsweise gezeigt werden. Anarchistischer Pazifismus Erich Mühsam kämpfte Zeit seines Lebens gegen den autoritären Marxismus, gegen die spießbürgerliche proletarische Sozialdemokratie, die den Ersten Weltkrieg nicht rechtzeitig zu verhindern versuchte, weil sie sich dem Vorschlag des internationalen Sozialistenkongreß Ende August 1910 in Kopenhagen widersetzte, gegen Krieg mit dem Generalstreik anzugehen. Der Vorschlag, mit illegalen Mitteln Kriege zu verhindern, kam von Keir Hardie-Vaillant, er wurde abgelehnt, weil man die Zertrümmerung der Organisation (Ledebourg) oder den "Selbstmord der Partei" (Oddin Mogari) befürchtete. Die Sozialisten hatten sich auf parlamentarische und internationale institutionelle Arbeit (Schiedsgerichte) zur Verhinderung von Kriegen auf dem Stuttgarter Kongreß 1907 geeinigt. (Vgl. J. Braunthal. Die Internationale und der Krieg, in: Geschichte der Internationalen. Bd. 1. Berlin 1961). Erich Mühsams Ansichten haben vor dem historischen Hintergrund ein anderes Gewicht als es heute den Schein hat. Vor dem Ersten Weltkrieg haben die dem antiautoritären Sozialismus und Anarchismus, Rätekommunismus, Kommunalismus, Gildensozialismus u.ä. nahestehenden Arbeiterbewegungen in den romanischen Ländern und in Amerika noch Millionen Mitkämpfer: Dies ist zum Verständnis von Mühsam wichtig. Die Hoffnung auf eine starke antiautoritäre Arbeiterbewegung auch im deutschsprachigen Raum erklärt Mühsams Engagement für den Anarchismus in deren kleiner Arbeiterorganisation (Freie Arbeiter Union Deutschlands - FAUD) nach dem Ersten Weltkrieg. Mühsam schrieb in einem Artikel über den marokkanischen Krieg vor dem Ersten Weltkrieg: "Die wir in Deutschland den Frieden wollen, haben von der deutschen Arbeiterschaft nichts zu hoffen. Deren 43

44 Demonstrationsversammlungen und hochtrabende Resolutionen schrecken keinen Hund vom grünen Tisch und von den Kassenschränken. Wir müssen unseren Blick nach Frankreich richten'' (Pub., S.85). Dort konnten die Regierungen die Arbeiter und Bauern nur mit Zittern zum Kriege rufen, so Mühsam. Ebenso setzten die englischen Arbeiter anders als die "sozialdemokratischen Schwätzer marxistischer Observanz" ihre Forderungen nicht mit partiellen, sondern größeren Streiks durch: strukturell in mehreren Transportzweigen wie Schiffahrt, Eisenbahn und Fuhrbetrieben. Dieses Problem durchzog Deutschland in der ganzen Phase der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft. So hatten die deutschen idealistischen Philosophen die französische Revolution geistig verarbeitet und zum Teil, wie Hegel, Napoleon bewundert, weil durch ihn der Code Civil, das bürgerliche Gesellschaftsrecht und damit neue Eigentumsverhältnisse ihren Lauf nehmen konnten. Die große Revolution von 1789 fand in Deutschland wie ihrer Nachfolger im 19. Jahrhundert nur einige Nacheiferer. Die wenigen Barrikaden und die Frankfurter Paulskirchenversammlung waren nicht gleichzusetzen mit den Aktivitäten der Franzosen und ihren proletarisch-bürgerlichen Revolutionen. Das tiefe theoretische Verständnis der deutschen Arbeiterklasse, das vom Bürgertum auf sie übergegangen sei, mochte Karl Marx im Vorwort seines Buches Kapital noch optimistisch gestimmt haben. Im deutschen Kaiserreich, das die Niederlage der Pariser Kommune und den Sieg über die französische Bourgeoisie gleichermaßen feiern konnte, mochte auch die Revolution in Rußland 1905 noch nicht als Etappe eines kommenden Zeitalters der autoritären sozialistischen Weltrevolution erscheinen. Durch die theoretischen Kompromisse mit Adel und Bourgeoisie kann nichts anderes als der theoretische Wille oder die Vorstellung von einer neuen Gesellschaft entstehen. Durch die revolutionäre Praxis von direkter Aktion und größeren systematischen Streiks bis zum Generalstreik entstanden neue praktische Erfahrungen. Es wurde Solidarität eingeübt und es entfaltete sich ein neuer und breiterer Diskurs. Da Mühsam das neue Leben nach dem Sozialismus als Antizipation oder alternatives Leben im deutschen Proletariat vor dem Ersten Weltkrieg nicht fand, ist er selber vor allem in der Bohème zu finden. Hinzu kommt, daß es in Deutschland wenige antiautoritäre Sozialisten gab, die aus der deutschen Sozialdemokratie kamen oder in ihr wirkten. (Eine Ausnahme bildete im 19. Jahrhundert u.a. der später nach Amerika ausgewanderte Reichstagsabgeordnete J. Most, von dem die SPD-Genossen sich distanzierten). Die nähere Bindung an den Anarchismus von Bakunin und Kropotkin und Ablehnung des Marxismus seit der ersten Internationale ließ auch eine erneute Verbindung mit kritischen MarxistInnen wie beispielsweise Rosa Luxemburg vielleicht noch nicht wieder zu. 44

45 Mühsams Kritik jeglichen Krieges, der zwar die polit-ökonomische und imperialistische Differenzierung fehlt, wie sie bei den marxistischen Zeitgenossen mehr oder weniger eingeübt wurde, ist aber von pazifistischen Worten geprägt, die Tucholsky in den 20er Jahren benutzt. Im Aufsatz "Heldentaten" über den Krieg der Italiener gegen die Türken auf Kosten der Tripolitaner schrieb er: "Wer in den Krieg geführt wird, nimmt die Weisung mit, zu morden, mit verheerenden Waffen Menschen zu töten, die er nicht kennt, von denen er nicht weiß, die ihm nichts angetan haben und die ihm nie etwas tun möchten, würden sie nicht ebenfalls zum Morden gezwungen." (Pub., S.87). Zum Friedenskongreß in Den Haag kommentierte er seinen antimilitaristischen Standpunkt deutlich: "Das ganze 'Völkerrecht' mit seinen Einschränkungen der Mordmethoden ist eine aufgelegte Farce. Denn das Bestreben der Staaten, das Massenmorden mit möglichst 'humanen' Mitteln auszuführen, zeigt nichts anderes als den Willen, das Kriegführen selbst für alle Ewigkeit die Ultima ratio der Völker bleiben zu lassen." (Pub., S. 123). Nur die Arbeiter und Bauern sind imstande die Kriege zu verhindern, denn nicht die Fürsten, sondern sie führen die Kriege." In diesem Punkt stimmte er mit den revolutionären Antimilitaristen überein und wies erneut auf den internationalen Sozialistenkongreß und die ablehnende Haltung einer gemeinsamen Aktion seitens der deutschen Sozialdemokraten hin. Weltparlaments-Verein mit Wedekind Kriegen sollte vorgebeugt werden, deshalb gründeten Wedekind und Mühsam den Weltparlaments-Verein. In der Weihnachtsausgabe des Berliner Tageblattes konnte Wedekind auf das Projekt hinweisen. Wedekind war bedingter Bejaher, dagegen Mühsam unbedingter Verneiner staatlicher Notwendigkeiten, da die bedenklichste Gefahr der Zeit von der Unkontrollierbarkeit der mit den Machtmitteln ausgestatteten Fürsten oder von Volksvertretern ernannten Personen ausging, wie sie feststellten. Die Heimlichkeit ihres Verkehrs ist die Gefahr. Deshalb bezweckt das "Weltparlament, zu dem wir aufgerufen" die dauernde öffentliche Beaufsichtigung der Diplomatie (Pub., S. 125). Mit dem Antimilitarismus ist vor allem auch bei den Kindern anzufangen, da "Der bunte Rock" als "Vorbild" überall zu sehen war und Militarismus und Kriegsspiele überall eingeübt wurden. Bei den Kindern hätten auch die Antimilitaristen anfangen müssen und ihnen beibringen sollen, daß Krieg Mord ist (vgl. Pub., S. 152). In seiner Bilanz "1913" sah er den kommenden Krieg fast vor Augen. Er bezeichnete das Jahr als den Bankrott der Staatskunst. Gegenüber dem gewohnten Maß der Bewaffnung gab es eine gesteigerte Verpanzerung gegeneinander, bis zu dem Grade, daß "das ganze Jahr für ganz Europa ein Jahr des Schreckens, des Hungers und Elends war." (Pub., S. 157). Das große Morden "Das große Morden" war ein weiterer Kampfaufruf gegen den Krieg, der durch die wirtschaftlichen Bedürfnisse der "Völker bedingt ist. Städte werden 45

46 umzingelt und hunderte und hunderte sterben, werden ausgehungert - fürs Vaterland", so Mühsam. "Denkt an die Eroberungen der Städte, wie die Soldaten, die wochenlang keiner Schürze nah, sich mit gellen Nerven auf die fremden Frauen stürzen. Denkt an die innere Verwilderung des einzelnen, der in ununterbrochener Angst um das eigene Leben täglich Sterbende und Leichen sieht, dem schon dadurch alle Raubtierinstinkte wach werden und dem dazu noch stündlich gelehrt wird, daß das Umbringen von Menschen Tapferkeit sei. " (Pub., S. 170). Der Krieg fordert auch seine Opfer unter den Intellektuellen, er zerstört Kultur und produktives Schaffen, mahnt Erich Mühsam (vgl. Pub., S. 175). Das "Lieb Vaterland" und "Der Kaiser" waren weitere Angriffsziele von Erich Mühsam: "Die Völker sind - seit der französischen Revolution - selbständiger geworden und der Glaube an die Gottesgnade, die den Königen die Majestät verleiht, ist erschüttert. Die Konsequenz dieser Erkenntnis aber ist die Ablehnung des monarchistischen Prinzips insgesamt und darüber hinaus die Anstrebung der unstaatlichen, anarchistischen Autonomie der einzelnen." (Pub., S. 132). In den Grenzgebieten war dies anders: "Wo heutzutage ein paar Polen sich noch auf ihrem ehemaligen Boden zusammenfinden, singen sie, wie ich erfahre, mit treudeutscher Begeisterung das Lied: Das Vaterland muß größer werden." (Pub., S. 105). Wie es dazu kam, erklärte er weiter oben in dem kleinen Artikel folgendermaßen: "Haben wir Deutschen nicht selbst gezeigt, wie man nachhilft? Nord-Schleswig weiß kaum mehr, wo Dänemark liegt, und die Polen gar haben sich in einer Weise den Preußen assimiliert, daß sie ihren Besitz an Grund und Boden nur noch an deutsche Ansiedler verkaufen. Die preußische Regierung kommt ihnen dabei weit erdenklich entgegen. Fällt es einem Polen gar schwer, sich von seinem Besitz zu trennen, dann greift wohltätig das Gesetz ein, und der Staat führt mit väterlicher Hand das Grundstück in das Eigentum eines preußischen Eingeborenen über." (Pub., S. 105). Der Kaiser Der Rassismus trieb in Preußen zu dieser Zeit seine Blüten, auch Expansion und Frieden standen im Vorkriegsdeutschland in einem merkwürdigen Zusammenhang, wie Mühsam scharfsinnig an der Person des Kaisers feststellte: "Derselbe Mann, der, erzogen in kriegerischen Erinnerungen, aufgewachsen in kriegerischen Eindrücken, immer und immer wieder den Beruf der Deutschen als kriegerische Nation gepredigt hat, der mit der Devise: 'Das Pulver trocken, das Schwert geschliffen!' durch seine Initiative unendlich viel an den ungeheuren Kriegsrüstungen des Landes mitgewirkt und der Flotte und Kolonialbesitz des Reiches erst geschaffen hat - dieser selbe Mann war trotz seiner Gewalt über Krieg und Frieden gezwungen, sich die ganzen fünfundzwanzig Jahre seiner Regierung für den Frieden zu entscheiden." (Pub., S. 133). Wenn diese Worte nicht nur für den Kaiser, sondern für ganze Teile des deutschen Volkes in unterschiedlichen Variationen gelten können, so hat 46

47 Mühsam hier eine Tür aufgetan, in die das ganze Volk in den Ersten Weltkrieg, den Faschismus und schließlich den Zweiten Weltkrieg mit Leichtigkeit zu locken war und ging. Kritiken, literarisches und politisches Engagement Ein weiteres Engagement seines Kampfes galt den verbotenen bzw. abgelehnten Stücken seiner Schriftstellerkollegen wie Frank Wedekind oder beispielsweise Heinrich Mann, dessen Drama "Schauspielerinnen" in Berlin zwar aufgeführt, aber in München von allen Theatern abgelehnt wurde. Von diesem größten Stilisten der deutschen Sprache und Entdecker der modernen Menschenpsyche konnte man einfach kein Stück dem Publikum vorenthalten, auch wenn es schlecht sein sollte, so Mühsam (vgl. Pub., S. 86). Zur Brechung der kulturellen Hegemonie im Wilhelminischen Kaiserreich ist das kulturelle Schaffen und die geistige Aktion von Erich Mühsam ein wichtiger Beitrag, um einen alternativen Boden zu schaffen, der mit dem Brechen von politischen und gesellschaftlichen Tabus, auch Moralvorstellungen begann und einer möglichen Spontaneität Material lieferte, das den kulturellen Wechsel erleichterte, d.h. der Revolution von 1918 und der Weimarer Republik die Kultur des kulturellen und gesellschaftlichen Ungehorsams vorbereitete. Heinrich Mann gehörte für Mühsam zu den Schaffern der Übergangskunst: "Einer aber ist da, der Wirklichkeiten schafft, der aus dem Alten das Neue werden läßt, der mit der Vergangenheit auch die Gegenwart überwand: Heinrich Mann." (Pub., S. 38). Die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Rahmens künstlerischer Produktion formuliert er später wie folgt: "Das Verhängnis des Künstlers ist seine Vereinsamung, seine selbstgewählte Abschließung von den Dingen des Volkes." (Sammlung, S. 236). Künstleraufgabe ist es, "durch die Mittel des Geistes, also durch ihre Kunst, Völker aufzurichten und die Grenzen zwischen ihnen zu zertrümmern." (Sammlung, S. 237). Hierzu muß man einen interkulturellen Dialog und Diskurs führen. Mühsam hat dies in der Besprechung von Werken zahlreicher seiner Künstlerkollegen ebenso eingeleitet, wie in der bloßen Beschreibung jener Bohèmekollegen, mit denen er Umgang hatte und deren Kurzbiographien und Lebensauffassungen er in der Vossischen Zeitung in den Jahren erneut in der Form der Erinnerung in Aufsätzen publizierte. Als Memoiren sind die Texte 1931 und dann 1977 unter dem Titel: "Namen und Menschen. Unpolitische Erinnerungen" wiederzufinden. Viele dann erwähnte Personen und Behandlungen von politischen und kulturellen Themen lassen sich auch schon in seinen politischen und kulturellen Aufsätzen in der von ihm in München von herausgegebenen 47

48 literarisch-revolutionären Monatszeitschrift "Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit" finden. Die Zeitschrift erschien von November 1918 bis April 1919 als reines Revolutionsorgan, "Seitdem in den Händen der konterrevolutionären bayerischen Staatsgewalt." (Mühsam, Selbstbiographie, Manuskript 1919, Sammlung, S. 216). Zu dieser Zeit von "Kain" hatte er sich dem "Sozialistischen Bund" und Gustav Landauer angeschlossen. Einige Zitate aus diesen Schriften sollten seinen durchgängigen Standpunkt darlegen. Die Aktualität der Lebens - und gesellschaftlichen Praxis Erich Mühsam konnte die Renaissance seiner politischen Gedanken durch die Studentenbewegung nicht mehr erleben, er wäre 90 Jahre alt gewesen. Die Nazis hatten ihn nach dem Reichstagsbrand verhaftet und am im KZ Oranienburg ermordet. Mühsam war nicht nur Anarchist und damit für die Nazis ein Unruhestifter, er war auch Jude. Um Erich Mühsam zu verstehen, muß man eine genaue Kenntnis der Zeit haben. Das Wissen um die Strukturen der Bohème und ihr bürgerliches Unbehagen an der Kultur reicht für Mühsam nicht aus. Er schöpft nicht nur von Francois Villon und den antibürgerlichen Auffassungen seiner Zeitgenossen aus der Bohème, ihrer bürgerlichen Kritik an dem entfremdeten Kapitalismus mit dem Wachstum der Städte, der Verunreinigung der Luft, der Schaffung von Massenartikeln durch die Großindustrie - in der kollektives Leben immer mehr zu ersticken droht. Für die meisten Bohemiens bot das bürgerliche Leben, die Teilnahme an spießbürgerlicher Ordnung keinen Sinn. Sie versuchten auch nicht ihre antibürgerliche Haltung mit dem Mief der Hinterhöfe und der Arbeiterbewegung zu verbinden. Wäre der Anarchismus, wie in Spanien oder Frankreich und anderen romanischen Ländern oder den USA, eine Bewegung der Arbeiter, Bauern und Intellektuellen mit Hunderttausenden oder Millionen Menschen und einer anderen antibürgerlichen Lebensweise gewesen, so könnte man vielleicht eine kontinuierliche Verbindung von politischer Bewegung und Bohème finden. Aber für den Antiautoritarismus in der Arbeiterbewegung gab es in Deutschland nie viel Platz. Der Sozialismus und seine Bewegung hatten in Deutschland u.a. im Marxismus ihre Tradition des Autoritarismus gefunden. Der Anarchist war antistaatlich und diskutierte nicht lange über das Absterben des Staates und der bürgerlichen Ordnung. Er wollte die neue Ordnung hier und Jetzt vorleben, erleben und ergreifen. In einem fast hundertseitigen Aufsatz, "Befreiung der Gesellschaft vom Staat" hat Mühsam 1932 hierzu einige Gedanken veröffentlicht (erneut: Kramer Verlag Berlin 1973). Bis zur bolschewistischen Revolution bot diese Bewegung weltweit eine Alternative zum Kapitalismus. Ihr freiheitlicher Sozialismus bildete sich in Agrarkommunen, Fabrikräten (Syndikalismus) und alternativen Lebensweisen in Familie, Erziehung und Konsum. Vor diesem Hintergrund muß man Erich Mühsam sehen. Der 48

49 Anarchismus hatte nicht nur den Kapitalismus als Gegner, sondern auch den autoritären Sozialismus. Dieser Streit läuft theoretisch und praktisch seit der 1. Internationalen Arbeiterassoziation zwischen Marx und Bakunin, Proudhon u.a.. Die Anarchisten haben keine gemeinsame Konzeption wie der Marxismus. Ihre Theorie hat bis heute keinen Theoretiker wie Aristoteles, Hegel oder Marx hervorgebracht. Die Theorie und Praxis des Handelns der anarchistischen Bewegung hat aber einen inneren Erfahrungszusammenhang, der stets zur gesellschaftlichen Konstitution beitragen wird: die Befreiung des Menschen in der Gesellschaft von ökonomischer, politischer und - heute kann man getrost ergänzen ökologischer Herrschaft, d.h. der Zerstörung einer gesellschaftlichen Reproduktion, wo die innere und äußere Natur weiter durch ökologische, ökonomische und politische Widersprüche und Macht über die Menschen vernichtet wird. Erich Mühsams und seiner Freunde Anliegen stehen von daher in der Tradition eines größeren aktuellen und historischen Erfahrungszusammenhangs, auch wenn dies einige Autoren heute verleugnen. Hier soll unvollendet auf bescheidene Zusammenhänge hingewiesen werden. 49

50 Psychoanalyse - Otto Gross: Leben und Werk in Grundzügen Otto Gross wurde am als Sohn von Hans Gross, Professor für Kriminalistik, in der Nähe von Graz geboren. Er durchlebte eine behütete Jugend im Elternhaus und wurde in Privatschulen und durch Privatlehrer unterrichtet. Schon früh wurde seine außerordentliche Intelligenz erkannt. Der Vater, der zu seiner Zeit ein sehr bekannter und einflußreicher Professor war, setzte schon früh große Hoffnungen in das einzige Kind. Tatsächlich war Hans Gross die Verkörperung des autoritären Vaters schlechthin. In seinem Beruf, er war der Begründer der modernen Kriminalistik, setzte er sich vehement für autoritäre Prinzipien wie z.b. Bestrafung von Kriminellen ein. Als Otto Gross nach dem Medizinstudium in Graz, München und Straßburg und der Promotion auf einer Schiffsreise als Schiffsarzt nach Südamerika in Kontakt mit Kokain und Morphium geriet und süchtig wurde, muß das für den Vater wie ein Schock gewesen sein, schließlich waren in seinem Weltbild Drogensüchtige Degenerierte, die am besten nach Afrika zu verfrachten wären. Nach einer Entziehungskur im Burghölzli in Zürich, einer psychiatrischen Klinik, schien sich sein Leben wieder in "normalen" bürgerlichen Normen zu bewegen heiratete er Frieda Schloffer, arbeitete als Arzt in Graz und publizierte in verschiedenen medizinischen Zeitschriften. Otto Gross verband die neuen, sensationellen Ideen der Psychoanalyse Freuds mit ethischen und sozialen Problemen. Er stellte damit die ausschließlich sexuelle Grundlage der emotionalen Störungen (Freud) in Frage. Gross machte als erster die Psychoanalyse von einer Naturwissenschaft zu dem, als was sie heute gesehen wird: zu einer Sozialwissenschaft. Schon bald versuchte er gegen die Weltanschauung des Vaters zu rebellieren, indem er nach psychologischen Ursachen für Kriminalität und anderes abweichendes Verhalten suchte und dieses nicht als vererbt und damit weitgehend unveränderbar definierte wurde ihm die Privatdozentur an der Universität Graz für das Fach Psychopathologie erteilt. Um 1905 gelangte er das erste Mal nach Ascona und machte dort die Bekanntschaft Erich Mühsams. Als 1906 der Vater nach Graz zurückzog, hielt es Otto Gross nicht länger dort. Er siedelte nach München über, wo er sich bald von der Schwabinger Bohème angezogen fühlte. Dort hatte er Beziehungen zu den Schwestern Richthofen: Else Jaffé und Frieda Weekly wurden die Söhne Peter Gross (ehelich) und Peter Jaffé (unehelich) geboren (Hurwitz, S. 302). Für die Bohème wurde Otto Gross zu einer der wichtigsten Figuren: "er war der psychoanalytische Theoretiker der hier praktizierten Lebensform'' (ders., S. 114). Der Psychoanalytiker als Revolutionär Für psychische Erkrankungen machte Otto Gross gesellschaftliche Zusammenhänge verantwortlich, vor allem aber die von der Gesellschaft unterdrückte Sexualität, deren Befreiung ja von den Vertretern der Bohème postuliert wurde. So hatte er auch nichts dagegen einzuwenden, daß seine Frau 50

51 später mit seinem Freund Ernst Frick zusammenlebte und mit ihm ein Kind zeugte - Gross hielt ihn sogar für den geeigneteren Partner für seine Frau. Gross selbst praktizierte die freie Liebe und "verschrieb" dies auch seinen Patienten und überhaupt der Menschheit: "Es sind die Zwänge einer unfreien, durch Normen und Institutionen, wie z.b. Ehe, Treue, Keuschheit usw., verformten und geknechteten Sexualität, die für die meisten psychischen Störungen verantwortlich sind. In der Psychotherapie sollte das Individuum von diesen Gesellschaftszwängen der herrschenden Sexualmoral befreit werden. Die Stärkung der Bedürfnisse des "Eigenen" gegenüber denjenigen des "Fremden" bedeutet hier eine sozialkritische Distanzierung von der gängigen Sexualmoral Neurotiker können nur gesunden, indem sie "Sexualimmoralisten" werden" (ebda., S. 31), das heißt, wenn sie ihre Sexualität frei ausleben. Das "Eigene" ist für Otto Gross die Gesamtheit der Triebe und Affekte. Durch die Übermacht des "Fremden", der Gesamtheit aller Nonnen, Zwänge und Moralvorstellungen, welche durch das Autoritätsprinzip dem "Eigenen" übergestülpt werden, und dem daraus resultierenden Widerspruch kommt es zu psychischen Erkrankungen. Krankheit ist bei Gross ein Ausdruck innerer Stärke. Menschen, die an ihrem inneren Wesen, dem "Eigenen", stärker festhalten (können), erleben die von der Gesellschaft auferlegten Zwänge, das "Fremde", stärker. Diese Menschen sind viel stärker gefährdet, psychisch zu erkranken, als Menschen, die sich dem äußeren Zwang anpassen und somit besser "funktionieren". Das krankmachende Moment der Gesellschaftsstrukturen wurde später von Wilhelm Reich, Herbert Marcuse und den "Antipsychiatern" Ronald Laing und David Cooper wiederentdeckt (Conti, S. 31). Otto Gross' Theorien stellten die gängigen Methoden der (damals sehr jungen) Psychoanalyse, aber vor allem der Psychiatrie in Frage: "Gegenüber der klinischen Psychiatrie und ihrer Methode der Einsperrung unangepaßter psychisch gestörter Individuen zum Zwecke der Anpassung an gesellschaftliche Normen [... ] ist die im Gross'schen Sinne verstandene Psychoanalyse eine grundlegend andere, emanzipatorische Wissenschaft und Therapie." (Hurwitz, S. 208f.). Wenn innere Zwänge durch äußere Zwänge entstehen, dann müssen, um eine erfolgreiche Therapie zu garantieren, die äußeren Zwänge entfernt werden. Da jede Form von Autorität zu inneren Zwängen und damit zu psychischen Störungen führt, erscheint es notwendig, das Prinzip der Autorität in jeder Form zu überwinden. Daß die Beziehung Analytiker - Patient ebenso monogam ist und das "Fremde" unterstützt, für die Genesung also wenig hilfreich ist, erscheint zwingend logisch (ebda., S. 84). Darüber hinaus hat nach Otto Gross' Theorien die Psychoanalyse ein kritisch-emanzipatorisches Element, welches wiederum ein revolutionäres Potential in sich birgt (Hurwitz verweist in diesem Zusammenhang auf die Tatsache, daß in allen Diktaturen Psychoanalytiker politisch verfolgt wurden und werden). Autorität wird als krankmachend grundsätzlich abgelehnt. Gross' Theorien waren also durchaus von den Machthabern dieser Zeit als Bedrohung aufzufassen, aber auch von der Psychoanalyse und deren namhaftesten 51

