PIA Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen

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2 Herausgegeben von Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Manfred Borutta und Christoph Bräutigam PIA Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen Projekterfahrungen und Anregungen zur Umsetzung Tectum Verlag

3 Herausgegeben von Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Manfred Borutta und ChristophBräutigam PIA Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen. Projekterfahrungen und Anregungen zur Umsetzung Tectum Verlag Marburg, 2011 ISBN: Umschlagabbildung: AlexRaths istock.com Druck und Bindung: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten Besuchen Sie uns im Internet Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über abrufbar.

4 Paul Fuchs-Frohnhofen/ Sandra Dörpinghaus/ Manfred Borutta/ Christoph Bräutigam (Hg.) PIA Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen Projekterfahrungen und Anregungen zur Umsetzung Inhalt Inhaltsverzeichnis 5 Vorwort Michael Deilmann, Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein- Westfalen 9 Einführung Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Manfred Borutta, Christoph Bräutigam 11 Teil A: Konzepte und Erfahrungen aus dem PIA-Projekt 1. Professionelles pflegerisches Selbstverständnis heute Christoph Bräutigam Innovation und Pflege?! Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam, Das Modellprojekt PIA ein Überblick Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen Wie kommt das Neue in die Organisation? - Systemische Lernanstöße für Pflegeeinrichtungen Manfred Borutta Vernetzung von Pflegeakteuren in einer Gesundheitsregion Konzept und Erfahrungen Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort 53 5

5 Inhaltsverzeichnis 6. Das PIA-Projekt Anstöße und Wirkungen in der Region Aachen Elke Breidenbach Innovative Projekte in Pflegeeinrichtungen Beispiele aus dem Projekt PIA 7.1 Zum Vorgehen in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten ein Überblick Paul Fuchs-Frohnhofen, Claudia Bessin Beispielhafte Ergebnisse der schriftlichen Mitarbeiterbefragungen in den PIA-Einrichtungen Sandra Dörpinghaus Innovative Angebote am Markt innovative Beteiligungsformen der Mitarbeiter die St. Gereon Altenhilfe Bernd Bogert, Gerd Palm, Paul Fuchs-Frohnhofen Verbesserte Versorgung von älteren und demenzkranken Patienten im Kreiskrankenhaus Mechernich Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Verbesserung der Ernährung von Risikopatienten auf einer geriatrischen Station im Krankenhaus Michael Münchmeyer Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichen Dienst: die Geriatrie im Medizinischen Zentrum der StädteRegion Aachen Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Wertschätzung und Neuordnung der Arbeitsaufgaben in der Katholischen Stiftung Marienhospital Aachen Ralf Marleaux, Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Mit neuem Führungsleitbild und Mitarbeiterworkshops zu innovativen Problemlösungen - das Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius Würselen, Betriebsteil Würselen Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin Mitarbeiter beteiligen und an der Vernetzung in einer Region mitwirken die FAUNA Georg Schenkelberg Beteiligungsorientiertes Projektmanagement aktive Mitarbeiter/- innen verbessern die Arbeitsgestaltung und erhöhen die Attraktivität des Pflegedienstes Visitatis für neues Personal Astrid Siemens, Claudia Bessin, Manfred Borutta 151 6

6 Inhaltsverzeichnis 7.11 Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen Veronika Schönhofer-Nellessen Palliativpflege für demenziell Erkrankte in der stationären Pflege Erfahrungen aus dem Papst-Johannes-Stift Josif Cvetkovski 167 Teil B: Produkte und Handlungsempfehlungen aus dem PIA-Projekt 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt von der Ist-Analyse bis zum Einbringen der Ergebnisse in die tägliche Routine Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse und der Einsatz unterschiedlicher Formen von Mitarbeiterbefragungen und Workshops Sandra Dörpinghaus, Paul Fuchs-Frohnhofen Den schwierigen Schritt von der IST-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen gestalten Paul Fuchs-Frohnhofen Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen Die Weiterbildung zum/zur Ernährungsbeauftragten für stationäre Einrichtungen ein Produkt des PIA-Projektes Judith Kettler, Frank Finke, Bernd Bogert, Paul Fuchs-Frohnhofen Handlungsempfehlungen aus dem PIA-Projekt zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten in Krankenhäusern Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Pflege bleibt ein aktuelles Thema in der Gesundheitsregion Aachen Ergebnisse und Perspektiven aus der Kooperation PIA Ideenzirkel Pflege Jennifer Faßbender, Dieter Begaß 229 7

7 Inhaltsverzeichnis Teil C: Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 Beiträge von der PIA-Fachkonferenz und Gastbeiträge 15. Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 Die PIA-Fachkonferenz am Paul Fuchs-Frohnhofen Förderung von Pflegearbeit und Pflegebildung in der Gesundheitsregion Aachen Günter Schabram Der Pflegeberuf im Wandel Gertrud Stöcker Pflegefacharbeit 2020 neue Ausbildungsinhalte und ein generalisiertes Ausbildungskonzept für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege Thomas Kutschke Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Ralf Marleaux Die Zukunft der stationären Altenpflege: Perspektiven nur mit abgesenkten Fachkraftquoten? Bernd Bogert Personalgewinnung und -sicherung: Pflege als knappes Gut Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Neue Qualität der Arbeit in der Pflege Initiativen für eine zukunftsorientierte und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung Jürgen Glaser, Hanka Jarisch, Reimund Overhage. 291 Autor(inn)enverzeichnis Anhang Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 Die Abschlussdeklaration der PIA-Fachkonferenz vom

8 Vorwort Michael Deilmann Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Nordrhein-Westfalen wird sich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen, die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen wird weiter steigen. Die Pflegebranche kann dabei auf die Empathie, Fürsorge und das hohe berufliche Engagement ihrer Beschäftigten in den stationären und ambulanten Einrichtungen bauen. Das alleine wird aber nicht reichen, wenn die Pflege den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht werden will. Gerade in Anbetracht des sich abzeichnenden hohen Bedarfs an Fachkräften wird es immer wichtiger, die Gesundheit der Pflegekräfte selbst und die Sicherung ihrer Beschäftigungsfähigkeit in den Blick zu nehmen. Es wird erforderlich sein - neben der Vermittlung von Wissen um die Erhaltung der persönlichen Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten - auch die betrieblichen Rahmenbedingungen für familienfreundliche Arbeitszeiten, ausreichende Gestaltungsspielräume oder systematische berufliche Weiterbildung auch für Ältere zu schaffen. Nur dann wird die Branche nachhaltig das Image entwickeln, das engagierte Fachkräfte anspricht und dazu motiviert und befähigt, auch dauerhaft engagiert zu bleiben. Für das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW war dies einer der Hauptgründe, das Projekt Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen (PIA) in der Zeit von 2009 bis 2011 mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds zu fördern. Initiiert und moderiert vom Würselener Forschungs- und Beratungsinstitut MA&T, dem Amt für Altenarbeit der StädteRegion Aachen und dem Institut Arbeit und Technik (IAT) aus Gelsenkirchen haben Arbeitgeber der Pflegebranche im Rahmen von PIA gelernt, beruflich Pflegende weniger als Kostenfaktor und mehr als Innovatoren` wahrzunehmen und deren Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Im regen Austausch mit den Pflegekräften haben sie innerbetriebliche Reformbedarfe und Innovationspotenziale im Rahmen von Ist-Analysen, Befragungen und qualitativen Interviews identifiziert, in Qualitäts- und Innovationszirkeln Lösungsvorschläge entwickelt und in einrichtungsspezifischen Projektlenkungsteams zur Umsetzung gebracht. 9

9 Michael Deilmann Als Ergebnisse des PIA-Projektes liegen nunmehr nicht nur zahlreiche innerbetriebliche Innovationen vor, sondern auch ein neues Bewusstsein über die eigene Leistungsund Innovationsfähigkeit der Pflegebranche in der Region Aachen, die dadurch Modellcharakter erhält. In diesem Buch werden sowohl Eindrücke aus den Innovationsprojekten in den einzelnen PIA-Einrichtungen oft von den betrieblichen Projektleitungen selbst vermittelt als auch einrichtungsübergreifende und regionale Aktivitäten und Ergebnisse des PIA-Projektes dargestellt. Produkte und Handlungsempfehlungen für alle, die den PIA-Innovationen nacheifern möchten, sowie Ergebnisse der PIA-Fachkonferenz zum Thema Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 runden diesen Band ab. Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW dankt Allen, die im Rahmen des Modellprojektes PIA so engagiert, innovativ und erfolgreich zusammen gearbeitet haben und wünscht dem Buch und den darin enthaltenen Ansätzen eine große und nachhaltige Verbreitung. Michael Deilmann 10

10 Einführung Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Manfred Borutta, Christoph Bräutigam Mit dem hier vorliegenden Buch werden die Ergebnisse des Modellprojektes PIA vorgestellt und als Handlungsunterstützung für alle Interessent(inn)en aufbereitet, die die Rolle der Pflege in der Gesundheitsbranche stärken und Innovationen gemeinsam mit kompetenten Pflegekräften voranbringen möchten. Die Abkürzung PIA steht für den Projekttitel Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen. Das Projekt wurde vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW unter Zuhilfenahme von EU-Mitteln über einen Zeitraum von zwei Jahren vom bis zum gefördert. Das Würselener Forschungs- und Beratungsinstitut MA&T, das Institut Arbeit und Technik (IAT) aus Gelsenkirchen und das Amt für Altenarbeit der StädteRegion Aachen, hatten sich zusammengeschlossen, um mit dem Projekt PIA Innovationen mit und für Pflegekräfte in Krankenhäusern sowie in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen der Region voranzubringen. Teil A dieses Buches gibt zunächst einen Überblick über das PIA-Projekt und stellt Konzepte und Erfahrungen dar, die grundsätzlicher Art sind oder die Arbeitsweise und die Wirkung des PIA-Projektes in der Region Aachen betreffen. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, wie die Herausforderung Innovationspromotion mit dem Selbstverständnis von Pflegekräften zusammenpasst und wie Innovationen auch aus systemischer Sicht in Pflegeeinrichtungen zur Wirkung und Entfaltung gebracht werden können. Des Weiteren werden in Teil A Beispiele von Innovationsprojekten in den beteiligten Krankenhäusern sowie stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen zumeist von den betrieblichen Projektleitungen selbst vorgestellt. Ergänzt und abgerundet wird dieser Eingangsteil des Buches durch Innovationsbeispiele aus der Region Aachen, z.b. aus der Palliativpflege, bei denen PIA nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Teil B des Buches führt die Überschrift Produkte und Handlungsempfehlungen aus dem PIA-Projekt und möchte insbesondere Einrichtungsleitungen und Führungskräften Tipps geben, wie pflegebezogene Innovationsprojekte kreativ und systema- 11

11 Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Manfred Borutta, Christoph Bräutigam tisch angegangen und umgesetzt werden können. Dabei wird mit einer 6-schrittigen Vorgehensweise begonnen, in dem veranschaulicht mit konkreten Beispielen aus dem PIA-Projekt erläutert wird, wie der Weg von der Projektetablierung bis zum Übergang in Alltagsroutinen gestaltet werden kann. Zu diesem Buchteil gehören auch die Erläuterung zweier neuartiger Weiterbildungen, die im PIA-Projekt entstanden sind, und eine konkrete Handlungsempfehlung für die gute Pflege demenzerkrankter Patient(inn)en im Krankenhaus. Teil C dieses Bandes gibt im Wesentlichen die Vorträge einer Fachkonferenz zum Thema Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 wieder, die im Rahmen des PIA- Projektes am stattgefunden hat. Hier wird ein Blick auf aktuelle Defizite geworfen und ein Ausblick auf ein neues Selbstverständnis von Pflege gelegt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass Pflege sich als autonome Profession und als selbstbewusster Partner im Dialog mit allen Gesundheitsberufen etabliert hat, und aus den getrennten Berufsbildern der Alten-, Gesundheits- und Kranken- sowie Gesundheitsund Kinderkrankenpflege ein gemeinsames Berufsbild mit generalistischer Ausrichtung zur allgemeinen Pflegefachkraft geworden ist. Die Berufsausbildung findet sowohl an Fachschulen als auch an Hochschulen statt. Zwischen schulischen und hochschulischen Bildungsangeboten in der Pflege ist ein gemeinsames Bildungsverständnis und ein abgestimmtes Konzept zur Qualifizierung der Lehrenden umgesetzt worden. Darüber hinaus werden spannende Zukunftsfragen der Pflege aufgeworfen wie Wissensmanagement, die langfristige Haltbarkeit der Fachkraftquote oder zukunftsorientierte Fragen der Arbeitsqualität (INQA TIK Pflege) und der Personalgewinnung. Es sei darauf hingewiesen, dass die Inhalte jeweils die Ansichten der Autor/inn/en der Einzelbeiträge wiedergeben aber nicht unbedingt die Position des Herausgeberteams oder der anderen Beteiligten. Daher werden bei genauem Lesen konträre Positionen auffallen, die ganz bewusst nebeneinander stehengelassen wurden, um dem breiten Spektrum der Projektbeteiligten ein ausreichendes Forum zu bieten. In solchen Fällen sind die Leserinnen und Leser aufgerufen, sich selbst zu positionieren. So erwarten Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf den folgenden Seiten viele spannende Beiträge rund um das Thema Pflegeinnovationen in Krankenhäusern sowie stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen. Die Herausgeber/innen wünschen eine interessante Lektüre und freuen sich auf Ihre Rückmeldungen Würselen, im August 2011 Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Manfred Borutta und Christoph Bräutigam 12

12 1. Professionelles pflegerisches Selbstverständnis heute Christoph Bräutigam Inhalt 1. Einführung 2. Tradition der Fremdbestimmung 3. Pflegerisches Selbstverständnis 4. (Bisher) verpasste Chancen 5. Literatur 1. Einführung Warum steht am Beginn dieses Bandes ein Beitrag zum pflegerischen Selbstverständnis? Bei einer Analyse der Diskussionen über pflegebezogene Themen entsteht der Eindruck, dass sich der Frage, was (professionelle) Pflege eigentlich ausmacht, kaum inhaltlich gewidmet wird. Ein gutes Beispiel sind die Kontroversen über neue Formen der Arbeitsteilung bzw. die Neuordnung von Aufgaben im Gesundheitswesen insbesondere zwischen Medizin und Pflege. Konzepte und Lösungen in der Praxis wirken in vielen Fällen sehr pragmatisch und vor allem betriebswirtschaftlich ausgerichtet. Dabei bleiben das Selbstverständnis professioneller Pflege und ihre Definition des eigenen gesellschaftlichen Beitrags regelmäßig unberücksichtigt. Pflegende selbst unterlassen es häufig, diesen wichtigen Aspekt aktiv und selbstbewusst einzufordern. Noch immer herrscht vielerorts das Prinzip vor, nach dem Pflege das ist, was Pflegende tun. Nicht nur in Hinblick auf die wachsende Verknappung der Ressource Pflege muss jedoch klar formuliert werden, was professionelle Pflege ist, um das pflegerische Potenzial zu verdeutlichen und nutzen zu können. Das folgende Kapitel bemüht sich in der gebotenen Kürze darum, wesentliche Aspekte des zeitgemäßen professionellen pflegerischen Selbstverständnisses abzubilden. Dass dabei abweichende Ansichten und Strömungen nicht hinreichend Berücksichtigung finden, wird zugunsten einer pointierten Skizzierung des Kerns der Pflege in Kauf genommen. Hierzu wird zunächst gefragt, welche Kernelemente sich aus pflegewissenschaftlich-theoretischer Perspektive definieren lassen. Nach einem ergän- 13

13 Christoph Bräutigam zenden Blick auf die Definition des Internationalen Pflegerates (ICN) wird anschließend der Frage nachgegangen, wie diese kollektiven Aussagen sich in Beziehung zum Selbstverständnis der Pflegepraxis setzen. Abschließend wird angedeutet, welche Hindernisse einer praktischen Entfaltung des pflegerischen Selbstbildes entgegenstehen. 2. Tradition der Fremdbestimmung Pflege als Arbeit außerhalb der Familie haftet die zweifelhafte Tradition an, jahrhundertelang von Fremdinteressen an die Hand genommen und geführt worden zu sein (vgl. Kreutzer, 2010). In vorberuflicher Zeit war zunächst die kirchlich-religiöse Fremdbestimmung des Pflegerischen prägend. Pflege wurde noch nicht als Beruf definiert sondern als durch Glaube und Nächstenliebe motivierter Liebesdienst am pflegebedürftigen Menschen. Pflege war vor allem Seelenpflege. Diese Tradition wurde langsam überlagert durch die beginnende Verberuflichung und die Einführung erster Ausbildungen. Es emanzipierte sich die bürgerliche, weniger religiös geprägte Pflege, die den Charakter der Erwerbsarbeit für Frauen aus dem Bürgertum betonte. Führende Vertreterinnen dieser Entwicklung hielten allerdings weiterhin alte Prinzipien aufrecht, wie beispielsweise die Ehelosigkeit der Pflegerinnen. Gleichzeitig baute sich im Zuge der enormen Expansion der naturwissenschaftlich fundierten Medizin eine starke Vereinnahmung der Pflege seitens dieser auf, die tiefe Spuren im pflegerischen Selbstverständnis hinterließ. Diese beiden Traditionslinien waren auch international bestimmend, allerdings war der kirchliche Einfluss in Deutschland stärker als in anderen Ländern. Beide Einflüsse, der kirchliche und der medizinische, haben historisch betrachtet einen Beitrag zur Entfaltung des heutigen pflegerischen Selbstverständnisses geleistet, zumindest insofern, als sich Pflege gerade in Abgrenzung zu diesen Einflüssen definiert. Dennoch finden sich beide Linien im heutigen Selbstverständnis noch in transformierter Form. 3. Pflegerisches Selbstverständnis 3.1 Kollektives pflegerisches Selbstverständnis heute Es liegt auf der Hand, dass es im Rahmen dieses kurzen Beitrags weder angebracht noch möglich ist, das Selbstverständnis der Pflege ausführlich zu beschreiben. Zu unterscheiden ist sicherlich das individuelle, implizite und inoffizielle Selbstverständnis einzelner Pflegender von kollektiv geteilten, sozusagen offiziellen Bestimmungen, wie sie von der Pflegewissenschaft oder von Berufsorganisationen vertreten werden. 14