52 Vertretern selbst, weil diese natürlich darauf bedacht waren, die Psychoanalyse gesellschaftsfähig zu machen bzw. zu halten. Vor allem Sigmund Freud achtete darauf, daß die Psychoanalyse rein naturwissenschaftlicher Natur blieb und keine sozialkritischen Fragen stellte, um die junge Disziplin nicht zu gefährden. Analytiker, die sich nicht daran hielten, wurden aus der Bewegung ausgeschlossen. Die Familie als Form menschlichen Zusammenlebens sah Gross als Herd aller Autorität und stellte diese damit zur Disposition. Er betonte, daß jede Form von elterlichem Zwang, welcher damals zentraler Bestandteil jeder Erziehung und der Pädagogik überhaupt war, zu psychischen Störungen führen muß (ein Sachverhalt, der von der Psychoanalytikerin Alice Miller seit den Siebzigern vielfach untersucht und bestätigt wurde und von der Antipädagogik aufgegriffen wurde.). Als logische Konsequenz ergibt sich daraus, daß die Erziehung, wie sie praktiziert wurde, geändert werden muß. Autorität muß einzig und allein durch Liebe ersetzt werden. Um das zu erreichen, ist eine Revolution notwendig, eine Revolution, die eine Aufhebung der Autorität und aller patriarchaler Strukturen, welche im wesentlichen nur auf die Sicherung von Macht aus sind, und eine Umkehrung zur Individualität bewirkt (Hurwitz, S. 92). Gross spricht im Zusammenhang mit Familie von schädlichen Milieureizen. Er meint damit, daß Patienten durch das Milieu der Familie, des Elternhauses, die Therapie erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Die schädlichen Milieureize sind auf jeden Fall zu vermeiden. Gross selbst legte schon früh Wert darauf, möglichst weit weg vom Elternhaus zu leben, da dieses für ihn ganz offensichtlich auch einen schädlichen Milieureiz darstellte. Als sein Vater von Prag nach Graz zog, zog Otto Gross von Graz nach München. Otto Gross' Theorien beziehen sich auf die Annahme, daß es vor der Entwicklung des Patriarchats eine Zeit des Matriarchats gegeben hat. Das Patriarchat oder das Vaterrecht meint die Vorherrschaft des Mannes in Gesellschaft und Familie, aber auch grundsätzlich das Vorhandensein von Machtstrukturen und Autorität. Im Matriarchat bzw. Mutterrecht gibt es weder Machtstrukturen noch Autorität. Alle Rechte und Pflichten, Verantwortung und Gebundenheit sind zwischen Individuum und Gesellschaft gelegt, wohingegen im Vaterrecht die rechtlichen Bindungen auf die Seite der Individuen untereinander verschoben ist. Im Mutterrecht gab es für die Sexualität keine Schranken, Normen, keine Moral und keine Kontrolle. Otto Gross deutet den Sündenfall in der Schöpfungsgeschichte der Bibel als Umkehrpunkt des Mutterrechts in das Vaterrecht und damit die Begründung von Autorität und Macht. Mit dem Sündenfall werden sich Mann und Frau ihrer Scham bewußt, hierin ist der historische Ursprung aller psychischen Erkrankungen zu suchen. Die Vertreibung aus dem Paradies bedeutet also nichts anderes als die Ablösung des Mutterrechts durch das Vaterrecht und die damit verbundene Schaffung von autoritären Strukturen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Eine Rückkehr 52

53 ins Paradies ist durch eine Umkehrung der Verhältnisse also aus der psychoanalytischen Sicht Otto Gross' möglich, wenn nicht sogar der einzige Weg der Erlösung. Der Weg dorthin führt darüber, "daß jeder einzelne sich vom Autoritätsprinzip befreie [... und... ] von der Erbsünde selbst, dem Willen zur Macht" (Zitat O. Gross, in: Hurwitz, a.a.o.). Nach Otto Gross sind die Andersartigen diejenigen, die die gesellschaftliche Norm sprengen (Gross meint damit natürlich zunächst einmal sich selbst und die anderen Vertreter der Bohème, bezieht aber generell Psychopathen, Kriminelle, Homosexuelle usw. mit ein.) und zu seiner Zeit als Degenerierte bezeichnet wurden, das "Salz der Erde". Sie sind es, die durch ihre Andersartigkeit neue Ideen haben, verfolgen, ausleben und damit testen. Nur mit Hilfe dieser Degenerierten ist überhaupt gesellschaftliche Entwicklung möglich, da nur sie bisherige Konventionen in Frage stellen bzw. über den Haufen werfen (Hurwitz, S. 256). Nur ein fortschrittsfeindliches, autoritäres Denken kann ein Interesse daran haben, diese Andersartigen ausmerzen zu wollen. Für ein fortschrittsfeindliches, autoritäres System stellen diese Degenerierten nach dieser Theorie allein schon wegen ihrer Andersartigkeit eine Gefahr dar. Otto Gross' Vater Hans Gross plädierte im Gegensatz dazu dafür, alle Degenerierten nach Afrika zu deportieren. Die gesellschaftliche Stigmatisierung 1908 wird Otto Gross ins Burghölzli von Zürich, eine psychiatrische Klinik, interniert, um ihn von Kokain und Morphium zu entwöhnen. Gross' Vater bat ebenfalls um die Internierung, aber letztlich willigte er aus freiem Willen ein. Die Überweisung wurde von Sigmund Freud geschrieben, der behandelnde Arzt sollte Carl Gustav Jung sein war Gross schon einmal im Burghölzli zwecks einer Entziehungskur gewesen, damals wurde von den Ärzten "unglückliche Liebe" als Ursache für den Ausbruch des Morphiumgebrauchs festgestellt. Die erste Behandlung wurde von für ihre Zeit repräsentativen Psychiatern durchgeführt, die die psychische Erkrankung auf wenige körperliche und seelische Eckpunkte reduzierten und mit gesellschaftlichen Moralvorstellungen vermischten. So wird unter anderem seine Abscheu vor Fleischspeisen (offensichtlich hatte Gross sich zu diesem Zeitpunkt vegetarisch ernährt) als krankhaft beschrieben, ebenso wie die Tatsache, daß er weder Pflichtgefühl noch Vaterlandsgefühl besitze (ders., S. 136ff., vgl. dazu Krankengeschichte Burghölzli). Bei der zweiten Behandlung sollte aber C. G. Jung der behandelnde Arzt sein, die gesamte Krankengeschichte stammt ausschließlich aus seiner Hand. Jung war jedoch von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, als "Kronprinz" vorgesehen. Jung sollte die Ideen und Erkenntnisse Sigmund Freuds auch über dessen Tod hinaus verbreiten, weiterentwickeln und verteidigen. Zwischen den beiden Forschem bestand also eine Art Vater-Sohn-Beziehung. Bald entstanden jedoch Differenzen in den theoretischen Vorstellungen zwischen Freud und Jung, die schon 1908 spürbar 53

54 wurden, also zu der Zeit, in die die Behandlung Otto Gross' fiel (vgl. Wehr, S. 23ff ). Diese Behandlung wurde für Jung Bestandteil der Rivalitäten zu Freud, im Schriftwechsel der beiden ging es nicht nur um die Erörterung theoretischer Fragen, sondern auch um die ganz konkrete Krankengeschichte des Otto Gross und deren Diagnose. In diesem Fall stand der behandelnde Arzt unter einem ganz ungewöhnlich großen Erfolgszwang, schließlich wollte er dem Übervater Freud beweisen, daß er es mindestens genauso gut kann, was durch das Verhalten des bekannten Vaters, der auf eine erfolgreiche Behandlung geradezu pochte, noch verstärkt wurde. Während der Behandlung fiel Otto Gross besonders durch provokative Unangepaßtheit auf, was sich unter anderem darin äußerte, daß er nachts das Licht in seinem Raum unbedingt brennen lassen wollte und seinen Hut stets mit ins Bett nahm. Allerdings betonte Jung, daß es sich trotz seiner Stacheligkeit prachtvoll anregend mit ihm sprechen ließ. Die Behandlung wurde durch den Patienten jäh beendet, indem er sich aus der Klinik absetzte. Dieser Schritt muß in Jung einen großen Schmerz verursacht haben, denn er hatte nicht nur einen Patienten, sondern einen Kollegen verloren. Gross war nur für zwei Monate in Behandlung gewesen, aber dennoch stellte Jung nach der Flucht die Diagnose "Dementia Praecox", was damals unheilbarer Verblödungsprozeß bedeutete. Der Begriff "Dementia Praecox" ist heute nicht mehr geläufig, umriß 1908 aber in etwa die psychischen Erkrankungen, die heute als Schizophrenie bezeichnet werden. Mit dieser Diagnose war Otto Gross für sein weiteres Leben als bis auf weiteres unheilbar krank gestempelt. Wieso sich C. G. Jung zu einer so weitreichenden Diagnose hinreißen ließ, ist unklar. Aus der Krankengeschichte und dem Schriftwechsel zwischen Jung und Freud läßt sich kein Hinweis darauf finden, daß Gross tatsächlich schizophren war (Hurwitz, S. 190). Emanuel Hurwitz kommt zu dem Schluß, daß diese Diagnose nur das Ergebnis einer (psychischen) Schutzreaktion gewesen sein kann: Weder vor sich selbst, noch vor seinem Rivalen Sigmund Freud oder vor dem Vater Hans Gross, konnte er zugeben, daß seine Behandlung möglicherweise falsch war. Als einziger Ausweg erschien in dieser Situation nur, Otto Gross als unheilbar einzustufen (ebda., S. 184). Die gestellte Diagnose kann aus heutiger Sicht nur als Ausdruck der Hilflosigkeit des Arztes gedeutet werden. Otto Gross wurde ein Opfer des Systems Psychiatrie, das der fortschrittliche Analytiker C. G. Jung unter anderem auch wegen seiner ausbrechenden Streitigkeiten mit Sigmund Freud nicht durchbrechen konnte. In den Jahren führte Gross ein unstetes Leben, er verbrachte längere Zeitabschnitte in Ascona, wo er den Plan, eine Anarchistenschule zu gründen, verfolgte. Zwischendurch wurde er wieder, unter anderem auf Betreiben des Vaters, in eine psychiatrische Anstalt interniert. Durch mehrere Reisen versuchte er sich, dem kontrollierenden Einfluß des Vaters zu entziehen siedelte er schließlich nach Berlin um, wo er sich der Gruppe "Aktion" um Franz Pfernfert anschloß. 54

55 1913 wurde Otto Gross als "gefährlicher Anarchist" aus dem preußischem Staatsgebiet ausgewiesen. Er wurde von der preußischen Polizei bis zur Grenze zu Österreich begleitet, um ihn dort den österreichischen Behörden zu übergeben, die ihn nach dem Willen des Vaters in die Privat-Irrenanstalt Tulln internieren ließen. Zweifellos hatte der Vater seine Beziehungen als Professor für Kriminologie spielen lassen, um diese Staatsaktion durchführen zu können und sich des eigenen Sohnes zu bemächtigen. Im Anschluß daran wurde von seinen Freunden, vor allem Franz Jung, Franz Pfemfert und Erich Mühsam, eine internationale Pressekampagne entfesselt. Aber an dem Gang der Dinge konnte diese nichts mehr ändern. Am 23. Dezember 1913 wurde ein psychiatrisches Gutachten über Otto Gross erstellt, in dem zwei Amtsärzte Wahnsinn im Sinne des Gesetzes attestierten. Am 9. Januar wurde der Vater Hans Gross vom k. k. Landgericht zum Vormund bestimmt. Die Entmündigung durch den Vater begann aber schon früher. Schon seit dem Aufenthalt im Burghölzli 1908 hatte sich der Vater sehr darum bemüht, den Sohn als geisteskrank darzustellen, um sich bereitwilliger Personen zu bemächtigen, die hinter ihm herspionieren und gegebenenfalls einschreiten sollten, um eine Katastrophe (aus der Sicht des Vaters, es stand ja immerhin der gute Ruf des Professors auf dem Spiel) zu verhindern. Die Autorität des Vaters war für Otto Gross zwar nicht immer unmittelbar wahrnehmbar, aber dennoch ständig vorhanden. Das Stigma des Geisteskranken wurde durch die Überwachungsaktivitäten des Vaters verstärkt und weiterverbreitet. Das Gutachten selbst beschreibt bloß die psychischen Zustände, die Otto Gross durchlitt, ohne nach den Ursachen zu fragen, und bewertet seine von der damaligen Zeit abweichende Moral als moralischen Defekt, welcher als schwerwiegend bezeichnet wird und damit als wichtigster Beweis für Geisteskrankheit angeführt wird. Der Vater begnügte sich jedoch nicht nur damit, seinen Sohn zu entmündigen, er wollte auch seinen Enkel, Peter Gross, Frieda Gross und deren Lebensgefährten Ernst Frick entreißen, was ihm aber trotz zahlreicher juristischer Anstrengung nicht gelang. Am 8. Juli wurde Otto Gross als geheilt entlassen. Bei Kriegsausbruch meldete er sich freiwillig und arbeitete in einer Klinik in Wien, später in einem Spital in Ungvar wurde er Landsturmassistenzarzt in Slavonien. Am 9. Dezember 1915 starb Hans Gross. Ein neuer Vormund, der die Geschäfte im Sinne des Vaters betrieb, wurde bestellt wurde Otto Gross wegen eines Rückfalls in die Drogensucht 6 Monate zur Entziehungskur hospitalisiert, 1917 für dienstund landsturmuntauglich befunden. Im September 1917 wurde die volle Kuratel wegen Wahnsinns in eine beschränkte Kuratel wegen geistiger Anomalie umgewandelt. Eine volle Wiederbemündigung hat Otto Gross bis zu seinem Tod nicht mehr erreicht. In dieser Zeit veröffentlichte er allerdings einige seiner bedeutendsten theoretischen Schriften. Von fungierte Otto Gross als Mitherausgeber der Zeitschrift "Die freie Straße, Folge der Vorarbeit", 55

56 welche in Berlin erschien. Gemeinsam mit Franz Jung wollte er diese Zeitschrift zu einem geistig-künstlerischen Zentrum des Dadaismus mit philosophischpsychoanalytischem Schwerpunkt machen war er Mitherausgeber der Zeitschriften "Die Erde" und "Das Forum". Allerdings schien ihm seit dem Tod des Vaters die Person zu fehlen, gegen die er sich auflehnen konnte. Zeit seines Lebens konnte er sich von der Autorität des übermächtigen Vaters nicht befreien, er war immer auf die finanzielle Unterstützung durch den Vater angewiesen und akzeptierte diese bereitwillig. Mit dem Verlust des Erzfeindes verlor Otto Gross aber den inneren Halt. Am starb Otto Gross. Zwei Tage zuvor wurde er halb verhungert und frierend von Freunden aufgefunden und mit einer Lungenentzündung und Entzugserscheinungen in ein Sanatorium eingeliefert, wo er starb. Es heißt, er hatte diese Freunde im Streit verlassen, weil sie sich geweigert hatten, ihm bei der Beschaffung von Drogen behilflich zu sein. Zwar wurde Otto Gross von zahlreichen Schriftstellern verewigt, unter anderem in Johannes R. Bechers Roman "Abschied" als Doktor Hoch, in Karl Ottens Roman "Wurzeln" als Doktor Othmar, in Leonhard Franks Roman "Links wo das Herz ist" als Doktor Kreuz, in Franz Jungs Roman "Sophie, der Kreuzweg der Demut", in Franz Werfels Roman "Barbara oder die Frömmigkeit" als Doktor Gebhardt und schließlich in Max Brods Roman "Das große Wagnis" als Doktor Askonas, Schriftsteller die Otto Gross während seines bewegten Lebens kennenlernte und auf die er teilweise großen Einfluß ausübte. Dennoch geriet er nach seinem Tod in Vergessenheit. Auch die Psychoanalyse verdrängte ihn: C. G. Jung - Gross lieferte ihm zahlreiche Anregungen für seine Theorien - ließ die Danksagungen an den Kollegen Otto Gross aus späteren Auflagen seiner Werke streichen. Offensichtlich kamen die Theorien des Otto Gross zu früh. Erst seit wenigen Jahren wird er wiederentdeckt. 56

57 Libertinage - Franziska zu Reventlow / Else Lasker-Schüler Franziska, Liane, Wilhelmine, Sophie, Auguste, Adrianne zu Reventlow, kurz genannt Fanny, wurde am 18. Mai 1871 in Husum geboren. Ihr Vater, Friedrich Graf zu Reventlow war der erste preußische Landrat der 1864 an Preußen gefallenen Herzogtümer Schleswig Holsteins. Er übernahm die Verwaltung des Kreises Husum und residierte im Husumer Schloß. Franziskas Mutter war Luise Reichsgräfin zu Rantzau. Franziska wuchs als junge Comteß auf Ihr ungestümes und temperamentvolles Wesen führte in dieser etikettierten Welt zu Unverständnis, dem der Vater mit Strenge und die Mutter mit Lieblosigkeit begegneten. "Ich habe mir als Kind immer eingebildet nicht das rechte Kind meiner Eltern zu sein - weil ich nicht begreifen konnte, daß Mutter mich so behandelt." schrieb Franziska an einen Jugendfreund. Fünfzehnjährig wurde sie dann in das freiadelige Magdalenenstift zu Altenburg gesteckt, zwecks Erziehung. Sittsamkeit und Anstand waren die Erziehungsideale. Franziska rebellierte. Sie wurde bestraft, abgesondert von den anderen Mädchen, aber vergeblich! "Ich habe mir nie das Knie gebogen - den stolzen Nacken nicht gebeugt."- schrieb sie mit Kreide an ihre Spindtür. Sie wurde von der Anstalt relegiert. Zuhause lebte sie fortan wie eine Ausgestoßene, die Schande, die sie ihrer Familie mit der Relegierung zugefügt hatte, wurde ihr wieder und wieder vorgeworfen wurde das Schloß verkauft und die Familie siedelte nach Lübeck über. Franziska lebte nun das langweilige Leben der "höheren Töchter." Von jungen Mädchen findet man es entsetzlich, wenn sie eigenständig sein wollen, sie dürfen überhaupt nichts sein, im besten Fall eine Wohnstubendekoration oder ein brauchbares Haustier von tausend lächerlichen Vorurteilen eingeengt, die geistig Ausbildung wird vollständig vernachlässigt, möglichst gehemmt. Zuletzt werden sie dann an einen netten Mann verheiratet und versumpfen vollständig in Haushalt und Kindergeschichten." (Brief an Fehling: ). Das selbstgefällige Leben einer Gesellschaftsschicht, die sie verabscheute: "Mir ist diese hochgradige Aristokratie höchst unsympathisch....die albernen Formalitäten, die idiotischen Standesvorurteile würden es mir unmöglich machen, auf die Länge unter Ihnen zu leben." (Brief an E. Fehling: 6. Juli 1890) Sie lernt ihren Jugendfreund Emanuel Fehling kennen, einen Freund ihres sieben Jahre älteren Bruders Ludwig. Durch den Zwang der Konventionen können sich die beiden Liebenden nur selten sehen. Fast täglich schreibt Franziska Briefe an Emanuel. "Ich bin zu Hause oft nicht weit weg vom Verzweifeln und fühle mich oft wochenlang tief unglücklich, weil ich eben nie Liebe finde und folglich auch keine geben kann. Bin ich dagegen anderswo, wo die Menschen mir Freundlichkeit und Liebe entgegenbringen, da finde ich das Leben oft so schön, 57

58 trotz aller Schattenseiten, und fühle die Kraft und Lust in mir, es zu leben." (an Fehling, Brf, S. 39f). Nach der Schule möchte sie, nachdem ihr das Leben als Akrobatin, als Zigeunerin, oder als Schiffsjunge vorstellbar erschien, Malerin werden - das Künstlerleben als 'eine unbekannte, verheißungsvolle Welt, ein wundervolles schöpferisches Leben', und nicht zuletzt die Freiheit von allen Konventionen erfahren. Dieser Wunsch wird ihr jedoch von den Eltern verwehrt. Um der geistigen Enge des Elternhauses zu entgehen, besucht sie ein Lehrerinnen-Seminar und schließt dieses mit Examen ab. Als Seminaristin liest sie viel und mit Begeisterung Dostojewsky, Tolstoi, Turgenjew, Strindberg, Hamsum, Maupassant und Zola. Sie arbeitet sich durch die Rembrandtdeutschen (1892) von Julius Langbehn, der damals wie Nietzsche und Lagarde gegen den Materialismus und das intellektualistische Bildungsideal des ausgehenden 19.Jahrhunderts kämpfte. Daneben beschäftigt sie sich mit Kitschromanen und verbotener Liebeslektüre. Entscheidenden Einfluß üben die Werke Ibsens auf sie aus, die sie fast alle mehrmals liest. Sie findet durch ihren Bruder Zugang zu einem der Ibsenclubs, in denen die damals opponierende Jugend sich zusammenschloß. Der Norweger Ibsen begeisterte die damalige Jugend mit seinen gesellschaftlichen Dramen, in denen er die Konventionen als "Lebenslüge" bloßlegte. Franziska schreibt an Emanuel Fehling: "Nora und der Volksfeind finde ich begeisternd. Mir ist, als ich lbsen kennnen gelernt habe, eine neue Welt aufgegangen, von Wahrheit und Freiheit. Ich möchte ins Leben hinaus und für diese Ideen leben und wirken." In ihrem Jugendroman "Ellen Olestjerne" beschreibt sie ihr Lebensgefühl in dieser Gemeinschaft: "Was sind das alles für Menschen, ohne Schablonen und voll Künstlertum und Freiheit. Es ist einem dabei, als ob man sein Leben lang taub und blind und stumm in einer Höhle gesessen hätte, und nun zum erstenmal sieht, zum erstenmal menschliche Stimmen hört, die ins Leben rufen." (EO (GW), S.562). Mit dem Erscheinen Nietzsches "Zarathustra" wandelt sich die Ibsenbegeisterung zur Nietzschebegeisterung. An Fehling schreibt sie am : "Ich habe mir auf Pump den Zarathustra gekauft ich mußte ihn haben" (an Fehling, Brf., S. 20). Und in "Ellen Olestjerne" heißt es: "Und von nun an lasen sie jeden Abend, der Zarathustra wurde ihre Bibel, die geweihte Quelle, aus der sie immer wieder tranken und die sie wie ihr Heiligtum verehrten... die alte morsche Welt mit ihrer Gesellschaft und mit ihrem Christentum fiel in Trümmer, und die neue Welt, das waren sie selbst mit ihrer Jugend, ihrer Kraft, mit allem was sie schaffen und ausrichten wollten. Es war wie ein gärender Frühlingssturm in ihnen." (EO (GW), S. 575) Die freie Liebe, das beherrschende Diskussionsthema der lbsenclubs, war nicht nur Gedanke. Als die Eltern die Liebesbriefe von Emanuel Fehling bei Franziska fanden, kam es zum endgültigen Bruch. Franziska wurde von der Familie verstoßen und später von ihrer Mutter enterbt. Konsequent ging sie in das bevorzugte Exil aller Gegner der von Bismarck und Wilhelm II. repräsentierten Gesellschaft nach Schwabing - via Hamburg. An dem Tag ihrer Volljährigkeit verläßt sie Lübeck 58

59 und flieht mit zwanzig geliehenen Mark nach Hamburg zu ihren lbsen-club- Freunden. Im dortigen lbsen-club lernt sie den liberalen Gerichtsassessor Walter Lübke kennen, der ihr ein Malstudium in München ermöglicht. Sie landet in Schwabing, interessiert sich zunächst jedoch mehr für die Künstler als für die Kunst. Mitten im Trubel der Ateliers, Bars und Feste, erreicht sie ein halbes Jahr später die Nachricht des bevorstehenden Todes ihres Vaters. Sie kehrt nach Lübeck zurück, wo ihr jedoch die Mutter den Zutritt zum Sterbezimmer verweigert und sie aus dem Haus weist. Sie fährt nach Hamburg und heiratet 23- jährig den Gerichtsassessor Walter Lübke. Die Ehe verläuft beschaulich, sie spielt mit Mühe die Rolle der Frau Gerichtsassessor, doch schon nach einem Jahr bricht sie aus der Idylle aus und geht erneut nach Schwabing, um ihre Bohème-Existenz fortzusetzen. In München angelangt, stürzt sie sich in eine Reihe von Liebesabenteuern, bis ein mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt sie zu einer Atempause zwingt bestätigt ihr ein Arzt, daß sie schwanger ist. In den Monaten der Schwangerschaft wechseln Phasen der freudigen Erwartung mit solchen tiefer Depression und Todesgedanken: "Ich habe einen verrückten Gedanken, zu ihm (Walter) hinfahren, ihn noch einmal sehen und dann sterben, mich töten... Mich töten, es verfolgt mich wie eine fixe Idee. Dabei hänge ich mehr am Leben, gerade jetzt, überhaupt erst jetzt. Mein Kind all meine Hoffnungen, das mein Leben sich nochmal aufbaut. Aber es ist einfach krankhaft, Gott sei Dank, daß ich mir das immer in lichten Momenten sage. Nur das äußere Leben benimmt mich wohl so. Was Walter mir schickt reicht nicht... - Und Schulden. Von A. will ich nichts nehmen, ich muß ihn loß sein und darf ihm nichts zu danken haben. Zerbreche mir den Kopf wie es werden soll." ( TB). Sie ist zeitweise beherrscht von dem Gefühl innerster Einsamkeit und Verlassenheit. Dennoch notiert sie in ihrem Tagebuch: "Und dazwischen Rilke. Jeden Morgen ein Gedicht von ihm im Briefkasten, das gefällt mir." Sie schreibt wieder und wieder, voller Sehnsucht an ihren Mann Walter Lübke und versucht, sich mit ihm zu treffen, doch sie erhält nur ein Telegramm: "Wiedersehen ausgeschlossen". Die Ehe wird geschieden und Franziska schreibt später: "Ich wollte Walter behalten und all die anderen auch - was habe ich in dieser kurzen Zeit alles erlebt - einen nach dem anderen. Warum fühle ich das Leben herrlich und intensiv, wenn ich viele habe? - Immer das Gefühl eigentlich gehöre ich allen. Und dann wieder der haltlose Jammer, daß ich gerade dadurch den Einen verliere, der mich liebt. Warum gehen Liebe und Erotik für mich so ganz auseinander."(tb: S. 42) 59

60 Am 1. September kommt ihr Sohn Rolf zur Welt. Es beginnt eine Phase der überströmenden Mutterliebe. "Ich lag in meinem Wohnzimmer und sah grüne Bäume und Sonne und hatte mein Kind, endlich mein Kind. Alles hängt an ihm, all mein Leben, und die Welt ist wieder herrlich für mich geworden, wieder Götter und Tempel und der blaue Himmel darüber." (TB: S. 71). Den Vater des Kindes nennt sie nicht. Als sie ihr Verleger Holm fragt, wer denn der Vater sei, antwortet sie: "Lieber Gott, ein fremder Herr, so wie ich heute zu ihm stehe. Den geht der Bub nicht das geringste an. Ich würde es mir schön verbitten, wenn er sich um ihn kümmern wollte." Über all die Jahre wird sie es schaffen, die gesetzliche Vorschrift zu umgehen, derzufolge jedes außereheliche Kind einen Amtsvormund haben muß. Auch die ersten Schuljahre erspart sie ihrem "Göttertier", als geprüfte Lehrerin darf sie selbst unterrichten. Franziska muß für sich und ihr Kind sorgen. Die finanzielle Misere ist eine Last für die junge Mutter. Mit literarischen Arbeiten versucht sie die dringendsten Mittel zu beschaffen. Sie schreibt skizzenhafte und scharf pointierte Erzählungen für den Simplicissimus. Sie macht Übersetzungen von Unterhaltungsliteratur, aber auch von Anatol France, Maupassant und anderen namhaften Autoren. Die Erträge sind gering und reichen nicht, der Gerichtsvollzieher ist ständiger Gast bei der Reventlow. Immer wieder muß sie 60