14 1. Professionelles pflegerisches Selbstverständnis heute Aus der Perspektive der Pflegewissenschaft ist professionelle Pflege mit einer Reihe von Kernaussagen darstellbar, von denen einige wichtige nachfolgend angerissen werden. Wesentlich ist zunächst die Definition der Pflege als Beziehungsarbeit. In dieser Arbeit ist die emotionale Beteiligung der Pflegenden ein notwendiges aber auch problematisches Element (Remmers, 2010). Pflegende lassen sich ein. Sie tun dies, um die Perspektive des Pflegebedürftigen erschließen und verstehen zu können. Hartmut Remmers formuliert: Eine unverzichtbare Voraussetzung von Beziehungsarbeit besteht daher auch in der emotionalen Beteiligung professioneller Akteure ( ). Eine innerlich distanzierte Haltung würde nicht ausreichen; sie würde die Beziehungsszene zusammenbrechen lassen. (Remmers, 2010, S. 44). Es liegt auf der Hand, dass bei solcher Beziehungsqualität Gefahren der Verausgabung und auch des Missbrauchs lauern, was zeigt, wie anspruchsvoll professionelle Pflegearbeit grundsätzlich ist. Verschiedene pflegewissenschaftliche Theorien und Modelle fokussieren diese pflegerische Beziehung. Charakteristisch für pflegerische Arbeit ist eine zuwendende Grundhaltung. Pflege ist ganz wesentlich Fürsorgearbeit (Wærness, 2000; Kumbruck et al., 2010). Die Gestaltung dieser erforderlichen Beziehung kann anhand der Kriterien für professionelles Handeln in der Pflege weiter präzisiert werden. Professionelle Pflege zeichnet sich durch eine Verknüpfung verschiedener Kompetenzen aus, was auch für verwandte personenbezogene Dienstleistungen gilt. Durch die Beziehung zur pflegebedürftigen Person gelingt es Pflegenden, die jeweils individuelle Bedeutung der Situation für den Betroffenen verstehend zu erfassen. Pflege muss verstehen, was dem Klienten wichtig ist, welche subjektive Bedeutung vorliegt. Dies erfolgt weniger durch Beobachtung objektiver Kriterien als vielmehr durch den empathischen Dialog. Erst vor dem Hintergrund dieses Verstehens der einzigartigen Situation der Person ist zu beurteilen, welche pflegerischen Wissensbestände Anwendung finden können. Pflegende benötigen einen umfassenden Fundus an Regelwissen (Lehrbuchwissen) und Erfahrungswissen, den sie ins Verhältnis zu der verstandenen individuellen Situation setzen. Im Zusammenführen dieser beiden widersprüchlichen Kompetenzen (das Subjektive verstehen können und über Wissen verfügen und es anwenden können) zeigt sich die situative Kompetenz des professionellen Pflegehandelns (vgl. Bartholomeyczik, 2010). Damit grenzt sich Pflege systematisch von einem expertokratischen Handeln ab, das darin bestünde, den Pflegebedürftigen darüber belehren zu wollen, was gut für ihn ist. Das professionelle Selbstverständnis betont dagegen den beratenden, begleitenden Charakter der Arbeit und schließt Bevormundung des Pflegebedürftigen aus (vgl. auch Koch-Straube, 2008). Autonomie und Wür- 15

15 Christoph Bräutigam de der Person sind entscheidende Schutzbereiche. Teil der pflegerischen Funktion ist daher auch das advokatorische Handeln, also das Eintreten für die jeweils individuellen Interessen des Pflegebedürftigen auch gegenüber dem Gesundheitssystem. Inhaltlich bezieht sich Pflege auf gesundheitsbezogene Problemlagen. Dies sollte eigentlich selbstverständlich sein, verdient aber insofern Erwähnung, als in der institutionellen Praxis immer noch der Eindruck entstehen kann, Pflegende seien Mädchen für alles, zumindest für das, was andere nicht tun wollen. Einerseits teilt Pflege das Feld der Gesundheit mit anderen Professionen/Disziplinen, insbesondere mit der Medizin. Andererseits grenzt sie sich an dieser Stelle auch deutlich von dieser ab. Während sich die Medizin vereinfacht ausgedrückt der Identifikation und Beseitigung oder Linderung von Krankheiten widmet, befasst sich Pflege mit den Folgen akuter, chronischer oder auch potenzieller gesundheitlicher Beeinträchtigungen aller Art für Personen jeden Alters. Dabei bezieht sie physische, psychische und soziale Aspekte gleichermaßen mit ein. Pflegebedürftigkeit entsteht nicht direkt aus z.b. einer Krankheit sondern durch die aus ihr folgenden Beeinträchtigungen der Integrität und selbständigen Lebensführung (vgl. Bartholomeyczik, 2010). Angesprochen ist hier die vielfach zitierte Unterscheidung zwischen Krankheit und Kranksein: Bei medizinisch identischen Befunden unterscheiden sich Menschen erheblich hinsichtlich ihres Erlebens einer Krankheit. Gegenstand der Pflege ist es, diese subjektive Betroffenheit im Rahmen der pflegerischen Beziehung verstehend zu erschließen und gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen Unterstützung zu entwerfen, die die Bewältigung der Einschränkungen, die Einordnung in die Biografie und die Rekonstruktion der nicht selten erschütterten Identität erreichen soll. Pflege setzt an lebensweltlichen Bezügen der Person an und integriert die physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens. Ausgangspunkt ist also nicht der objektiv-abstrakte Befund der Medizin sondern der individuelle Bedeutungsgehalt für die Person. Wichtig ist, dass sich Pflege nicht auf akute gesundheitliche Probleme beschränkt sondern sich auf das gesamte Kontinuum von der Gesundheitsförderung und -erhaltung (Prävention), über die Bewältigung akuter bzw. chronischer Probleme und die Wiedergewinnung von Gesundheit (Rehabilitation) bis zur Begleitung im Sterben bezieht. Dies ist deshalb hervorzuheben, weil durch die Finanzierungssysteme (bspw. verdeutlicht durch das Motto Rehabilitation vor Pflege ) der falsche Eindruck entstehen könnte, Pflege sei hier inhaltlich nicht zuständig. Professionelle Pflege folgt trotz der scheinbaren Diffusität und Situationsbezogenheit einer Handlungslogik, einem stringent in die dialogische Beziehung eingebetteten Prozess aus Bedarfserhebung/Pflegediagnostik, Handlungs- 16

16 1. Professionelles pflegerisches Selbstverständnis heute entwurf, Umsetzung und Evaluierung. Diese professionelle Logik findet sich in anderen personenbezogenen Dienstleistungsberufen in vergleichbarer Weise, so dass pflegerische Arbeit im kooperativen Kontext anschlussfähig ist. Die Ausrichtung auf Zusammenarbeit mit professionellen und anderen Personen im Interesse des Pflegebedürftigen stellt ein weiteres im pflegerischen Selbstverständnis verankertes Element dar. Diese kurze Skizze wichtiger Elemente des professionellen pflegerischen Selbstverständnisses aus theoretischer Perspektive kann abschließend wie folgt zusammengefasst werden: Professionelle Pflege versteht sich als, von Fürsorge und Zuwendung geprägte, dialogische Beziehungsarbeit mit Menschen, die aufgrund der Folgen gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf Unterstützung zur Bewältigung und Lebensgestaltung angewiesen sind. Sie bezieht sich dabei auf Menschen jeden Alters und hat gesundheitsfördernde, präventive, kurative, rehabilitative und palliative Dimensionen. Pflege folgt einer professionellen Logik und findet in der Regel in institutionellen und kooperativen Zusammenhängen statt. Hier kann von einem gemeinsamen Grundverständnis auf internationaler Ebene (Bartholomeyczik, 2010, S. 136) ausgegangen werden. Dies zeigt sich auch darin, dass sich entsprechende Aussagen in offiziellen Formulierungen von Berufsorganisationen finden, die ein ähnliches Bild ergeben. So heißt es in der Definition professioneller Pflege des Internationalen Pflegerates (ICN): Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung. ( Pflege beansprucht also einen eigenständigen Zuständigkeitsbereich und nimmt auch ihre Verantwortung auf gesellschaftlicher und politischer Ebene wahr. 3.2 Individuelle pflegerische Selbstverständnisse heute Hier könnte seitens der Pflegepraxis eingewendet werden, dieses kollektive Selbstverständnis sei rein theoretisch und beschreibe die Realitäten pflegerischer Arbeit in 17

17 Christoph Bräutigam keiner Weise. Diesem Einwand wäre insofern zuzustimmen, als es sich bei dem skizzierten Verständnis um eine Soll-Vorstellung handelt, nicht um eine Beschreibung der täglichen Arbeit. Die Frage muss also lauten: Wie soll professionelle Pflege aus Sicht der Praxis sein? Die Ergebnisse des PIA-Projekts sowie auch anderer Forschung zeigen deutlich, dass sich die Vorstellungen der Praxis in den zentralen Punkten mit dem kollektiven Selbstverständnis decken. So haben die schriftlichen Mitarbeiterbefragungen und die Interviews mit Pflegenden sowohl in Kliniken als auch in Pflegeeinrichtungen aufgedeckt, dass folgende Elemente als wichtige Anteile professioneller Arbeit gelten: 18 eine individuelle Zuwendung zur/zum Pflegebedürftigen, individuelles Eingehen auf ihre/seine Bedürfnisse und Problemlagen statt Handeln nach Standard ; umfassende verbale und nonverbale Kommunikation, Gespräche mit Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen und Übersetzungsarbeit zwischen Pflegebedürftigen und Ärzt(inne)en; eine gute Einschätzung der Befindlichkeit, Bedürfnisse und der Situation der Pflegebedürftigen, die richtige Reaktion darauf und ein Erreichen der Pflegeziele; Das Ganzheitliche, d.h. die/den Pflegebedürftige/n als Ganzes zu sehen, nicht nur die Krankheit; physisches und psychisches Wohlergehen erreichen, psycho-soziale Betreuung; Förderung von Wohlergehen, Selbständigkeit und Ressourcen; Erhalt von Gesundheit und Selbständigkeit; Unterstützung der Alltagsbewältigung; rehabilitativ-anleitendes Arbeiten; Betreuung und Sterbebegleitung; eine kollegiale Zusammenarbeit mit anderen Berufen, insbesondere mit dem ärztlichen Dienst. Ein solches Selbstverständnis zeigt sich auch in Gesprächen und Arbeitsgruppen, die während des Projekts stattgefunden haben. Vergleicht man diese Inhalte mit den oben skizzierten Kernelementen professioneller Pflege aus wissenschaftlich-theoretischer Perspektive und mit der ICN-Definition, dann fallen die großen Schnittmengen auf. Auch andere Einblicke in das Erleben Pflegender bestätigen die grundsätzliche Übereinstimmung von theoretischem und praktischem Selbstverständnis der Pflege. Beispiele hierfür finden sich zahlreich in einschlägigen Forschungsberichten (siehe bspw. Wettreck, 2001; Weishaupt, 2006; Arnold, 2008). Es ist also durchaus von einem gemeinsamen Grundverständnis professioneller Pflege auszugehen, das aus theoretischer und praktischer Perspektive getragen wird. Der Eindruck entsteht, dass das schlechte Gewissen, das viele Pflegende beschreiben, zu einem großen Teil auf die Diskrepanz zwischen diesem Selbstverständnis und der Realität am Arbeitsplatz entsteht. Die Arbeit im PIA-Projekt und verschiedene Forschungsergebnisse zeigen aber auch: Dieses Selbstverständnis ist in der Praxis häufig

18 1. Professionelles pflegerisches Selbstverständnis heute verschüttet und kommt nur mühsam und mit individueller Anstrengung gegen Widerstände zur Entfaltung. 4. (Bisher) verpasste Chancen Eine wichtige Ursache ist sicherlich, dass solche Vorstellungen nicht von allen Pflegenden geteilt werden bzw. daneben andere Einflüsse konkurrierend existieren. Viele Pflegende sind nach wie vor der medizinischen Fremdbestimmung verhaftet, identifizieren sich eher mit einer medizinischen Fachdisziplin ihres Krankenhauses als mit der quer zu dieser liegenden pflegerischen Profession (vgl. Cassier-Woidasky, 2007). Weit verbreitet ist auch ein Selbstverständnis, das sich als verrichtungsorientiert beschreiben lässt, Pflege also als ein Erledigen anfallender Tätigkeiten versteht und insofern keine eigene professionelle Identität erkennen lässt (vgl. Dörge, 2009). Eine dritte Einflusslinie, die Eingang in das Selbstbild der Pflege gefunden hat, ist nicht weniger prägend und vermittelt sich eher subtil, so dass sie unterschätzt wird. Gemeint ist der ökonomische, vor allem betriebswirtschaftliche Einfluss. Deutlich wird dieser beispielsweise, wenn manche Pflegende wie selbstverständlich von Pflegebedürftigen als Kunden reden. Gerade dieser Einfluss nimmt in letzter Zeit erkennbar zu. Das professionelle Selbstverständnis ist zudem mit mangelnder Wertschätzung anderer Berufe konfrontiert und massiv konterkariert durch institutionelle Strukturen, die professionelles Handeln stark erschweren. Nimmt man Forschungsergebnisse zum Erleben Pflegebedürftiger in Situationen gelungener, professioneller Pflege zur Kenntnis (bspw. Elsbernd, 2000), wird deutlich, welches immense Potenzial in einer professionellen Pflege steckt, die dem oben skizzierten Selbstverständnis verpflichtet ist und dieses in Handeln umsetzt. Pflege selbst kann DIE bedeutende Innovation in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie darüber hinaus sein. Die Frage ist, ob die Pflege und auch die Gesellschaft dieses Potenzial weiter ungenutzt lassen soll und will oder nicht. Wenn nicht, dann bedarf es langfristig großer Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen: Anstrengungen der Pflegenden selbst beim Erkennen und Nutzen der vorhandenen oder der Realisierung von möglichen neuen Spielräumen. Anstrengungen der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die das Potenzial erkennen und die ihre institutionellen Spielräume nutzen. Anstrengungen müssen aber auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene unternommen werden, um Qualifikation, Finanzierung und andere Bedingungen für professionelle Pflegearbeit zu entwickeln. Von der/dem einzelne/n Pflegepraktiker/in zu erwarten, dass sie oder er ein pflegerisches Selbstbewusstsein entwickelt und im Berufsalltag zum Ausdruck bringt, ist si- 19

19 Christoph Bräutigam cherlich richtig, keinesfalls aber ausreichend. Es bedarf entsprechender Initiativen und fördernder Rahmenbedingungen. Ohne sie bleiben dringend benötigte Pflege- Innovationen Einzelfälle und das pflegerische Potenzial bleibt weiter zu großen Teilen unausgeschöpft. 5. Literatur Arnold, D. (2008): Aber ich muss ja meine Arbeit schaffen! Ein ethnografischer Blick auf den Alltag im Frauenberuf Pflege. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main Bartholomeyczik, S. (2010): Professionelle Pflege heute. Einige Thesen. In: Kreutzer, S. (Hrsg.): Transformationen pflegerischen Handelns Institutionelle Kontexte und soziale Praxis vom 19. bis 21. Jahrhundert. Universitätsverlag Osnabrück, Osnabrück, S Cassier-Woidasky, A.-K. (2007): Pflegequalität durch Professionsentwicklung. Eine qualitative Studie zum Zusammenhang von professioneller Identität, Pflegequalität und Patientenorientierung. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main Dörge, C. (2009): Professionelles Pflegehandeln im Alltag. Vision oder Wirklichkeit? Mabuse- Verlag, Frankfurt am Main Elsbernd, A. (2000): Pflegesituationen. Erlebnisorientierte Situationsforschung in der Pflege. Verlag Hans Huber, Bern u.a.o. Koch-Straube, U. (2008): Beratung in der Pflege. Verlag Hans Huber, Bern u.a.o. Kreutzer, S. (Hrsg.)(2010): Transformationen pflegerischen Handelns Institutionelle Kontexte und soziale Praxis vom 19. bis 21. Jahrhundert. Universitätsverlag Osnabrück, Osnabrück Kumbruck, C., Rumpf, M., Senghaas-Knobloch, E. (2010): Unsichtbare Pflegearbeit. Fürsorgliche Praxis auf der Suche nach Anerkennung. LIT Verlag, Berlin Remmers, H. (2010): Transformationen pflegerischen Handelns. Entwurf einer theoretischen Erklärungsskizze. In: Kreutzer, S. (Hrsg.): Transformationen pflegerischen Handelns Institutionelle Kontexte und soziale Praxis vom 19. bis 21. Jahrhundert. Universitätsverlag Osnabrück, Osnabrück, S Wærness, K. (2000): Fürsorgerationalität. Zur Karriere eines Begriffes. Feministische Studien 18. Jahrgang extra, Weishaupt, S. (2006): Subjektivierendes Arbeitshandeln in der Altenpflege die Interaktion mit dem Körper. In: Böhle, F., Glaser, J. (Hrsg.): Arbeit in der Interaktion Interaktion als Arbeit. Arbeitsorganisation und Interaktionsarbeit in der Dienstleistung. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S Wettreck, R. (2001): Am Bett ist alles anders Perspektiven professioneller Pflegeethik. LIT Verlag, Münster 20

20 2. Innovation und Pflege?! Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Inhalt 1. Einführung 2. Was ist eine Innovation in der Pflege? 3. Pflegende als Innovationspromotoren Spielräume und Fallstricke 4. Literatur 1. Einführung Der zentrale Begriff des PIA-Projekts lautet Innovation. Die Aufgabe, die die Teilprojekte in den Einrichtungen verbindet, ist die Unterstützung von innovativen Entwicklungen in pflegerischen Arbeitszusammenhängen durch die Pflegenden und mit den Pflegenden. In diesem Beitrag soll daher zunächst angerissen werden, was unter einer Innovation überhaupt zu verstehen ist und was Innovationen in der Pflege auszeichnet. Diese Hinweise zeigen den Rahmen auf, in dem die Arbeiten im Projekt PIA insgesamt und in den Teilprojekten in den engagierten Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Diensten stattgefunden haben. Anschließend werden die Chancen und Schwierigkeiten von Innovationen in der Pflege angedeutet, die sich auch im Projekt selbst an verschiedenen Stellen gezeigt haben. 2. Was ist eine Innovation in der Pflege? Alltagssprachlich ist eine Innovation vor allem etwas Neues, das zudem eine umfassende Relevanz haben sollte. Ein herausragendes Beispiel ist das Internet, das historisch betrachtet innerhalb kürzester Zeit das Leben eines großen Teils der Menschheit grundlegend beeinflusst hat. Dass nicht alle Innovationen einen so bahnbrechenden Charakter haben liegt auf der Hand. Es ist wichtig, gerade auch die kleineren Innovationen zu erkennen und wertzuschätzen. Ein kurzer Blick auf einige Definitio- 21

21 Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam nen 1 vermittelt einen Eindruck davon, was unter einer Innovation verstanden werden kann: 22 Innovation ist eine zielgerichtete Durchsetzung von neuen technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen oder sozialen Problemlösungen, die darauf ausgerichtet sind, die Unternehmensziele auf eine neuartige Weise zu erreichen (Vahs/Burmester). Innovationen sind qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die sich gegenüber dem vorangehenden Zustand merklich unterscheiden (Hauschild). Innovation ist die Durchsetzung einer technischen oder organisatorischen Neuerung, nicht alleine ihre Erfindung (J. Schumpeter). Innovation ist eine Idee oder ein Objekt, das von den Übernehmern als neu angesehen wird (E.M. Rogers). Wenngleich sich diese Definitionen in ihren Perspektiven und Schwerpunkten unterscheiden, wird doch deutlich, dass sich der Begriff Innovation nicht nur auf technische und wirtschaftliche Themen bezieht sondern ebenso Organisatorisches und Soziales beinhalten kann. Dies wird häufig übersehen, ist aber im Zusammenhang mit pflegerischen Entwicklungen naturgemäß von besonderer Bedeutung. Gerade bei pflegerischen Innovationen stehen soziale Aspekte im Vordergrund. Hier gilt: Keine Innovation ohne Menschen, ohne soziale Prozesse. Ein zweiter entscheidender Punkt ist, dass sich das Neue deutlich vom Bisherigen unterscheiden muss und auch von den Beteiligten als neu anerkannt sein sollte, um als Innovation gelten zu können. Und schließlich: Eine Innovation definiert sich über die Durchsetzung oder Umsetzung einer neuartigen Idee oder Konzeption. Das Innovationsverständnis, das im PIA-Projekt leitend gewesen ist, wird am besten durch folgende Auszüge aus der Veröffentlichung des Internationalen Pflegerates (ICN) zum Internationalen Tag der Pflegenden im Jahr 2009 umschrieben: ( ) Eine Innovation beginnt mit einer guten Idee, geht jedoch weit darüber hinaus. Sie bezieht sich auch auf den Prozess, der die gute Idee in etwas verwandelt, das verwendet werden kann, in etwas, das umgesetzt und erreicht werden kann und hoffentlich der Förderung von Gesundheit, der Verhinderung von Krankheiten und einer besseren Patientenversorgung dient. ( ) Nicht immer sind Innovationen radikal, sie können sich auch stufenweise entwickeln. ( ) Zur stufenweisen Entwicklung von Innovationen bedarf es eines ständig fortlaufenden Prozesses der Verbesserung, Überprüfung und Erneuerung, um zu einem besseren Ergebnis oder Produkt zu gelangen. Obwohl hier ( ) kein Geistesblitz im Mittelpunkt steht, werden bestehende Kompetenzen weiterentwickelt und im Laufe der Zeit möglicherweise vergleichbar posi- 1 Übernommen aus: InnovationGrundlagen.pdf

22 2. Innovation und Pflege?! tive Ergebnisse erzielt. ( ) Nicht immer sind positive Resultate eine unmittelbare Folge von Innovationen. Ganz im Gegenteil kann der Weg hin zu einer Verbesserung über eine Reihe von Versuchen und möglicherweise auch von Irrtümern führen. (ICN 2009:8) Als Innovation in der Pflege kann also auch eine Entwicklung bezeichnet werden, die relativ unscheinbar ist oder die sich auf die Umsetzung von Ideen und Konzepten bezieht, die seit langem existieren. Gerade in der Pflege ist es nicht selten, dass eine Innovation lediglich erreicht, dass Pflege ein Stück weit professioneller erfolgen kann oder dass ein Zustand erreicht wird, den beispielsweise Patient/innen oder Angehörige eigentlich als selbstverständlich voraussetzen. Und noch eines wird hier deutlich: Innovationen können sehr langfristig, mühsam und unscheinbar sein. Schwieriger als die Idee der Innovation stellt sich deren Umsetzung dar. Die Anstrengungen für eine Implementierung sind größer als die Entwicklung und Erprobung der zu realisierenden Verfahren selbst. Drei Stufen der Implementierung können unterschieden werden: 1. Papierimplementierung : Die Änderungen werden formal in Kraft gesetzt, aber es ist unklar, ob sie befolgt werden. 2. Prozessimplementierung : Alle sind geschult, aber keiner tut etwas. 3. Performanzimplementierung : Änderungen sind nachweislich eingeführt und bringen gute Ergebnisse. (Müller-Hergl o. J.) Nur die letzte Stufe stellt eine wirkliche Innovation dar. Das bedeutet auch, dass im Rahmen eines Projektes mit zwei Jahren Laufzeit und mehreren Teilprojekten in verschiedenen Einrichtungen zu verschiedenen Themen eine Innovation oft lediglich angestoßen und eingeleitet, aber nur selten auch zu Ende geführt werden kann. 3. Pflegende als Innovationspromotoren Spielräume und Fallstricke Das Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie speziell der Pflegesektor agiert in einem Umfeld, das durch viele Probleme und hohe Anforderungen geprägt ist. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der steigenden Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen wird die Pflege zwar als notwendig gesehen, vielfach aber vor allem als Kostenfaktor wahrgenommen oder vor allem im Krankenhaus als selbstverständlicher aber eher uninteressanter Nebenprozess betrachtet. Auch der Beruf an sich gilt als charakterisiert von schlechten Arbeitsbedingungen bei gleichzeitig hohen Belastungen. Wie passt dieses überwiegend negative Bild nun mit Innovationen zusammen? Pflegende stellen die mit Abstand größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen und arbeiten fast überall im System. Sie haben unzählige Berührungspunkte mit Patient/innen, Familien und Angehörigen sowie zu anderen Berufsgruppen. Gleichzeitig 23

23 Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam arbeiten sie mit einer ganzheitlichen Haltung und haben ein breites Aufgabengebiet. Deshalb bieten sich der Pflege zahlreiche Anknüpfungspunkte für Innovationen, die das Ziel verfolgen, die Versorgung ihrer Klient/innen direkt oder indirekt zu verbessern, Reibungsverluste an Schnittstellen zu verringern oder auch die Kosten zu senken. Als Innovationen im Gesundheitswesen werden üblicherweise vor allem medizinische und technische Neuerungen, neue Medikamente, diagnostische Verfahren und Therapien wahrgenommen. Innovationen in der Pflege und in anderen Bereichen werden oft übersehen. Das liegt teilweise daran, dass sowohl die Bereitschaft zur positiven Selbstdarstellung der Pflegenden als auch ihre öffentliche Wahrnehmung als Träger von Innovationen noch nicht weit fortgeschritten ist. Notwendig ist ein Wechsel von dem, was wir reaktive Improvisationsorientierung nennen, hin zu einer prospektiven Innovationsorientierung! Pflegende haben zahlreiche Innovationen zur Erhaltung und Verbesserung der Pflegequalität auf den Weg gebracht. Als historisches Beispiel kann bereits die bahnbrechende Arbeit von Florence Nightingale in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten, die für die Fundierung beruflicher Pflege bekanntlich von großer Bedeutung war (vgl. Skretkowicz, 1993). Auch in Deutschland finden sich zunehmend Beispiele für Innovationen aus und in der Pflege, z. B.: Pflegeüberleitung bzw. Entlassungsmanagement in Kliniken; Angebote für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz insbesondere in stationären Altenhilfeeinrichtungen; Personenorientierte Pflegesysteme (Bezugspflege); Einsatz von Pflegenden als Advanced Nurse Practitioner im Krankenhaus; die Implementierung von Expertenstandards usw. Solche positiven Beispiele, die sich meist auf Ebene der Einrichtungen finden und selten flächendeckende Umsetzung erfahren, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Innovationen im Gesundheitswesen im Allgemeinen und in der Pflege im besonderen schwierig und komplex sind. Das liegt u.a. daran, dass Pflege in der Regel in institutionellen Zusammenhängen eng mit einer Vielzahl von Akteuren und Interessen verbunden ist. Jede innovative Veränderung hat Auswirkungen auf andere Bereiche und birgt daher das Risiko, Widerstände zu provozieren, wenn die Interessen anderer berührt sind. Dies kann dazu führen, dass objektiv positive Innovationsansätze keine Chance auf Realisierung haben. Da es aber zahlreiche Beispiele auch für pflegerische Innovationen gibt, stellt sich die Frage nach den Bedingungen für gelingende Innovationen. Als positive Einflussfaktoren sind zu nennen: eine offene Unternehmenskultur, die neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen ist und Experimente zulässt, flexible Organisationsstrukturen, 24

24 2. Innovation und Pflege?! ein professionelles Wissensmanagement, visionäre Führungspersönlichkeiten, die die Umsetzung von Innovationen engagiert fördern sowie qualifizierte Beschäftigte, die Innovationen partizipativ mitgestalten (Köhler & Goldmann, 2010, S.257). Als Schlüsselfaktoren für die Übernahme von Innovationen werden an anderer Stelle genannt: das Gefühl, dass Veränderungen notwendig sind, eine große Übereinstimmung von innovativer Idee und den Werten, Zielen und Kapazitäten der Einrichtung, die Möglichkeit, die Folgen einer Innovation einschätzen zu können und mit ihnen umgehen zu können, meinungsbildende und engagierte Unterstützer der Innovation in der Einrichtung, ausreichende Ressourcen zur Umsetzung der Innovation und die Kapazitäten, die Folgen der Innovation zu evaluieren und zu kommunizieren (ICN, 2009). Dies zeigt, dass es bei der Umsetzung einer Innovation auch darauf ankommt, politisch zu agieren, Verbündete zu suchen, Menschen zu überzeugen und Widerstände abzubauen. Die Erfahrungen des Projekts PIA haben diese Erkenntnisse vielfach bestätigt. 4. Literatur Müller-Hergl, C. (o. J.):...und dann klappte die Umsetzung nicht... : Implementierung neuer Pflegepraxis bei Demenz. Witten ( Skretkowicz, V. (Ed.) (1993): Florence Nightingale s Notes on Nursing. Scurati, London ICN International Council of Nurses (2009): Unsere Kompetenz Ihre Gesundheit. Professionelle Pflege in der Gesundheitsversorgung wegweisend und innovativ. Herausgeber: DBFK, OEGKV und SBK ASI) Köhler, K. & Goldmann, M. (2010): Soziale Innovationen in der Pflege Vernetzung und Transfer im Fokus einer Zukunftsbranche. In: Howaldt, J.; Jacobsen, H. (Hrsg.): Soziale Innovation: Auf dem Weg zu einem postindustriellen Innovationsparadigma. VS Verlag, Wiesbaden, S

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26 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen Inhalt 1. Ziele und Projektstruktur 2. Die einrichtungsspezifischen PIA-Projekte im Einzelnen 3. Übergreifende Ziele und Ergebnisse in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten 4. Die einrichtungsübergreifenden Maßnahmen im PIA-Projekt 1. Ziele und Projektstruktur Die Abkürzung PIA steht für den Projekttitel Pflege-Innovationen in der Gesundheitsregion Aachen. Das Projekt wurde vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW unter Zuhilfenahme von EU-Mitteln über einen Zeitraum von zwei Jahren vom bis zum gefördert. Das Amt für Altenarbeit der StädteRegion Aachen, das Würselener Forschungs- und Beratungsinstitut MA&T und das Institut Arbeit und Technik (IAT) aus Gelsenkirchen hatten sich zusammengeschlossen, um mit dem Projekt PIA Innovationen mit und für Pflegekräfte in Krankenhäusern sowie in stationären und ambulanten Altenpflege- Einrichtungen der Region voranzubringen. Dabei wurden die folgenden Ziele verfolgt: Beruflich Pflegende sollten in den Einrichtungen weniger als Kostenfaktor und mehr als Innovatoren wahrgenommen werden. Die Beschäftigungsfähigkeit beruflich Pflegender sollte durch die Steigerung ihrer Innovationsfähigkeit verbessert werden. Notwendige innerbetriebliche Reformen und Innovationen sollten unter Beteiligung der Pflegenden angestoßen und umgesetzt werden. Das Voneinander- und Miteinander-Lernen der Pflegebereiche von Krankenhaus, stationärem Altenheim und ambulanten Diensten sollte gefördert werden. Insgesamt zielte das Projekt auf die Verbesserung der Innovationsfähigkeit der Pflege in der Gesundheitsregion Aachen. 27

27 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen Dazu wurde im PIA-Projekt eine Projektstruktur aufgebaut, die in der folgenden Grafik zusammenfassend dargestellt ist: PIA - Pflege Innovationen in der Gesundheits-Region Aachen Einzelprojekte in den Modell - Einrichtungen Krankenhäuser Medizinisches Zentrum Würselen Stationäre Altenpflege Altenhilfe St. Gereon, Hückelhoven Ambulante Pflege Stiftung EVA Gemünd Regionaler Beirat: Wirtschaftsförderungen, Krankenkassen, Vertreter von Pflege- und Gesundheitskonferenzen Marienhospital Aachen Kreiskrankenhaus Mechernich Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius Papst-Johannes-Stift Aachen FAUNA Aachen AK Synergien und Erfahrungsaustausch: Pflege innovativ: übergreifend über 3 Einrichtungsformen Weiterbildung: einrichtungsspezifisch und einrichtungsübergreifend Projektpartner: IAT MA&T Amt für Altenarbeit des Städteregion Kreis Aachen Aachen Expert/innen aus Pflegewissenschaft und Praxis Facharbeitskreis 1: Facharbeitskreis 2: Facharbeitskreis 3: Pflege im Kranken- Stationäre Altenpflege Ambulante Pflege haus Weitere nicht geförderte Einrichtungen aus der Region Öffentlichkeitsarbeit Nachhaltigkeit Region Aachen Transfer NRW Abb. 1: Struktur des Modellprojektes PIA Das PIA-Projekt fußte also auf einrichtungsspezifischen Innovationsprojekten. Um den einrichtungsübergreifenden Erfahrungsaustausch anzustoßen wurden Facharbeitskreise für die Pflege im Krankenhaus, in der stationären und in der ambulanten Pflege gebildet. Des Weiteren wurden in dem Arbeitskreis Synergien und Erfahrungsaustausch die Chancen von Kommunikation und Kooperation zwischen den drei Einrichtungstypen erörtert. Das Projekt wurde von einem Beirat bestehend aus wichtigen Akteuren der Gesundheitsregion Aachen begleitet, der sowohl wichtige Impulse für die Projektarbeit lieferte als auch zur Verbreitung der Projektergebnisse in der Gesundheitswirtschaft beitrug. Die Projektpartner trugen zur Nachhaltigkeit und regionalen bzw. überregionalen Wirksamkeit des Projektes bei, indem sie Projektergebnisse sowie aus dem Projekt entstehende Produkte veröffentlichten und auf verschiedenen regionalen und überregionalen Foren vorstellten. 28