61 die Wohnung wechseln, da sie die Miete nicht bezahlen kann. Sie arbeitet hart, übersetzt, schreibt, näht Kleider für ihr Kind und versorgt dies, so daß es nichts entbehren muß. Auf der Suche nach neuen Verdienstmöglichkeiten setzt sie 1889 ihre Hoffnungen auf das Theater. Mit dem Geld, das sie als Aktmodell verdient, leistet sie sich Schauspielunterricht, lernt Rollen, probt. Doch auch die Erwartungen, als Schauspielerin Geld zu verdienen, erfüllen sich nicht. Sie lernt Stenographie, um als Privatsekretärin eine Stelle zu finden, pachtet einen Milchladen und geht bankrott. Sie versucht eine Lehre als Masseuse zu machen, gibt ihr Vorhaben nach dem ersten Tag wieder auf, sie putzt Klinken als Versicherungsagentin, ist aber immer froh, wenn die Leute die Tür gleich wieder zuschlagen. Und sie übersetzt, bei alledem, nächtelang: Ist das ein Hetzleben - jetzt fast jede Nacht bis zwei Uhr gearbeitet."- "Zur Redaktion Arbeit geliefert 252 Seiten = 192 M, wenn er auf die Erhöhung eingeht - abscheuliche Fronarbeit." Trotz der Arbeit besitzt sie nie Geld und wird zumeist von Gläubigem, Hauswirten und Gerichtsvollziehern verfolgt. Doch so wirklich wichtig nimmt sie es nicht, zum Geld hat sie kein Verhältnis: "Was tue ich eigentlich mit dem Geld, es ist mir selbst unklar. Ich arbeite wie ein Pferd und lebe miserabel und habe nie etwas. Allerdings passiert es mir wie neulich, daß ich einen Fiaker nahm und ihm 10 M gegeben habe, weil ich mich nicht mit dem Wechseln aufhalten wollte." Ihr Verleger Korfiz Holm berichtet: "Ich wenigstens, zu dem sie oft unter dem Drucke böser Schwierigkeiten kam, erinnere mich nicht, daß ich sie jemals hätte ernstlich klagen hören. Von ihren Sorgen redete sie nur, als hätte sie mir einen Schwank aus ihrem Leben zu berichten, und dabei am Ende das Wort 'Not' im Mund zu führen, das wäre ihr ganz einfach kitschig vorgekommen-" Libertinage - die erotische Rebellin Franziska ist begeisterte und überzeugte Mutter, und zugleich ist sie weiterhin Abenteurerin im Reich der Liebe. Zahlreiche Liebhaber bestimmen ihr Leben, lösen sich einander ab, ergänzen sich. In ihrem Tagebuch schreibt sie: "Auf einmal in einem ganzen Wirbel drin von Aventüren. Ach, wie ist es gut, wenn einem der moralische Halt so gänzlich fehlt.", oder: "Ich liebe einen und begehre sechs andere, einen nach dem anderen, mich reizt gerade der Wechsel und der "fremde" Herr."- "Selbst grande passion macht mich nicht monogam." Reventlows Erotik ist selbstbestimmt, ihre Moral: die strikt persönliche Freiheit. Sie liebt um des Lebens willen und das Leben kann sich nicht beschränken, auf nur einen Mann. So beschreibt sie in ihrer Liebesphilosophie, den "Amouresken": Ja Paul, Paul war in diesem Fall nur ein Sammelname. Er hieß gar nicht Paul - er war es nur. Es gibt eine bestimmte Art von Erlebnis, das ich Paul nenne, aus dankbarer Erinnerung an seinen ersten 61

62 Vertreter..... Paul ist eine Gelegenheit, die immer von Zeit zu Zeit wiederkehrt. Nicht etwa, weil sie besonders tiefen Eindruck gemacht hätte - im Gegenteil, Paul ist immer etwas Lustiges, Belangloses, ohne Bedenken und ohne Konsequenzen-" Dann gibt es aber noch die "fremden Herrn" und die "grande passions". Franziska läßt keinen Zweifel an der Intensität der unterschiedlichen Begegnungen: "Jede einzelne Spielart hat ihre besonderen Reize, und das Ensemble dürfte man wohl Erotik nennen." Manche Verbindungen ermöglichen ihr ein zeitweise finanziell unbelastetes Leben, so wie die Dauerverbindung Albrecht Henschel, Archäologe und Unternehmer, der sie z.b mit ihrem Sohn einige Monate nach Samos mitnimmt. Albrecht Hentschel gehört zu jener Kategorie der "grande passions", doch Franziska bekennt sich auch zur Gelegenheitsprostitution. Sie erklärt ohne Umschweife, daß für ihr Empfinden "der Handel in seiner direkten Form immer noch die beste Möglichkeit wäre und eigentlich auch die anständigste." (GW 961). Sie wendet sich gegen die Doppelmoral ihrer Zeit, die das feste illegitime Verhältnis stillschweigend duldet, die Prostitution aber gesellschaftlich ächtet. "Ach, guter Gott, in Geschichten werfen sich sündige Mütter dann an der Wiege ihres Kinde nieder etc.. Ich komme müde heim, bin froh, wenn ich etwas mehr Geld in der Tasche habe und wieder bei meinem Bübchen bin. Aber das er mir etwas übelnehmen sollte, wenn er groß ist und Einblick in die Abgründe tut, durch die seine Mutter gelegentlich wandelt - er möchte es mir eher übelnehmen wenn ich ihn und mich verhungern ließe, und wenn ich mich mit Übersetzen totschinde. Mein einziges Verbrechen ist, daß ich nicht reich bin." (TB 94/5). Trotz einer Vielzahl reicher Bewerber hat sie sich mit Rücksicht auf ihre Unabhängigkeit gegen das Leben einer Hetäre entschieden, sie notiert: "Solche festen Engagements sind nichts für mich." (TB: S. 108). Und auch lukrative Eheangebote hat sie (bis auf einmal) immer wieder abgelehnt. "Entweder sie liebte, aber es war kein Geld da. Oder das Geld war vorhanden, aber sie ließ sich ihre Liebe nicht abkaufen." (Fritz, S. 84). Wenn sie liebte, so beschränkte sie sich erotisch wie auch seelisch nie nur auf einen Mann. In ihrem abstrakten Modell, das sie selbst ein "harmloses Beispiel" nennt, wird deutlich, wie offen und frei sie Liebesverhältnissen gegenüberstand: "A... holt mich ab, zu irgendeiner Unternehmung. B... der mich auch abholen will kommt dazu. Wir gehen also alle drei miteinander. Zu merken: ich stehe beiden noch ganz unbescholten gegenüber. - In Bezug auf A... habe ich meine Vermutungen - er läd mich denn auch auf übermorgen ein, aber es interessiert mich einstweilen noch nicht besonders. B... begleitet mich heim - ich habe keine Vorahnungen, aber es folgt une de ces heures und so weiter... und dann 62

63 natürlich auch eine Verabredung auf über-über morgen. Der Abend mit A... geht in Szene und endigt schicksalvoll, wir verlieben uns heftig und auf Dauersache. Ich fühle auch gar kein Verlangen, ihn gleich von vornherein zu hintergehen, aber ich habe B... auch sehr gern und würde es ungerecht finden, ihn nun umgehend zu versetzen. Wie peinlich ihm außerdem beim ersten Rendezvous zu sagen: ich habe mich gestern in A... verliebt leben sie wohl! -...nein, es ist, weiß Gott, nicht leicht seinen erotischen Verpflichtungen nachzukommen. -...das ist immerhin ein einfacher Fall, die Sache kann auch komplizierter liegen." (GW ). Franziska hält es für den "Ehrenpunkt" der Frau, einem vermeintlich ernstgemeinten Ansinnen eines Mannes, sei es auch nur sinnlicher Natur, nicht zu entsagen. Sie findet jedoch immer Mittel und Wege, das Ansinnen eines Mannes höflich zu umgehen, wenn sie den Mann nicht will. Mit ihrer aufgeschlossenen Art wird sie Mittelpunkt und Mittlerin zwischen den unterschiedlichen Künstlerkreisen Schwabings. So lernt sie noch vor ihrer Reise nach Samos mit Albrecht Hentschel den jungen Chemiestudenten Ludwig Klages kennen, zu dem sie später eine intensive Liebesbeziehung entwickelt, ohne deshalb auf ihre anderen Lieben und Liebhaber zu verzichten, wie z.b. den Privatgelehrten Albrecht Hentschel, der zum festen Stamm ihrer Geliebten gehört oder den Rechtsanwalt Dr. Friess, der "fremde Herr", der als einziger immer einen Schlüssel zu ihrer Wohnung hat und den anderen "Amouresken". Zu Klages hat sie zunächst eine freundschaftlich "seelenverwandte Beziehung", aber schon nach ihrer Samos-Reise schreibt sie: "Klages, Adam (Albert Hentschel) und Monsieur (Friess) mehr nicht, alle anderen überflüssiger Nervenballast." (9. Januar 1901 Tagebuch). Klages übernimmt die Amtsvormundschaft für ihren Sohn und unterstützt sie in ihrer Arbeit an ihrem Jugendroman " Ellen Olestjeme". Die Gräfin pflegt weiterhin zahlreiche Bekanntschaften und Liebesaffären mit Persönlichkeiten Schwabings. 1904, als sich das Verhältnis zwischen ihr und Klages merklich abkühlt, verliebt sie sich in dessen verheirateten Freund und Dichter Karl Wolfskehl. Schon 1903 zieht 63

64 sie mit Franz Hessel und dem polnischen Baron und Glasmaler Bodgan von Suchocki, einer "grande passion", in eine Wohngemeinschaft. Reventlow versagt sich keinen erotischen Wunsch und tut das, was das Schlagwort des Sich-Auslebens in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts meinte. Sie ist Individualanarchistin, ohne Programm und Theorie. Mit der Frauenbewegung jener Zeit hat sie wenig gemein. Zwar ist sie befreundet mit Anita Augspurg, Mitbegründerin der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung, und Lydia Heymann, Herausgeberin der Zeitschrift "Frau im Staat", doch sie hat mit den Themen, die in solchen Blättern erörtert werden, nichts im Sinn. Die sich im Eros Franziska in ihrer Küche auslebende Frau ist ihr privater Mythos, und nicht die Frau, die sich in Politik und Beruf einen Platz an der Seite des Mannes erkämpft. "Solange die Frauenbewegung die Weiber vermännlichen will, ist sie die ausgesprochene Feindin aller erotischen Kultur." schreibt sie in einem polemischen Aufsatz über die "Viragines" (Radikalfeministinnen). Ihr Traum ist die utopische Idee von einem Leben, worin die Frauen von der Anstrengung des Berufsleben unbehelligt bleiben und ihre Befriedigung in selbstbestimmter Erotik und Ehe-freier Mutterschaft finden. "Die Frauen seien dafür da, sich nicht 64

65 plagen zu müssen." schreibt sie, wider ihre tagtäglichen Plagen am 12. April 1898 in ihr Tagebuch flieht sie vor ihren Gläubigern mit ihrem Sohn Rolf nach Ascona. Und heiratet, durch Mühsam vermittelt, den alternden Exilrussen Baron Alexander zu Rechenberg, der, um an das Erbe seines Vaters zu kommen, verheiratet sein muß. Die beiden gehen eine Scheinehe ein und Franziska bekommt eine größere Summe Geld, den größten Teil zahlt sie, zum ersten Mal in ihrem Leben finanzbewußt, auf eine Bank ein. Die Bank geht bankrott und das Geld ist weg. Als man ihr die Nachricht brachte, zündete sie sich nachdenklich eine Zigarette an und lachte: "Es filmt wieder mal" Den Streich, den ihr das Geld gespielt hatte, ertrug sie gelassen: "Existenz, wirtschaftliche Basis und dergleichen sind mir zu fratzenhaften Begriffen geworden unter denen ich mir nichts mehr vorstellen kann." schreibt sie in ihrem Roman "Der Geldkomplex" nach dem Tessiner Bankkrach 1914 (a.a.o., S. 288). Nach der Rechenbergaffäre, die mit dem vollständigen Bankrott endete, plant sie, mittlerweile schon vierzig Jahre alt, ein neues Abenteuer. Mit einem chinesischen Zirkusakrobaten will sie auf Welttournee gehen, er als Messerwerfer und sie als seine Assistentin. Der Weltkrieg hat diese Reise zunichte gemacht. Ihren Plan fürs Altwerden beschrieb sie schon in den "Amouresken": "Die beste Vorsorge fürs Alter ist jedenfalls, daß man sich jetzt nichts entgehen läßt, was Freude macht, so intensiv wie möglich lebt. Dann wird man dermaleinst die nötige Müdigkeit haben und kein Bedauern, daß die Zeit um ist." Franziska hat das Alter nicht mehr erlebt, sie starb 47-jährig am 27. Juli 1918 in Ascona, nicht müde, aber reich an Erlebnissen und ohnmächtig - ohne Bedauern - bei einer Operation... "Beruf ist etwas, woran man stirbt" Franziska war schon zu ihren Lebzeiten eine Legende in Schwabing und darüber hinaus in den literarischen Kreisen Deutschlands. In der sexuellen Bigotterie der wilhelminischen Gesellschaft besaß sie den Mut zur öffentlichen Unmoral, zur Verherrlichung der freien Liebe ohne Schuldkomplex, zur freien Mutterschaft jenseits der patriarchalischen Familie. Sie vagabundierte mit ihrem Sohn, dem demonstrativ "vaterlosen" Kind, fünfzehn Jahre durch die Münchner Ateliers, Hotelzimmer, flüchtige Logis, Strandpensionen im Süden und schließlich in das Exil Ascona. Paradoxerweise wollte sie nie Schriftstellerin sein, sondern Malerin und Schauspielerin. Allein die Lebensumstände führten dazu, so schreibt sie im Sommer 1912 in Ascona an Rolf von Hoerschelmann: "Ich täte viel lieber schwarze und weiße Kleckse machen, das Schreiben ist ein unangenehmes Handwerk." 65

66 Sie hielt das erwerbsmäßige Schreiben für einen Irrweg und und nicht für den Weg zur Emanzipation. Das Schreiben war genauso wie jede andere Erwerbsarbeit, es macht alt und höflich. In ihrem humoristischen Episodenroman "Der Geldkomplex", der nach 1914 entstand, schildert die Gräfin in ihrer Hauptfigur ihr persönliches Verhältnis zu der Tätigkeit einer schreibenden Frau: Als sie jemand mit "Schriftstellerin" anredet, "fuhr ich denn auch diesmal auf wie von sechs Taranteln gestochen und sagte: Nein ich sei gar nichts. Aber ich müsse hier und da Geld verdienen, und dann schriebe ich eben, weil ich nichts anderes gelernt hätte. Gerade wie die Arbeitslosen, die im Winter Schneeschaufeln und sie sollte nur einen davon fragen, ob er sich mit dieser Tätigkeit identifiziere und sein Leben lang mit >Ah, sie sind Schneeschaufler< angeödet werden möchte Sie fängt schon früh an zu schreiben, und seien es auch zunächst nur ihre zahlreichen Briefe an Emanuel Fehling, später ihre umfangreiche Korrespondenz und ab 1895 ihr Tagebuch. Um dem Los ihrer Übersetzertätigkeit zeitweise zu entgehen, beginnt sie während ihrer Samos-Reise ihr Jugendwerk "Ellen Olestejerne", die größtenteils autobiographische Geschichte ihres Lebens. Klages animiert sie immer wieder, weiterzuschreiben. In den Tagebüchern und den Briefen an Klages spiegelt sich die Entstehungsgeschichte des Romans: "Es ist, als ob alle Gedanken wie Ameisen an dem Roman bauen, wenn nur wenigstens ein schöner, hoher Ameisenhaufen herauskommt. - Ich bin Ihnen so furchtbar dankbar für die neuliche Hilfe, denn jetzt habe ich Vertrauen zur Sache bekommen, weil Sie es hatten." (Brief an Klages ) kommt das Buch heraus und erreicht, bis zur Aufnahme in die "Gesammelten Werke" 1925, fünf Auflagen. Trotzdem namhafte Personen wie Klages und Rilke das Buch über alle Maßen in ihren Rezensionen loben, schreibt Franziska 1904 in ihr Tagebuch: "Lese meinen Roman und finde ihn 66

67 doch eigentlich greulich." - Und ein Jahr später berichtet Mühsam, daß sie ihren Erstling einen "sentimentalen Schmarrn'' nennt. (Erich Mühsam, a.a.o., S. 147). Vorher, schon 1898, schreibt sie Witze und Satiren für den Simplizissimus, wie z.b. "Das jüngste Gericht", einen Sketch, in dem sie die Zensurgelüste der Staatsanwaltschaft verspottet, die selbst noch im Himmel Gericht halten würden. Sie wird daraufhin von einem Staatsanwalt wegen Gotteslästerung angezeigt. Doch schon in der nächsten Ausgabe kontert sie mit der Satire "Das allerjüngste Gericht", in der sie ihre drohende Gerichtsverhandlung parodiert gibt sie mit ihrem Freund und Hausgenossen Franz Hessel die ersten drei Nummern der "satirischen Geheimzeitung", den "Schwabinger Beobachter", heraus. Die Flugblätter parodieren den "Rassismus" der Kosmiker und sind durchaus persönliche Angriffe der Reventlow gegen Klages, den "Oberkontrolleur - Dr. Langschädel", den sie in der 2. Ausgabe ihr Erstlingswerk fiktiv rezensieren läßt: "Oh Ellen, klagt er, warum warst du eine Ellen und warum blieben deine Buhlen Jonnies?" (Schwabinger Beobachter, Nr. 2, Jg. 1904, S. 29). Erst in Ascona schreibt sie dann 1912 ihr Buch "Von Paul zu Pedro Amouresken", das in Form zwanglos geistreicher Erzählbriefe, Szenen, Skizzen und Variationen zu dem Thema "Liebe" Stellung nimmt folgt der Roman "Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil", eine satirische und detailgetreue Schilderung ihrer Bekanntschaften mit den Schwabinger "Größen", den Kosmikern, den Esoterikern und dem ganzen Schwabinger Ästhetentum. Schwabing selbst tauft sie darin "Wahnmoching" schreibt sie "Der Geldkomplex", eine heitere Persiflage auf Erwartungen und Verlust ihrer Erbschaft und 1917 den Novellenband "Zur schwankenden Weltkugel". Zuletzt arbeitete sie an dem Roman "Der Selbstmordverein". 67

68 Else Lasker-Schüler Else Lasker-Schülers Biographie nachzuzeichnen ist nicht ganz einfach, da sie schon früh versucht hat, das Bild ihrer Geschichte für die Nachwelt selbst zu bestimmen. Auch wenn sie später versuchte, sich jünger zu machen, ist sie am 11. Februar 1869 in Elbersfeld (Wuppertal) geboren, als dritte Tochter und jüngstes Kind des Handelsagenten und späteren Privatbankiers Aron Schüler und seiner Ehefrau Jeanette, geb. Kissing. Else hat fünf Geschwister, drei Brüder und zwei Schwestern. Da sie die jüngste ist, beschäftigt sich die Mutter eingehender mit ihr, zumal sie nach einem "Sturz" vermutlich in ihrem 11. Lebensjahr - am Veitstanz erkrankt und die Schule angeblich nicht mehr besuchen kann. Sie erhält Privatunterricht von ihrer Mutter und einer Gouvernante. Else hat ihr Elternhaus immer wieder als einen Hort der Liebe und des Friedens beschrieben. Ihren Vater bezeichnet sie als den "Till Eulenspiegel von Elbersfeld", der immer zu Scherzen aufgelegt war und eine Leidenschaft für das Theater, für Bälle, Feste, den Zirkus und Aussichtstürme hatte. Die jugendlich - majestätische Mutter hingegen beschreibt sie in ihrem Wohnzimmer, umgeben von Bücher, Bildern und Alben, Goethe und Heine lesend und Napoleon und Petöfi verehrend. Else betete ihre Mutter geradezu an: "Ich liebte meine Mama inbrünstig sie war meine Freundin, mein Heiligenbild, meine Stärkung, meine Absolution, mein Kaiser." (GWII, S 597ff.). Die Familie Schüler gehörte zum assimilierten jüdischen Bürgertum. Das Elternhaus, das waren weite Räume und Prachtbuffets aus Marmor. Im gelben Saal wurden Lesekränzchen abgehalten und Kostümfeste gefeiert. Zum Haus gehörte "der Garten mit seinen weißen Kieswegen, den Georgien, und Stiefmütterchen, dem Wunderstrauch, der zweierlei Früchte trägt, der herrlichen Trauerrose, die wie aus einem Füllhorn üppig hingegossen auf dem eben gestickten zarten Grasteppich hängt." (GWII, S. 596). Doch auch diese Zeit ist (schon) überschattet durch Kränkungen antisemitischer Art. Bei der alljährlichen Laurentius-Prozession in Elberfeld schollen ihr böse Rufe hinterher: "Hepp, hepp, Jude verreck". Else beschreibt: "Weinend betrat ich unser schönes Haus. Selbst meiner teuren Mutter Liebe vermochte mich nicht zu trösten." (GWIII, S.70). Else Schülers Lebensweg ist gekennzeichnet durch den frühen Tod von Menschen, an denen sie ganz besonders hängt stirbt ihr geliebter Bruder Paul, 21-jährig, bei einem Versuch in seinem kleinen Laboratorium, 1890, sie wird gerade volljährig, stirbt - 52-jährig - ihre geliebte Mutter. Else hat nie versucht, dieses Ereignis zu schildern, sie hat die Trauer nur lyrisch verdichtet. 68

69 Mutter Ein weiser Stern singt ein Totenlied in der Julinacht Wie Sterbegeläut in der Julinacht Und auf dem Dach die Wolkenhand, Die streifende, feuchte Schattenhand Sucht nach meiner Mutter Ich fühle mein nacktes Leben, Es stösst sich ab vom Mutterland, so nackt war nie mein Leben, So in die Zeit gegeben, Als ob ich abgeblüht Hinter des Tages Ende, Versunken Zwischen weiten Nächten stände, Von Einsamkeiten gefangen. Ach Gott! Mein wildes Kindesweh!... Meine Mutter ist heimgegangen. GWI; S. 13). Ihre dichterische Sendung führte sie auf die Begabung ihrer Mutter zurück heiratet Else den acht Jahre älteren Arzt Jonathan Berthold Lasker und geht mit ihm nach Berlin. Else Lasker-Schüler hat verschwiegen, was über Vorgeschichte, Beginn und Verlauf dieser Ehe hätte Aufschluß geben können. Einzig aus Briefen des Vaters wird deutlich, daß diese Ehe klassisch bürgerlich verläuft. Auch betont der Vater, sie sei "ruhiger und häuslicher geworden und Frau Doktor sei 'Trumpf, woraus sich schließen läßt, daß sie vor der Ehe eher unruhig und nicht sehr häuslich war schreibt sie an ihren Schwager, den Opernsänger Franz Lindwurm Lindner: "Die Leute nennen mich einen Luftikus - vielleicht bin ich's auch - ein bißchen ausgelassen, - aber dann auch nur für mich." Das einzige, was von Else über den Grund dieser Ehe zu erfahren ist, ist eine verschlüsselte Erklärung in dem Buch "Führende Frauen Europas": "Einmal beim Unterricht lag eine Riesenschlange auf dem Boden des Zimmers in dem ich unterrichten mußte. Wer sie da hingelegt hatte, kam erst nach Jahren heraus. Natürlich handelte es sich um einen Racheakt... Seitdem habe ich eine Aversion vor Schleicherei. Darum entschloß ich mich, als ich sechzehn war, eine Marderart zu heiraten, die die Schlangen zu töten pflegt... und vor deren Giftzahn diese Spezies gefeit ist." (Kein, Schüler S. 14f). 69

70 Tatsächlich war sie bereits 25 Jahre alt, als sie heiratete. Else reichte es nicht, nur die Ehefrau eines Arztes zu sein, sie will malen lernen. Der Maler Simon Goldberg, der ein Freund ihres Mannes ist, gibt ihr Privatunterricht. Max Liebermann hält Goldberg für einen der besten Techniker der Zeichenkunst in ganz Berlin. Obgleich Goldberg sich bemüht, die Schülerin auch gesellschaftlich zu erziehen, machen sie doch auch gemeinsame Scherze, um "den Spießer zu ärgern". Else schreibt später: "Schließlich lebte der mir angetraute hoch angesehene Arzt und alle andere Menschen unserer Umgebung, nur als unsere Statisten, als Hintergründe und Ausgangspunkte unserer abenteuerlichen Einfälle." Die Malstudien in der Praxis ihres Mannes werden durch die vielen Patienten ihres Mannes zunehmend gestört. Else nimmt sich in der Nähe der Praxis ihres Mannes ein eigenes Atelier. Sie macht erste Versuche in der Photographie. 70

71 1898/99 entfremdet sie sich immer mehr von ihrem Mann. Die Entfremdung findet Ausdruck in ersten Gedichten: "Verwelkte Myrten Bist wie der graue sonnenlose Tag, Der sündig sich auf Rosen legt. Mir war, wie ich an deiner Seite lag, Als ob mein Herze sich nicht mehr bewegt. Ich küßte deine bleichen wangen rot, Entwand ein Lächeln deinem starren Blick Du tratest meine junge Seele tot Und kehrtest in dein kaltes Sein zurück." (GWIII, S. 133). Freie Mutterschaft und die neuen Kreise der jungen Schriftstellerin Else lernt den fünfzehn Jahre älteren westfälischen Bohemien Peter Hille kennen und verkehrt im Kreis der "Kommenden" und der "Neuen Gemeinschaft" in Berlin. Sie trifft mit Literaten, Musikern, Künstlern und Außenseitern der Gesellschaft zusammen, zu denen u.a. Julius Hart, Erich Mühsam, Gustav Landauer, Georg Lewin, eine Zeitlang auch Rudolf Steiner und Martin Buber gehörten. In dieser Zeit muß sie auch dem vermeintlichen Vater ihres einzigen Kindes begegnet sein, den sie später in ihren Werken als Griechen oder Spanier mystifiziert, ihn aber nie tatsächlich benennt nimmt Ludwig Jacobowski, der Herausgeber und Redakteur der Münchner Halbmonatsschrift für Literatur, Kunst und Sozialpolitik, "Die Gesellschaft", die ersten Gedichtmanuskripte von Else an. Else ist außer sich vor Freude. Am 24. August 1899 wird ihr Sohn Paul geboren. Weil sie kein Geld hat und auch kein Geld von ihrer Familie annehmen will, entbindet sie ihren Sohn im Rahmen einer Ausbildung für angehende Ärzte. In einem Brief beschreibt sie zehn Jahre später dieses Erlebnis: "... vielleicht liege ich mal unter 20 Portiersfrauen im Krankenhaus wie schon einmal." (Briefe 1, S. 59). Ihr Mann erkennt vor dem Standesamt das Kind Jean Paul als sein Kind an. Die Begegnung mit Peter Hille und seinem Kreis vermittelt Else das Selbstvertrauen als Künstlerin, das ihr die Kraft gibt, die bürgerlichen Anfänge ganz hinter sich zu lassen erscheint ihr erstes Buch "Styx - Gedichte". Sie hat eine erstaunliche Presse für ihr Buch, wenngleich sie auf Ablehnung stößt. Zumeist wird ihr Werk unter Frauenlyrik eingeordnet. In der Illustrierten- Zeitung "Der Tag" bespricht Paul Reiner unter der Überschrift "Neue Frauendichtung" das Buch: "Allermodernste Mystik beschert uns Else Lasker- Schüler in ihren "Styx - Gedichten"...ein treffendes Symbol für das Gewollte 71

72 und Gequälte dieser Mystik, an der ein überhitzter Verstand und ein überreiztes Nervensystem mehr Anteil haben als ein wirkliches mystisches Welt- und Gottempfinden....Einem trunken-großem Wollen steht ein nüchtern-kleines Können gegenüber, und diesem Zwiespalt entspringt wesentlich die Mystik dieser Dichterin." (a.a.o., S. 2f.). Andere Stimmen wie Samuel Lublinski sind ganz anderer Meinung, und loben ihre Gedichte:,Jede echte Lyrik beruht weit mehr als jede andere Dichtung auf dem Instinkt, und so wird man sich nicht wundem, daß in dem vorliegenden Gedichtbuch von Else Lasker-Schüler Zeile für Zelle von ihrer Herkunft von einer uralten und mächtigen Rasse zu erzählen weiß; sie bewährt sich als späte... Enkelin jener uralten Sänger, die einst Psalmen oder das Buch Hiob gedichtet haben." Abschließend stellt er fest: "Wer über moderne Lyrik mitreden... will.., der lese "Styx" von Else Lasker-Schüler." ("Ost und West" - Sp. 931f.). Ihre Gedichte aus der Sammlung Styx werden in der Münchner Zeitung "Die Gesellschaft" erneut veröffentlicht. Else ist viel mit Peter Hille in den Cafés und Gemeinschaften unterwegs. Peter Hille verehrte sie als eine jüdische Dichterin, die zugleich als Kind, Braut und Mutter erscheint, als einen Menschen mit Fesseln und Schwingen, als kindlich und urfinster, als jüdisch und deutsch, als flammenden Geist und zitternde Blumenseele. Ihr "Peter Hille-Buch", das 1906 erscheint, ist wiederum eine Mythisierung dieser Liebes- und Freundschaftsgeschichte. Hille ist darin der Felsen Petrus, sie eine orientalische Prinzessin, die von ihm Tino genannt wird. "Märchenhaft" beschreibt sie die Wanderungen und Erlebnisse, die sie und Petrus erfahren. Das Buch thematisiert die Abgelöstheit des Künstlers von einer rationalisierten Gesellschaft. Es beschreibt "phantastisch" die einzelnen Gestalten ihrer nächsten Umgebung. Zu dem Kreis der Vagabunden und Bohemiens gehören z.b. auch die "Jerusalemiter", die "Mädchen und Jünglinge", unter ihnen "Goldwarth (d.i. Georg Levin), der unbändigste der Musikanten". Goldwarth, den Musikstudenten alias Georg Levin, lernt sie mit Peter Hille und Alfred Döblin im 'Café des Westens' kennen. Georg Levin, später bekannt unter dem Namen Herwarth Walden, wird Elses neue Liebe. Sie entfernt sich von ihrem "Erdältesten" Peter Hille: "Und ich fürchtete mich; er war ein Zauberer, und ich stürzte die Berge herab, mir voraus mein Herz, über die Wiesen und Hecken, und ein Turm war mein Kopf, ich konnte mich nicht wiederfinden... Es war im Spätfrühmonat 1903, als mich die Furcht vom Erdältesten vertrieb." (GWII, S. 50). Ein Jahr später, 1904, stirbt ihr immer noch guter Freund Peter Hille. Im April 1903 läßt sie sich von ihrem Mann Jonathan Berthold-Lasker scheiden und heiratet im November den zehn Jahre jüngeren Arztsohn Herwarth Walden. Alfred Döblin erinnert sich 1948 an Walden und dessen Beziehung zu Else: "Das war ein großer Organisator. Ich erinnere mich der Konzerte, die er in seiner ersten Gründung, dem Beethovenverein, veranstaltete,...es war immer Leben und Auftrieb um ihn. Früh lernte er, der sich immer in vielen Kreisen bewegte, auch in literarischen, 72

73 die bildschöne junge Frau des Arztes Lasker kennen... Walden mit seinem Spürtalent, hatte die große Begabung der jungen Frau erkannt, aber ihr Temperament, wie mir scheint nicht mit der derselben Sicherheit. Ich wohnte heftigen Szenen zwischen den beiden bei. Sie war leidenschaftlich und unbändig. Es hat lange gedauert, bis sie sich trennten." (Döblin, S. 440f). Walden wird Elses Propagator und Verleger, und er komponiert ihre Gedichte. Hervarth Walden: "Meine Absicht war, nicht Musik über ein Gedicht zu schreiben, also nicht von ungefähr die Stimmung zu treffen, sondern Beides so innig miteinander zu verschmelzen, das Eine ohne das Andere nicht mehr denkbar ist." ("Zukunft"- S. 78), 1904 gründet er den "Verein für Kunst' in Berlin, ein Veranstaltungsforum für Musik, Literatur, Kunst und Architektur. Er redigiert zahlreiche Zeitschriften und gibt im März 1910 mit Karl Kraus die Zeitschrift "Der Sturm" (Wochenschrift für Kultur und die Künste) heraus. Else lernt durch Waldens Kontakte viele literarische und künstlerische 'Größen' auch jenseits der Berliner Peripherie kennen und hat engere Kontakte z.b. zu Karl Kraus (Wien), Max Brod und Paul Leppin (Prag), Franz Marc und Kandinsky (München) erscheint ihr zweiter Gedichtband "Der siebte Tag", herausgegeben von dem Verlag des Vereins für Kunst (Amelangsche Buchhandlung - Charlottenburg). Sie steht nun inmitten des literarischen und künstlerischen Lebens der Großstadt Berlin, und ihre Arbeiten werden zunehmend als die einer 'Erneuerin' anerkannt, teilweise werden ihre Arbeiten sogar in den Blättern, die zum bürgerlichen Lager gehören, rezensiert, und auch Remmers erkennt nun an: "Sie gibt nicht gestammelte Lyrik, sondern gestaltete Mystik. Sie hat das große Lichtwort >Werde!< über ihr Chaos gesprochen, und es hat sich gegliedert, ist zu Klang und Rhythmus geworden." ("Literarisches Echo", Sp. 930f). Else vertritt die Ansicht, daß Dichter und Musiker den gleichen inneren Wuchs haben müssen. In den ersten Jahren ihrer Ehe haben Herwarth und Else Walden sicher das Gefühl gehabt, diesen 'inneren Wuchs' zu haben. Doch schon in den Jahren 1906/07 bahnen sich die ersten Krisen an. Das Zusammenleben ist überschattet von den ständigen Geldsorgen und den Sorgen um die Gesundheit ihres Sohnes erscheint ihr zweites Prosawerk "Die Nächte Tino von Bagdads", die eine verschlüsselte Aufarbeitung des Auseinanderbrechens der ersten Ehe sind. Vermutlich im Sommer beginnt Else mit der Niederschrift ihres ersten Dramas "Die 73

74 Wupper", sie schreibt später: "Es war in der Nacht, ich schlief, ja ich schlief. Mein Gehirn war nicht imstande mich zu dirigieren, den Takt zu meiner kleinen Erdkugel zu schlagen. Ein Theaterstück muß ja immer eine Welt sein, ins Rollen zu kommen." (GW II, S. 656). Doch die finanzielle Lage bleibt angespannt, die Schauspielerin Tilla Durieux beschreibt die Familie Walden In den Jahren : "...die Auffallendste: Else Lasker-Schüler... Einer guten rheinischen Familie entstammend, hatte sie ihrem zweiten Mann, Herwarth Walden, einen Sohn aus erster Ehe mitgebracht. Dieses Ehepaar mit seinem unglaublich verzogenen Sohn, konnte man nun von mittag bis spät nachts im 'Café des Westens', unter all den wilden Kunstjüngern und Kunstfrauen antreffen... Else war klein und schmächtig von knabenhafter Gestalt mit kurzgeschnittenem Haar, was damals sehr auffallend wirkte. Ihr Mann trug hingegen langwallendes blondes Haar... Ging es dem Ehepaar gar zu schlecht, unternahm es 'Raubzüge', wie sie es selbst nannten, und besuchten ihre Lesergemeinde... Alle beteiligten sich dann an der Finanzierung des Ehepaares." (Durieux, S. 145f.). Else schreibt in einem Brief an Karl Kraus: "... ich bin doch eigentlich ein Mensch, der lauter Paläste hat. Ich kann eingehen in mein Dichttum, wie groß ist mein Dichttum, tausende Morgen und Nächte groß - und ich kann es nicht verlieren und gerade das man nur mit Blut zahlen kann seine Steuer, das ist Besitz." (BKK, S.21) kommt es zur Trennung von Herwarth Walden, der sich in eine andere Frau verliebt. Else ist tief erschüttert. An den Freund Paul Zech schreibt sie am 7. Juni 1910: "...ich bin noch sehr krank alle Tinte ist versteckt worden." Und am 3. Dezember schreibt sie: "Ich war sehr krank, bin sozusagen mit Opium 5 Wochen ernährt worden." Elses wirtschaftliche und psychische Lage ist katastrophal. Sie versucht mit Lesungen und mit Beiträgen in literarischen Blättern und Tageszeitungen den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn zu bestreiten. Paul ist ein kränkliches Kind, und Else versucht, ihn immer wieder in Landschulen zu geben, damit er sich in gesunder Umgebung erholen kann. Meistens übersteigen die Ausgaben die Einnahmen. Freunde bemühen sich, sie zu unterstützen erscheint auf der Zeitschrift Jackel" ein Spendenaufruf für die mit "schweren Sorgen kämpfende Dichterin", u.a. unterschrieben von Karl Kraus, Richard Dehmel, Selma Lagerlöf u.a.. Diese Aktion bringt mehr als 4000 Mark ein. 1913, im Jahr der Scheidung von H. Walden, lernte sie den dreizehn Jahre jüngeren Arzt Dr. Gottfried Benn kennen und verliebte sich in ihn. Er weist ihre Liebe zurück, bleibt ihr aber als Freund und Kollege ein Leben lang verbunden. In ihrem Roman "Mein Herz", dessen Teile zunächst unter dem Titel "Briefe nach Norwegen" (1911) im 'Sturm' erscheinen, gibt sie eine ernsthafte und 74

75 ironische Darstellung ihres Lebens um diese Zeit. In einem dieser Briefe schreibt sie an Herwath: "Ich muß viel denken, ich hab auch wieder viel Angst. Und mein Herz spüre ich immer so komisch, ich kann Nachts nicht schlafen und träume mit offenen Augen Wirklichkeiten. Es gibt einen Menschen in Berlin, der hat dasselbe Herz, wie ich eins habe, dein Freund der Doktor. Sein Herz ist kariert: gelb und orangefarben mit grünen Punkten. Galgenhumor! Und manchmal ist es schwermütig, dann spiegelt sich der Kirchhof in seinem Puls. Das muß man erleben..." (Werke, S.263), Durch die Einbeziehung zeitgenössischer Ereignisse wie Theateraufführungen, Kunstausstellungen, Dichterlesungen und politische Demonstrationen entsteht ein kaleidoskopartiges Bild des Berlin jener Jahre. Else hält in dieser Zeit viele Lesungen auch außerhalb von Berlin. In der Zeitschrift "Aktion" berichtet Marie Holzer über eine Lesung in Prag: "... dann beginnt sie zu lesen. Mit halben Mund, die eine Seite ist bewegungslos. Und mit jedem Wort baut sie eine neue Welt auf, gibt den Bildern, die im Lesen manchmal unklar und grau erscheinen, Helle und Leuchtkraft, gibt ihnen Tiefe. Gibt ihnen Klang und Farbe. Atemlos horchen alle. Wie unter einem Bann. Die Augen ihrer jungen Freunde und Bewundererschar brennen ihr entgegen. Demut und Verehrung liegt in ihnen." (a.a.o., Sp. 525ff.) erscheint "Der Prinz von Theben", ein Geschichtenbuch mit 25 Abbildungen nach Zeichnungen der Verfasserin und mit drei farbigen Bildern Franz Marcs. Die ersten Kriegsjahre sind erschütternd, Else verliert viele ihre Freunde, u.a. Franz Marc und Georg Trakl. Franz Jung schildert: "Ich traf sie meistens im Café des Westens. Sie saß dort allein, wie von allen verlassen. Sie war dankbar für jedes freundliche Wort. Sie hatte jeden Kontakt zur Umwelt und den Verhältnissen draußen in der Welt verloren. Der Krieg muß für sie etwas Unvorstellbares und auch völlig Unverständliches gewesen sein. Sie hat mich 75

76 manchmal aufgefordert sie in ihre Wohnung zu begleiten. Ich erinnere mich an ein typisches Altberliner Zimmer, mit einem kleinen Podium am Fenster... Auf diesem Podium saß dann Else Lasker-Schüler und sah auf die Straße hinaus und in ihre Welt, die Kamelstraße durch die fernen Wüsten, das seit Jahrtausenden angestammte Land des Prinzen von Theben. Sie las aus Briefen vor, die sie durch Kuriere zu senden beschlossen hatte und die niemals abgeschickt worden sind." (Jung, S. 106) geht sie, wie so viele Bohemiens, in die Schweiz nach Locarno. Else Lasker-Schüler hat in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg den Höhepunkt ihrer künstlerischen Entwicklung erlebt. Sie hat mit ihrer Kunst und ihrer ganzen Person gegen die konventionelle Kunstaufassung rebelliert, nicht nur mit ihrer Lyrik, ihrer Prosa und ihrer Art, diese Kunst vorzutragen und darzustellen, sondern auch mit ihren Zeichnungen, die eng mit dem Schreiben verbunden sind. Ihr bürgerliches Ich hob sie auf, um die Figur der 'Tino' entschlüpfen zu lassen, diese wiederum verwandelt sich zum 'Prinzen von Theben', der sein Kunstreich in wilden Kriegen gegen seine Philisterfeinde verteidigt. Der Krieg war für sie das einschneidendste Ereignis, und sie spricht immer wieder mit Trauer über die Zeit vor dem Krieg, als die Möglichkeit so nahe schien, die Welt durch die Kunst zu erneuern. Sie schreibt in "Mein Herz" an Herwarth Walden:... Bald ist alles zu Tode überschwemmt, alles in mir ist verschwommen, alle meine Gedanken und Empfindungen. Ich habe mir nie ein System gemacht, wie es kluge Frauen tun, nie eine Weltanschauung mir irgendwo befestigt, wie es noch klügere Männer tun, nicht eine Arche habe ich mir gezimmert. Ich bin ungebunden, überall liegt ein Wort von mir, von überall kam ein Wort von mir, ich empfing und ich kehrteein, so war ich immer der regierende Prinz von Theben..." ("Mein Herz", in: Werke, S. 268). 76

77 Offizielle Kunst und Avantgarde Berliner Bohème und die bildenden Künstler Ausschlaggebend für die Wiederbelebung der Bohème-Bewegung in Berlin war - wie auch in München - die Suche nach dem Ursprünglichen, mit der Zielsetzung, alles zeitlich Bindende in Staat und Gesellschaft als verkrustet und künstlich zu negieren. Während die Bohème in München aber moderate Töne anschlug und insofern auch vom Bürgertum wohlgelitten war, erfuhr die Bewegung in Berlin Anfeindungen. Schließlich rüttelten die hier vertretenen Bohemiens an heilige preußische Werte, was sie in den Augen des kaisertreuen Bildungsbürgertum nicht gerade sympathisch erscheinen ließ. "Dämon Alkohol" war ein genehmer Begleiter in den Lokalen (Bab, S.54), wie schon zu Zeiten E.T.A. Hoffmanns und Ludwig Devrients, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts tonangebend in Berlin waren. Diese "Freigeister" empfanden "...Wut gegen den vertrottelten Konventionsdrill der Gesellschaft_" und lehnten "...das Gewöhnliche..." ab, was sich "...in der brutal zur Schau getragenen Unterstreichung des Anderssein äußert..." (Erich Mühsam zitiert in: Stein, S. 137f.). In solchen subkulturellen Zirkeln der Berliner Bohème fanden sich neben Gruppierungen hauptsächlich literarischer Kreise, d.h. der Dichter und Schriftsteller, auch Bildkünstler und Musiker, denen sich Intellektuelle mit betont antibürgerlicher bzw. anarchistischer Haltung anschlossen (vgl. Kreuzer, Vorwort). Die Bohemiens lavierten sich also ganz bewußt an den Rand der bürgerlichen Gesellschaft und entwickelten häufig auch gezielt schockierende Lebensformen, die als bewußter Affront bürgerlich-moralischer Wertmaßstäbe eingesetzt wurden. Sie konnten dies, da geistig frei, materiell arm, individuell, aller Verpflichtung, ob moralisch oder sozial, enthoben. Sie waren die "Übermenschen in der Gosse", deren Mittelpunkt die Dirne war, ein "Sinnlichkeitsteufel", der die höhnende Antwort auf die gründerzeitliche Heroine darstellte (Hamann/Hemland, S. 59ff.). Der Kampf gegen die Obrigkeit und seinen Untertan, gegen Staat und Religion, Familie und Ehe führte zu einer Entidealisierung ohnegleichen. Auf literarischem Sektor thematisierte Henrik lbsen ( ) die Lebenslüge der Gesellschaft in seinem Spätwerk. Mit "Nora" (1879) setzte er das Fanal für die nun entstehenden Frauenrechtsbewegungen, die mit erstarkendem Selbstbewußtsein ihre Rolle in der patriarchalisch geprägten Ordnung neu definierten. lbsens Einfluß auf Gerhard Hauptmann, der mit der Bohème sympathisierte, offenbarte sich nicht nur in dessem Theaterstück "Vor Sonnenaufgang" (1889), aufgeführt in der "Freien Bühne". Hauptmann zeichnete hier das Milieu als unverrückbare Determinante des Menschen mit tragischem Ausgang. Zur Zeit der Aufführung lebte Hauptmann in Erkner und unterhielt freundschaftliche Kontakte zu den Brüdern Hart in Friedrichshagen, 77

78 die der Bohème verpflichtet waren (s.u.). Möglicherweise unterstützte er den Hart-Kreis auch zeitweise. Doch ist letzteres nicht sicher belegt. In der Malerei vollzog sich die Abkehr von Figural- und Historienbild zum Landschaftsbild (Pleinairismus, d.h. in der Natur gemalten Bildmotiven) und zur Milieudarstellung. Liebermanns Werk "Netzflickerinnen" von 1888 sorgte für Aufsehen, waren doch bis dato Arbeiterdarstellungen in der akademischen Kunstauffassung verpönt. Die Berliner wurden auf den akademischen Kunstausstellungen jener Zeit lediglich mit unspektakulärer Genremalerei sowie Historienbildern konfrontiert, die eine heile, unpolitische Welt wiedergaben. Die bildhauererischen Leistungen gaben Ähnliches wieder: Büsten / Statuen von hochgestellten Persönlichkeiten wechselten mit Antikenzitaten (Venus-/ Pandarstellungen und anderen der Mythologie entlehnten Figurenwerke) und Reiterstandbildern ab. Inwieweit bildende Künstler zu den führenden Bohemiens der Kunst- und Kulturszene Kontakte unterhielten bzw. Ideen der literarischen Bohème in ihrem Kunstschaffen Ausdruck fanden, ist nicht konkretisiert. Die Quellenlage zu diesem Aspekt ist dürftig bis unergiebig. Es ist auch nicht klar ersichtlich, ob die bildenden Künstler, Bildhauer wie Maler, in ihrer Lebensweise und ihrem kreativen Schaffen Einflüsse der Literatur-Bohème verarbeiteten oder ob sie eigenen Impulsen der gesellschaftlichen Verweigerung folgten. Gerade in dem fraglichen Zeitabschnitt aber lebten viele Künstler in Bohèmeartigen Verhältnissen, jedoch nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern weil sich keine äußeren Erfolge einstellen wollten' Nackte Armut diktierte z.t. ihr Leben am Rande des Existenzminimums, wobei der Konkurrenzkampf mörderisch war 78

79 und auch einige Künstlerexistenzen forderte. Allein im kaiserlichen Berlin, das durch ständigen Zustrom auf ca. 1,9 Millionen Einwohner angewachsen war, lebten etwa 400 Bildhauer zeitweise oder dauernd (diese Zahlen beziehen sich auf das Berlin um 1900). Die Lebensumstände der Maler im kaiserlichen Berlin dürften nicht rosiger ausgesehen haben, besonders, wenn sie nicht im Sinne der akademischen Malergeneration malten. In ihrem Falle diktierte der Hofmaler und Akademiedirektor Anton von Werner den Pinselstrich. Doch führt es in diesem Rahmen zu weit, ausführlich Organisation und Macht der akademischen Institutionen jener Zeit zu beschreiben. Hier soll der Hinweise genügen, daß die immer wiederkehrenden Konflikte zwischen Tradition und Moderne zur Abwendung von akademischem Verständnis führte. Viele Künstler sammelten sich in neuen Gruppen, von denen die Berliner Secession, 1898 gegründet, führend war. Um aber prinzipiell die Abkehr von der Bürgerlichkeit zu verstehen, ist zwingend notwendig, eine kurze Schilderung der historischen und kulturellen Gegebenheiten voranzustellen. 1. Das Wilhelminische Reich 1885 bis Ein historischer Überblick. Wem diese Zeit nicht allzusehr vertraut ist, sei Heinrich Manns Roman "Der Untertan" (1914) empfohlen. Die Hauptfigur, karikiert in der Person des Unternehmers Diederich Heßling, zeichnet sich durch all das aus, was das kaiserliche Deutschland prägte: Obrigkeitsdenken, gesellschaftliche Konventionshörigkeit, verlogene Moralhaltung, militaristische Ambitionen. Die uns hier interessierende Zeit stand noch in den Anfängen ganz unter dem Einfluß Bismarcks, dessen innenpolitischer Kurs die Industrie und den Großadel stützte, andersgeartete Interessen seitens der Linksliberalen und Sozialdemokraten scharf bekämpfte und den Arbeiterstand ohne Rechte ließ, was diesen natürlich für die Sozialdemokratie einnahm. Das Sozialistengesetz 1878 (bis 1890 in Kraft), erlassen nach Attentatsversuchen auf Wilhelm I., führte den sozialdemokratischen Vereinigungen noch mehr Menschen aus der Arbeiterschaft zu. Um letztere für seine Politik zu gewinnen, führte Bismarck die soziale Gesetzgebung ein (1883 bis 1889), die den Arbeitern Schutz im Krankheits-, Unfall und Invaliditätsfall bot, zuzüglich eine staatliche Altersversicherung. Die Kluft zwischen dem Kapital (Industrie und Großgrundbesitz) auf der einen Seite und dem stetig wachsenden Industrieproletariat auf der anderen Seite wurde dennoch größer. Auch Wilhelm II., der nach dem Tod seines Großvaters Wilhelm 1. und dem schnellen Tod seines Vaters, Friedrich III. im selben Jahr (1888 "Dreikaiserjahr") den Thron bestieg, gelang es nicht - trotz Aufhebung des Sozialistengesetzes und der Ankündigung einer Arbeiterschutzgesetzgebung -, die Arbeiterschaft auszusöhnen entließ er Bismarck ("Der Lotse geht von Bord"). 79

80 Den innenpolitischen Spannungen vermochte er durch seine eigenwillige, planund ziellose Führung nicht entgegenzuwirken. Auf außenpolitischem Sektor führte sein Anspruch auf einen "Platz an der Sonne" sowie der von ihm forcierte Flottenausbau zur Auflösung der Bismarck'schen Bündnisstrategie und etlichen groben Verstößen auf diplomatischer Bühne, die ihn allmählich politisch isolierten (ausführlicher hier der erste Beitrag von Emilio Sherman). Die Folgen der innenpolitischen Mißstände wilhelminischer Politik offenbarten sich im alltäglichen Leben der Reichshauptstadt. Hier lebten um die Jahrhundertwende ca. 1,9 Millionen Einwohner (s.o.): Auf der einen Seite stand ein stetig wachsendes Industrieproletariat mit Verelendungstendenz (wer kennt nicht die Innenaufnahmen armseliger Behausungen, in denen ausgemergelte Arbeiterfamilien mit vielen viel zu blassen Kindern existieren mußten!). In nackte Zahlen gekleidet, liest sich das so: Bewohner Berlins lebten in Wohnungen bzw. Kellerwohnungen, von denen jedes Zimmer mit fünf oder mehr Personen belegt war. Die Umstände zwangen die Menschen dazu, ihr eigenes Bett an Schlafburschen abzugeben, die dort schliefen, wenn sie selbst arbeiteten. Die Not brachte auch einen neuen Mietertyp hervor: den Trockenmieter. Dieser durfte mit seinen Angehörigen ca. drei Monate mietfrei in einem gerade fertiggestellten Mietskasernenbau leben, bis die Wände trockengewohnt waren. Danach mußten diese Trockenmieter, z.t. gesundheitlich beeinträchtigt, weil die Kälte und Nässe in ihre Knochen gezogen war, ausziehen oder aber Miete zahlen. Die Form des Trockenwohnens wurde auch von vielen Bohemiens in Anspruch genommen, denen es wegen eines fehlenden geregelten Einkommens nicht möglich war, längerfristig ein "ordentliches Zimmer" zu unterhalten. (Postalisch erreichte man sie am besten, wenn man an das Stammlokal adressierte, wo sie beständig anzutreffen waren!). Und auf der anderen Seite? Da lebten ca. 160 Großverdiener, die mehr als Mark, und weitere 60 Multimillionäre, die jährlich mindestens 2 Millionen Mark einnahmen (Zahlen entnommen der Berlin-Chronik, S.294). Daher ist Kluft fast zu milde ausgedrückt Welten lagen zwischen den Menschen hier und da. Dieser Weltenblick schärfte aber das Auge des Künstlers und seine Feder. Doch weil das soziale Elend unter Wilhelm 11. ein absolutes Tabuthema darstellte, blieb das, was den Künstler an- und Umtrieb, eine brotlose Kunst. Selten genug gelang ihm sein künstlerisches Überleben, ohne seine Überzeugung zu verkaufen - eigentlich nur, wenn er einen kunstverständigen Privatmäzen fand. 2. Die Kunstpolitik unter Wilhelm II. Es gibt viele Beispiele für Wilhelms "persönliches Regiment". das auch vor der Kunst nicht Halt machte. Käthe Kollwitz verweigerte er die künstlerische 80

81 Auszeichnung 1898, weil er in ihren graphischen Bildern Solidarität mit der Arbeiterschaft und mit der Sozialdemokratie erkannte (Sozialdemokraten waren in seinen Augen "Reichs- und Vaterlandsfeinde", vgl. Stather, S.100). Die Kunst der französischen Impressionisten und Neoimpressionisten verbannte er, weil der "Erzfeind" immer noch Frankreich hieß. Moderne Kunstbestrebungen qualifizierte er als "Rinnsteinkunst" ab, weil ihn Kunst als Lebensäußerung nicht interessierte. Als das "Deutsche Theater" Hauptmanns Stück "Die Weber" 1894 aufführte, kündigte Wilhelm Il. aus Protest die kaiserliche Hofloge (Doede, S. 11). Er konnte die künstlerische Entwicklung aber nicht aufhalten - Gerhard Hauptmann erhielt 1912 den Literaturnobelpreis, die Kollwitz reüssierte mit ihrer Wirklichkeitskunst (sie sollte 1919 e r s t e s weibliches Mitglied der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin werden!), andere wie M. Liebermann errangen solch nationales Renommee, daß sich die offizielle Anerkennung durch den Kaiser letztendlich gar nicht vermeiden ließ. Wesentlich für Wilhelms Politik war aber, daß nur reüssieren, sprich: Erfolg haben konnte, wer in seinem Sinne "künstlerisch" war. Und das bedeutete, sein dynastisches Geltungsbedürfnis in Bild und Wort umzusetzen, so z.b. geschehen in der Ausführung der Berliner Siegesallee, die eine tausendjährige Tradition in Stein lebendig werden ließ. Die vielen Kaiser-Reiterdenkmäler trugen auch dazu bei, der Bevölkerung Leitbilder an die Hand zu geben, mit denen sie sich ideell identifizieren konnte. Mit dem Übergang zum Imperialismus in Deutschland ab 1896 erfuhr der preußische Militarismus eine weitere Steigerung in Gestalt gigantischer Nationaldenkmäler in den preußischen Provinzen und in der Reichshauptstadt. Das konservative Element dieser plastischen Denkmallandschaft verhinderte aber jegliche Akzeptanz künstlerischer Innovationen - Erneuerungsbestrebungen wurden an der Akademie nicht geduldet, solange Anton von Werner auch Direktor der Hochschule für die bildenden Künste war und für Tradition einstand (bis 1915). Von Werner galt nicht umsonst als des Kaisers "Souffleur" (Rapsilber, S.9). Diese Kunstpolitik, welche die gelebte Realität schlichtweg eliminierte, weder Technik (Industrie) noch Proletariat noch sonstige Bezüge zum modernen Leben für salonfähig hielt, mußte zwingend zu oppositionellen Positionen führen. Secessionsgründungen in den größeren Städten gestatteten nun den nicht opportunen Künstlern, die teilweise mit ihren Werken von der Akademie zurückgewiesen worden waren, sich ein neues Forum ihres Kunstwollens zu schaffen. 81