28 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick Der Transfer von Projektergebnissen zu anderen Regionen in NRW wurde u. a. durch Kontakte zum Clustermanagement der Gesundheitsregionen in NRW unterstützt. Im Rahmen des Projektes wurden fachspezifische Weiterbildungsangebote mit Kopplung an den Stand der Pflegewissenschaft angeboten, die nicht nur zur Erreichung der einrichtungsinternen und übergreifenden Projektziele beitrugen, sondern auch Anregungen für die zukunftsorientierte Entwicklung von Weiterbildungs- und Studienangeboten für Pflege und Pflegemanagement in der Region Aachen gaben. Wie das nebenstehende Logo andeutet, bezog sich der regionale Einzugsbereich des PIA-Projektes auf die Städteregion Aachen sowie die Kreise Heinsberg, Düren und Euskirchen. Neben den einrichtungsspezifischen Innovationsprojekten gab es im Rahmen von PIA zahlreiche Aktivitäten für einen einrichtungsübergreifenden Austausch. Bei diesen einrichtungsübergreifenden Aktivitäten waren i.d.r. Einrichtungen aus der gesamten hier beschriebenen Region angesprochen. Trotzdem gab es vor allem wegen der regionalen Verortung der beiden Projektpartner Amt für Altenarbeit und MA&T einen Schwerpunkt im Gebiet der Städteregion Aachen. 2. Die einrichtungsspezifischen PIA-Projekte im Einzelnen 2.1 Überblick Folgende Modelleinrichtungen waren an PIA beteiligt: a) Krankenhäuser Kreiskrankenhaus Mechernich Katholische Stiftung Marienhospital Aachen Medizinisches Zentrum StädteRegion Aachen ggmbh b) Stationäre Altenpflegeeinrichtungen Senioren und Pflegezentrum St. Antonius, Würselen Altenzentrum Papst Johannes Stift, Aachen Altenhilfe St. Gereon, Hückelhoven c) Ambulante Pflegedienste Fauna e.v., Aachen Visitatis GmbH, Aachen In den genannten Modelleinrichtungen ging es darum, mit Hilfe der externen Unterstützung durch die PIA-Projektpartner und auch angeregt durch den einrichtungs- 29

29 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen übergreifenden Austausch jeweils spezifische, an den Problemlagen der Pflegenden anknüpfende Innovationsprojekte unter Beteiligung der Pflegekräfte durchzuführen. Der Ablauf der Innovationsprojekte in den einzelnen Einrichtungen orientierte sich grundsätzlich an den folgenden Schritten: 1. Bildung eines hausinternen Projektteams Pflege innovativ unter Beteiligung von Leitungskräften und Mitarbeiter/innen 2. Ist-Analyse Befragung, Beobachtung, multiperspektivische Sichtweise 3. Zielbestimmung bzw. Zielkonkretisierung: In welchem Feld wollen wir uns wie verbessern? Beispiel: Kommunikationsstruktur, Wissensmanagement, Kooperation Alt-Jung, 4. Erarbeitung eines einrichtungsspezifischen Ablauf- und Projektplans 5. Umsetzung + Qualifizierung 6. Projektabschluss und Übergang in die Alltagsroutine, Reflektion und Evaluation, Pflege Innovativ als selbstlaufenden langfristigen Prozess etablieren und stabilisieren Die Einrichtungen sind in Kapitel 7 mit eigenen Beiträgen in diesem Buch vertreten, die z.t. die einrichtungsspezifischen PIA-Projektaktivitäten beschreiben und z.t. einzelne Themen oder Teilprojekte aus diesen Einrichtungen aufgreifen. An dieser Stelle soll jeweils ein kurzer Überblick über Ansatz und Wirkungen des PIA- Projektes in den beteiligten Einrichtungen gegeben werden. 2.2 Pflegebezogene Innovationsprojekte in den beteiligten Krankenhäusern Kreiskrankenhaus Mechernich Das Vorgehen im Kreiskrankenhaus Mechernich entsprach im Wesentlichen den vorstehenden sechs Schritten. Es wurde ein Projektlenkungsteam gebildet, dem ein Geschäftsführer, die beiden Pflegedirektoren, zwei Pflegefachkräfte und der Betriebsrat sowie als Besonderheit der stellv. ärztliche Direktor angehörten. Moderation und Protokollierung lag bei MA&T und IAT. Im Projektlenkungsteam wurde als pflegerisches Innovationsthema für das PIA-Projekt die Bessere Versorgung älterer und demenzkranker Patient(inn)en definiert. Als Pilotbereiche für dieses Thema wurden die Unfallchirurgie und die Geriatrie bestimmt. In der Ist-Analyse wurden durch IAT und MA&T qualitative Interviews mit Pflegenden, Ärzt(inn)en, Patient(inn)en und Angehörigen durchgeführt. Darauf aufbauend wurde im Projektlenkungsteam und in zwei stationsspezifischen Mitarbeiterteams erarbeitet, mit welchem genauen Ziel und mit welchen Maßnahmen Verbesserungen angestrebt werden sollten. Dazu wurde ein Konzept erarbeitet, das im Wesentlichen die Neujustierung des Bezugspflegesystems in beiden Kliniken und die Erweiterung einer Essensgruppe in der Geriatrie umfasste. Näheres dazu ist den Kapiteln 7.4 und 7.5 in diesem Buch zu entnehmen. Das neue 30

30 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick Konzept wurde versuchsweise in die Praxis umgesetzt und in Gesprächen mit Pflegenden, Ärzt(inn)en und Patient(inn)en stellten sich deutliche Verbesserungen im Rahmen der angestrebten Ziele heraus. Deshalb wurde beschlossen, die Neuerungen im Standardbetrieb fortzusetzen und nach einer Routinephase zu überlegen, wie weitere Kliniken des Krankenhauses von dem in den zwei Pilotkliniken Gelernten profitieren können Katholische Stiftung Marienhospital Aachen Auch in der katholischen Stiftung Marienhospital wurde ein PIA-Projektlenkungskreis gebildet, dem der Personalleiter, der Pflegedirektor und der Betriebsrat sowie als Besonderheit die QM-Leitung der Seniorenzentren der Stiftung angehörten. Es wurde beschlossen, die PIA-Aktivitäten zunächst auf den Krankenhaus-Bereich zu konzentrieren, an bestimmten Stellen aber auch die Seniorenzentren und die ambulante Pflege mit einzubeziehen. Moderation und Protokollierung des Projektlenkungskreises lag bei MA&T und IAT. Zu Beginn der Arbeiten wurden als Themen das Wissensmanagement und die Arbeitsgestaltung für ältere Mitarbeiter/innen ins Auge gefasst, es wurde aber beschlossen, zunächst eine fragebogengestützte Befragung aller Pflege-Mitarbeiter/innen im Krankenhaus, in der ambulanten Pflege und in den Seniorenzentren durchzuführen, um abgesichert zu erfahren, wo den Pflegenden der Schuh drückt. Diese Befragung wurde vom IAT durchgeführt und ausgewertet (vgl. hierzu vertiefend Kapitel 7.2). Daraus ergaben sich Handlungsbedarfe in den Bereichen Wertschätzung der Mitarbeiter/innen, Abbau von Belastungen durch Neuordnung von Arbeitsaufgaben, Kooperation Pflege-Hauswirtschaft in der stat. Altenpflege und Qualifizierung mittlerer Führungskräfte in der gesamten Stiftung. Diese Themen wurden über Arbeitskreise von sich freiwillig meldenden Mitarbeiter(inne)n und ein Führungskräfte-Seminar, das von MA&T in je zwei Tagen für insgesamt 28 mittlere Führungskräfte durchgeführt wurde, angegangen. Die Ergebnisse der Arbeitskreise wurden im Projektlenkungsteam diskutiert, es wurden daraus resultierende Maßnahmen beschlossen, mit der Geschäftsführung abgestimmt und z.t. umgesetzt. Aus terminlichen Gründen stellte sich die Situation im Marienhospital so dar, dass die Projektlaufzeit in Phase 5 des vorgesehen Projektablaufs zu Ende ging. Die Beteiligten waren sich einig, dass die angestoßenen Maßnahmen auch nach Projektende in geeigneter Weise fortgeführt werden sollten Medizinisches Zentrum StädteRegion Aachen ggmbh Im Medizinischen Zentrum der Städteregion Aachen (MZ) wurde zu Beginn auf ein Projektlenkungsteam verzichtet, sondern es wurden themenabhängig unterschiedliche Teams gebildet, die jeweils problembezogene Inhalte erarbeiteten oder Entscheidungen vorbereiteten. Die personelle Klammer aller Aktivitäten bildete der Pflegedirek- 31

31 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen tor, der Projektleiter und Hauptansprechpartner für die PIA-Mitarbeiter/innen von MA&T und IAT war. Als Pilotbereich für das PIA-Projekt wurde im MZ die Geriatrie ausgewählt. Hier wurde Anfang 2010 eine Mitarbeiterbefragung von pflegerischem und ärztlichem Personal durchgeführt, die ebenfalls die Arbeitsbedingungen in der Pflege thematisierte, aber auch Fragen zur Kooperation zwischen pflegerischen und ärztlichen Mitarbeiter(inne)n enthielt. Die Ergebnisse aus der Befragung wurden vom IAT ausgewertet und den ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter(inne)n und Führungskräften der Geriatrie präsentiert. Im Weiteren wurden die Ergebnisse und das weitere Vorgehen sowohl innerhalb des Projektteams als auch mit der Pflegedienstleitung und dem Betriebsrat besprochen. Als wesentliche Themenfelder stellten sich eine punktuelle Überlastung der Pflege in der Geriatrie sowie das Verhältnis Pflege-Medizin in der Geriatrie heraus. Diese Themen wurden in zwei Arbeitsgruppen angegangen und erste Maßnahmen wurden direkt umgesetzt. So wurden zum Belastungsabbau der Pflegekräfte in der Geriatrie sog. Servicekräfte oder Pflegehilfskräfte ausgebildet und eingesetzt, die die Pflegekräfte bei versch. Tätigkeiten vor allem in den Themenbereichen Essensverteilung und Raumpflege/Sauberkeit entlasten. Erste Erfahrungen mit dieser Unterstützungsfunktion sind für beide Berufsgruppen positiv. Im Dialog zwischen Ärzt(inn)en und Pflegenden der Geriatrie wurden verschiedene Maßnahmen angestoßen und umgesetzt, die die Themen Informationsaustausch und Visite sowie Belegungsmanagement und Entlassungsplanung betrafen. So wurde beschlossen, dass künftig Chefarzt- sowie Oberarztvisite immer durch eine examinierte Pflegekraft begleitet werden hierzu wurden verbindliche Zeitkorridore abgesprochen. Eine wöchentliche Teambesprechung mit Beteiligung von Pflege, Medizin und anderen Funktionsbereichen wurde neu etabliert, ebenso wurden feste Angehörigensprechstunden für den ärztlichen Dienst eingeführt. Beim Belegungsmanagement wurde eine frühzeitige Bekanntgabe der Entlassung seitens der Ärzte an die Pflege (24 Std. vorher) verabredet, um so Entlassungen besser planen und ggf. notwendige Transporte organisieren zu können. Die Entlassungen werden künftig früher morgens stattfinden, um im Anschluss auch die Aufnahme bettlägeriger Patient(inn)en in den freiwerdenden Betten zu optimieren. Das Medizinische Zentrum hat sich rege an den verschiedenen überbetrieblichen Aktivitäten im PIA-Projekt beteiligt. So nahmen mehrere Mitarbeiter/innen an einzelnen Modulen der Weiterbildung Innovationsmanager/in teil ebenso beteiligte sich das MZ am überbetrieblichen Arbeitskreis Krankenhaus. 32

32 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick 2.3 Innovationen in Stationären Altenpflegeeinrichtungen Senioren und Pflegezentrum St. Antonius, Würselen Den Ausgangspunkt der PIA-Aktivitäten im Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius bildete der Kreis der Führungskräfte der Pflege, bestehend aus dem Pflegedienstleiter sowie den Wohnbereichsleitungen. Dieser Kreis beschloss als erste Maßnahme die gemeinsame Erarbeitung eines neuen Führungsleitbildes. Erst danach kam es zu einer Phase der Ist-Analyse, indem in kurzen Workshops mit allen Teams der Einrichtung besprochen wurde, ob das damals wahrgenommene Führungsverhalten dem Führungsleitbild entsprach. In diesen Workshops wurden die Mitarbeiter/innen aber auch nach Verbesserungsbedarfen in anderen Themenfeldern befragt. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden der Leitungsrunde der Einrichtung präsentiert und gemeinsam mit diesem Gremium wurden anzugehende Maßnahmen definiert. Das neue Führungsleitbild war in den Workshops auch von den Mitarbeiter/innen begrüßt worden und wurde in der Leitungsrunde verabschiedet. Außerdem wurde einerseits das Thema betriebliches Gesundheitsmanagement und zum anderen die Arbeitsbelastung der Beschäftigten in Küche und Hauswirtschaft als wesentliche Gestaltungsbereiche für PIA in St. Antonius definiert. Zu beiden Themen wurde je ein Arbeitskreis gebildet. Der Arbeitskreis betriebliches Gesundheitsmanagement hat sowohl einen Fragebogen zu den Interessen der Mitarbeiter/innen an der betrieblichen Gesundheitsförderung erstellt, als auch, angeregt durch PIA, mit dem Institut für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) Kontakt aufgenommen. Es wurde vereinbart, dass im Jahr 2011 in allen vier Wohnbereichen Schulungen zum Thema Rückenfit am Arbeitsplatz durch das BGF durchgeführt werden. Innerhalb des Arbeitskreises Arbeitsbelastung der Beschäftigten in Küche und Hauswirtschaft wurden verschiedene Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Eine abschließende Evaluierung der umgesetzten Maßnahmen stand zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch aus. Die verabredeten Maßnahmen und Ergebnisse wurden in das Qualitätsmanagementsystem der Einrichtung übernommen, so dass ihre langfristige Wirksamkeit gut vorbereitet ist Altenzentrum Papst Johannes Stift, Aachen Im Papst Johannes Stift (PJS) hat sich kein fester Projektlenkungsausschuss zum PIA-Projekt gebildet, sondern die Maßnahmen wurden regelmäßig mit dem Pflegedienstleiter abgestimmt. Zunächst wurden in Form von Einzelgesprächen und durch 33

33 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen die Teilnahme von Mitarbeiter/innen des PJS an einrichtungsübergreifenden Weiterbildungen des PIA-Projektes verschiedene Themenbereiche angegangen. Dazu gehörten in 2009: Der Umbau des Hauses mit dem Aufbau eines getrennten Demenzbereichs, der Ausbau der Palliativpflege und eine Verbesserung im Kommunikationsverhalten. Anfang 2010 wurde auch im PJS eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, deren Ergebnisse dann die Basis für weitere Innovationsprojekte sein sollten. Anknüpfend an diese Mitarbeiterbefragung sowie an ein bereits auf Trägerebene angestoßenes und durch die Robert Bosch Stiftung unterstütztes Projekt wurde ein Teil-Projekt zur Verbesserung der palliativen Pflege für demenzerkrankte Bewohner/innen erfolgreich umgesetzt und im Alltag etabliert (vergleiche hierzu Kapitel 7.12 in diesem Buch). Außerdem sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Wertschätzungskultur in der Einrichtung initiiert werden. Zwar hat die Pflegedienstleitung hierzu an verschiedenen Workshops im Rahmen des BMBF-Projektes PflegeWert teilgenommen, eine systematische Umsetzung der hier kennengelernten Maßnahmen über den persönlichen Einfluss des Pflegedienstleiters hinaus wurde aber verschoben, insbesondere weil andere Projekte und die anstehenden Umbaumaßnahmen alle Kapazitäten banden Altenhilfe St. Gereon, Hückelhoven Bei den PIA-Aktivitäten in der Einrichtung St. Gereon wurden verschiedene Maßnahmen i.d.r. mit der Geschäftsführung vorbesprochen und dann mit verschiedenen Projektteams und z.t. mit dem gesamten erweiterten Führungsteam, dem auch die Mitarbeitervertretung angehört, konkretisiert und zur Umsetzung gebracht. Das erste anstehende Thema war im Jahr 2009 die Begleitung der strategischen Neuausrichtung der Gesamteinrichtung. Dabei wurde eine Erweiterung der Einrichtung beschlossen, indem zusätzlich zur stationären Pflege und zum betreuten Wohnen die Angebotsbereiche ambulante Pflege und Tagespflege an den Markt gehen sollten. Die Neueröffnung einer Tagespflege in Linnich im Oktober 2009 sowie die Vorbereitungsarbeiten für den Marktzugang eines ambulanten Dienstes ab wurden unterstützt. Im Jahr 2010 wurden im Rahmen des PIA-Projektes die in 2009 begonnene Unterstützung des Konzepts Mitunternehmertum in der Einrichtung fortgeführt, 3 Mitarbeiter/innen beteiligten sich an der PIA-Weiterbildung Innovationsmanager/in Pfle- 34