82 3. Die Feste der "Arrivierten" Heinrich Zille war nicht nur in den Bohèmekreisen bekannt (s.u.). Er verkehrte mit vielen anerkannten Künstlern der offiziellen Kunstszene und war auch Gast bei den von dem Bildhauer Karl Begas, einem Bruder des Hofbildhauers Reinhold Begas, ab 1895 veranstalteten Kegelabenden, die er aber als "...spießige Sache..." ansah. Geselligkeit und Unterhaltung gestatteten auch körperliche Betätigung, die er befürwortete. Zille gehörte noch einer anderen "Kegelgemeinschaft" an. Fritz Klimsch berichtete in seinen "Erinnerungen und Gedanken eines Bildhauers" von einem illustren Kreis, dem neben Zille auch Ludwig Thoma (wenn er mal in Berlin war), R. Begas, Eberlein, Felderhoff, Gaul, Tuaillon, Lepcke - alle Bildhauer mit Rang und Namen - sowie der Kunsthändler Paul Cassirer, der in Bohèmekreisen kein Unbekannter war, angehörten. "Da außer der Kunst auch andere Berufe dann vertreten waren, kam die Fachsimpelei, die leicht in solchen Klubs möglich werden kann, nicht auf-, es war alles nur auf Fröhlichkeit und Humor gestimmt." (Klimsch, S.63). Weitere rauschende Feste, echte Künstler - bzw. Atelierfeste, sind bei E. von Lieres und Wilkau beschrieben (vgl. Lieres und Wilkau, S. 504ff.). Die sogenannten "Möchtegern-Bohemiens" trafen sich bei den "Koryphäen der Kunst" d.h. in etablierten Kreisen, zu hoch offiziellen Kostümfesten der Hautevolee, gaben sich aufgeschlossen, ohne individuell zu sein, amüsierten sich über ihresgleichen, ohne gesellschafts- oder gar obrigkeitsfeindlich gestimmt zu sein. Es galt, einen gewissen Lebensstandard zu halten und sich auf einem bestimmten Niveau zu bewegen. Feierten die einen in antikischen Gewändern das dionysische Element, um sich nach dem Fest wieder der Normalität zuzuwenden, 1 e b t e n die anderen es, ohne genau zu wissen, was der folgende Tag ihnen bescherte. 4. Die Bohème-Kreise der Maler und der Bildhauer und ihre Verbindungen zu der literarischen Bohème-Szene Edvard Munch unterhielt, bevor er vorübergehend nach Berlin kam, bereits in seiner Heimat Kontakte zur 'Christiania-Bohème' (Christiania ist das spätere Oslo) und widmete ihr thematisch ein Bild. Dieses, genannt " Am Tag darauf', 1894 gemalt (heute Oslo, Nationalgalerie), stellt eine junge, nur leicht bekleidete Frau dar, die nach übermäßigem Alkoholgenuß wie leblos auf dem Bett liegt und ihren Rausch ausschläft. Dieses Bild machte Furore, bevor der damals in Norwegen schon anerkannte Künstler nach Paris und Berlin kam. Das Schockierende dieses Motivs war, daß es nicht erfunden werden mußte. Alkohol gehörte, wie eingangs schon erwähnt, ebenso wie sexuelle Ausschweifung zum Lebensstil der Bohemiens unbedingt dazu - schon weil beides nicht der bürgerlichen Konvention entsprach. Munch war zudem mit dem geistigen Führer der "Christiania-Bohème", Hans Jaeger, einem Schriftsteller, befreundet, den er bewunderte und der ihn inspirierte. Doch zu keiner Zeit verlor er sich an 82

83 diese geistige Bewegung, die hier wie andernorts viele Bohemiens schlicht kaputtmachte, durch Suchtprobleme, unstete Lebensführung und Isolation (Arnold. S. 25f). Krankheiten wie Syphilis, Tribut an Freiheit und Gleichheit der Geschlechter und Alkohol zerstörten Psyche und Physis der meist jungen Menschen. Munch in Berliner Kreisen Im Herbst 1892 folgte Munch einer Einladung des Vereins Bildender Künstler zu einer Gemeinschaftsausstellung. Die Einladung war sogar von Anton von Werner in seiner Funktion als Vereinsvorsitzender unterzeichnet - was er aber bestimmt nicht bei Kenntnis des Munch'schen Werkes getan hätte. Dem Skandal im Hause folgte die Schließung der Ausstellung sowie die Abspaltung der jüngeren fortschrittlicheren Künstler und die Neuformation in der Berliner "Secession", wenn auch erst Jahre später (vgl. Paret, S. 79ff.). (Denn: "Einreißen ist leider immer leichter als aufbauen.", wie der Bildhauer Max Kruse diese Ereignisse kommentierte (zitiert bei Arnold, S. 54). Munch blieb dennoch, geriet in Berlin in entsprechende literarische Kreise, die sich aus skandinavischen Künstlern zusammensetzten, die ihrerseits Kontakte zu deutschen Bohemiens und ihnen nahestehende Schriftsteller und Maler wie Richard Dehmel, Otto Julius Bierbaum, Max Dauthendey, Julius Meier- Graefe, Max Halbe, Arno Holz, Walter Leistikow und Stanislaw Przybyszewski pflegten. Der skandinavische Kreis unterhielt auch Beziehungen zu August Strindberg ( ), dem schwedischen Dramatiker, der die Stockholmer Bohème in seinem Werk "Das rote Zimmer" (1879) beschrieb. Munch und Strindberg waren seelenverwandt, ohne aber näher miteinander befreundet gewesen zu sein entstand ein Porträt Strindbergs von Munch. 83

84 In diesem Kreis bewegte sich auch eine junge Frau, die als Muse von vielen verehrt und sicherlich auch geliebt wurde: Dagny Juell, eine norwegische Schriftstellerin, von der es heißt: "Wahrscheinlich hat sie viele gehabt. Besessen hat sie keiner." (Arnold, S. 56f). Hier drängt sich unwillkürlich die Parallele zu Franziska Gräfin zu Reventlow auf, die eine adäquate Rolle in der Schwabinger Bohème spielte. Munch hatte sich trotz der freundschaftlichen Beziehung zu Hans Jaeger nicht mit der Bohèmeidentifiziert, wie oben bereits ausgeführt. Doch spiegelt seine Malerei dieser Jahre seine geistige Auseinandersetzung mit der Bohème wider, durch sie inspiriert, ohne parteiisch zu sein. Gerade sein Bild "Am Tag darauf' schildert - sicher nicht ohne menschliches Mitgefühl - die Misere der jungen Leute, die sich oftmals gesundheitlich ruinierten, weil sie anders sein wollten als die Generationen zuvor, weil sie ihr eigenes Leben wollten, frei von irgendwelchen Zwängen. Vielfach übersahen sie aber, daß sie sich einem anderen Zwang unterwarfen. Die Bohemiens hatten ihre eigenen Gesetze, denen sie sich nicht entziehen konnten. Heinrich Zille in allen Gassen Auch soziale Fragen wurden in den Werken der Maler aufgegriffen. Einer der volkstümlichsten wurde Heinrich Zille ( ), der möglicherweise Kontakt zum Friedrichshagener Kreis hatte. Eine Verbindung ist nicht auszuschließen (Fischer, S. 35). 84

85 In Friedrichshagen hatte sich eine VorstadtBohème etabliert, die dem Großstadttreiben protestierend den Rücken gedreht und sich um die Brüder Heinrich und Julius Hart geschart hatte. Diese hatten zuvor schon im Zentrum der Stadt Vereinsluft geschnuppert, zusammen mit Arno Holz und Gerhard Hauptmann, die hier ihre Schöpfungen rezitierten (Bab, S. 30ff.). Heinrich Zille hatte viele seiner Freunde gemalt, unter ihnen Erich Mühsam (der neben Käthe Kollwitz zu den kondolierenden Trauergästen bei Zilles Beerdigung gehörte) und Lyonel Feininger (Fischer, S.69). Um sich und seine Familie ernähren zu können, zeichnete er für satirische Blätter wie den "Simplicissimus", aber auch für die "Lustigen Blätter" und den "Ulk" wie auch Lyonel Feininger, der sich ebenfalls durch Illustrationen und Karikaturen ein "Zubrot" verdiente (Feininger war 1887 aus New York nach Hamburg, 1891 von da nach Berlin gegangen kehrte er nach Amerika zurück.). Die unregelmäßigen Honorare reichten aber nicht aus. Zilles Zeichnungen von Armut und Elend fanden keine Käufer, was bei der Thematik nicht verwunderlich war! Die seine Kunst bewunderten, waren nicht zahlungskräftig. So war er gezwungen, Elendsszenen in witzige Texte gekleidet zu verkaufen. Um so wohler fühlte er sich unter Gleichgesinnten - Claire Waldoff gehörte zum engeren Freundeskreis. Die Waldoff war für ihre hervorragende Rezitation der Texte von Paul Scheerbarth, Peter Hille und Otto Julius Bierbaum bekannt. Diese trug sie im "Roland von Berlin" vor, wenn sie nicht gar zu antimilitaristisch und kritisch waren. Nächtens, nach den Vorstellungen der Waldoff im Kabarett, trafen sie sich mit Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky und anderen in einem Künstlerkeller (Fischer, S. 74f). Doch bereits in den Jahren zuvor hatte Zille, nicht nur durch die Wahl seines Freundeskreises, Stellung gegen die bestehenden Verhältnisse in Berlin bezogen. Er, der sich als sozialistisch gesinnt bezeichnete, wählte den fünften Stand zum motivischen Inhalt seiner Zeichnungen, aufgenommen in Spelunken, Hinterhöfen und auf der Straße. Das soziale Thema ließ ihn nicht mehr los, darin gleich Käthe Kollwitz und Hans Baluschek, die sich gleichfalls gesellschaftlichen Tabuthemen zuwandten. Was bei Zille durch die Untertitel gemildert schien, geriet bei letztgenannten zu einer scharfen Anklage. Weitere Künstler der Bohème - Treffen in Berlin Auch Walter Leistikow ( ), damals noch mehr schriftstellernd denn malend (wer kennt nicht seine Grunewald- und märkischen Landschaften?) frequentierte den Friedrichshagener Kreis (Bab, S.35). Der Gründung der Berliner Secession ging nicht ursächlich (s.o.), aber auslösend die Refüsierung einer Grunewaldlandschaft von Leistikow durch Wilhelm Il voraus (Doede, S.73). Oskar Kokoschka ( ), der von Wien aus, wo er an der Gründung des literarischen Kabaretts "Fledermaus" beteiligt war, nach Berlin kam, stand hier 85

86 ab 1910 dem Kreis um Herwarth Walden nahe, der 1910 eine avantgardistische Zeitschrift ("Der Sturm") ins Leben rief. Ihm und seiner ersten Frau seien in diesem Kontext einige Zellen gewidmet, weil er sowie Else Lasker-Schüler Bohème-Originale darstellten. Über die Lasker-Schüler schrieb Tilla Durieux, die mit Paul Cassirer verheiratet war, daß diese herausragte aus der Gruppe der talentierten und talentlosen Bohème, die sich im "Café des Westens" (ab 1899) traf. Vom Bohème-Alltag der beiden berichtete sie: "So reich sie <Else> an geistigen Gütern war, so schlecht stand es mit den irdischen. Die kleine Familie nährte sich, wie ich vermute, nur von Kaffee, den ihnen der bucklige Oberkellner des "Café des Westens" mitleidig stundete oder den ein freimütiger Gast bezahlte. Das Kind (aus Elses erster Ehe) ging inzwischen heimlich zu den Kuchenschüsseln und nahm sich in unbewachten Augenblicken, was ihm gefiel." Und weiter erinnerte sich die Durieux einer Bohème-Haltung Waldens, der "...viel zu schöngeistig..." war, "...um sich mit einem plebejischen Beruf zu belasten, der ihn in eine schmähliche Bürgerlichkeit hinabgedrückt hätte." (Durieux, S. 11 Of). Entsprechend dieser Haltung unterstützte und propagierte Walden die moderne Kunst in Wort und Bild. Mitarbeiter waren u.a. Wassily Kandinsky, Paul Scheerbarth, Theodor Däubler, Richard Dehmel und S. Friedländer, die wiederum für ihre Kontakte zur Bohème bekannt waren (Bab, S. 51). Fragen der Politik klammerte er aber weitgehend aus, im Gegensatz zur ein Jahr später erscheinenden "Aktion", die von Franz Pfemfert herausgegeben wurde und für die der Maler und Graphiker Ludwig Meidner ( ) die Titelblätter gestaltete. Von Meidner sind Kontakte zu J. R. Becher bekannt, der in der "Aktion" Gedichte veröffentlichte (Jähner, S.68). Rolf von Hoerschelmann reiste einst als "Austauschbohemien" von München nach Berlin und verkehrte dort im "Romanischen Café''. Rückblickend erzählte er, daß er von Max Slevogt an dessen Tisch geladen wurde, an dem auch schon Emil Orlik (Kunstgewerbler), Bruno Cassirer (Verleger), Fritz Klimsch (Bildhauer) u.a. saßen (von Hoerschelmann, S. 149). Das bereits erwähnte "Café des Westens", im Volksmund auch "Café Größenwahn" genannt, war besonders in den Jahren um 1910 auserkorener Treffpunkt der Expressionisten und der Bohème. Ab 1912 verkehrte auch der Maler George Grosz dort. Er gehörte zu den 'freien Mitarbeitern' der "Lustigen Blätter" und des "Ulks", denen er manchmal eine Zeichnung verkaufen konnte (Fischer, S. 21ff.). In den Berliner Jahren ab 1911 fand er zu seinem eigenen Stil, sensibilisiert durch seine Kontakte und inspiriert durch das Studium von Randfiguren wie Landstreicher, Dirnen, Artisten und sonstigen hoffnungslosen Existenzen - darin seelenverwandt Zille und Baluschek. 86

87 Ernst Ludwig Kirchner Bordelle, Straßen- und Kaffeehausszenen als Kehrseite der heilen, bürgerlichen Welt - das war die Kulisse, die auch der ab 1911 in Berlin lebende expressionistische "Brücke"-Maler E. L. Kirchner ( ) wählte, um seine Ängste, Zerrissenheit und seine seelischen Konflikte in der Konfrontation mit dem Moloch Großstadt zum Ausdruck zu bringen. Was die "Brücke"-Maler in die Nähe der Bohème brachte bzw. was sie partiell mit der Bohème verband, ist von Kirchner im Programm der Malergruppe 1906 formuliert: "Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden wie der Genießenden rufen wir alle Jugend zusammen, und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt (Propyläen Kunstgeschichte, S.75). Gerade die Großstadtbilder E. L. Kirchners zeugen von der Entfremdung des Menschen in der Stadt. Auch er suchte seine Motive auf den Straßen, Plätzen und im Varieté in Ablehnung der sogenannten bürgerlichen Moral. Doch ist im Gegensatz zu Zille kein sozialkritisches Anliegen damit verknüpft. Kirchner durchbrach aber wie dieser das Tabu der Darstellungswürdigkeit solcher Sujets. Die Aufgabe der Zentralspektive ist als Rebellion wider Tradition und Akademie zu interpretieren (Kirchner, der zwar kurzzeitig in einer Münchener Privatkunstschule Malunterricht erhielt, war Autodidakt). Seine Straßenbilder belegen die Anonymität, die Hektik und Entseelung der Großstadt, hervorragend vermittelt durch den kompositionellen Aufbau seiner Bilder, die nicht mehr zentralperspektivisch angelegt sind. Flächenverschiebungen rufen gewollte Spannungen hervor, die überlängten Figuren sind ohne Seele. Die peitschende Pinselführung betont das psychologische Moment - Kritik an einem System, in dem Profitsucht und Ausbeutung regiert, wird in eindringlicher Weise offenbar (Beispiele: "Berliner Straßenszene" 1913, "Potsdamer Platz" 1914). 87

88 5. Resümee Bleibt abschließend festzuhalten, daß die Bohème und auch der Expressionismus mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges jäh abbricht und nach Kriegsende nicht mehr wiederbelebt wird. Doch läßt sich anhand des zusammengetragenen Materials konstatieren, daß die Dichterbohemiens bildende Künstler zumindestens phasenweise befruchteten / inspirierten, die Künstler aber auch durch eigene Anschauung zu Zeitaussagen fanden. Deren emotionelle Antworten sind in den Kunstwerken dieser Zeit visualisiert. Die Künstler erfuhren aber auch an sich selbst die Verlorenheit und Entwurzelung, vermittelt durch wachsende Entfremdung zur Natur und materiellem Wunschdenken des Einzelnen. Doch bleibt dieser antiidealistische Prozeß ohne intensive Reflexion der bestehenden sozialen Problematik. Das wiederum verbindet sie mit der Bohème, doch bleiben diese Kontakte letztendlich bindungslos. 88

89 Alternative Projekte - Lebensreform 1. Ursprünge der Lebensreform Seitdem in der Mitte des 19. Jahrhunderts die negativen Folgen der Industrialisierung nicht mehr zu übersehen waren, meldeten sich die Kritiker der modernen Entwicklung zu Wort: Neben die allgemeine Unzufriedenheit mit den Bedingungen der Industrialisierung trat besonders die Sorge um das menschliche Wohlbefinden. Unter den miserablen Lebensbedingungen der sich industrialisierenden Großstädte vollziehe sich eine Entfremdung zwischen dem als Naturwesen verstandenen Menschen und seiner natürlichen Umwelt. Dem wirtschaftlichen Fortschritt stünden, eben bedingt durch den Verlust der Mensch-Natur-Harmonie, körperliche, geistige und seelische Verarmung gegenüber. Somit wurde auch die Entstehung von Krankheiten in einen gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt, nämlich als Folge einer falschen Lebensweise. Vor diesem Hintergrund entwickelten u.a. Sebastian Kneipp und Johannes Schroth neue Methoden zur Behandlung von Krankheitsfällen. Mit verschiedenen Verfahren (Ernährungs- und Bewegungstherapien, Fasten- und Kaltwasserkuren, Lehm- und Kräuterpackungen, Schwitzbäder, Massagen, Kräutertees, Luftbäder) begründeten sie die Naturheilkunde. Die klassische, naturwissenschaftlich ausgerichtete Medizin mit ihrer Medikamentenbehandlung lehnten sie ab und stellten ihr eine ganzheitliche Behandlung auf der Grundlage einer naturgemäßen Lebensweise gegenüber. Besonders die Wassertherapie und die Licht-Luft-Therapie, die zur Nacktbadekultur weiterentwickelt wurde, fanden schnell viele Anhänger. Man ging davon aus, daß der unmittelbare Kontakt mit Luft und Sonne den Körper reinige und der Mensch so seine Natürlichkeit zurückgewinne. Gerade in der Stadt aber waren saubere Luft und sauberes Wasser nicht zu haben. Die Großstadt wurde verstanden "als Kraken, der an unserem geistigen Leben saugt." Somit wurde die Flucht aus der Stadt als Voraussetzung für die Lebenserneuerung gesehen. Nur auf dem Land könne man sich "geistig und körperlich die schwarze Brühe der Großstadt herunterwaschen." Zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche Vereine für Körperkultur. Ausgehend von einem unbefangenen Verhältnis zum Körper wandten sie sich auch gegen die heuchlerischen Moralvorstellungen ihrer Zeit. Dem Widerstand von Sittlichkeitsvereinen und Polizei gegen das kleidungsfreie Sonnenbaden wurde entgegengehalten, daß die "Natur keine Kleider kenne, daher könne der nackte Körper nicht unmoralisch sein." Der Gedanke von dem Leben nach den Regeln der Natur breitete sich zunehmend auch auf andere Lebensbereiche aus. Für den Ernährungsbereich 89

90 gewannen besonders die Schriften Eduard Baltzers starken Einfluß. Er behandelte in seinen Büchern den Vegetarismus als naturgemäße Ernährung und somit als Teil der natürlichen Lebensweise. Auch für den Bereich Bekleidung wurden erstmalig Reformvorschläge veröffentlicht, die sich gegen die strenge wilhelminische Kleiderordnung mit Korsett und Wespentaille richteten (z.b. Schultze-Naumburg: Die Kultur des weiblichen Körpers als Grundlage der Frauenkleidung, 1901). Weitere Lebensbereiche, in denen Befreiungstendenzen aufkamen, betrafen etwa die Kindererziehung (Grundlegung der "Anti- Pädagogik") oder die Sexualität (Infragestellung der Sittlichkeitsregeln, Enttabuisierung der als unzüchtig geltenden Homosexualität). Die verschiedenen Bestrebungen, die sich aus der Großstadtkritik entwickelten, waren ab ca zur Lebensreformbewegung zusammengewachsen. Hier ging es, wie aufgezeigt wurde, nicht nur um die Flucht aus den städtischen Lebensbedingungen, sondern auch um eine Flucht aus der Bürgerlichkeit mit all ihren Zwängen. Über all die Wichte halte Dich nicht auf - Deine Schritte richte nach des Blutes Lauf, thu es nit verhocken in dem dumpfen Haus, wenn die Lüfte locken Raus! Wichte sitzen in der Kammer, Kümmern sich um jeden Schiß! wichtig tut auch noch ihr Jammer oh du Kammerkümmernis, Grauer wird ihr Blut und grauer, denn die Luft im Sittenloch, die wird stinkig in der Dauer - raus - denn sonst erstickst du noch. Gedicht von Gustav Gräser 2. Bürgerliche und alternative Lebensreformbewegung Das Ziel der Lebensreformer war also die Rückkehr zu einer naturgemäßen Lebensweise. Damit beinhaltete die Lebensreform die Veränderung der normierten Alltagsgewohnheiten. Der überwiegende Anteil der Lebensreformer übernahm nur einen kleinen Teilbereich der neuen Ideen und blieb ansonsten den bürgerlichen Konventionen verhaftet. Man ernährte sich vielleicht 90

91 vegetarisch oder pflegte die freie Körperkultur, behielt aber das bürgerliche Familienleben bei. Auch auf ihre jeweiligen Arbeits- und Wohnverhältnisse wirkte sich das Bekenntnis zur Lebensreform in diesen Kreisen, die sich zum Teil auch aus der Großstadt-Arbeiterschaft bildete, nicht aus. Demgegenüber stand der alternative Strang der Lebensreformbewegung, deren Träger, wie in der Bohème insgesamt, Künstler waren oder sich zumindest als solche verstanden. Hierbei handelte es sich um "echte" Aussteiger, die den gesamten bürgerlichen Alltag, in dem sie aufgewachsen waren, ablehnten. Mit ihrer individualistischen Weltsicht nahmen sie sich das Privileg, sich nicht in die geregelte Arbeitswelt einspannen zu lassen. Damit hatten sie die Zeit, über sich und die Welt nachdenken zu können und alternative Lebensentwürfe sich das Privileg, sich nicht in die geregelte Arbeitswelt einspannen zu lassen. Damit hatten sie die Zeit, über sich und die Welt nachdenken zu können und alternative Lebensentwürfe auszuprobieren. Ober den unmittelbaren Naturkontakt erhofften sie sich die Stärkung von Selbstkenntnis, Wahrhaftigkeit, Gesundheit und Klarheit über die subjektive innere Bestimmung. Aus dem Idealbild vom natürlichen Leben artikulierten sie ihre Protesthaltung gegen die Industriegesellschaft mit ihrer zweckrationalen Funktionalisierung des Menschen und entwickelten Vorstellungen vom eigenen Denken, Urteilen und Empfinden. Damit befreiten sie sich von den Vorgaben der aus Staat, Kirche und Wissenschaft bestehenden Obrigkeit. 3. Die Gründung von Landkommunen Die alternativen Lebensreformer waren innerhalb der Bohème die ersten, die nicht nur theoretisch politisierten, sondern mit der Gründung von ländlichen Siedlungsgenossenschaften auch Praktisches und Sichtbares vorweisen konnten. Die Suche nach dem "Reich der Erfüllung", in dem ein ganzheitliches und naturnahes Lebenmöglich war, führte zur Gründung von Landkommunen. Hier schienen die optimalen Bedingungen für individuelle Entfaltung und natürliche Lebensweise zusammenzutreffen. Zu den ersten Landkommunen in Deutschland zählte die des Malers Karl Wilhelm Diefenbach ( ) in Höllriegelskreuth bei München. Diefenbach selbst war Vegetarier, lief barfuß oder in Sandalen mit langen, wallenden Kleidungsstücken herum. Er hatte sein "Erweckungserlebnis", als er sich nach langer Typhus-Behandlung ins Gebirge zurückzog und dort entgegen medizinischer Lehrmeinung durch natürliche Lebensweise gesundete. In München hielt er zahlreiche Vorträge, die sich gegen naturwidrige Kleidung, gegen das Verzehren von Tierleichnamen und gegen das Biertrinken wendeten. Das brachte ihm zwar eine Menge Spott ein, aber dafür war er bald stadtbekannt. Sein Gemäldezyklus "Das wiedergefundene Paradies", der auf einer Kunstausstellung gezeigt wurde, wurde ein großer Erfolg. 91

92 Es gab nun um die Jahrhundertwende zahlreiche Gründungen von Landkommunen und alternativen Lebensgemeinschaften, wie z.b. die Obstbausiedlung Eden bei Oranienburg, in der Obst, Gemüse und Saft ohne chemische Zusätze produziert wurden und die über die entstehenden Reformhäuser ihre Abnehmer in der Stadt fanden. In der vegetarischen Obstbaukolonie lebten Personen waren es 131 und 1909 waren es bereits 161. Zum bedeutendsten Treffpunkt für die Bohème aber wurde die Gemeinschaftssiedlung in Ascona. Ascona galt ab 1900 als das zentrale Versuchsfeld für alternative Lebensformen. Die vegetarische Landkommune mit angegliederter Naturheilanstalt auf dem nahegelegenen Monte Verita ("Berg der Wahrheit") wurde von Henri Oedenkoven, Ida Hofmann und den Brüdern Carl und Gustav Gräser gegründet. Prinzipien waren die Ernährung von eigenem Anbau, die eingehende Beschäftigung mit Naturheilverfahren, Pazifismus, die Gleichberechtigung von Frauen und die Ablehnung jeder Art von Nationalismus. Ascona war ein kleines Dorf mit 1000 Einwohnern, welches nun um eine Kommune mit Deutschen erweitert war. Erich Mühsam beschreibt die Zugezogenen als "Ausnahmedeutsche, die hier ihre absonderlichen Leben fristen" oder als "absonderliche Haarmenschen" bzw. "lauter Originale" und "Menschen, die als Individualitäten bestehen können." (Mühsam, S. 13 ff.). Ascona entwickelte sich zu einer regelrechten Pilgerstätte, zum Zufluchtsort für Rebellen, Sucher, Reformer und Pazifisten, Anarchisten und Naturverehrer, kurzum: für "die Freaks des Deutschen Reiches". Erich Mühsam führt die Tatsache, daß die bedeutendste Landkommune deutscher Aussteiger sich in der italienischen Schweiz gründete, u.a. auf die italienische Lebensart zurück. Während in Deutschland das Sprichwort gelte "Arbeit macht das Leben süß", sei man in Italien davon überzeugt, daß es süß sei, nichts zu tun ('dolce far niente"). 92