34 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick ge und die neu an den Markt gegangenen Angebote Tagespflege und Ambulanter Dienst entwickelten sich positiv. Im September 2010 wurde auf einem zweitägigen Führungskräfte-Workshop mit 20 mittleren und höheren Führungskräften und der Mitarbeitervertretung ein detaillierter Verhaltenscodex für alle Mitarbeiter/innen der Einrichtungen sowie ein entsprechendes Führungsleitbild erarbeitet. Im Rahmen der Kooperation mit MA&T in PIA wurde gemeinsam von St. Gereon, MA&T und der IHK Aachen eine innovative Weiterbildung zum Ernährungsbeauftragten für stationäre Einrichtungen IHK entwickelt, die im 2. Halbjahr 2010 erstmals angeboten wurde. Es wurde keine systematische Evaluation der Projektergebnisse von PIA bei St. Gereon durchgeführt, aber die Tatsache, dass die Altenhilfe St. Gereon beim Bundeswettbewerb des BMA Beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen auf Bundesebene in 2010 einen 12. Platz und in 2011 einen 2. Platz errang, gilt allen Beteiligten als Beleg für eine erfolgreiche Arbeit. 2.4 Die PIA-Projekte in Einrichtungen der ambulanten Pflege Fauna e.v., Aachen Da die Fauna bereits verschiedene interne Innovationsprojekte unter Beteiligung der Pflegekräfte erfolgreich abgeschlossen hatte, entschied sich die Geschäftsführung, im Rahmen von PIA kein eigenes Innovationsprojekt auf die Beine zu stellen, sondern den Schwerpunkt der PIA-Aktivitäten auf die Beteiligung an der überbetrieblichen Maßnahmenschiene des Projektes zu setzen. So haben mehrere Mitarbeiter/innen und Führungskräfte der Fauna an dem Kommunikationsseminar für Mitarbeiter/innen und für Führungskräfte, an dem PIA Workshop zum Thema Palliativpflege, an der Veranstaltung Überleitungsmanagement, an der PIA Fachtagung am sowie an verschiedenen Terminen des AK Ambulante Pflege teilgenommen. So konnten punktuelle Impulse aus dem PIA-Projekt aufgenommen werden. Durch Geschäftsführung und Pflegedienstleitung wurde diese Art der Beteiligung an dem Projekt positiv bewertet (vgl. auch Kapitel 7.9), eine systematische Evaluierung hat nicht stattgefunden. 35

35 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen Visitatis GmbH, Aachen Auch bei Visitatis wurde kein explizites Projektlenkungsteam gebildet, sondern die einzelnen Maßnahmen wurden zwischen der Geschäftsführung und den PIA- Projektmitarbeiter/innen schrittweise abgesprochen. Auch auf die systematische Abarbeitung eines zentralen Innovationsprojektes wurde verzichtet. Stattdessen wurden aufbauend auf einer breiten Mitarbeiterzufriedenheitsbefragung, die gute Ergebnisse brachte, einzelne Teilprojekte definiert und zügig abgearbeitet. Dabei stand zunächst die Qualifizierung von Mitarbeiter/innen im Teambasierten Projektmanagement im Zentrum der Aktivitäten. Diese Qualifizierung wurde mit fünf Mitarbeiter/innen von Visitatis im 1. HJ 2010 durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen (Referenten: P. Fuchs-Frohnhofen, M. Borutta). Mit dieser Weiterbildung, in der beispielhaft das Projekt Verbesserung der Übergabesystematik in verschiedenen Teams des Pflegedienstes angegangen wurde, sollte erreicht werden, dass in Zukunft ähnliche Innovationsprojekte auch mit nur geringer Beteiligung der Geschäftsführung von Mitarbeiter/innen selbständig abgearbeitet werden könnten. Ein zweites Teilprojekt bestand in der Konzipierung und Durchführung eines Workshops, der zum Ziel hatte, die Mitarbeiter/innen zu befähigen, regelmäßig Abstand von der auch emotionalen Einbindung in Alltagsprobleme des ambulanten Dienstes und der Pflegebedürftigen zu bekommen und aus diesem inneren Abstand heraus Probleme besser lösen und kleine Projekte trotz der Anforderungen der Alltagsarbeit besser bewältigen zu können. Visitatis war außerdem Gastgeber für den PIA-Workshop ambulante Pflege am und hat sich mit mehreren Beiträgen am PIA-Rundbrief Nr. 4 beteiligt. Weitere Informationen zum PIA-Projekt bei Visitatis finden sich in Kapitel Übergreifende Ziele und Ergebnisse in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten Für die einrichtungsspezifischen Innovationsprojekte im Rahmen von PIA seien die folgenden Zielvorstellungen hier nochmals wiederholt: Beruflich Pflegende sollten in den Einrichtungen weniger als Kostenfaktor und mehr als Innovatoren wahrgenommen werden. Die Beschäftigungsfähigkeit beruflich Pflegender sollte durch die Steigerung ihrer Innovationsfähigkeit verbessert werden. Notwendige innerbetriebliche Reformen und Innovationen sollten unter Beteiligung der Pflegenden angestoßen und umgesetzt werden. Auch ohne eine aus Zeit- und Kostengründen nicht realisierbare systematische Evaluation kann nach Ablauf der zweijährigen Projektlaufzeit festgestellt werden: 36

36 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick 3.1 Pflegende in der Innovatorenrolle Das Ziel, beruflich Pflegende in eine Innovatorenrolle zu bringen und bei den Pflegenden selbst und bei den Einrichtungsleitungen das Bewusstsein dafür zu fördern, dass diese Rolle auch zum Kompetenzbereich der Pflegekräfte gehört, konnte in allen Modelleinrichtungen mit unterschiedlicher Ausprägung erfüllt werden. Pflegende haben aktiv an allen einrichtungsspezifischen Innovationsprojekten mitgewirkt und sind in ihrer Einrichtung auch in dieser Rolle sichtbar geworden. Sie haben z.t. auch unterstützt durch darauf bezogene explizite Qualifizierungsmaßnahmen (vgl. Kap. 11 oder das Beispiel Visitatis in diesem Beitrag) für sich selbst gelernt, dass sie in der Lage sind, in teambasierten Innovationsprojekten mitzuwirken und den Einrichtungsleitungen ist bewusst geworden, dass sie auf die Innovationskompetenz dieser Mitarbeitergruppe vertrauen kann. Wie tragfähig dieser Kompetenzzuwachs der Pflege auf mittlere und lange Sicht ist, wird wesentlich von den Führungskräften, insbesondere von den Geschäftsführungen, Einrichtungsleitungen und Vorständen abhängen. Ihre Aufgabe ist es, auch in Zukunft Aufgabenstellungen und Freiräume zu definieren, damit Pflegende weiter als Innovatoren wirksam werden können. Wenn es den Leitungen gelingt, den Pflegenden so auch weiterhin eine aktive Rolle in der Organisationsentwicklung zukommen zu lassen, dann können sie an positive Erlebnisse im PIA-Projekt anknüpfen und haben eine gute Chance, die eigene Einrichtung im Wettbewerb um Kunden und um gute Mitarbeiter/innen voranzubringen. In einer Reihe der PIA-Modelleinrichtungen sind gute Anzeichen für das zukunftsfähige Verfolgen dieser Linie zu erkennen. Wenn aber Leitungen Partizipation nur als Luxus in einem Projekt begreifen, später den Pflegenden das notwendige Vertrauen nicht entgegenbringen und nicht einen Teil der Moderationsrolle zu übernehmen, die in PIA das Projektteam wahrgenommen wurde, dann besteht die große Gefahr, dass Pflegekräfte sich wieder zurückziehen. Auch hierfür gibt es in einigen der PIA-Modelleinrichtungen leider Anzeichen. 3.2 Verbesserungen der Beschäftigungsfähigkeit beruflich Pflegender Dieses Ziel ist im Rahmen von PIA ebenfalls erreicht worden. Aus allen beteiligten Einrichtungen wird berichtet, dass es gelungen ist, vor allem diejenigen Pflegekräfte, die sich in Projekte und Qualifizierungsmaßnahmen des PIA-Projektes aktiv eingebracht haben, zu einem bewussteren und reflektierteren Umgang mit ihrer beruflichen Rolle und Situation zu motivieren und zu einer bewussten Weiterentwicklung ihrer beruflichen Kompetenzen anzuregen. Dabei ist deutlich geworden, dass diejenigen Pflegekräfte, die ihre eigene Rolle aktiv mit definieren, die sich fragen Wohin entwickelt sich meine Rolle und welche Kompetenzen benötige ich in meinem Beruf heute und in Zukunft? und die darauf aufbauend ihre Kompetenzen durch Qualifizierungsmaßnahmen oder on the job regelmäßig erweitern, sich um ihre Beschäfti- 37

37 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen gungsfähigkeit wenig Sorgen zu machen brauchen. Hinzu kommen zwei für die Beschäftigungsfähigkeit positive Effekte: zum einen ist durch das PIA-Projekt in allen beteiligten Einrichtungen das Thema Gesundheitsförderung der Mitarbeiter/innen mitbehandelt worden und Gesundheit ist eine der Voraussetzungen für Beschäftigungsfähigkeit und zum anderen steigt durch den demographischen Wandel die Nachfrage nach Pflegekräften in allen Einrichtungsformen, was sich wiederum auf die Beschäftigungsfähigkeit der vorhandenen Mitarbeiter/innen positiv auswirkt. 3.3 Anstoßen innerbetrieblicher Reformen und Innovationen Wie die Berichte aus den Einrichtungen in Abschnitt 2 dieses Kapitels zeigen, sind in fast allen beteiligten Einrichtungen Innovationsprojekte angestoßen und mehr oder weniger weit umgesetzt worden. Diese Innovationsprojekte waren unterschiedlicher Natur, so reicht die Spanne von der Entwicklung und Markteinführung ganz neuer kundenbezogener Angebote und Dienstleistungen der Einrichtung bis zu Verbesserungen der internen Abläufe und Kommunikationsstrukturen. Auch in diesem Themenfeld lässt sich sagen, dass es für die Zukunftsfähigkeit der Einrichtungen aus heutiger Sicht wesentlich erscheint, wie es gelingt, Veränderungen der Märkte und finanziellen Rahmenbedingungen des eigenen Geschäfts sowie Änderungen in der Mitarbeiterkultur und in den Arbeitsmärkten zu reflektieren und mit durchdachten Konzepten darauf zu reagieren. Dabei müssen Innovationen nicht immer völlig Neues und nie Dagewesenes beinhalten, wie es Politik oft in Bezug auf Forschungs- und Förderprojekte fordert, sondern Innovationen können auch kleinschrittig sein und manchmal auch eine Rückbesinnung auf Stärken der Vergangenheit bedeuten, die verloren gegangen sind. Wichtig ist es, in den Einrichtungen anknüpfend an die Erfahrungen des PIA-Projektes eine Kultur weiterzuentwickeln, die hilft, auf von außen kommende Veränderungen nicht nur mit Abwehrverhalten zu reagieren, sondern einen eigenen gestalterischen Standpunkt einzunehmen. Diejenigen Einrichtungen, in denen eine Grundhaltung zu erkennen ist, die aussagt Wir gestalten gemeinsam über alle Berufsgruppen mit allen Mitarbeiter/innen unsere Zukunft aktiv mit und sind grundsätzlich innovationsfreundlich! erscheint zukunftsfähiger zu sein, als eine Haltung, die auch noch teilweise in einigen Einrichtungen anzutreffen und durch die folgenden beispielhaften Aussagen gekennzeichnet ist: früher war alles besser jede Reform bringt nur Nachteile. man sollte uns nur in Ruhe arbeiten lassen warum wollen Pflegende studieren dass hat es früher auch nicht gegeben Chefärzte sind bzgl. ihres Führungsverhaltens sowieso lernunfähig das können Pflegekräfte doch gar nicht beurteilen wir haben jetzt schon zu viel Arbeit, da kann jede Innovation nur schädlich sein. 38

38 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick 4. Die einrichtungsübergreifenden Maßnahmen im PIA-Projekt Im Rahmen des PIA Projektes sollte durch verschiedene einrichtungsübergreifende Aktivitäten erreicht werden, dass Pflegebereiche von Krankenhaus, stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen voneinander- und miteinander lernen und die Pflegebranche in der Gesundheitsregion Aachen ihre Innovations- und Kooperationsfähigkeit entdeckt, reflektiert und weiterentwickelt. Dazu sind die im Folgenden tabellarisch aufgeführten Maßnahmen durchgeführt worden: Veranstaltungen und Maßnahmen zur Förderung der Synergien unter den verschiedenen Pflegebereichen und zur besseren Platzierung der Pflege in der Gesundheitsregion Aachen Was? Wann? Wo? Wer? Auftaktveranstaltung PIA Eurogress 32 TN Aachen Herausgabe PIA-Flyer MA&T Würselen Auflage 2000 Online-Schaltung der Internet MA&T Würselen Präsenz Verlinkung mit Herausgabe PIA-Rundbrief Nr MA&T Würselen Auflage 600 PIA-Workshop Überleitungsmanagement und Integrierte Versorgung Städteregionshaus Aachen 28 TN Herausgabe PIA-Rundbrief Nr. 2 03/2010 MA&T Würselen Auflage 900 PIA-Fachkonferenz Pflegearbeit Maria im Venn, 90 TN und Pflegebildung 2020 Beteiligung an Talkrunde "Integration, Prävention, High-Tech" beim Gemeinschaftsauftritt Gesundheitswirtschaft.NRW auf dem Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit Beitrag zum Magazin Wirtschaftliche Nachrichten der IHK Aachen, Auch die Pflege braucht Innovationen Vennwegen Berlin 50 TN, P. Fuchs- Frohnhofen 05/2010 Aachen Auflage: Beteiligung an der Woche der TZ Aachen 50 TN 39

39 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen Gesundheitswirtschaft in der Region Aachen Beteiligung an der Zeitschriftenausgabe Gesundheitsregion Aachen der Wirtschaftsbild Juni 2010 Aachen Auflage: 7500 PIA-Rundbrief Nr. 3 06/2010 MA&T Würselen Auflage 900 PIA-Rundbrief Nr. 4 11/2010 MA&T Würselen Auflage 1200 Mitwirkung des PIA- Projektteams und verschiedener Vertreter von PIA- Modelleinrichtung bei den versch. Aktivitäten des Ideenzirkels Pflege in der Städteregion Aachen 2010 u Aachen div. TN PIA-Abschlusskonferenz 4/2011 SBZ Eschweiler 95 TN Veranstaltungen und Maßnahmen für die Pflege im Krankenhaus PIA-Arbeitskreis Krankenhaus zum Thema: Entlastung der Pflegekräfte von Pflegefremden Tätigkeiten MA&T Würselen 7 TN PIA-Arbeitskreis Krankenhaus zum Thema: Gute Pflege älterer und demenzerkrankter Patient/innen KKH Mechernich 13 TN Veranstaltungen und Maßnahmen in der stationären Altenpflege PIA-Arbeitskreis Palliativpflege PJS Aachen 17 TN PIA Workshop Zukunftsperspektive in der Altenpflege Gereonsweiler, Christinenstift 30 TN PIA-Workshop Zukunftsperspektive Carpe Diem, 45 TN Altenpflege aktuelle Ansätze für Ausbildung und Arbeitsgestaltung Aachen PIA-Arbeitskreis Stationäre Altenpflege zum Thema Zusammenarbeit Hauswirtschaft-Pflege und Ernährung im WTG MA&T Aachen 16 TN Veranstaltungen und Maßnahmen in der ambulanten Pflege PIA-Workshop Innovationen in der ambulanten Pflege Visitatis, Laurensberg, Aachen 23 TN 40