93 4. Gustav Gräser als eine Persönlichkeit der alternativen Lebensreformbewegung Gustav Gräser wurde 1879 geboren und entstammte einer angesehenen und standesbewußten Familie. Nachdem er von der Schule geflogen und eine Lehre abgebrochen hatte, versuchte er sich als Maler und Bildhauer. Er versuchte sich auf der Wiener Kunstgewerbeschule, war aber schnell angeödet vom konventionellen Ausbildungsbetrieb. Er wendete sich dem "Beruf Mensch" zu und verstand sich fortan als Naturphilosoph. Seine bevorzugte Kleidung war eine sackähnliche Lodenkutte. Hinzu kamen nur noch die Sandalen an den Füßen und ein Stirnband, welches die wild wuchernde Haarpracht ein wenig in Zaum halten sollte. Als "Visitenkarte" verteilte er Grashalme. Wenn er sich vorstellte, nannte er sich "Gusto Gras", zum Teil aus Bescheidenheit, zum Teil, weil er sich als einmalige singuläre Persönlichkeit begriff. Die falsche Namensnennung brachte ihm so manchen Ärger mit Behörden und der Polizei wanderte er mit einigen Leuten über die Alpen nach Ascona, wo er Mitbegründer der Landkommune wurde zerstritt er sich mit Oedenkoven, der ihm beim Aufbau der Naturheilanstalt auf dem Monte Verita zu betriebswirtschaftlich dachte. Er verließ den "Heiligen Berg" und zog in eine unterhalb gelegene Höhle. Dort besuchten ihn zahlreiche Ascona-Pilgerer, u.a. Lenin, Trotzki, Bebel, Kropotkin und H. Hesse. 1905/1906 zog er nach München, wo er zahlreiche Vorträge und szenische Lesungen hielt, in denen er die Verstädterung der Natur thematisierte. Ab 1911 zog Gustav Gräser mit seiner Lebensgefährtin Jenny Hofmann, die aus erster Ehe fünf Kinder mitbrachte, im Planwagen durch Deutschland. Einkommen erwarb er durch den Verkauf selbstgefertigter Zeichnungen und Spruchkarten. Letztere brachten ihn mehr als einmal in Konflikt mit der Staatsanwaltschaft, da sie häufig unzüchtige Formulierungen enthielten. Wenn es aber möglich war, so zog er verschiedenste Tauschgeschäfte der 93

94 Geldwirtschaft vor wurde er nach diversen Haftstrafen wegen seiner erklärten Kriegsgegnerschaft und Wehrdienstverweigerung aus Deutschland abgeschoben. Er tauchte erst mit Kriegsende wieder im öffentlichen Leben auf und engagierte sich am Aufbau des Berliner Anti-Kriegs-Museums. Als dieses 1933 von Nazis zerstört und er mit Schreibverbot belegt wurde, zog er sich mit dem Erwerb eines Hausbootes bei Berlin endgültig aus dem öffentlichen Leben zurück. Gustav Gräser, der Antibürger schlechthin, kann als früher Vorläufer der Friedens- und Ökobewegung gelten. Er starb Ausblick Der bürgerliche Strang der Lebensreform war mit den unterschiedlichsten Ideologien vereinbar. So wurde die Lebensreform, besonders seit den 20er Jahren, vermehrt rassisch-völkisch interpretiert. Der Gedanke vom Leben mit sauberer Luft und sauberem Wasser und die Nacktbadekultur beispielsweise wurden als Teil einer "Rassenhygiene" verstanden. Durch die freie Körperkultur fänden in natürlicher Auslese die Kräftigen und Schönen zusammen, welche sich dann unter besseren Umweltbedingungen stärker vermehren könnten. So würde die Gesundung der Volkskraft und die Verbesserung der Rasse erreicht. Die Lebensreform war ein Widerstandsphänomen der wilhelminischen Zeit. Sie hat aber keine Antworten auf die dringenden Probleme der Gesellschaft entwickelt. Das lag daran, daß sie in erster Linie auf die Gesundung des Einzelnen abzielte. Die Lebensreform hatte vorrangig die Selbstreform im Blickfeld. Sie war nicht revolutionär, weil sie keine Gesellschaftsreform anstrebte bzw. nur ein sehr vages Bild einer Gesellschaftsreform durch Selbstreform vieler Einzelner hatte. Hinzu kam, daß die "Einzelnen" wirkliche Individualisten waren, die sich - ihrer Weltanschauung entsprechend - in keiner Weise organisieren ließen. So verstanden sich (auch die alternativen) Lebensreformer nicht als Teil eines gesellschaftlichen Gegenmodells im anarchistischen und zukunftsbezogenen Sinne Landauers oder Mühsams, welche die Kommune als Keimzelle einer neuen Gesellschaft verstanden. Vielmehr stand die persönliche Suche nach Subjektivität, nach Licht und Klarheit, im Vordergrund. Das brachte ihnen häufig den Vorwurf einer antimodernen Verherrlichung der vorindustriellen Gesellschaft, bzw. eines rückwärtsgewandten Anhängens an unpolitische Sehnsüchte. Als Gemeinsamkeit mit den Bohemiens bleibt auf jeden Fall das Ziel einer Entfaltung der Individuen, d.h. die Befreiung von den staatlichen und gesellschaftlichen Zwängen. Dies wurde von den alternativen Lebensreformern uneingeschränkt gefordert und umgesetzt, von den bürgerlichen Lebensreformern in Teilbereichen. Viele Forderungen der damaligen Zivilisationskritik, wie etwa die Aufhebung der Trennung von Kopf- und Handarbeit oder das Streben nach wirtschaftlicher Autarkie sind heute wieder für viele Menschen aktuell. Das gilt aber besonders 94

95 für den Umweltschutzgedanken, der sich z.b. - damals wie heute - in der Unterstützung der biologischen Landwirtschaft zeigt. Man kann also durchaus behaupten, daß die Ideen der Lebensreform bis in unsere Zeit reichen. 95

96 Die Kosmiker - Ludwig Klages und der Kosmische Kreis 1. Biographie über Ludwig Klages Ludwig Klages wurde am in Hannover geboren und starb am in Kilchberg bei Zürich. Bevor er als Philosoph und Psychologe wirkte, studierte Klages Chemie, "mehr aus praktischen Gesichtspunkten, als aus inneren Gründen". Da seine eigentlichen Interessen mehr in der Philosophie und Psychologie lagen und weniger in den Naturwissenschaften, bedeutete die Begegnung mit Stefan George, Alfred Schuler, Karl Wolfskehl und anderen Persönlichkeiten in München einen entscheidenden Entwicklungsgang für Klages. Insbesondere faszinierte ihn Georges Dichtung. Seit 1892 lieferte Klages Beiträge für Georges "Blätter für die Kunst" gründete er mit Alfred Schuler und Karl Wolfskehl die "Kosmische Runde", die hauptsächlich unter dem Einfluß von den Lehren J. J. Bachofens stand löste sich die Freundschaft zwischen Klages und George. Um 1903 gründete er sein "Psychodiagnostisches Seminar", das er nach seiner Übersiedlung in die Schweiz (Aug. 1915) 1919 in Kilchberg bei Zürich als "Seminar für Ausdruckskunde" neu eröffnete. Da Klages eine Bindung an eine akademische Laufbahn ablehnte, entfaltete er als Privatlehrer in seinem Seminar und auf Vortragsreisen durch Europa zwischen 1900 und 1949 eine intensive Lehrtätigkeit. Klages' Werke ("Der Geist als Widersacher der Seele" gilt als sein philosophisches Hauptwerk), die zwischen 1905 und 1948 entstanden, richteten sich gegen den metaphysikfeindlichen "logozentrischen" Positivismus, der sich auf das tatsächlich Gegebene beschränkte. Seine "biozentrische" Lebensphilosophie und Metaphysik richtete sich gegen die Sinnesfeindschaft der rationalen Philosophen (vgl. Holz, S. 700ff.). 2. Die Kehrseite der Bohèmebewegung Bei genauerem Hinsehen hat Ludwig Klages mit der zuerst aus Frankreich kommenden Lebenshaltung der Bohème so gut wie überhaupt nichts gemeinsam. Diese Tatsache findet ihren überzeugenden Nachweis in dem Umstand, daß der Denker innerhalb seines ganzen Werkes zu begründen versucht, weswegen "der Geist der Widersacher der Seele" sei, das heißt aber inhaltlich verstanden, einen absoluten Gegensatz zum Selbstverständnis der Bohème konstruiert zu haben. Denn wo man auch immer zunächst beginnt, über die Bohème nachzuschlagen, historisch, literarisch, kunstgeschichtlich oder soziologisch, wird man als erstes darüber belehrt, daß es sich bei der Bohème um eine Kategorie der Subkultur von Intellektuellen aus den Kreisen der Künstler - Schriftsteller, Maler, Bildhauer - und Universitätsangehörigen gehandelt hatte. Also Menschen, die überwiegend geistig arbeiteten. Dieser Widerspruch ist so offenkundig, daß man bereits hier schon ein weiteres Nachdenken über Klages und seine scheinbare Zugehörigkeit zur Bohème beenden könnte, wäre dieser Denker nicht gleich in zweierlei Hinsicht gefährlich. Zum einen führt die Philosophie Klages nicht nur zu einer 96

97 Legitimation, sondern zur ausdrücklichen Bejahung des Antisemitismus und des Faschismus, durch seine eigens nach der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 verfaßte Erklärung dokumentiert: "...Dank der Leistung einer großen Reihe von Forschern bedarf es heute keines Disraelis, damit wir wissen, daß die Drahtzieher des Weltkrieges und die Geldgeber der russischen Revolution Juden waren. Was es auf sich hat mit "Humanität", "Weltbürgertum", Liberalismus", "Kommunismus",... usw. sieht heute nur der nicht, der es nicht sehen will." (Haas, S. 157). Dieser Haltung gegenüber hatte Thomas Mann entgegnet: "Ja erlauben Sie mir das Geständnis, daß ich kein Freund der - in Deutschland namentlich durch Klages vertretenen - geist- und intellektfeindlichen Bewegung bin. Ich habe sie früh gefürchtet und bekämpft, weil ich sie in allen brutalantihumanen Konsequenzen durchschaute, bevor dies manifest wurde!" (ders., S. 157). Die zweite Gefahr resultiert aus der ersteren, aus der klar ablesbar wurde, daß Klages mit der Bohème in Wahrheit nichts zu tun hatte. Schon gerade deswegen, selbst nicht aus formalen Gründen, darf er nicht mit der Bohèmebewegung in Verbindung gebracht werden, d.h. also auch nicht umgekehrt, denn, obwohl die Bohème sich auch teilweise aus unreflektierten, satten und gelangweilten, apolitischen und dekadenten Wirrköpfen zusammensetzte, waren diese nicht den tatsächlichen Begründern zuzurechnen. Diese verstanden sich eher in der Nähe eines philosophisch begründeten Anarchismus, und zwar eines solchen, der hochgradig auf ein durch und durch autonomes und autarkes Menschenbild zielte: individualistisch, d.h. eigensinnig im Sinne von eigenständiger Verantwortung, freiheitsliebend und antibürgerlich. Worin dennoch ein Grund dieser irrtümlichen Zuordnung bestanden haben mag, soll an Hand ausgesuchter Beispiele, die seiner Philosophie entnommen wurden, im folgenden dargestellt werden, weil nur hierdurch der Anlaß des Irrtums aufgeklärt werden kann. Dabei kommt fast tragikomisch zum Vorschein, daß es sich bei Klages um einen Menschen gehandelt hatte, der Zeit seines Lebens sich bemühte, seinen eigenen Geist zu widerlegen. Im übrigen soll noch auf ein zum Nachdenken anregendes Zitat einer früheren Freundin von Klages, der Gräfin Reventlow, aufmerksam gemacht werden: "Sie hocken um mich herum, paffen Zigaretten und jeder kaut hoffnungslos versonnen an seiner kosmischen Nabelschnur!!!" "...Und wenn sie dann alle in Verzückung geraten... ich weiß nicht, mir kamen sie alle vor wie galvanisierte Leichen, als ob keiner von ihnen das "Tiefe, Erregende" fühlte, aber alle so taten." (Conti, S. 52). 3. Philosophie des Widerspruchs Zur Kritik des "Geistvollen Geistbekämpfers" Ludwig Klages Die irrationalen Versuche Ludwig Klages', eine Philosophie unter größter Aufbietung all seiner ihm zur Verfügung stehenden Verstandesmittel zu konstruieren, die gerade den "Geist als Widersacher der Seele" beweisen wollte, 97

98 führte genau und logischerweise zu folgendem Ergebnis (was auch bei einem solchen Versuch gar nicht anders hätte herauskommen können): eine Manifestation der Irrationalität und der Widerspruch zu sich selbst. Sein in psychoanalytischer Hinsicht infantiler Ansatz zwingt ihn, das Vermögen der Vernunft und die dem frei denkenden Menschen zur Verfügung stehende Urteilskraft zu verdrängen, d.h. zu mißtrauen, so daß er mit Hilfe einer nicht begründbaren, neurotisch verquasten Theorie und infolgedessen einen vollkommen falsch verstandenen Weber'schen Begriff, den der Ekstase, gegen die Aufklärung ins Feld zu ziehen versucht. Denn Klages versteht unter Ekstase einen eher kindischen (nicht kindlichen) Zustand des Rückfalls "...zur einen und selben Mutter,...zum Ei, zur Lebenszelle..." (vgl. Klages<a>, S. 227). Damit ein solch glückverheißender Zustand erreicht werden kann, ist nach Klages die "Entselbstung" und die "Entichung" Voraussetzung. Da Klages nicht nur den "Geist" bekämpft, sondern die von diesem nicht zu trennende "Ich- Instanz", muß auch diese mitsamt dem "Selbstbewußtsein" "zurückbezwungen" werden. Was Klages mit einer solchen Konstruktion anstrebt, ist der Versuch, durch Regression einen von der Psycho- und Soziogenese lange durchlaufenen Entwicklungsprozeß auf ein äußerst primitives Erlebnisniveau und einen Entdifferenzierungszustand zurückzudrängen. Daß sein Denken von tiefverankerten Ängsten motiviert ist, zeigt der ihm selbst nicht bewußt werdende Widerspruch in seinem eigenen Bemühen zu einer, wie die zur Fundamentierung seines neurotischen Modells, vorgetragenen Überzeugung: das ihm vorschwebende Menschenbild auf ein biozentristisches Urkonstrukt zu stellen, womit er den Menschen als ein nur glücklich im geistlosen Zustand lebendes Wesen sehen will. Durch seine neurotische Angst vor Reife, Verantwortung und insbesondere Freiheit wird er schließlich zu einem Förderer des Faschismus. Die Bewegung der Bohème ist auch in einer kritischen Perspektive zu beleuchten. Es zählten zu ihr, wie bereits angedeutet, eine nicht geringe Anzahl von Aussteigern, gewissermaßen Sympathisanten des antibürgerlichen Lebensstils. Das bedeutete aber auch, daß die Bohème keine in sich geschlossene Bewegung war, und sich daher in ihr auch ganz untypische Figuren einfanden und wie im Falle Klages auch Querschläger. Denn Klages, der anfangs zu dem Kreis der "Kosmiker" zählte, wobei der Kreis selbst, jedenfalls formal, zu der "Schwabinger Bohème'' gerechnet wurde, hatte nicht, wie Stefan George, der beispielsweise mit Baudelaire, Mallarmé und Hofmannsthal befreundet war, eine tief lebensbejahende, sondern in Wahrheit eine lebensverachtende Haltung: "Die Menschheit verdreckt sich von Tag zu Tag mehr. Wie könnte man noch irgendetwas tun in Rücksicht auf dies gen 98

99 Himmel stinkende Geschmeiss! Vielmehr muss man intensiv zu vergessen suchen, dass Menschen überhaupt existieren: Dieser Schimmelüberzug einer in Verwesung übergehenden Erdballkruste. " (Klages<b>, S. 166). Es versteht sich von selbst, daß Stefan George und sein Freund Karl Wolfskehl, dem Mitbegründer der zionistischen Bewegung, die Bekanntschaft zu Klages alsbald aufkündigten. Denn George sah gerade in dem geistig-erhöhten und tief empfundenen Leben den Charakter der Bohème verwirklicht, ganz im Gegenteil zu Klages, der 1904 zudem offen seine antisemitische Haltung kundtat, woraufhin sich die "Kosmische Runde" spaltete (vgl. Landmann, S.503 und Klages<b>, S. 171). 4. Der "Kosmiker Kreis" und Ludwig Klages In den Jahren ab 1897 fand sich die "Kosmische Runde" in Schwabing zusammen. Den Kein der Gruppe bildeten Alfred Schuler, Karl Wolfskehl, Ludwig Klages und Stefan George, der sich später in München für diesen Kreis interessierte. Dieser Kreis der Kosmiker hatte sich um eine Neugestaltung des gesamten Lebens, die "Renaissance des Heidnischen", der Mythen und Sagenforschung fördernd, bemüht. Ludwig Klages und Stefan George verband u.a. das Wissen um das Rauschhafte, die "Urerfahrung des Dionysischen". George gründete 1892, vierundzwanzigjährig, seine "Blätter für die Kunst". Seit 1892 lieferte Klages Beiträge für Georges Zeitschrift. An der Dichtung von Klages fand George Gefallen, und Klages war begeistert von dem Künstler und Poeten George. In einem Brief von L. Klages an Th. Lessing vom 25. Januar 1894 heißt es über Georges Bekanntschaft, die in der Münchener Pension "Fuchs" als Tischnachbarn begann: "Ein merkwürdiges Schicksal ist mir widerfahren... Das kommt durch die Bekanntschaft mit einem hochmodernen und hochdekadenten Künstler, Poeten... Er ist ein weitgereister Mann mit sehr exzentrischem Kopf, sehr blasiert... Seine sämtlichen bisherigen Werke sind schon im Äußern merkwürdig. Beim ersten Durchlesen habe ich nicht den fünften Teil verstanden; jetzt aber habe ich den Schlüssel zu dieser Art von Poesie. Ich bin neugierig, was Du zu diesen Poesien sagen wirst... Ich gab mich ihm schließlich als einen ehemaligen Poeten zu erkennen und brachte ihm ein Stück der "Desiderata". Das versetzte den sonst zugeknüpften, im Verkehr vornehm förmlichen, mit verachtender Blasiertheit dreinschauenden Menschen in ein nicht zu verbergendes Feuer der Begeisterung. Er gestand mir anderthalb Monate später, daß er von der Turmszene mehrere Tage "gradezu krank" gewesen sei. Er ließ mich nun nicht wieder los, und ich mußte ihm diesen Fetzen eines Fetzens für sein Kunstblatt liefern. Ich hatte ein fast wehmütiges Gefühl... wieviel hätte ich wohl darum gegeben, wenn ich das vermocht hätte zur Zeit, wo "Desiderata" entstand. Und jetzt kostet es Überwindung, sie mir zum Zweck des Druckens abzulocken... Die Bekanntschaft förderte mich in meinem Studium des künstlerischen Affektes." (Klages<b>, S. 165f). Der Schlüssel, Georges Art 99

100 von Poesie zu verstehen, lag in der Bedeutung des Symbols, in der Wirklichkeit der Bilder. Über Georges künstlerische Gesinnung schreibt Klages 1902: "Künstlerisch nennen wir eine Lebensrichtung, die sich in Werken erfüllt. Dazu nötigt ein unmittelbarer Zwang, der scheidet und wählt, wo ihm das Schicksal blinde Massen entgegenwälzt. Selten erhebt sich zur Bewußtheit, was den geistlos webenden Mächten alles Wachstums verwandt ist. Geschieht es dennoch, so zerrinnt vor einem Blicke Ziel und Willkür und nichts bleibt als bauendes Müssen. Mit solcher Gesinnung ist unter deutschen Dichtem George der einsame Erneurer eines Glaubens, der seit den Tagen der Romantik verloren ging. Mit ihm sondert er sich aus dem breiten Moraste bürgerlicher Unterhaltungskunst, die uns für Schönheit ausgaben, was der gern gerührten Dürftigkeit ihrer Gefühle Nahrung bot. Mit ihm unterwirft er sich einer strengeren Gesetzgebung bildnerischen Thuns als selbst die großen Dichter des achtzehnten Jahrhunderts über sich anerkannten." (Klages<c>, S.489). 100

101 Aus diesen drei Zitaten geht hervor, was Klages und George anfangs verband und wie sie sich kennenlernten. Die "Kosmische Runde" zerbrach 1904 aus Weltanschauungsgründen (s.o.). Alfred Schuler und Ludwig Klages, die ehemaligen Gründer der "Kosmischen Runde" besuchten ab 1904 auch nicht mehr die "antiken Feiern", die z.b. in Karl Wolfskehls Münchener Wohnung stattfanden. Franziska zu Reventlow beschreibt in "Herrn Dames Aufzeichnungen" einen Abend dieser Feiern: "Es lag doch viel heidnischer Glanz und Schimmer über dieser Nacht -... auch bei dem Professor (K. Wolfskehl), der den indischen Dionysos darstellt, in purpurrotem Gewand mit Weinlaubkranz und einem langen goldenen Stab. Beim Tanzen raste er wild daher, und seine Augen rollten, mir fiel auf, daß er eigentlich ein schöner Mann ist mit seiner mächtigen Gestalt und dem dunkeln Bart. Er schien auch vielen Frauen gut zu gefallen, und er sah sie alle mit verzückten Blicken an, und fand sie alle namenlos schön. An Rauschfähigkeit fehlte es ihm sicher nicht, und er lebte ganz in seiner Rolle." (Reventlow, S. 176f), 101

102 Die "Kosmiker" beschäftigten sich mit "den Quellen, die aus dem Dunkeln, jenseits von Bewußtsein und Willkür, alles Leben nähren und die unter der Herrschaft des mathematischbegrifflichen Denkens zu versiegen drohen. Sie wollten das Leben aus den erstickenden Krusten der Ratio befreien. Seele sprach ihnen echt aus den Formen der Magie, wie sie sich verfangen hatte im Klang- und Bildzauber aller großen Kunst und jenseits der Kunst zu spüren war in Kultformen und Beschwörungen ältester Zeiten. Mutterrecht und dionysischer Taumel, Blut, Tanz, Flamme, Kupfer, Erde, Nacht, Opfer, das waren die berauschenden Worte..." (Landmann, S. 503). Klages, der (mit A. Schuler) seinen eigenen Kampf gegen den Rationalismus in der "Kosmischen Runde" vertrat, stellte sich schließlich gegen den "Meister" der Dichtung Stefan George. Gemeinsam träumten die "Kosmiker", die sich als die "Enormen" bezeichneten, vom Matriarchat, waren gegen das Christentum, den Materialismus und Rationalismus. Für Alfred Schuler war es wichtig, daß jeder sich im Einklang mit dem Universum frei fühle, das Leben sei ein Fest, sei Freude und Feier, usw. Klages führt Schulers Gedanken weiter: "Aus der übertriebenen Maskulinität des Abendlandes erwächst der Rationalismus. Der zergliedernde und messende "Geist" ist der "Widersacher der Seele", des fließenden Lebens, der Bejahung des Körpers. Nutzen- und Zweckdenken vernichten das leidenschaftliche Erleben des "glühenden Augenblicks." (Conti, S. 37). Stefan George kam es darauf an, die Dichtung auf eine höhere Stufe zu bringen, die Reinheit der künstlerischen Form, Höhe der Gesinnung zu schaffen und die gewollten Niedrigkeiten der Naturalisten abzulehnen. Das schöne Leben, so George, ist nicht das genießende, sondern das geistig erhöhte und tief empfundene (vgl. Landmann, S. 503). Da sich Stefan George von der von chaotisch religiösen Kräften erfüllten Runde der Kosmiker in München angezogen fühlte, soll hier darauf hingewiesen werden, was letztlich die Kosmiker bis zum Bruch zusammenhielt. George hatte neben Hofmannsthal in Karl Wolfskehl, ein "Zeus von Schwabing" eine seiner stärksten dichterischen Kräfte für seine "Blätter für die Kunst" gefunden. 102

103 In seinem gästeschwirrenden Haus sprühten die Gespräche mit L. Klages, dem geistvollen Geistfeind, und dem dämonisch besessenen A. Schuler. Die Kosmiker verband untereinander vorallem das Wissen um den Zusammenhang des Künstlerischen mit dem Dämonischen, den Abgründigkeiten und Tiefen eigener seelischer Erregung, die sie in der Vergangenheit der Menschheit nachzuspüren versuchten, das bedeutet, die Sehnsucht, die Unmittelbarkeit seelischer Erregung zum künstlerischen Ausdruck zu bringen. Rückblickend auf die Erfahrungen in der "Kosmischen Runde", "rauschhafter Zustände", entwickelte Klages seine philosophischen Ideen vom "Kosmogonischen Eros", wo er das rauschhafte Leben, das kosmische Leben erklärt. 5. Einleitung zum "Kosmogonischen Eros" von Ludwig Klages Vom "Kosmogonischen Eros" her entwickelte Klages ähnlich wie Henri Bergson ( ) sein metaphysisches System. Beide Philosophen werden als Lebensphilosophen eingeordnet, wobei F. Nietzsche der bedeutendste für die Kosmiker blieb. - Es bleibt die Frage offen, ob die Kosmiker F. Nietzsche richtig verstanden haben. Ihnen gemeinsam bedeutet der Begriff des Lebens tendenziell, wie allen Lebensphilosophen "auf der einen Seite die Lebendigkeit des Lebens gegenüber den Verfestigungen einer Konvention, Leben überhaupt gegenüber einem starren und festen Seins, er bedeutet aber zugleich die Gesamtheit der seelischen Kräfte im Menschen, der irrationalen Kräfte des Gefühls und der Leidenschaft gegenüber der einseitigen Vorherrschaft des abstrakten Verstandes. Der Begriff Leben wurde also in "revolutionärer" Frontstellung eingeführt, Leben blieb ein Kampfbegriff in der Bohème. In der Rückwärtswendung zum Ursprünglichen 103

104 versucht Klages in Dichtung, Sage und Mythos den Zusammenhang von Leben und Eros aufzuzeigen. Der Begriff des Lebens selber und damit der Lebensphilosophie wurde in Deutschland in der Geistesgeschichte gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der "Sturm und Drang" - Generation durch Herder, Goethe und Jacobi entwickelt (vgl. Bollnow, S. 4f). Klages prangerte im "Kosmogonischen Eros" das abstrakte Denken an und entwickelte seine Metaphysik: "Nur im Denkenmüssen und Wollenmüssen leben wir noch, nur durch das Ichgefühl hindurch vernehmen wir noch die Stimmen des Alls, von dem wir abgetrennt wurden." In der Ekstase, dem "Außersich sein" (= außer dem Ich sein) beginnt Klages' Lebensmystik: "Seelenentgeistung" und "Seelenentselbstung" sind notwendig, um die ursprüngliche Einheit von Körper und Seele (durch die Erinnerung an einen paradiesischen Zustand usw.) wiederherzustellen und durch "Schauung" in die Harmonie mit dem Kosmischen Leben zu gelangen (vgl. Klages<a>, S.62). 6. Vom Kosmogonischen Eros Das Buch, welches 1922 unter dem Titel "Vom Kosmogonischen Eros" erschien, beschäftigt sich mit dem verschollenen Erosgedanken, der durch das Christentum verfälscht und seiner eigentlichen Substanzen beraubt wurde. In Anlehnung an Nietzsches Kritik am Christentum u.a. und J. J. Bachofens These eines ursprünglichen Matriarchalismus, greift Klages auf die antike Sagen- und Mythenforschung zurück, um den Erosgedanken in seiner Substanz als den Ausdruck ursprünglicher Liebe zum Leben aufzuzeigen. "Mythenwissenschaft, Esoterik der antiken Mysterienkulte und kritische Bewußtseinswissenschaft verbinden sich darin zu einer Metaphysik des Lebens. 104