40 3. Das Modellprojekt PIA ein Überblick PIA-Arbeitskreis ambulante Pflege zum Thema: Arbeitsgestaltung und Mitarbeitergewinnung in der ambulanten Pflege PIA-Arbeitskreis ambulante Pflege zum Thema: ambulant betreute Wohngemeinschaften und WTG MA&T Würselen 10 TN MA&T Würselen 12 TN Spezifische und übergreifende Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen von PIA PIA-Seminar Kommunikation und Körpersprache für Mitarbeiter der Pflege MA&T Würselen 8 TN PIA-Seminar Kommunikation und Körpersprache für Führungskräfte der Pflege PIA-Weiterbildungsreihe Innovationsmanagement in der Pflege PIA-Seminar mit Frau Schönhofer-Nellessen zum Thema Hospizliche Haltung und Palliativpflege für Demenzkranke Termine in und MA&T Würselen 17 TN Wechselnde Orte, z.t. bei den PIA- Betrieben vor Ort Papst Johannes- Stift, Aachen 8 TN 12 TN U.a durch die hier aufgezeigten Aktivitäten konnten die angestrebten Ziele erreicht werden. Die Einrichtungstypen Krankenhaus, stationäre Altenpflege und ambulante Pflege in der Region sind sich näher gekommen und gemeinsame Lernprozesse sowohl zwischen gleichen Einrichtungstypen als auch einrichtungstypübergreifend konnten angestoßen werden. Besonders deutlich und fokussiert fanden die einrichtungstypübergreifenden Lernprozesse auf den zwei PIA-Konferenzen und im Rahmen der Weiterbildungsreihe Innovationsmanagement statt (vgl. Kapitel 11 dieses Buches), denn in diesen Veranstaltungstypen kamen Vertreter/innen aller Einrichtungstypen zusammen, berichteten sich gegenseitig über ihre Projekte und versuchten, ein gemeinsames und übergreifendes Profil des Pflegeberufes weiterzuentwickeln (vgl. die Abschlussdeklaration der PIA-Fachkonferenz vom am Ende dieses Buches). Lernprozesse zwischen gleichen Einrichtungstypen wurden vor allem in den drei einrichtungstypspezifischen Arbeitskreisen angestoßen. Insgesamt konnte durch die verschiedenartigen Maßnahmen auch das Ziel, die Pflegebranche in der Gesundheitsregion Aachen dabei zu unterstützen, ihre Innovationsund Kooperationsfähigkeit zu entdecken und weiterzuentwickeln, erreicht werden. 41

41 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort, Ulrike Lenzen Kooperationshindernisse konnten abgebaut werden und gemeinsame Lernprojekte zwischen mehreren Einrichtungen wurden angestoßen. Langfristig wird es von großer Bedeutung sein, die in dieser Region und darüber hinaus angestoßenen Entwicklungen zu stabilisieren und nachhaltig zu gestalten. Diese Aufgabe gehen wegen der erreichten Erfolge und Vernetzungen alle Beteiligten mit großem Optimismus an (vgl. hierzu die Kapitel 5, 6, 14 und 16 in diesem Buch). 42

42 4. Wie kommt das Neue in die Organisation? Systemische Lernanstöße für Pflegeeinrichtungen Manfred Borutta Inhalt 1. Einführung 2. Pflegerische Defizite trotz Qualitätsprüfungen 3. Probleme der Umsetzung pflegewissenschaftlichen Wissens in der Pflegepraxis 4. Systemtheoretische Analyse 5. Literatur 1. Einführung Der folgende Beitrag thematisiert die Problematik der angesichts vielfältig vorliegender pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse festzustellenden Umsetzungshemmnisse in Pflegeeinrichtungen. Wie kommt es nach 15-jähriger Qualitätsdiskussion zu den hinlänglich bekannten Qualitätsdefiziten in kernpflegerischen Bereichen? Mit welchen Hindernissen haben es Innovatoren zu tun, die neue Erkenntnisse an die Strukturen von Pflegeeinrichtungen zeitstabil ankoppeln möchten? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit das Neue eine Chance hat, hinreichend Wirkung in der Organisation zu entfalten? Diagnostik und Vorschläge zur Therapie der beschriebenen Dysfunktionalitäten sind dabei systemtheoretisch ausgerichtet. Im Gegensatz zu einer linearen Betrachtungsweise werden in einer polykontexturalen Beobachtung unterschiedliche Referenzebenen (Organisation, Personen) einbezogen. 2. Pflegerische Defizite trotz Qualitätsprüfungen Auch nach 15 Jahren gesetzlich definierter und determinierter Qualitätsprüfungen sind Defizite in kernpflegerischen Bereichen nicht von der Hand zu weisen. Einer aktuelle Untersuchung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Rheinland- Pfalz zufolge weist die überwiegende Mehrheit der ambulanten Dienste und der stationären Pflegeeinrichtungen erhebliche Defizite in der Umsetzung kernpflegerischer Anforderungen (in den Bereichen Flüssigkeitsversorgung, Ernährung, Dekubitusprophyla- 43

43 Manfred Borutta xe, Dekubitusversorgung, Sturzprävention und gerontopsychiatrische Pflege) auf. (vgl. zu den konkreten Ergebnissen Kap. 11 Pkt. 1) Dabei handelt es sich um Anforderungen, die im Kontext der zivilrechtlichen Garantenstellung (Gewährleistung einer fachgerechten Pflege nach dem state-of-the-art-prinzip) hoch relevant sind. Auf diesen Punkt in der Pflegepraxis weisen auch die Daten des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e.v. (MDS) in dem 2007 veröffentlichten 2. Bericht zur Qualität in der ambulanten und stationären Pflege (nach 118 Abs. 4 SGB XI) hin (MDS 2007, S. 15ff). Auch wenn diese allgemein kritisch zu bewerten sind (vgl. Borutta & Ketzer, 2009; Borutta, 2009a) und einer pflegewissenschaftlichen Evaluation zu unterziehen wären, so liefern sie durchaus einen ersten allgemeinen Überblick 1 : Amb. Mängelthemen kernpflegerischen Feldern Stat. 30% Mängel im Bereich Ernährung und Flüssigkeitsversorgung 34% 22% Defizite in der Inkontinenzversorgung 16% 42% Versorgungsdefizite in der Dekubitusprophylaxe 36% 22% Mängel in der Versorgung gerontopsychiatrisch beeinträch-30tigter Menschen (FE-Maßnahmen u.a.) 20% Keine Ursachenanalyse bei Sturz u.a. kritischen Situationen 14% 40% Pflegekonzept nicht bekannt 25% Abb. 1: Mängelthemen in kernpflegereichen Bereichen (Quelle: MDS 2007) 3. Probleme der Umsetzung pflegewissenschaftlichen Wissens in der Pflegepraxis Hat neues Wissen in Pflegeorganisationen eine Chance? Die Pflegewissenschaftlerin D. Schaeffer weist darauf hin, dass landauf landab die Klage zu hören ist, dass neues Wissen an der Pflegepraxis abprallt und ergo nicht aufgegriffen wird. ( ) Seit vor ungefähr einem Jahrzehnt begonnen wurde, mit großer zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland Pflegewissenschaft zu etablieren, wurde in kürzester Zeit eine Fülle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Konzepte erarbeitet, die jedoch keineswegs so ihren Weg in die Praxis finden, wie einst erhofft. (Schaeffer, 2006). 1 Auf die Problematik der Erfüllung wissenschaftlicher Gütekriterien [Reliabilität (Zuverlässigkeit), Validität (Gültigkeit) etc.] kann hier nicht näher eingegangen werden. Gerade vor dem Hintergrund der Problematik der neuen Pflegetransparenz-Verordnung (PTVS) zeigen sich aus wissenschaftlicher Sicht aktuell die Schwächen der Prüfinstrumente des MDS. 44

44 4. Wie kommt das Neue in die Organisation? Systemische Lernanstöße Ausgemachte Handlungsdefizite können nicht von der Betrachtung der Erkenntnisprobleme abgekoppelt werden. Denn verändertes Handeln setzt Erkennen voraus. Erkennen setzt Beobachtung voraus. Beobachtung bedeutet differenzieren und diskriminieren, bedeutet in Pflegewissenschaft und Pflegepraxis das Arbeiten mit Unterscheidungen, die zu neuen Unterscheidungen führen (Unterschiede, die Unterschiede bewirken; G. Bateson). Das gilt für psychische Systeme (Mitarbeiter/innen) und soziale Systeme (Organisationen) gleichermaßen. Mit herkömmlichen Bildungsansätzen aus dem quartären Bereich von Fort- und Weiterbildung kann der von Schaeffer und anderen beschriebenen Wissensinhibition nicht begegnet werden. Denn die strukturelle Kopplung an der Schnittstelle zwischen dem Lernen von Mitarbeiter/innen (systemisch: psychischen Systemen) und dem Lernen von Organisationen (sozialen Systemen) bleibt in den klassischen Formen der Wissensvermittlung unberührt. Es kommt zu keiner nachhaltigen und tragfähigen Ausprägung veränderter Verhaltensweisen auf der personalen Ebene und zu keinen diese tragenden strukturellen Veränderungen. Bildungsangebote dieser Art bleiben somit in der Regel als Als-ob-Intervention (vgl.: Ortmann, 2004) im Gestrüpp redundanter Organisationsregeln hängen. Mit Bezug auf M. Hunt (1984) und S. Saxer (2002) arbeitet H. Brandenburg (2005) in seiner Untersuchung zum Problem der Umsetzung pflegerischen Fachwissens in der Pflegepraxis fünf Gründe heraus, warum pflegewissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungsergebnisse vom Pflegepersonal kaum genutzt werden: 1. Pflegefachkräfte wissen nichts darüber Hier stehen aus systemtheoretischer Perspektive Fragen der Apperzeptionsmöglichkeiten (der bewussten Wahrnehmung von Sachverhalten bzw. Gegenständen) sowie der Exernalisierung von implizitem zu explizitem Wissen und der Kombination von explizitem zu explizitem Wissen im Vordergrund. 2. Pflegefachkräfte verstehen sie nicht Hier geht es aus systemtheoretischer Perspektive um Fragen der Anschlussfähigkeiten und damit der Form der strukturellen Koppelung. 3. Sie misstrauen ihnen Hiermit wird vor allem die Frage der Affinität zu den Themen, den Organisationen und den Personen angesprochen. 2 2 Personenvertrauen ist stets an das Handeln konkreter Personen (soziale Adressaten) gebunden. Es ist damit eine Frage des Taktes (ein Verhalten, mit dem Person A sich als diejenige darstellt, die Person B als Partner braucht und - vor allem - akzeptiert). Das bedeutet eine Reduktion der Selbstdarstellungsmöglichkeiten zugunsten eines kommunikativen Handelns (J. Habermas). Organisationsvertrauen ist an die Deckung der Leistungsfähigkeit der jeweiligen Medien (z.b. des Mediums Wissen) gebunden: Kann das von der Forschungsinstitution zur Verfügung gestellte (externalisierte) Wissen von den Pflegepraktikern angenommen werden? 45

45 Manfred Borutta 4. Sie wissen sie nicht anzuwenden Thematisiert wird hiermit die Frage der situativen Aufbereitung bzw. Nutzung des Wissens; Praxis Theorie Praxis Transfer Sie dürfen sie nicht anwenden Dies betrifft Fragen der organisationalen Kontexte und der strukturellen Vorgaben. Diese fünf Gründe sind im Zusammenhang zu sehen. Eine Analyse und Bearbeitung eines Grundes ohne Analyse (und Bearbeitung) der anderen Gründe löst nicht das Problem. Mit Bezug auf entsprechende Studien (Dufault et al., 1999) hat H. Brandenburg (2005) folgende Merkmale herausgearbeitet, die für die Umsetzung von Forschungsbefunden und pflegewissenschaftlichem Wissen in Organisationen relevant sind: a) Charakteristika der Pflegeperson Informationsstand der Pflegepersonals Einstellung des Personals gegenüber Forschung Fähigkeit zur Nutzung von Forschungsergebnissen Fähigkeit zur Übertragung auf lokale Gegebenheiten Dufault et al. (1999) stellen hierzu fest, dass selbst dann, wenn Pflegeforschungsergebnisse den Praktikern bekannt sind, diese nur gelegentlich zur Anwendung kommen. Von besonderer Bedeutung ist die Bereitschaft der Pflegenden, die bisherige Praxis in Frage zu stellen und für Neuerungen offen zu sein. Die Nutzung von Forschungsbefunden hängt aber nicht nur von der Bereitschaft und dem Engagement Einzelner ab. b) Charakteristika der Organisation Offenheit für Forschung innovatives Klima der Einrichtung Organisationskulturen, die ein Forschungsklima fördern, weisen demnach folgende Merkmale auf: [1] eine positive Grundhaltung gegenüber wissenschaftsbasierten Innovationen, [2] geregelte und enge Kommunikation der Mitarbeiter/innen und [3] die Einbeziehung der Mitarbeiter/innen in die Entscheidung, Innovationen einzuführen. Das Management muss die entsprechenden zeitlichen und personellen Ressourcen zur Verfügung stellen. Diesbezüglich braucht es Foren und Diskussionsmöglichkeiten (als community of practice). 3 D.h., Vermeidung eines Theorie-Poiesis-Kurzschlusses (vgl. W. Böhm,1995) 46

46 4. Wie kommt das Neue in die Organisation? Systemische Lernanstöße c) Charakteristika der Forschungsarbeiten und Zugang zu Forschungsergebnissen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit von Fachliteratur (in Bibliotheken) Verständlichkeit und Übertragbarkeit Praxisbezug der Forschung Wissenschaftliche Fachliteratur und Recherchemöglichkeiten zur Gewährleistung einer evidenzbasierten Pflege (evidence-based-practice) müssen für Pflegefachkräfte leicht zugänglich gemacht werden. Sie müssen des Weiteren darin geschult sein, zielführend und fallorientiert recherchieren zu können. Die Unterstützung durch Pflegeforscher, welche ernsthaft daran interessiert sind, sich auf Probleme der Pflegepraxis einzulassen, stellt eine weitere Voraussetzung dar. Dabei dürfen auch Kontexte (Rahmenbedingungen, Ressourcen, Milieus etc.) von der Pflegeforschung nicht ausgeblendet werden. 4. Systemtheoretische Analyse 4.1 Was hemmt die Annahme neuen Wissens in der Pflegepraxis? Die Kunst nicht zu lernen (Simon, 2002) birgt nicht nur Gefahren für Organisationen und ihre Mitglieder (Mitarbeiter/innen). F.B. Simon betrachtet Nicht-Lernen auch als eine funktionale Form der Vermeidung von Destabilisierung in Organisationen. Denn Organisationen wie Pflegeeinrichtungen und -dienste sind darauf angelegt, Routinen aufrecht zu erhalten. Lernen wird im systemtheoretischen Theorie- und Organisationsverständnis deshalb als ein destabilisierender Vorgang verstanden, der das Verlernen bekannter und vertrauter Routinen und Reaktionen voraussetzt, damit das Erlernen neuer Reaktionen und Routinen (von denen man zunächst nicht weiß, ob und wie sie sich bewähren werden) überhaupt eine Chance erfährt. Insofern stellt der Begriff von der lernenden Organisation ein Oxymoron dar: Organisationen sind auf Vermeidung von Abweichungen angelegt, damit sie ihre Prozesse und Routinen mehr oder weniger stabil durchhalten können. Lernen stellt demgegenüber einen destabilisierenden Prozess dar, der die Organisation verunsichern kann. Systemtheoretisch betrachtet bedeutet jede Form von Lernen in Organisationen damit eine Inszenierung von Konflikten. Konflikte, bezogen auf Anlässe und Routinen bzw. Reaktionsweisen: Die einen sehen Anlässe zur Veränderung, fordern jedoch andere Reaktionen. Andere sehen diese Anlässe nicht oder bewerten sie anders und fordern die Beibehaltung der Routinen. Nicht-Lernen bedeutet insofern immer auch das Vermeiden von (neuen) Verhaltensweisen, die zu neuen Unterscheidungen führen könnten. Die Kompetenz einer Organisation kann sich aber eben genau auch darin zeigen, Abweichungen nicht zuzulassen und damit funktionale Prozesse nicht in Frage zu stellen, 47

47 Manfred Borutta weil sie sich dadurch möglicherweise einer Ungewissheit einhandelt, die für die Organisation dysfunktional wäre (Borutta, 2006). Denn ihr eigenes Programm können Organisationen nur durchhalten, wenn sie sich gegenüber ihrer Umwelt operativ (nicht kognitiv!) abdichten. Nur hierdurch erlangen sie ein gewisses Maß an Autonomie gegenüber ihrer Umwelt. U.a. mit Hilfe normativer Verhaltenserwartungen an Mitarbeiter/innen (Organisationsmitgliedern), Kunden und Kooperationspartnern und anderen immunisieren sich Organisationen wie Altenheime, Krankenhäuser und ambulante Dienste gegen Erwartungsenttäuschungen. Normative Verhaltenserwartungen beschreiben ein funktionales Verhalten, bei dessen Vorhandensein die Organisation anschlussfähig ist. Andere Verhaltensweisen werden abgelehnt und führen im System (der Organisation) auch nicht zu verändertem Verhalten. Mit Hilfe kognitiver Verhaltenserwartungen halten sich Organisationen hingegen enttäuschungsbereit. Abweichende Erfahrungen bieten in diesem letzteren Sinne immer die Chance der Überprüfung und des Infragestellens des eigenen Wissens und des eigenen Regelwerks. 4.2 Organisationale Kompetenzentwicklung: Wie können Pflegeeinrichtungen neues Wissen generieren? Pflegeinnovationen (wie bspw. die Einführung von Expertenstandards) können also nur durch und mit der Pflegeorganisation generiert werden. Die Chancen, Innovation von außen in die Organisation hineinzutragen z.b. über zentrale Fort- und Weiterbildungen, Fachberatung etc. sind demgegenüber als äußerst bescheiden einzuschätzen. Organisationen sind systemtheoretisch dann als kompetent zu bezeichnen, wenn sie ihre Ressourcen zur Problemlösung bereitzuhalten imstande sind und Situationen erkennen können, in denen diese Ressourcen nicht ausreichend sind und durch Formen der strukturellen Kopplung mit der Umwelt ergänzt werden müssen. D. Baecker (2003) spricht hier (in Anlehnung an den Philosophen O. Marquard) von der Inkompetenzkompensationskompetenz, die sich kompetente Organisationen aneignen. Sie wissen, was sie können und was sie (noch) nicht können bzw. nicht (mehr) zu können brauchen. Und vor allem: Sie können das eine vom anderen gut unterscheiden. Über strukturelle Kopplung und nur hierüber ist eine zielgerichtete Irritation von Organisationen denkbar. Die von M. Wollnik (1998) untersuchten und beschriebenen Kopplungsoperationen wurden im PIA-Projekt aufgegriffen. Und sie wurden ebenfalls im Rahmen des Demenz-Label-Projekts des Amtes für Altenarbeit (StädteRegion Aachen) erfolgreich in Bezug auf die Etablierung eines diskursiv-reflexiven QM- Ansatzes in Kooperation mit sechs Projekteinrichtungen in Anwendung gebracht. PIA bot die Möglichkeit, diesen systemischen Interventionsansatz in Bezug auf die Generierung des für die Systemerhaltung und -weiterentwicklung der Pflegeeinrichtungen rele- 48

48 4. Wie kommt das Neue in die Organisation? Systemische Lernanstöße vanten Wissens projekthaft weiterzuentwickeln und in Bezug auf das Thema Wissensmanagement in Anwendung zu bringen. Der systemische Interventionsansatz nach Wollnik und Baecker knüpft an die je eigenen Beobachtungsregeln und -instrumente der Projektorganisationen und deren Relevanzkriterien an. Er analysiert und respektiert die Erfahrungsmuster und Erfahrungskontexte der Organisationen (als organisationales Gedächtnis) und respektiert die vorfindbaren (normativen und kognitiven) Verhaltenserwartungen der Pflegeeinrichtungen. Dies sind die wesentlichen Voraussetzungen zur Realisierung der vg. Kopplungsoperationen. Personale Kompetenzen spielen in dieser systemtheoretischen Perspektive des Wissensmanagements eine bedeutsame Rolle, denn soziale Systeme (Organisationen) können nicht wahrnehmen. Ihr Operationsmodus ist Kommunikation. Psychische Systeme (Mitarbeiter/innen) hingegen nehmen wahr, ihr Operationsmodus ist Bewusstsein. Bewusstsein wiederum fasziniert dann Kommunikation (z.b. in Einrichtungen), wenn es für soziale Systeme relevant ist, was da von Personen gedacht wird. Insofern stellt Bewusstsein die einzige vorstellbare Pforte dar, durch die Neues mittelbar Eingang in die Organisation finden kann (Groth, 2001). Organisationen filtern dabei das durch Personen Erlernte und benutzen es in parasitärer Weise für ihre organisationalen Zwecke (Borutta, 2007). Das, was die Organisation verlernt und erlernt bestimmt damit ihre kommunikative Alltagswirklichkeit; und es legt somit fest, ob bspw. Expertenstandards in die Routinen übergehen oder auf der Ebene der manageriellen Führungspredigt (Gärtner, 2009) verharren. Organisationsmitgliedern muss deshalb als Grundvoraussetzung zur Umsetzung innovativer Anforderungen eine entsprechende Plattform für Interaktionsmöglichkeiten geschaffen werden, die einen gemeinsamen Erfahrungskontext generiert (community of practice). Zentraler Ansatzpunkt ist also die strukturelle Kopplung zwischen psychischen Systemen (Mitarbeiter/innen) und dem sozialen System (Organisation) (Borutta, 2009b). Pflegeeinrichtungen können nur selbst lernen, aber sie lernen nicht immer von selbst. (Borutta, 2007). Deshalb braucht es nicht nur interessante Themen, sondern vor allem die Kenntnis der Operationsweisen der Organisation und ihrer Mitglieder. Denn jede Organisation selektiert, auf einer ersten Relevanzebene, ausschließlich mit systemeigenen Mitteln aus den angebotenen Daten (die bspw. die Expertenstandards zur Verfügung stellen) für sich entsprechende Informationen (= organisationsrelevante Daten). Und generiert im Anschluss daran, auf einer zweiten Relevanzebene, in Anknüpfung an seine eigenen systeminternen (historisch geprägte) Erfahrungsmuster, Wissen (als in diese Erfahrungsmuster eingebundene Informationen). (Neues) Wissen ist demnach in Organisationen anschlussfähig, wenn es diese beiden Formen der systeminternen Relevanzen zu tangieren versteht. Dies setzt entsprechende 49

49 Manfred Borutta Informationsanforderungen an jedes intervenierende System (Weiterbildung, Beratung etc.) voraus. 5. Literatur: Baecker, D. (2003): Organisation und Management, Frankfurt a.m. Bateson, G. ( 1987): Geist und Natur. Eine notwendige Einheit, Frankfurt a.m. Böhm W. (1995): Theorie und Praxis, Würzburg Borutta, M. (2006): Mit der Bürokratie gegen die Bürokratie. Die Entbürokratisierungsdebatte in der Altenpflege aus der Perspektive der neueren Systemtheorie. In: Printernet Zeitschrift für Pflegewissenschaft, 8. Jg., 06/2006, S Borutta, M. (2007): Von der lernenden zur kompetenten Organisation. Wissensmanagement in Pflegeeinrichtungen aus systemtheoretischer Perspektive. In: Printernet Zeitschrift für Pflegewissenschaft, 9. Jg., 02/2007, S Borutta, M. u. Ketzer, R. (2009): Die Prüfkonstrukte des Medizinischen Dienstes in der ambulanten und stationären Pflege. Eine genealogische Analyse der MDK-Prüfrichtlinien, Marburg Borutta, M. (2009a): Die Pflege-Transparenzvereinbarung als Irrweg. In: Dr. med. Mabuse, 34. Jg. Nr 180, 07/08/2009, S Borutta, M. (2009b): Wissensmanagement in Bildungseinrichtungen. Systemtheoretische Rekonstruktion eines Schlagwortes. In: Padua Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, 4. Jg., H 5 Brandenburg, H. (2005): Wie gelangt neues Wissen in die Praxis der Pflege? In: Printernet Zeitschrift für Pflegewissenschaft, 7. Jg., 09/2005, S Brandenburg, H.: Zwei Seiten einer Medaille. Der Theorie/Praxis-Transfer in der Pflege Mythen und gangbare Wege. In: Nightingale 2/2005, S Brandenburg, H. (2005): Strategien zur Qualitätssicherung der Pflege in Pflegeheimen - eine kritische Einschätzung. In: Maier, W. & Dibelius, O. (Hrsg.): Dokumentation des Demenzsymposiums Bonn 2009 Dufault, M.A. et al. (1999): Veränderung der Schmerz-Einschätzungspraxis von Pflegenden: Ein Ansatz kooperativer Forschungsanwendung. In: Pflege & Gesellschaft, 4. Jg., H 2, S Gärtner, H.W. (1997): Das Krankenhaus als lernende Organisation. Vortrag auf dem 4. Internationalen Symposion Qualität im Gesundheitswesen, Wien Juni 1997 (unveröffentlichtes Manuskript) Groth, T. (2001: Der Entscheidungsbegriff in Luhmanns Systemtheorie Überlegungen zu den Feldern Organisation, Innovation und Beratung (unveröffentlichtes Manuskript) Hunt, M. (1984): Why don t we use these findings? Nursing Mirror, No. 158, 29 Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.v. (MDS) (2007): 2. Bericht Qualität in der ambulanten und stationären Pflege, Essen Ortmann, G. (2004): Als ob. Fiktionen und Organisationen, Wiesbaden Saxer, S. (2002): Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis Hemmende und fördernde Faktoren. In: Printernet Zeitschrift für Pflegewissenschaft, 4. Jg., 04/2002, S Schaeffer, D. (2006): Wissenstransfer in der Pflege ein Problemaufriss. In: dies. (Hg.): Wissenstransfer in der Pflege. Ergebnisse eines Expertenworkshops, Bielefeld 50

50 4. Wie kommt das Neue in die Organisation? Systemische Lernanstöße Simon, F.B. (2002): Die Kunst nicht zu lernen, 3. Aufl., Heidelberg Wollnik, M. (1998): Interventionschancen bei autopoietischen Systemen. In: K. Götz (Hg.): Theoretische Zumutungen. Vom Nutzen der systemischen Theorie für die Managementpraxis, 2. Aufl., Heidelberg, S

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52 5. Vernetzung von Pflegeakteuren in einer Gesundheitsregion Konzept und Erfahrungen Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort Inhalt 1. Ziele der Netzwerkarbeit im Projekt PIA 2. Wichtige Leitprozesse von Netzwerkarbeit 3. Von der Initiierungsphase bis zur Nachhaltigkeit 4. Literatur 1. Ziele der Netzwerkarbeit im Projekt PIA Im Rahmen des PIA Projektes sollte durch verschiedene einrichtungsübergreifende Aktivitäten erreicht werden, dass Pflegebereiche im Krankenhaus, stationären und ambulanten Pflegeinrichtungen voneinander und miteinander lernen und die Pflegebranche in der Gesundheitsregion Aachen ihre Innovations- und Kooperationsfähigkeit entdeckt, reflektiert und weiterentwickelt. Dazu sollten wichtige Akteure aus der Alten- und Krankenpflege in der Gesundheitsregion Aachen vernetzt werden, um so gemeinsame Reflexionen vornehmen und übergreifende innovative Handlungsoptionen entwickeln zu können. Doch wie kann eine solche Vernetzung bewirkt werden und was sind die diesbezüglichen Erfahrungen im PIA-Projekt? 2. Wichtige Leitprozesse von Netzwerkarbeit Schaut man dazu in die Literatur, so werden zu den zentralen Netzwerkprozessen Kommunikation, Kooperation, Vertrauen, Reziprozität, Lernen und Handeln gezählt. Diese sollen unterstützt und gelenkt werden durch das Netzwerkmanagement (Backhaus et al., 2008, S. 51). 53

53 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort Das Netzwerkmanagement wurde in diesem Projekt durch MA&T ausgeführt, Unterstützung gab es insbesondere durch den bereits vor Projektbeginn sehr gut vernetzten Projektpartner Amt für Altenarbeit der Städteregion Aachen und die inhaltlichen Impulse durch das IAT, bei dem umfangreiche Erfahrungen aus Netzwerkprozessen in verschiedenen Gesundheitsregionen vorliegen. Bezogen auf die Pflegeakteure in der Gesundheitsregion Aachen (Städteregion Aachen und Landkreise Düren, Euskirchen und Heinsberg) gab es bei dem Projektkoordinator MA&T bereits zu Projektbeginn umfangreiche Kontakte, so dass die Netzwerkbildung im PIA-Projekt darauf aufbauen konnte und nicht bei Null anfangen musste. Wichtig für die Rolle als Netzwerkmanager oder besser Netzwerkmoderator oder -koordinator war, dass MA&T in der Pflegebranche eine fachkompetente und unabhängige Institution ohne wirtschaftliche oder verbandliche Verflechtung ist, was eine neutrale Netzwerkmoderation erleichterte. Darüber hinaus hat die Koordination die Kompetenzen aller regionalen Akteure anerkannt und sich selbst im Hintergrund gehalten. Zu den genannten zentralen Netzwerkprozessen kann aus PIA-Sicht kurz Stellung genommen werden: Kommunikation und Information wurde im PIA-Netzwerk über viele Einzelgespräche der Koordination, über die Webseiten und über zahlreiche s der Projektkoordination, über die vier Ausgaben des PIA-Projektrundbriefs, über die PIA Veranstaltungen (vgl. Kapitel 3) und über eine Reihe von Veröffentlichungen erreicht. Zentrale netzwerkbezogene Kommunikationsorte waren die Arbeitskreise, Workshops und Konferenzen des PIA- Projektes. Hierbei wurde von der Koordination großer Wert auf die aktive Beteiligung der regionalen Akteure und auf zeitliche Spielräume für Kommunikation und Austausch gelegt. Auch eine kommunikationsfördernde Atmosphäre mit geeigneten Räumlichkeiten, vernünftiger Versorgung und einem Moderationskonzept, dass Vielredner gelegentlich stoppt und Schüchterne zur Beteiligung motiviert, wurde etabliert. Kooperation wurde zunächst von den Projektpartnern MA&T, IAT und Amt für Altenarbeit Weise praktiziert. Dies bezog sich sowohl auf das Erstellen von Projektrundbriefen oder die Organisation und inhaltliche Ausgestaltung von Veranstaltungen aber auch auf kooperative Moderations- und Beratungsvorgänge in den einzelnen Modelleinrichtungen, die überwiegend von zwei Projektpartnern betreut wurden. Kooperationen zwischen den Einrichtungen wurden in gemeinsamen Weiterbildungen (Bsp. Palliativpflege oder Ernährungsbeauftragter) deutlich, aber auch in den einrichtungstypbezogenen Arbeitskreisen. So wurden im AK Ambulante Pflege vorbereitende Gespräche geführt, um zu gemeinsamen Aktivitäten zur Nachwuchsgewinnung für die Pflege zu kommen oder im AK Krankenhaus wurde gemeinsam an neuen Strategien für eine gute Pflege Demenzerkrankter im Krankenhaus gearbeitet. Kooperationen in dem Sinne, dass Einrichtungen neue Dienstleistungsangebote ge- 54

54 5. Vernetzung von Pflegeakteuren in einer Gesundheitsregion Konzept und Erfahrungen meinsam auf den Markt brachten oder Personal gemeinsam bzw. abgestimmt beschäftigten, wurden nicht realisiert. Vertrauen entsteht nach Erfahrung des PIA-Projektes aus Kennenlernen, Kommunikation, gemeinsamen Aktionen und aus gemeinsamen Lernprozessen. Dem Vertrauen stand verschiedentlich die Konkurrenzsituation der Pflegeeinrichtungen entgegen. Dabei gab es aber positive Erlebnisse über Vertrauen, z.b. dass offen über die eigenen Probleme geredet wird und dass Problemlösungsideen den anderen Beteiligten uneigennützig zur Verfügung gestellt werden, sowohl bei Einrichtungen, die in regionaler Konkurrenz standen als umso mehr bei Einrichtungen, die räumlich so weit voneinander entfernt waren, dass keine Konkurrenzsituation vorlag. Hier wirkte sich auch die Größe der Gesundheitsregion Aachen positiv aus, ein Netzwerk mit gleichartigen Einrichtungen z.b. nur in der Stadt Aachen hätte sicherlich größere Probleme. Reziprozität = Gegenseitigkeit bedeutete für das PIA-Projekt, dass alle Akteure sich möglichst sowohl zu Gebenden als auch zu Nehmenden von Ideen, Konzepten und Problemlösungsvorschlägen entwickeln sollten. Die Koordination bemühte sich darum, dass auch diejenigen Einrichtungen, die bezogen auf bestimmte Themenfelder Vorreiter- und Beispielfunktion hatten, in anderen Themenfeldern von Unterstützung und Erkenntnissen der Projektpartner oder anderer Einrichtungen profitieren konnten und für ihre besondere Rolle z.b. als Gast- und Impulsgeber einzelner Workshops besonders wertgeschätzt wurden. Lernen war ein zentraler Inhalt des gesamten PIA-Projektes, dabei standen die einrichtungsübergreifenden Lernprozesse in Weiterbildungen und Arbeitskreisen sowie auf Workshops und Konferenzen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Es wurde rasch deutlich, dass die Teilnehmenden auch in den Arbeitskreisen nicht nur Erfahrungsaustausch betreiben wollten, sondern dass Wert darauf gelegt wurde, dass es jeweils fachbezogene Inputs gab, die als Anstöße für gemeinsame Lernprozesse fungierten. Handeln im Netzwerk bedeutet, dass es gemeinsame netzwerkbezogene Aktivitäten geben muss, wie sie mit der umfangreichen PIA-Veranstaltungsliste dokumentiert werden (Kap. 3). Aus PIA sind aber auch Impulse gesetzt worden, um im Nachgang zu dem Projekt Arbeitskreise zu stabilisieren, neue Projekte gemeinsam anzustoßen und z.b. Vorarbeiten für die Gründung eines neuen Pflegebildungsinstitutes in der Region Aachen zu verabreden. Damit ein Netzwerk funktionieren kann, muss die Akteure eine gemeinsame Orientierung bzw. eine ähnliche Ausganglage verbinden. Aus dieser vergleichbaren Situation resultiert die Überzeugung, dass eine Kooperation für alle Akteure von Vorteil ist, was wiederum eine wichtige Voraussetzung für ein funktionierendes Netzwerk ist (Ahrens, 2004, S. 3). Eine überbetriebliche Kooperation stellt demnach die Möglichkeit dar, gleichartige Probleme mit vereinten Kräften zu bewältigen (Frevel, 1995, 55