105 Der Eros wird als "Eros der Ferne" dargestellt und daraus das Wesen der Ekstase und der Entselbstung hergeleitet. Die ekstatisch erlebte Welt bildet für Klages ihrerseits die Voraussetzung für die Entfaltung von Symbolik, Totenkult, Ahnendienst, wie auch ursprüngliche Dichtung und Kunst." (Tenigel, S.261). Als Ergänzung zu seinem Hauptwerk "Der Geist als Widersacher der Seele" ( ) verfolgt Klages den Gedanken, wie sich der Einklang zwischen dem einzelnen Leben mit dem übergreifenden Ganzen (des Lebensprozesses) in der Vergangenheit der Menschheit geäußert hat. Da sich Klages um eine Wirklichkeitslehre mit philosophischer Begründung bemühte, die sich gegen ein vorherrschendes logozentrisches Denken richtete, betonte er in seinem Buch "Vom Kosmogonischen Eros" den Zusammenhang von Leben und Eros, der ursprünglichen Einheit von Leib und Seele, die von einer akosmischen (einer außerraumzeitlichen Macht) Größe, dem Geist gestört bzw. aufgelöst wurde. Da in seinem biozentrischen Weltverständnis Leben, Eros und der durch den Willen selbstherrliche gewordene Geist der Menschheit völlig ursprünglich wesensgegensätzliche Mächte sind, wendet er sich gegen die Sinnesfeindschaft aller an einer spezifischen Rationalität orientierten Philosophen. Der Hauptgedanke dabei ist, daß die ursprüngliche Einheit im Fühlen des Lebensimpulses im kosmischen Leben (des ganzen Lebensflusses, des Lebensprozesses) durch den Geist, der sich in lebenszerstörerischen Tendenzen, durch die Ratio in Verbindung mit dem sich durch den Willen des selbstherrlichen menschlichen Geistes äußert, verlorengegangen ist. So sind nach Klages z.b. die Naturvölker von der modernen Zivilisation fast vollständig ausgelöscht worden (vgl. Conti, S.228). Angelehnt an den Gedanken Nietzsches einer "Urerfahrung des Dionysischen" versucht Klages das Erleben (z. B. durch Ekstase) eines "berauschten Lebens", als die Sehnsucht der Menschheit mit dem Ganzen des schöpferischen Lebensprozesses, durch die Kraft der Wirklichkeit der Bilder (vgl. Holz, S. 700ff.), in Einklang zu bringen anhand des Erfahrenen und Erlebten in der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte: der Rausch der Begeisterung am Leben, das Hinaustreten aus der zufälligen Individualität, aufzugehen in einem größeren Ganzen des Lebens. Für Klages ist "das Wissen von der weltschaffenden Webekraft allverbindender Liebe" der rettende Ausweg der Menschheit. Der sich in Szene setzende menschliche Geist, der sich vor allem in der Zweckrationalität entäußert, vollbringt sein muttermörderisches Werk, indem er in summa die Natur zerstört und damit die Grundlagen der Menschheit vernichtet. Gelingt es nicht, so Klages, die Lebensabhängigkeit des Geistes zu erkennen (mit Wissen um die weltschaffende Webekraft allverbindender Liebe) 105

106 und durch "Schauung" (Intuition) wiederherzustellen und zu finden, so ist die Menschheit bedroht. 7. Kritik und Zusammenfassung Klages' Kritik am Rationalismus sowie die am Patriarchat ist eine reaktionäre Kritik, da sie an eine spekulative Metaphysik, an ein biozentrisches Urkonstrukt gekoppelt ist. Der Bruch mit Stefan George und Karl Wolfskehl 1904 aus Weltanschauungsgründen macht deutlich, wie tief er im Antisemitismus verwurzelt war. Die irrationalen Tendenzen der Klages'schen Philosophie entstanden schon in der Zeit vor 1904, also in der sogenannten, von Klages und Schuler gegründeten "Kosmischen Runde". Klages' kosmische Geisteshaltung, die Grundgedanken seiner späteren Philosophie, die faschistoid angelegt war, dokumentiert ein Brief an Friedrich Gundolf vom : "Jedes Geschehen ist - mir wenigstens - soweit bedeutend, als es willkürlos notwendig ist, als der 'Geist' ihm zurückbezwungen ist in die vollere Wirklichkeit der Elemente... Und ich glaube freilich, daß ein einziger Vers von so freudewildem oder todesdunklem Jubel erheben kann wie nur je eine Völkerwoge im Schauer weltzerbrechenden Siegeszuges...', (Klages<b>, S.166). Klages' biozentnisches Weltverständnis mit der Betonung des "Rauschhaften", der Ekstase, der "Entichung" zugunsten einer "volleren Wirklichkeit der Elemente", die er in der Seelentrias des Alls erblicken will, wobei die "nur menschliche Seele" die ärmste ist, zeigt, wie irrational diese Philosophie ist (vgl. Klages<c>, S.494). Mit diesen irrationalen Tendenzen und der Rückwärtswendung in die Romantik sowie der Sagen- und Mythenforschung, immigriert Klages innerlich von den Ergebnissen der Aufklärung. Anstatt seine eigene selbstverschuldete Unmündigkeit zu erkennen, um selbstverantwortlich zu werden, flüchtet er in die Natur und macht sie zur "einen Mutter" (das ist das Ei, die Lebenszelle) - s.o. Wie für A. Schuler, so auch für Klages, fließen im Blut die kosmischen Energien (vgl. Conti, S.39). Er schreibt des weiteren über die Erneuerung eines Glaubens, über eine neue beseelte Leiblichkeit und das die Einzelseele aufgehen solle im kosmischen Leben. Letzteres z.b. arbeitete auch der NS-Ideologie zu. "Du bist nichts, die Gemeinschaft ist alles." Die Kosmiker bleiben ein schlechtes Beispiel für kulturkritische Ansätze, da insbesondere Klages seine dunklen Schatten hinterließ. 106

107 Verzeichnisse: Allgemeiner Literaturnachweis: Conti, Christoph - Abschied vom Bürgertum - Alternative Bewegungen in Deutschland von 1890 bis heute. Reinbek bei Hamburg 1984 Kreuzer, Helmut - Die Bohème. Beiträge zu ihrer Beschreibung. Stuttgart 1968 Wilhelm, Hermann. Die Münchener Bohème. Von der Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg. München 1993 Literatur- und Quellennachweis: 1. Das Wilhelminische Zeitalter Görtemaker, Manfred - Deutschland im 19. Jahrhundert. Opladen 1989 Kinder, Hermann / Hilgemann, Werner (Hg.) - dtv-atlas zur Weltgeschichte. Band Wehler, Hans-Ulrich (Hg.) - Das Deutsche Kaiserreich Deutsche Geschichte Frauenleben im Kaiserreich Baum, Vicky -"Es war alles ganz anders". Berlin, Wien 1962 Beier, Rosemarie - Textilarbeiterinnen, in: Frauen. Ein historisches Lesebuch. München 1988 Davidis, Henriette - Treues Dienen, in: Frauen. Ein historisches Lesebuch. München 1988 Fuchs, Eduard - Heiratsannonce, in: Frauen. Ein historisches Lesebuch. München 1988 Eine eigene Geschichte. Frauen in Europa. Vom Absolutismus zur Gegenwart, hg. von Anderson, Zinser. Zürich 1988 Geschichte der Frauen, 19. Jahrhundert, hg. von Fraisse, Perrot. Frankfurt/M., Wien 1994 Hubbard, H. William (Hg.) - Ehegesetzgebung 1794/1900/1980, in: Frauen. Ein historisches Lesebuch. München 1988 Lipp, Carola - Voreheliche Sexualität der Arbeiterinnen, in: Frauen. Ein historisches Lesebuch. München 1988 Popp, Adelheid - Jugend einer Arbeiterin. Berlin 1977 Schenk, Herrad - Eheanbahnung für "höhere Töchter", in: Frauen. Ein historisches Lesebuch. München 1988 Schnitzler, Arthur - Jugend in Wien. Eine Autobiographie Stillich, Oscar - Dienstmädchen in Berlin um 1900, in: Frauen, Ein historisches Lesebuch. München 1988 Sudermann, Henry - Das Bilderbuch meiner Jugend. Stuttgart, Berlin 1922 Weber-Kellermann, Ingeborg - Frauenleben im 19. Jahrhundert, Empire und Romantik, Biedermeier, Gründerzeit

108 3. Cafes - Kabarett - Frank Wedekind Hippen, R. - Kabarett der spitzen Feder. Zürich 1986 ders. - Das Kabarett-Chanson. Zürich 1986 Komitzer, L. / Gehrke-Tschudi, H. - Lulu (Programmbuch des Deutschen Schauspielhauses) Seehaus, G. Wedekind. Reinbek bei Hamburg 4. Anarchismus - Erich Mühsam, die Bohème und der Anarchismus Zitiert wurde hier aus verschiedenen neueren Ausgaben von Erich Mühsams Schriften, die nach 1945 wieder erschienen sind. Braunthal, Julius - Geschichte der Internationale. Band 1. Hannover 1961 (hingewiesen wurde auf das Kapitel: Die Internationale und der Krieg) Guèrin, Daniel - Anarchismus. Begriff und Praxis. Frankfurt/Main 1968 Hirte, Christlieb (Hg.) - Erich Mühsam. Ausgewählte Werke in 2 Bänden. Berlin/DDR 1978/85; zitiert wurde aus dem Band 2, Publizistik : abgekürzt im Text: Pub. Joll, James - Die Anarchisten. Frankfurt/Main 1966 Mühsam Erich - Namen und Menschen. Unpolitische Erinnerungen. Berlin 1977 ders. - Sammlung Berlin o.j. ders. - Befreiung der Gesellschaft vom Staat (mit einem Nachwort von Hans Jörg Viesel, Zur Aktualität der anarchistischen "Staatstheorie"). Berlin 1973 ders. - War einmal ein Revoluzzer. Bänkellieder und Gedichte. Reinbek bei Hamburg 1978 Murger, Henri Die Bohème. Szenen aus dem Pariser Leben. Berlin Psychoanalyse - Otto Gross: Leben und Werk in Grundzügen Gross, Otto - Die kommunistische Grundidee in der Paradiessymbolik, in: Sowjet Nr. 2. Juli 1919 Hurwitz, Emanuel - Otto Gross. Paradies-Sucher zwischen Freud und Jung. Zürich 1979 (Auflage 1988) Wehr, Gerhard - C. G. Jung. Reinbek bei Hamburg Libertinage - Franziska zu Reventlow/ Else Lasker-Schüler Faber, Richard - Franziska zu Reventlow und die Schwabinger Gegenkultur, in: Europäische Kulturstudien. Bd. 3. Köln 1993 ders. - Männerrunde mit Gräfin, in: Forschung zur Literatur- und Kulturgeschichte. Bd. 38, hg. von H. Kreutzer und K. Riha. Frankfurt a. M Fritz, Helmut - Die erotische Rebellion. Frankfurt a. M Gfrereis, Heike (Hg.) Franziska zu Reventlow. Jugendbriefe, in: Korrespondenzen. Stuttgart 1994 (Brf.) Mühsam, Erich - Namen und Menschen. Berlin

109 Reventlow, Else (Hg.) - Franziska Gräfin zu Reventlow. Gesammelte Werke. München 1925 (GW) dies. - Franziska Gräfin zu Reventlow. Tagebücher München 1971 (TB) dies. - Franziska Gräfin zu Reventlow. Romane. München 1976 dies. - Franziska Gräfin zu Reventlow. Autobiographisches. München, Wien 1980 Schroeder, Hans Eggert - Franziska Gräfin zu Reventlow. Schwabing um die Jahrhundertwende, in: Marbacher Magazin 8/1978 Székely, Johannes - Franziska Gräfin zu Reventlow. Leben und Werk. Bonn 1979 "Züricher Diskussionen", 2. Jg., Nr Bauschinger, Sigrid (Hg.) - Else Lasker-Schüler. Werke, Lyrik, Prosa, Dramatisches. München 1991 (Werke) "Der Tag", Illustrierte Zeitung, Nr. 181, Unterhaltungs-Beilage "Die Aktion", 3.Jg., Nr. 21 "Die Zukunft" - Zehn Gesänge zu Dichtungen von Else Lasker-Schüler, 12.Jg., H.28 Döblin, Alfred - Autobiographische Schriften und letzte Aufzeichnungen, hg. von E. Pässler. Olten, Freiburg i. B Durieux, Tilla - Meine ersten neunzig Jahre. Erinnerungen. Die Jahre , nacherzählt von Joachim Werner Preuß. München, Berlin 1971 Else Lasker-Schüler, in: Marbacher Magazin 71/1995, hg. von Ulrich Ott. Tübingen 1995 Else Lasker-Schüler. Monographie, hg. von Kurt Kusenberg. Reinbek bei Hamburg 1980 Gelhoff-Claes, Astrid (Hg.) Else Lasker-Schüler. Briefe an Karl Kraus. Köln, Berlin 1959 (BKK) Jung, Franz - Der Weg nach unten, Aufzeichnungen aus einer großen Zeit. Neuwied 1962 Kern, Elga (Hg.) - Führende Frauen Europas. Neue Folge, in: 15 Selbstschilderungen. München 1928 Kupper, Margarethe (Hg.) - Else Lasker-Schüler - Lieber gestreifter Tiger. Briefe. Erster Band. München 1969 (Briefe 1) dies. - Else Lasker-Schüler - Wo ist unser buntes Theben? Briefe. Zweiter Band. München 1969 Lasker-Schüler, Else - Gesammelte Werke. Gedichte , hg. von Fridhelm Kemp. München 1959 (GWI) Lasker-Schüler, Else - Gesammelte Werke. Prosa und Schauspiele, hg. von Fridhelm Kemp. München 1962 (GWII) Lasker-Schüler, Else - Gesammelte Werke. Verse und Prosa aus dem Nachlaß, hg. von Werner Kraft. München 1961 (GW 111) "Literarisches Echo", 8.Jg., H

110 Marbacher Magazin 71/1995, hg. von Ulrich Ort. Tübingen 1995 Ost und West, Heft Offizielle Kunst und Avantgarde - Die Berliner Bohème und die bildenden Künstler Arnold, Matthias - Edvard Munch. Reinbek bei Hamburg 1995 (5.Auflage) Bab, Julius - Berliner Boheme. Berlin 1904 Berlin-Chronik, hg. von Georg Holmsten. Düsseldorf 1984 Doede, Werner - Berlin. Kunst und Künstler seit Recklinghausen 1961 Durieux, Tilla - Eine Tür steht offen. Berlin 1971 Fischer, Lothar - George Grosz. Reinbek bei Hamburg 1976 Ders. - Heinrich Zille. Reinbek bei Hamburg 1979 Fragen an die deutsche Geschichte. Bonn 1979 Hamann, Richard / Hermand, Jost - Epochen deutscher Kultur von 1870 bis zur Gegenwart. Bd. 2. München 1972 von Hoerschelmann, Rolf - Leben ohne Alltag. Berlin 1947 Jähner, Horst - Künstlergruppe Brücke. Berlin 1984 Klimsch, Fritz - Erinnerungen und Gedanken eines Bildhauers. Berlin1941 von Lieres und Wilkau, E. - Künstlerfeste, in: Velhagen & Klasings Monatshefte, 16. Jahrgang 1901/02, Bd. 1 Mann, Heinrich - Der Untertan. Berlin 1914 Paret, Peter - Die Berliner Secession. Moderne Kunst und ihre Feinde im Kaiserlichen Deutschland. Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1983 Prophyläen Kunstgeschichte. Bd Rapsilber, Max - Der Kaiser als Kunstrichter, in: Der Roland von Berlin, 2. Jahrgang, Heft 25. Berlin 1904 Stather, Martin - Die Kunstpolitik Wilhelms IL Konstanz 1994 Lexika: Brockhaus Enzyklopädie 110

Der verrückte Rothaarige

Der verrückte Rothaarige Der verrückte Rothaarige In der südfranzösischen Stadt Arles gab es am Morgen des 24. Dezember 1888 große Aufregung: Etliche Bürger der Stadt waren auf den Beinen und hatten sich vor dem Haus eines Malers

Mehr

Das Wunderbare am Tod ist, dass Sie ganz alleine sterben dürfen. Endlich dürfen Sie etwas ganz alleine tun!

Das Wunderbare am Tod ist, dass Sie ganz alleine sterben dürfen. Endlich dürfen Sie etwas ganz alleine tun! unseren Vorstellungen Angst. Ich liebe, was ist: Ich liebe Krankheit und Gesundheit, Kommen und Gehen, Leben und Tod. Für mich sind Leben und Tod gleich. Die Wirklichkeit ist gut. Deshalb muss auch der

Mehr

Militarismus in Deutschland

Militarismus in Deutschland Wolfram Wette Militarismus in Deutschland Geschichte einer kriegerischen Kultur Einführung 9 I. Wege und Irrwege der Militarismus-Forschung 13 1. Wehrhaft oder militaristisch? 14 2. Militarismus - ein

Mehr

T: Genau. B: Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Entscheidungen von Eltern, Freunden beeinflusst wurde?

T: Genau. B: Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Entscheidungen von Eltern, Freunden beeinflusst wurde? 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 Interview mit T B: Ich befrage Sie zu vier Bereichen, und vorweg

Mehr

Und das ist so viel, es nimmt alle Dunkelheit von Erfahrung in sich auf.

Und das ist so viel, es nimmt alle Dunkelheit von Erfahrung in sich auf. Gedanken für den Tag "Es ist was es ist" zum 25. Todestag von Erich Fried. 1 Ich weiß noch, wie ich mich fühlte, als ich es zu ersten Mal gelesen habe. Es war vor einer Hochzeit. In mir wurde es ganz stumm

Mehr

2.1 Ewiges Leben und die wahre Liebe

2.1 Ewiges Leben und die wahre Liebe 2.1 Ewiges Leben und die wahre Liebe Die Sehnsucht, ewig zu leben Wir wurden geschaffen, um ewig zu leben und das Ideal der wahren Liebe zu verwirklichen. Während unseres Erdenlebens beschäftigen wir uns

Mehr

Liebe Konfi 3-Kinder, liebe Mitfeiernde hier im Gottesdienst, Ansprache beim Konfi 3-Familiengottesdienst mit Abendmahl am 23.2.2014 in Steinenbronn

Liebe Konfi 3-Kinder, liebe Mitfeiernde hier im Gottesdienst, Ansprache beim Konfi 3-Familiengottesdienst mit Abendmahl am 23.2.2014 in Steinenbronn Ansprache beim Konfi 3-Familiengottesdienst mit Abendmahl am 23.2.2014 in Steinenbronn Liebe Konfi 3-Kinder, liebe Mitfeiernde hier im Gottesdienst, Ich möchte Ihnen und euch eine Geschichte erzählen von

Mehr

Malen ist eine stille Angelegenheit Ein Gespräch mit dem Künstler Boleslav Kvapil

Malen ist eine stille Angelegenheit Ein Gespräch mit dem Künstler Boleslav Kvapil Malen ist eine stille Angelegenheit Ein Gespräch mit dem Künstler Boleslav Kvapil Von Johannes Fröhlich Boleslav Kvapil wurde 1934 in Trebic in der Tschechoslowakei geboren. Er arbeitete in einem Bergwerk

Mehr

VI. Mit Kindern in Australien

VI. Mit Kindern in Australien VI. Mit Kindern in Australien N achdem Sie bis hierhin gelesen haben, wird es Sie nicht überraschen, dass auch das australische Schulsystem in keiner Weise mit dem europäischen zu vergleichen ist. Sogar

Mehr

Arbeitsblatt 8 Ende des Ersten Weltkrieges

Arbeitsblatt 8 Ende des Ersten Weltkrieges Arbeitsblätter des in Kooperation gefördert Volksbundes Deutsche mit durch Kriegsgräberfürsorge e.v. Arbeitsblatt 8 Ende des Ersten Weltkrieges Arbeitsaufträge: 1. Überlegt in Kleingruppen, welche Gründe

Mehr

aus der Armut 12-1 Haketa aus Togo

aus der Armut 12-1 Haketa aus Togo Bildung ist der beste Weg aus der Armut In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird zwar der kostenlose Zugang des grundlegenden Unterrichts gefordert, für die meisten Kinder mit Behinderungen

Mehr

Der Tod des Kleinbürgers (Franz Werfel) von Christian Bartl

Der Tod des Kleinbürgers (Franz Werfel) von Christian Bartl Der Tod des Kleinbürgers (Franz Werfel) von Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... 2 1. Inhaltsangabe... 3 2. Die Aussage des Werkes... 3 3. Charakteristik... 3 3.1. Herr Fiala... 3 3.2. Frau Fiala (Marie)...

Mehr

Es ist nicht jedermann auf die Hochzeit geladen. Liebe ist ein privates Weltereignis (Alfred Polgar)

Es ist nicht jedermann auf die Hochzeit geladen. Liebe ist ein privates Weltereignis (Alfred Polgar) Zitate zur Hochzeit Es ist nicht jedermann auf die Hochzeit geladen - deutsches Sprichwort - Liebe ist ein privates Weltereignis (Alfred Polgar) Wirklich reich ist ein Mensch nur dann, wenn er das Herz

Mehr

Seite 1 Das trägerübergreifende Persönliche Budget So können Menschen mit Behinderung mehr selber bestimmen

Seite 1 Das trägerübergreifende Persönliche Budget So können Menschen mit Behinderung mehr selber bestimmen Seite 1 Das trägerübergreifende Persönliche Budget So können Menschen mit Behinderung mehr selber bestimmen Seite 2 Inhaltsverzeichnis Seite 4 6 Vorwort von Olaf Scholz Bundesminister für Arbeit und Soziales

Mehr

Video-Thema Begleitmaterialien

Video-Thema Begleitmaterialien DIE DEUTSCHE SPRACHE IM ELSASS Das Elsass ist gleichermaßen von der deutschen wie der französischen Kultur bestimmt. Es gehörte in der Geschichte wechselnd zu einem der beiden Länder. Früher hat man hier

Mehr

Zentrale Mittelstufenprüfung

Zentrale Mittelstufenprüfung SCHRIFTLICHER AUSDRUCK Zentrale Mittelstufenprüfung Schriftlicher Ausdruck 90 Minuten Dieser Prüfungsteil besteht aus zwei Aufgaben: Aufgabe 1: Freier schriftlicher Ausdruck. Sie können aus 3 Themen auswählen

Mehr

Wie wir einen Neuen in die Klasse bekommen, der heißt Französisch und ist meine Rettung

Wie wir einen Neuen in die Klasse bekommen, der heißt Französisch und ist meine Rettung 1. Kapitel Wie wir einen Neuen in die Klasse bekommen, der heißt Französisch und ist meine Rettung Und ich hatte mir doch wirklich fest vorgenommen, meine Hausaufgaben zu machen. Aber immer kommt mir was

Mehr

Seit 125 Jahren... Unterwegs

Seit 125 Jahren... Unterwegs Seit 125 Jahren... Unterwegs Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen Aristoteles 2 DBV-Winterthur 125 Jahre unterwegs Aufbau und Bewährung Der Anfang war erhaben: Seine Majestät der Kaiser und König hatten

Mehr

Literaturempfehlungen

Literaturempfehlungen Der Erste Weltkrieg und die Suche nach Stabilität Literaturempfehlungen Nationalismus Nation ist Objekt von Loyalität und Ergebenheit Nation ist transzendent (übersinnlich), häufig Ersatz für Religion

Mehr

German Continuers (Section I Listening and Responding) Transcript

German Continuers (Section I Listening and Responding) Transcript 2013 H I G H E R S C H O O L C E R T I F I C A T E E X A M I N A T I O N German Continuers (Section I Listening and Responding) Transcript Familiarisation Text Heh, Stefan, besuchst du dieses Jahr das

Mehr

Gott in drei Beziehungen

Gott in drei Beziehungen Gott in drei Beziehungen Predigt zum Dreifaltigkeitsfest 2011 Jeder von uns hat im Alltag ganz unterschiedliche Rollen zu erfüllen. Die Frauen mögen entschuldigen: Ich spiele die Sache für die Männer durch

Mehr

Der Kampf gegen die»illegalen«

Der Kampf gegen die»illegalen« Der Kampf gegen die»illegalen«seriöse Vermittler und Menschenhändler Niemand weiß genau, wie viele Pflegekräfte aus Osteuropa illegal oder halblegal in Deutschland leben und arbeiten. Nach Berechnungen

Mehr

Warum ist die Schule doof?

Warum ist die Schule doof? Ulrich Janßen Ulla Steuernagel Warum ist die Schule doof? Mit Illustrationen von Klaus Ensikat Deutsche Verlags-Anstalt München Wer geht schon gerne zur Schule, außer ein paar Grundschülern und Strebern?

Mehr

Leben früh seine Prägung. Als Gerhard Fritz Kurt Schröder am 7. April 1944, einem Karfreitag, im Lippeschen geboren wird, steht das Deutsche Reich

Leben früh seine Prägung. Als Gerhard Fritz Kurt Schröder am 7. April 1944, einem Karfreitag, im Lippeschen geboren wird, steht das Deutsche Reich Der Aussteiger 1944 1966»Ich wollte raus da.«als er das im Rückblick auf seine jungen Jahre sagt, geht Gerhard Schröder auf die fünfzig zu. 1 Inzwischen hat er mehr erreicht, als man zu träumen wagt, wenn

Mehr

Gedanken zur Heimat. Thomas de Maizière

Gedanken zur Heimat. Thomas de Maizière Gedanken zur Heimat Thomas de Maizière Es gibt wohl so viele Bilder von Heimat, wie es Menschen gibt. Abstrakte Beschreibungen vermögen all das, was sich im Begriff Heimat verbirgt, nicht zu erfassen.

Mehr

Biografische Forschung Quellen der biografischen Forschung Biografische Kommunikation im Alltag

Biografische Forschung Quellen der biografischen Forschung Biografische Kommunikation im Alltag Biografische Forschung Quellen der biografischen Forschung Biografische Kommunikation im Alltag Definition: Die Biografische Forschung beinhaltet alle Forschungsansätze und Forschungswege, die als Datengrundlage

Mehr

Lauren Oliver. Liesl & Mo und der mächtigste Zauber der Welt

Lauren Oliver. Liesl & Mo und der mächtigste Zauber der Welt Lauren Oliver erzählendes Programm Kinderbuch i Erfolgsautorin Lauren Oliver hat mit Liesl & Mo ein bezauberndes, fantasievolles Kinderbuch vorgelegt, das das Zeug zum modernen Klassiker hat. Liesl lebt

Mehr

fortan an die Liebe auf den ersten Blick. Dass selbiger damals stark getrübt war, war mir leider nicht klar. Mal Hand aufs eigene Herz: Haben Sie

fortan an die Liebe auf den ersten Blick. Dass selbiger damals stark getrübt war, war mir leider nicht klar. Mal Hand aufs eigene Herz: Haben Sie fortan an die Liebe auf den ersten Blick. Dass selbiger damals stark getrübt war, war mir leider nicht klar. Mal Hand aufs eigene Herz: Haben Sie etwa noch nie Ihr Lenor-Gewissen ignoriert? Hanno lud mich

Mehr

Welche Werte sind heute wichtig?

Welche Werte sind heute wichtig? 1 Vieles, was den eigenen Eltern und Großeltern am Herzen lag, hat heute ausgedient. Dennoch brauchen Kinder Orientierungspunkte, um in der Gemeinschaft mit anderen zurechtzukommen. Alle Eltern wollen

Mehr

Brahmfeld & Gutruf und die Familie Freisfeld. Eine Information für die Freunde unseres Hauses im September 2013

Brahmfeld & Gutruf und die Familie Freisfeld. Eine Information für die Freunde unseres Hauses im September 2013 Brahmfeld & Gutruf und die Familie Freisfeld. Eine Information für die Freunde unseres Hauses im September 2013 Deutschlands ältestes Juwelierhaus Brahmfeld & Gutruf ist unter den Juwelieren im deutschen

Mehr

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Jubiläumsgottesdienst 1200 Jahre Götting am 26. Juli 2009 in Götting-St.

Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Jubiläumsgottesdienst 1200 Jahre Götting am 26. Juli 2009 in Götting-St. 1 Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter beim Jubiläumsgottesdienst 1200 Jahre Götting am 26. Juli 2009 in Götting-St. Michael Unser Jubiläum führt uns weit zurück 1200 Jahre. Eine Urkunde

Mehr

Ehe ist...das öffentliche Bekenntnis einer streng privaten Absicht.

Ehe ist...das öffentliche Bekenntnis einer streng privaten Absicht. Ehe ist......das öffentliche Bekenntnis einer streng privaten Absicht. Entschließt sich ein Mann zur Heirat, ist das vieleicht der letzte Entschluss, den er selbst fassen konnte.." Die Ehe ist ein Zweikampf,

Mehr

Spaziergang zum Marienbildstock

Spaziergang zum Marienbildstock Maiandacht am Bildstock Nähe Steinbruch (Lang) am Freitag, dem 7. Mai 2004, 18.00 Uhr (bei schlechtem Wetter findet die Maiandacht im Pfarrheim statt) Treffpunkt: Parkplatz Birkenhof Begrüßung : Dieses

Mehr

Über Tristan und Isolde

Über Tristan und Isolde Über Tristan und Isolde Die Geschichte von Tristan und Isolde ist sehr alt. Aber niemand weiß genau, wie alt. Manche denken, dass Tristan zu Zeiten von König Artus gelebt hat. Artus war ein mächtiger König.

Mehr

Video-Thema Manuskript & Glossar

Video-Thema Manuskript & Glossar WIR SPRECHEN DEUTSCH Alle sprechen Deutsch miteinander. Dies ist die Regel für alle Schüler und Lehrer auf der Herbert-Hoover-Schule in Berlin. Mehr als 90 Prozent der Schüler sind Ausländer oder haben

Mehr

Sibylle Mall // Medya & Dilan

Sibylle Mall // Medya & Dilan Sibylle Mall // Medya & Dilan Dilan 1993 geboren in Bruchsal, Kurdin, lebt in einer Hochhaussiedlung in Leverkusen, vier Brüder, drei Schwestern, Hauptschulabschluss 2010, Cousine und beste Freundin von

Mehr

Ich bin das Licht. Eine kleine Seele spricht mit Gott. Einmal vor zeitloser Zeit, da war eine kleine Seele, die sagte zu Gott: "ich weiß wer ich bin!

Ich bin das Licht. Eine kleine Seele spricht mit Gott. Einmal vor zeitloser Zeit, da war eine kleine Seele, die sagte zu Gott: ich weiß wer ich bin! Ich bin das Licht Eine kleine Seele spricht mit Gott Einmal vor zeitloser Zeit, da war eine kleine Seele, die sagte zu Gott: "ich weiß wer ich bin!" Und Gott antwortete: "Oh, das ist ja wunderbar! Wer

Mehr

Friedrich Nietzsche Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten (Universitätsvorträge)

Friedrich Nietzsche Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten (Universitätsvorträge) Friedrich Nietzsche Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten (Universitätsvorträge) Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Institut für Bildungswissenschaft Seminar: Bildung des Bürgers Dozent: Dr. Gerstner

Mehr

die Karten, die Lebensmittel und die Wasserflasche. Das war schon zuviel: Er würde das Zelt, das Teegeschirr, den Kochtopf und den Sattel

die Karten, die Lebensmittel und die Wasserflasche. Das war schon zuviel: Er würde das Zelt, das Teegeschirr, den Kochtopf und den Sattel die Karten, die Lebensmittel und die Wasserflasche. Das war schon zuviel: Er würde das Zelt, das Teegeschirr, den Kochtopf und den Sattel zurücklassen müssen. Er schob die drei Koffer zusammen, band die

Mehr

Familie Grünberg/Frank

Familie Grünberg/Frank Familie Grünberg/Frank Geschichte einer jüdischen Familie André Poser 1 Familie Grünberg/Frank Hans Max Grünberg/Käte Frank Grünberg/Ruth Clara Grünberg Hans Max Grünberg wird am 25.8.1892 in Magdeburg

Mehr

Inhalt. Vorwort... 5. 3. Themen und Aufgaben... 95. 4. Rezeptionsgeschichte... 97. 5. Materialien... 100. Literatur... 104

Inhalt. Vorwort... 5. 3. Themen und Aufgaben... 95. 4. Rezeptionsgeschichte... 97. 5. Materialien... 100. Literatur... 104 Inhalt Vorwort... 5... 7 1.1 Biografie... 7 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund... 13 1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken... 19 2. Textanalyse und -interpretation... 23 2.1 Entstehung

Mehr

KuBus 67: Der plötzliche Abstieg Was es heißt, arbeitslos zu sein

KuBus 67: Der plötzliche Abstieg Was es heißt, arbeitslos zu sein KuBus 67: Der plötzliche Abstieg Was es heißt, arbeitslos zu sein Autor: Per Schnell 00'00" BA 00 01 Euskirchen, eine Kleinstadt in Nordrhein Westfalen. Der 43jährige Bernd Brück, Vater von zwei Kindern,

Mehr

Archivale des Monats November. Erstes Kriegsjahr 1914. Schulaufsatz von Herta Morgens, Schülerin der 5. Klasse, vom 19.

Archivale des Monats November. Erstes Kriegsjahr 1914. Schulaufsatz von Herta Morgens, Schülerin der 5. Klasse, vom 19. Archivale des Monats November Erstes Kriegsjahr 1914 Schulaufsatz von Herta Morgens, Schülerin der 5. Klasse, vom 19. November 1914 I. Nachweis: Landesarchiv Speyer, Best. P 31, Nr. 303 Herkunft des Aufsatzheftes:

Mehr

Kinderrechte. Homepage: www.kibue.net

Kinderrechte. Homepage: www.kibue.net Kinderrechte Homepage: www.kibue.net Alle Kinder sind wichtig und haben die gleichen Rechte. Das Recht auf Gleichheit Alle Kinder auf der ganzen Welt haben die gleichen Rechte! Denn jedes Kind ist gleich

Mehr

tun. ist unser Zeichen.

tun. ist unser Zeichen. Das Leitbild der DiakonieVerband Brackwede Gesellschaft für Kirche und Diakonie mbh (im Folgenden Diakonie genannt) will Orientierung geben, Profil zeigen, Wege in die Zukunft weisen. Wir in der Diakonie

Mehr

Unterrichtsreihe: Liebe und Partnerschaft

Unterrichtsreihe: Liebe und Partnerschaft 08 Trennung Ist ein Paar frisch verliebt, kann es sich nicht vorstellen, sich jemals zu trennen. Doch in den meisten Beziehungen treten irgendwann Probleme auf. Werden diese nicht gelöst, ist die Trennung

Mehr

S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: 04.03.2014

S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: 04.03.2014 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S

Mehr

dieses Buch hier ist für mich das wertvollste aller theologischen Bücher, die bei mir zuhause in meinen Bücherregalen stehen:

dieses Buch hier ist für mich das wertvollste aller theologischen Bücher, die bei mir zuhause in meinen Bücherregalen stehen: Predigt zu Joh 2, 13-25 und zur Predigtreihe Gott und Gold wieviel ist genug? Liebe Gemeinde, dieses Buch hier ist für mich das wertvollste aller theologischen Bücher, die bei mir zuhause in meinen Bücherregalen

Mehr

Des Kaisers neue Kleider

Des Kaisers neue Kleider Des Kaisers neue Kleider (Dänisches Märchen nach H. Chr. Andersen) Es war einmal. Vor vielen, vielen Jahren lebte einmal ein Kaiser. Er war sehr stolz und eitel. Er interessierte sich nicht für das Regieren,

Mehr

Fürbitten für die Trauung - 1

Fürbitten für die Trauung - 1 Fürbitten für die Trauung - 1 Himmlischer Vater, Du hast ein offenes Auge für unser Leben und ein offenes Ohr für unsere Bitten. So wenden wir uns jetzt an Dich: 1. Fürbitte: Himmlischer Vater, Du hast

Mehr

DaF - Praktikum in Mexiko

DaF - Praktikum in Mexiko DaF - Praktikum in Mexiko Erfahrungen mit Land, Kultur, Menschen und im Colegio Alemán Avila Maschke 23.08.2011 03.10.2011 Das Praktikum wurde durch den DAAD gefördert Einleitung Von August bis Oktober

Mehr

Hochbegabung in der Grundschule: Erkennung und Förderung mathematisch begabter Kinder

Hochbegabung in der Grundschule: Erkennung und Förderung mathematisch begabter Kinder Hochbegabung in der Grundschule: Erkennung und Förderung mathematisch begabter Kinder von Dagmar Schnell Erstauflage Diplomica Verlag 2014 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 95850 765

Mehr

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Abiturfragen - Grundwissen Geschichte - Teil 3

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Abiturfragen - Grundwissen Geschichte - Teil 3 Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form Auszug aus: Abiturfragen - Grundwissen Geschichte - Teil 3 Das komplette Material finden Sie hier: Download bei School-Scout.de Thema: Abiturfragen

Mehr

Da schau her, ein Blütenmeer!

Da schau her, ein Blütenmeer! Mira Lobe Die Omama im Apfelbaum 4 Andi blieb allein mit dem Großmutterbild. Er betrachtete es eingehend: der Federhut mit den weißen Löckchen darunter; das schelmischlachende Gesicht; den großen Beutel

Mehr

Brüderchen und Schwesterchen

Brüderchen und Schwesterchen Brüderchen und Schwesterchen (Deutsches Märchen nach den Brüdern Grimm) Einem Mädchen und einem Jungen war die Mutter gestorben. Die Stiefmutter war nicht gut zu den beiden Kindern. Darum sagte der Junge

Mehr

Dissertationsvorhaben Begegnung, Bildung und Beratung für Familien im Stadtteil - eine exemplarisch- empirische Untersuchung-

Dissertationsvorhaben Begegnung, Bildung und Beratung für Familien im Stadtteil - eine exemplarisch- empirische Untersuchung- Code: N03 Geschlecht: 8 Frauen Institution: FZ Waldemarstraße, Deutschkurs von Sandra Datum: 01.06.2010, 9:00Uhr bis 12:15Uhr -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Mehr

Leseprobe aus: Rich Dad, Poor Dad von Robert T. Kiyosaki und Sharon L. Lechter. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

Leseprobe aus: Rich Dad, Poor Dad von Robert T. Kiyosaki und Sharon L. Lechter. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Leseprobe aus: Rich Dad, Poor Dad von Robert T. Kiyosaki und Sharon L. Lechter. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten. Einleitung Wir müssen etwas tun von Sharon

Mehr

Bisherige Ergebnisse. Elternhaus

Bisherige Ergebnisse. Elternhaus Bisherige Ergebnisse Elternhaus Wie wichtig ist das Elternhaus im Lebenslauf von Kindern? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Viele würde sofort sagen: Eltern sind das Wichtigste im Leben. Andere

Mehr

FÜRBITTEN. 2. Guter Gott, schenke den Täuflingen Menschen die ihren Glauben stärken, für sie da sind und Verständnis für sie haben.

FÜRBITTEN. 2. Guter Gott, schenke den Täuflingen Menschen die ihren Glauben stärken, für sie da sind und Verständnis für sie haben. 1 FÜRBITTEN 1. Formular 1. Guter Gott, lass N.N. 1 und N.N. stets deine Liebe spüren und lass sie auch in schweren Zeiten immer wieder Hoffnung finden. 2. Guter Gott, schenke den Täuflingen Menschen die

Mehr

Die Wette mit dem Sultan

Die Wette mit dem Sultan Die Wette mit dem Sultan Hier ist eine Geschichte vom Baron von Münchhausen. Münchhausen ist ein Baron, der schrecklich viel prahlt. Er erfindet immer die unglaublichsten Abenteuergeschichten und sagt,

Mehr

Workshop. Teil1: Wie spreche ich mit Kindern über den Tod? Teil 2: Umgang mit kindlicher Abwehr. B.Juen

Workshop. Teil1: Wie spreche ich mit Kindern über den Tod? Teil 2: Umgang mit kindlicher Abwehr. B.Juen Workshop Teil1: Wie spreche ich mit Kindern über den Tod? Teil 2: Umgang mit kindlicher Abwehr B.Juen Fachtagung: Zarte Seelen trösten-trauern Kinder und Jugendliche anders? Puchberg, 22.01.2011 Teil 1

Mehr

Die Heilige Taufe. HERZ JESU Pfarrei Lenzburg Bahnhofstrasse 23 CH-5600 Lenzburg. Seelsorger:

Die Heilige Taufe. HERZ JESU Pfarrei Lenzburg Bahnhofstrasse 23 CH-5600 Lenzburg. Seelsorger: Seelsorger: HERZ JESU Pfarrei Lenzburg Bahnhofstrasse 23 CH-5600 Lenzburg Die Heilige Taufe Häfliger Roland, Pfarrer Telefon 062 885 05 60 Mail r.haefliger@pfarrei-lenzburg.ch Sekretariat: Telefon 062

Mehr

Als Autorin von der Liebe Dich selbst -Reihe stellt sich die Frage, ob satt und glücklich über Liebe Dich selbst

Als Autorin von der Liebe Dich selbst -Reihe stellt sich die Frage, ob satt und glücklich über Liebe Dich selbst 1 Als Autorin von der Liebe Dich selbst-reihe stellt sich die Frage, ob satt und glücklich über Liebe Dich selbst hinausgeht oder ob es eine Alternative darstellt. EMZ: Für mich ist Satt und glücklich

Mehr

Impressionen aus zehn Jahren Sozialarbeit und Seelsorge der Heilsarmee für Frauen aus dem Sexgewerbe

Impressionen aus zehn Jahren Sozialarbeit und Seelsorge der Heilsarmee für Frauen aus dem Sexgewerbe Cornelia Zürrer Ritter Rotlicht-Begegnungen Impressionen aus zehn Jahren Sozialarbeit und Seelsorge der Heilsarmee für Frauen aus dem Sexgewerbe Bestellungen unter http://www.rahab.ch/publikationen.php

Mehr

Samuel Schwarz 1860-1926. Amalia Schwarz (geb. Goldmann) 1856-1923. Hermine Scheuer (geb. Fischer) 1850-1928. Adolf Scheuer?

Samuel Schwarz 1860-1926. Amalia Schwarz (geb. Goldmann) 1856-1923. Hermine Scheuer (geb. Fischer) 1850-1928. Adolf Scheuer? Ihr Familienstammbaum Sein Vater Seine Mutter Ihr Vater Ihre Mutter Adolf Scheuer? - 1915 Hermine Scheuer (geb. Fischer) 1850-1928 Samuel Schwarz 1860-1926 Amalia Schwarz (geb. Goldmann) 1856-1923 Vater

Mehr

Übersetzt von Udo Lorenzen 1

Übersetzt von Udo Lorenzen 1 Kapitel 1: Des Dao Gestalt Das Dao, das gesprochen werden kann, ist nicht das beständige Dao, der Name, den man nennen könnte, ist kein beständiger Name. Ohne Namen (nennt man es) Ursprung von Himmel und

Mehr

Kerstin Hack. Worte der Freundschaft. Zitate und Gedanken über wertvolle Menschen

Kerstin Hack. Worte der Freundschaft. Zitate und Gedanken über wertvolle Menschen Kerstin Hack Worte der Freundschaft Zitate und Gedanken über wertvolle Menschen www.impulshefte.de Kerstin Hack: Worte der Freundschaft Zitate und Gedanken über wertvolle Menschen Impulsheft Nr. 24 2008

Mehr

Meine Freunde, mein Freund und ich...

Meine Freunde, mein Freund und ich... Meine Freunde, mein Freund und ich... Warum Familienmitglieder und Freunde manchmal eifersüchtig auf den neuen Freund sind... Was wäre, wenn man den Mann fürs Leben kennenlerne und das eigene Umfeld negativ

Mehr

hr2wissen Der vererbte Leiden Traumata zwischen den Generationen

hr2wissen Der vererbte Leiden Traumata zwischen den Generationen Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Volker Bernius hr2wissen Der vererbte Leiden Traumata zwischen den Generationen 04 Was habt Ihr damals nur getan? Transgenerationale Weitergabe an die Nachkommen

Mehr

Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise - Buch mit Info-Klappe Rahner

Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise - Buch mit Info-Klappe Rahner Lektüre Durchblick Deutsch Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise - Buch mit Info-Klappe Inhalt - - Interpretation von Thomas Rahner 1. Auflage Gotthold Ephraim Lessing: Nathan der Weise - Buch mit

Mehr

Buchbesprechung: Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor. Joke van Leuween (2012).

Buchbesprechung: Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor. Joke van Leuween (2012). Buchbesprechung: Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor. Joke van Leuween (2012). Zentrales Thema des Flucht- bzw. Etappenromans ist der Krieg, der Verlust der Muttersprache und geliebter

Mehr

Und nun kommt der wichtigste und unbedingt zu beachtende Punkt bei all deinen Wahlen und Schöpfungen: es ist deine Aufmerksamkeit!

Und nun kommt der wichtigste und unbedingt zu beachtende Punkt bei all deinen Wahlen und Schöpfungen: es ist deine Aufmerksamkeit! Wie verändere ich mein Leben? Du wunderbarer Menschenengel, geliebte Margarete, du spürst sehr genau, dass es an der Zeit ist, die nächsten Schritte zu gehen... hin zu dir selbst und ebenso auch nach Außen.

Mehr

Das Schwein beim Friseur Drehbuch Szene Personen Text Spielanweisung Requisite/Musik

Das Schwein beim Friseur Drehbuch Szene Personen Text Spielanweisung Requisite/Musik Das Schwein beim Friseur Drehbuch Szene Personen Text Spielanweisung Requisite/Musik 0 Erzähler Schon seit Wochen hingen dem kleinen die Haare über den Kragen, und seine Mutter überlegte sich, wie sie

Mehr

Jeder Mensch ist anders. Und alle gehören dazu!

Jeder Mensch ist anders. Und alle gehören dazu! Jeder Mensch ist anders. Und alle gehören dazu! Beschluss der 33. Bundes-Delegierten-Konferenz von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN Leichte Sprache 1 Warum Leichte Sprache? Vom 25. bis 27. November 2011 war in

Mehr

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Jesaja 66,13 Jahreslosung 2016 Auslegung von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der EKD Gott spricht: Ich

Mehr

Interview mit dem Schriftsteller Klaus Kordon. zu seinem Buch Krokodil im Nacken

Interview mit dem Schriftsteller Klaus Kordon. zu seinem Buch Krokodil im Nacken Interview mit dem Schriftsteller Klaus Kordon zu seinem Buch Krokodil im Nacken In diesem Interview geht es um den bekannten Autor Klaus Kordon. Wir, Jule Hansen und Katharina Stender, haben vor seiner

Mehr

Für Jugendliche ab 12 Jahren. Was ist eine Kindesanhörung?

Für Jugendliche ab 12 Jahren. Was ist eine Kindesanhörung? Für Jugendliche ab 12 Jahren Was ist eine Kindesanhörung? Impressum Herausgabe Ergebnis des Projekts «Kinder und Scheidung» im Rahmen des NFP 52, unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Büchler und Dr.

Mehr

Gerhard Poppenhagen. (BArch, BDC/RS, Poppenhagen, Gerhard, 26.9.1909)

Gerhard Poppenhagen. (BArch, BDC/RS, Poppenhagen, Gerhard, 26.9.1909) Gerhard Poppenhagen 1938 (BArch, BDC/RS, Poppenhagen, Gerhard, 26.9.1909) * 26.9.1909 (Hamburg), 6.1.1984 (Hamburg) Kaufmann; Angestellter der Kriminalpolizei; 1933 SS, SD; ab 1940 KZ Neuengamme: bis 1943

Mehr

Johann Wolfgang Goethe Die Leiden des jungen Werther

Johann Wolfgang Goethe Die Leiden des jungen Werther Johann Wolfgang Goethe Die Leiden des jungen Werther Philipp Reclam jun. Stuttgart Erstes Buch Am 4. Mai 1771. Wie froh bin ich, dass ich weg bin! Bester Freund, was ist das Herz des Menschen! Dich zu

Mehr

Marketing ist tot, es lebe das Marketing

Marketing ist tot, es lebe das Marketing Einleitung: Marketing ist tot, es lebe das Marketing Seit jeher verbarrikadieren sich Menschen in sicheren Winkeln, um sich dem Wandel der Zeit zu entziehen. Es gibt Zeiten, wo das durchaus funktioniert.

Mehr

1. Einleitung und Begrüßung

1. Einleitung und Begrüßung 1. Einleitung und Begrüßung Dr. Irina Mohr Leiterin Forum Berlin der Friedrich-Ebert-Stiftung Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie sehr herzlich im Namen der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüßen.

Mehr

FRIEDENSREICH HUNDERTWASSER

FRIEDENSREICH HUNDERTWASSER FRIEDENSREICH HUNDERTWASSER 1) Wie kann man den Künstlername von Hundertwasser erklären? Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt war ein sehr berühmter Maler und Künstler. Er wurde am 15. Dezember

Mehr

Warum Üben großer Mist ist

Warum Üben großer Mist ist Warum Üben großer Mist ist Kennst Du das? Dein Kind kommt aus der Schule. Der Ranzen fliegt in irgendeine Ecke. Das Gesicht drückt Frust aus. Schule ist doof! Und dann sitzt ihr beim Mittagessen. Und die

Mehr

Titelseite des Berichtes über den Gründungsparteitag der KPD

Titelseite des Berichtes über den Gründungsparteitag der KPD Es gilt heute in aller Öffentlichkeit den Trennungsstrich Zu ziehen und uns als neue selbständige Partei zu konstituieren, entschlossen und rücksichtslos, geschlossen und einheitlich im Geist und Willen,

Mehr

Noch bei Trost? Alternative Gedanken zur Jahreslosung 2016 ICH WILL EUCH TRÖSTEN, WIE EINEN SEINE MUTTER TRÖSTET Jesaja 66, 13

Noch bei Trost? Alternative Gedanken zur Jahreslosung 2016 ICH WILL EUCH TRÖSTEN, WIE EINEN SEINE MUTTER TRÖSTET Jesaja 66, 13 Noch bei Trost? Seite 1 Noch bei Trost? Alternative Gedanken zur Jahreslosung 2016 ICH WILL EUCH TRÖSTEN, WIE EINEN SEINE MUTTER TRÖSTET Jesaja 66, 13 Ein fünfzigjähriger Mann in beruflich verantwortlicher

Mehr

Es gibt einen Grund, warum Sie von diesem Buch

Es gibt einen Grund, warum Sie von diesem Buch 1 Was möchte ich? Glücklich sein: Ein Gefühl großen Vergnügens, Zufriedenheit oder Freude Es gibt einen Grund, warum Sie von diesem Buch angezogen wurden. Vielleicht sendet Ihre Seele Ihnen eine Einladung

Mehr

Hintergrundgeschichte aus dem Flüchtlingslager Al Azraq in Jordanien: Um Fadi

Hintergrundgeschichte aus dem Flüchtlingslager Al Azraq in Jordanien: Um Fadi Hintergrundgeschichte aus dem Flüchtlingslager Al Azraq in Jordanien: Um Fadi Im Flüchtlingslager Al Azraq in Jordanien sorgt der Mangel an Strom und Beleuchtung für zusätzliche Not der traumatisierten

Mehr

$#guid{28 155E CC-460 1-4978-936 F-01A54 643094 C}#$ U we T i m m Vortrag von Marie-Luise Jungbloot & Sven Patric Knoke 2009

$#guid{28 155E CC-460 1-4978-936 F-01A54 643094 C}#$ U we T i m m Vortrag von Marie-Luise Jungbloot & Sven Patric Knoke 2009 Uwe Timm Vortrag von Marie-Luise Jungbloot & Sven Patric Knoke 2009 Gliederung 1. Was bedeuten die 68er für uns? 2. Wie entwickelte sich Timms Leben? 2.1. Kindheit 2.2. Abitur und Studium 2.3. politisches

Mehr

Predigt, 01.01.2011 Hochfest der Gottesmutter Maria/Neujahr Texte: Num 6,22-27; Lk 2,16-21

Predigt, 01.01.2011 Hochfest der Gottesmutter Maria/Neujahr Texte: Num 6,22-27; Lk 2,16-21 Predigt, 01.01.2011 Hochfest der Gottesmutter Maria/Neujahr Texte: Num 6,22-27; Lk 2,16-21 (in St. Stephanus, 11.00 Uhr) Womit beginnt man das Neue Jahr? Manche mit Kopfschmerzen (warum auch immer), wir

Mehr

Foto: Marianne Nolting und ihr Ehemann. Gesundheitskosten im Alter

Foto: Marianne Nolting und ihr Ehemann. Gesundheitskosten im Alter Foto: Marianne Nolting und ihr Ehemann Gesundheitskosten im Alter Was von der Rente übrig blieb Marianne Nolting aus Lemgo fühlt sich verraten und verkauft. Drei Kinder hat sie groß gezogen, fast drei

Mehr

Lebensweisheiten. Eine Woche später kehrte das Pferd aus den Bergen zurück. Es brachte fünf wilde Pferde mit in den Stall.

Lebensweisheiten. Eine Woche später kehrte das Pferd aus den Bergen zurück. Es brachte fünf wilde Pferde mit in den Stall. Lebensweisheiten Glück? Unglück? Ein alter Mann und sein Sohn bestellten gemeinsam ihren kleinen Hof. Sie hatten nur ein Pferd, das den Pflug zog. Eines Tages lief das Pferd fort. "Wie schrecklich", sagten

Mehr

Laternenumzüge. Martinigänse

Laternenumzüge. Martinigänse Laternenumzüge Am Martinstag feiert man den Abschluss des Erntejahres. Für die Armen war das eine Chance, einige Krümel vom reichgedeckten Tisch zu erbetteln. Aus diesem Umstand entwickelten sich vermutlich

Mehr

Leseprobe aus: Glücklicher als Gott von Neale Donald Walsch. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten.

Leseprobe aus: Glücklicher als Gott von Neale Donald Walsch. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten. Leseprobe aus: Glücklicher als Gott von Neale Donald Walsch. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten. Neale Donald Walsch Verwandle dein Leben in eine außergewöhnliche

Mehr

B: Also hast dich schon damit beschäftigt, mit anderen Möglichkeiten, aber dich dann für Medizin entschieden?

B: Also hast dich schon damit beschäftigt, mit anderen Möglichkeiten, aber dich dann für Medizin entschieden? 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 Interview mit A1. B: So, dann erstmal die biografischen

Mehr