55 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort S. 154). Da die Netzwerk-Partner, v.a. wenn sie in derselben Branche tätig sind, jedoch auch in Konkurrenz zueinander stehen, bewegt man sich bei der Arbeit in Netzwerken in einem Spannungsfeld von Konkurrenz und Kooperation (Frevel, 1995, S. 163). Dies wurde auch im PIA-Projekt deutlich. Eine gemeinsame Orientierung grundsätzlicher Art zur Situation und Zukunft der Pflege in Deutschland wurde erarbeitet und findet in der Deklaration Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 am Ende dieses Buches ihren Niederschlag. Das Spannungsfeld von Kooperation und Konkurrenz existierte auch in PIA z.b. zwischen benachbarten Einrichtungen, wurde aber in der überbetrieblichen Netzwerkarbeit i.d.r. so konstruktiv bearbeitet, dass es gemeinsame Lernprozesse nicht behinderte. Als wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung und das Fortbestehen von Netzwerken nennt Frevel die folgenden Punkte (Frevel, 1995, S. 160): Die Teilnahme an dem Netzwerk beruht auf Freiwilligkeit. Das Netzwerk hat keine festgelegten Grenzen. Die Netzwerk-Partner verfolgen eine gemeinsame Intention. Die Austauschprozesse im Netzwerk beruhen auf Gegenseitigkeit und sind im Gleichgewicht. Die folgenden Punkte stellen erfolgskritische Faktoren für den Aufbau und den Erhalt von Netzwerken dar (Frevel, 1995, S. 162, 163): Positives Ertrags-Kosten-Verhältnis, Offenheit, thematische Flexibilität, unmittelbare Problemlösungskompetenz, wechselseitiger Nutzen, Unmittelbarkeit von Kommunikation, räumliche Nähe, Spezifizität von Problemlösungskompetenz. 3. Von der Initiierungsphase bis zur Nachhaltigkeit Um die genannten Voraussetzungen für eine fruchtbare Netzwerk-Arbeit sicherzustellen, spielt das Netzwerkmanagement eine wichtige Rolle. Dieses kann in den drei Phasen, die ein Netzwerk durchläuft, wie folgt Einfluss nehmen. Der Lebenszyklus wird eingeteilt in die Initiierungs-, die Stabilisierungs- und die Verstetigungsphase von Ergebnissen (Backhaus et al., 2008, S ; Ahrens et al., 2004, S ). In der Initiierungsphase wird die Grundlage für die Netzwerkentwicklung gelegt. Die Kernakteure entwickeln und formulieren Visionen (Zukunftsvorstellungen) und Ziele. So entsteht die Netzwerkidee, die den Anstoß zur Netz- 56

56 5. Vernetzung von Pflegeakteuren in einer Gesundheitsregion Konzept und Erfahrungen werkbildung darstellt sowie das Netzwerk im Verlauf der gemeinsamen Arbeit zusammenhält. Im Rahmen des PIA-Projektes lag diese Initiierungsphase zum Großteil außerhalb des Förderzeitraums in der Phase der Antragserarbeitung. Hier war es wichtig, dass das koordinierende Institut MA&T bereits früh sowohl die Projektpartner IAT und Amt für Altenarbeit als auch wichtige Praxiseinrichtungen und Intermediäre aus der Region zusammengebracht hatte. So konnten die theoretischen Konzepte der Projektpartner frühzeitig mit den Praxisbedarfen in den Einrichtungen abgestimmt werden und die Idee bzw. Vision untersetzt mit konkreten Zielen konnte im Projektantrag niedergelegt werden. Im Kick-Off-Workshop des Gesamtprojekts sowie in den ersten Sitzungen der Projektlenkungsteams in den Einrichtungen war es dann die Aufgabe der Projektpartner, diese Idee vor Ort zu kommunizieren und gemeinsam mit allen Beteiligten weiterzuentwickeln. Hierbei bestätigten sich entsprechende Erfahrungen aus der Literatur, in denen beschrieben wird, dass wichtige Elemente der Netzwerkbildung die Wahl der Netzwerk-Partner, die Abstimmung der Ziele und Erwartungen, die Einigung auf Themen sowie die Verteilung von Aufgaben sind (Ahrens et al., 2004). Im Vordergrund stehen Abstimmungsprozesse, die ein gemeinsames Verständnis sowie die Förderung eines offenen Kommunikations- und Kooperationsstils zum Ziel haben. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor insbesondere in der Initiierungsphase kann ein in dieser Rolle anerkannter Moderator des Netzwerkes sein, der den Prozess koordiniert und moderiert. (Ahrens et al., 2004, S. 19) Wurden erste Aufgaben im Rahmen des Netzwerkes erfolgreich bewältigt, beginnt die Stabilisierungsphase, in der gemeinsam auf die zuvor definierten Ziele hingewirkt wird. In dieser Phase entwickelt sich eine Netzwerkkultur, die bestimmte Routinen und Strukturen zur gemeinsamen Bearbeitung von Aufgaben umfasst. In der Stabilisierungsphase besteht die Aufgabe des Netzwerkmanagements darin, das Netzwerk am Laufen zu halten. (Ahrens et al., 2004, S. 20) Hierzu gilt es, die schnelle Sichtbarkeit erster Erfolge zu gewährleisten, da das Netzwerk andernfalls nicht lange aufrechterhalten wird. Außerdem muss die Balance gehalten werden zwischen den spezifischen Zielsetzungen der einzelnen Netzwerkpartner und den übergreifenden Zielen des Netzwerkes. Ein Netzwerkmanagement ist in der Stabilisierungsphase vor allem dann nützlich, wenn sich die Netzwerkpartner in einer Konkurrenzsituation befinden und daher nicht von Beginn an von einem gegenseitigen Vertrauen ausgegangen werden kann. Wenn jedoch ein Vermittler zur Organisation des Netzwerkes zwischengeschaltet wird, dem alle Mitglieder des Netzwerkes vertrauen, kann durch diese sekundären Vertrauensstrukturen die Kooperation im Netzwerk begünstigt werden. Im Falle einer 57

57 Paul Fuchs-Frohnhofen, Hanna Aengenvoort guten Zusammenarbeit im Netzwerk festigt sich im Laufe der Stabilisierungsphase das Vertrauen der Netzwerk-Partner zueinander. Auch diese Erfahrungen aus der Literatur konnten im PIA-Projekt bestätigt werden, denn den drei Projektpartnern gelang es, bei fast allen Netzwerkpartnern Vertrauen aufzubauen und als neutraler Vermittler anerkannt zu werden sowie den Einrichtungen deutlich zu machen, dass sie trotz vorhandener Konkurrenzsituationen von der Zusammenarbeit im Projekt profitieren. Verstetigung und Nachhaltigkeit PIA war ein zweijähriges gefördertes Projekt mit definiertem Ende. Trotzdem hatte es den Anspruch, eine Nachhaltigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten und eine Verstetigung der Netzwerkarbeiten anzustoßen. In den Einrichtungen wurden durch die einrichtungsspezifischen PIA-Projekte i.d.r. Strukturen und Prozesse geschaffen, die auch nach Abschluss des Projektes weiter wirken werden. Als Beispiele sei auf die Tagespflege von St. Gereon, die weiter bestehen wird, den Ausbau der Essensgruppe für Demenzerkrankte im KKH Mechernich, das Führungsleitbild bei St. Antonius oder die Einbindung von Serviceassistent/innen im MZ Würselen hingewiesen. Auch die Weiterbildung zu Innovationsmanager/innen Pflege, die Etablierung einer teambasierten Projektarbeit in den Einrichtungen und die Kompetenz- und Selbstbild-Verbesserung der Pflegenden in den Einrichtungen sind Ergebnisse, die auch ohne externe Unterstützung nach Projektende fortbestehen werden. Was die überbetriebliche Netzwerkarbeit angeht, gibt es im Wesentlichen drei Entwicklungen, mit denen an das PIA-Netzwerk angeknüpft werden wird: Als erstes wird der Projektkoordinator MA&T seine Arbeit in der Pflegebranche in der Region Aachen fortsetzen und dabei ungefördert und in neuen geförderten Projekten die Fäden des PIA-Netzwerkes wieder aufnehmen. Zum zweiten wird das Amt für Altenarbeit der Städteregion Aachen bestimmte Elemente des PIA-Netzwerkes in seine Arbeit integrieren und z.b. die PIA- Weiterbildung Innovationsmanager/in Pflege und die PIA Arbeitskreise im Bereich Krankenhaus, ambulante Pflege und stationäre Pflege weiter lebendig erhalten. Zum dritten werden zahlreiche PIA-Akteure mit Unterstützung der Regionalagentur Aachen und der Projektpartner MA&T und Amt für Altenarbeit in Zukunft bei den Aktivitäten des Aachener Ideenzirkel Pflege mitwirken, der von der Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen moderiert wird (vgl. Kap. 6, 14 und 16 in diesem Buch). 58

58 5. Vernetzung von Pflegeakteuren in einer Gesundheitsregion Konzept und Erfahrungen 4. Literatur: Ahrens, D./ Frank, S./ Franssen, M./ Riedel, M. & Schmette, M. (2004): Phasen der Netzwerkentwicklung und des Netzwerkmanagements. In: Oertel, R. & Hees, F. (Hrsg): Das Netzwerk- Kompendium Theorie und Praxis des Netzwerkmanagements. Aachen: Shaker. S Backhaus, W. / Frank, S. / Hees, F. (2008): Professionelles Netzwerkmanagement Erfolgsfaktor für die Arbeit in Lernenden Regionen. In: Klein, B. & Wohlfahrt, U. (Hrsg.): Die Lernenden Regionen in NRW. Ergebnisse und Impulse für die Bildungspraxis. Bielefeld: Bertelsmann. S Frevel, A. (1995): Überbetriebliche Kooperation. In: Henning, K., Volkholz, V., Risch, W. & Hacker, W.: Moderne Lern-Zeiten. Lernen und Arbeiten in der Neuen Fabrik. Berlin/Heidelberg: Springer. S

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60 6. Das PIA Projekt: Anstöße und Wirkungen in der Gesundheitsregion Aachen Elke Breidenbach Inhalt 1. Die Gesundheitsregion Aachen 2. Das Thema Personal 3. Modellregion Pflege und PIA 1. Die Gesundheitsregion Aachen Die Gesundheitsregion Aachen verfügt über technologische und wirtschaftliche Stärken in der Gesundheitswirtschaft, ein gutes Angebot der gesundheitlichen Versorgung, besondere Chancen durch die Lage als Grenzregion und beteiligt sich aktiv an der Strukturentwicklung im Cluster Gesundheitswirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Seit 2008 arbeitet die Region Aachen gemeinsam mit den weiteren Gesundheitsregionen in NRW und der Landesregierung an der systematischen Entwicklung der Branche und trägt dazu bei, Nordrhein-Westfalen als Exzellenz- und Zukunftsstandort gesundheitsbezogener Forschung und Versorgung zu profilieren. In Kooperation mit den Gesundheitsregionen Köln/Bonn, Münsterland, Ostwestfalen- Lippe, Ruhrgebiet, Südwestfalen und der Landesregierung ist es gelungen, professionelle Netzwerke in der Gesundheitswirtschaft aufzubauen und wesentliche Themen zu besetzen. Die einzigartige Kombination zwischen öffentlicher Hand, Wissenschaft, Wirtschaft und weiteren wichtigen Akteuren des Gesundheitswesens garantiert ein günstiges Klima für Innovationen und trägt so zur Zukunftssicherung und Wettbewerbsfähigkeit der Branche bei. Die Gesundheitsregionen sind davon überzeugt, dass die regionale Clusterbildung im Sinne einer Bottom-Up-Strategie der entscheidende Erfolgsfaktor für Innovationsfä- 61

61 Elke Breidenbach higkeit und Beschäftigungsentwicklung in der Gesundheitsbranche ist. Die Gesundheitsregionen definieren und übernehmen ihre Rolle als Verbindungsgarant zu den Unternehmen, Hochschulen, Einrichtungen, Institutionen und Verbänden in den Regionen. Die Gesundheitsregion Aachen ist in folgenden Handlungsfeldern aktiv: Medizintechnik/Life Sciences Zweiter Gesundheitsmarkt Arbeit und Bildung Patientenversorgung und Pflege Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Für das interdisziplinär geprägte Handlungsfeld Medizintechnik/Life Sciences hat die Region Aachen im Rahmen der Arbeit im Cluster Gesundheitswirtschaft die Themenpatenschaft für Nordrhein-Westfalen übernommen. Die Region Aachen wird von außen als erfolgreicher Wirtschaftsstandort mit einer ausgezeichneten Wissenschaftsund Technologieinfrastruktur im Zentrum Europas wahrgenommen. Und das qualitätsvolle Image besitzt die Region zu Recht: Als einzige NRW-Hochschule wurde die RWTH Aachen in der Exzellenzinitiative des Bundes prämiert. Mehr als ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Forschung und Entwicklung in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, in Medizin und Umwelt Nordrhein-Westfalens befinden sich in der Region Aachen. Das Universitätsklinikum Aachen ist ein Klinikum der Maximalversorgung, das zusätzlich international bedeutsame Spitzenleistungen liefert. Mit der Fachhochschule Aachen, dem Forschungszentrum Jülich, drei Fraunhofer-Instituten und einem Helmholtz-Institut sowie zahlreichen privaten Forschungseinrichtungen verfügt die Region über eine stark auf medizinische und gesundheitliche Fragen fokussierende außeruniversitäre Forschungs- und Innovationslandschaft. Hinzu kommt eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen aus den Branchen Medizintechnik, Biotechnologie und pharmazeutischer Industrie. In der Gesundheitsregion Aachen werden systematisch die Ergebnisse aus Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen in die Wirtschaft transferiert. Aus dieser Arbeit resultiert eine große Anzahl an Förderprojekten im Rahmen der Ziel-2-Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie aus anderen Programmen, in denen die Region überaus erfolgreich ist. 2. Das Thema Personal Die Region Aachen hat allerdings aus ihrem dreißigjährigen Strukturwandel von der ehemaligen Steinkohlenbergbau- und Textilregion zur Technologieregion auch gelernt, dass Technologiekompetenz alleine nicht ausreicht, um Wertschöpfung und 62

62 6. Das PIA-Projekt: Anstöße und Wirkungen in der Gesundheitsregion Aachen Arbeitsplätze zu erzeugen und in der Branchenentwicklung der Gesundheitswirtschaft von Beginn an auch das Thema Personal im Fokus gehabt: Die Verbindung von arbeits- und wirtschaftspolitischen Handlungsansätzen hat in der Regional- und Clusterentwicklung der Region Aachen hohe Bedeutung. Den regionalen Akteuren ist bewusst, dass die Sicherung des Fachkräftebedarfs und der passgenaue Zuschnitt von Qualifikationen und Kompetenzen der Beschäftigten auf die Bedarfe der regionalen Wertschöpfungsketten zunehmend zu einem zentralen Wachstumsfaktor der Wirtschaftsstruktur einer Region werden. Diese regionale Standortbestimmung gilt für die Gesundheitsbranche in besonderem Maße: Der positive Trend der Gesundheitswirtschaft als Wachstums-, Beschäftigungs- und Innovationsmotor lässt sich nur fortsetzen und eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung auch in Zukunft nur dann sicherstellen, wenn es gelingt, dem Fachkräftemangel in der Branche entgegenzuwirken. Alle Studien zeigen: Leiten wir heute keine Veränderungen ein, fehlen uns in den nächsten 20 Jahren vor allem Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte, Ingenieurinnen und Ingenieure. Die derzeit geringe Attraktivität der Arbeitsplätze in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen droht zu einer Achillesferse der Gesundheitswirtschaft zu werden. Für den Pflegesektor stellt jedoch nicht nur die Gewinnung und Bindung von Fachkräften eine besondere Herausforderung dar: Darüber hinaus kennzeichnen zum Beispiel auch die Zunahme demenziell veränderter Bewohner/innen und Patient/innen und ein hoher Kosten- und Innovationsdruck eine Branche im Umbruch. 3. Modellregion Pflege und PIA Zur Bewältigung dieser Herausforderungen hat die Region Aachen zum einen das Konzept Gegen den Trend Modellregion Pflege entwickelt, das aktuell umgesetzt wird (vgl. den Beitrag von Faßbender u.a. in diesem Band), zum anderen spielen die Ergebnisse des Projektes PIA Pflegeinnovationen in der Region Aachen eine zentrale Rolle bei der Beantwortung der Frage, wie es gelingen kann, Bedarfe der Pflegekunden, betriebliche Professionalisierungs- und Modernisierungsanforderungen und das Prinzip Guter Arbeit in der Pflege systematisch miteinander zu verbinden. Das Projekt PIA hat in der Entwicklung und Umsetzung von Innovationsstrategien mit sehr unterschiedlichen Themenstellungen in den beteiligten drei Krankenhäusern, drei stationären Altenpflegeeinrichtungen und zwei ambulanten Pflegediensten gezeigt, dass es gelingen kann, die Beschäftigungsfähigkeit beruflich Pflegender durch ihre Innovationsfähigkeit zu steigern, Reformen und Innovationen unter Beteiligung der Pflegenden umzusetzen und so die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Pflege in der Gesundheitsregion Aachen zu verbessern. 63

63 Elke Breidenbach Die PIA-Produkte Weiterbildung Innovations- und Wissensmanagement in der Pflege Weiterbildung für Führungskräfte in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen Weiterbildung Ernährungsmanagement Arbeitskreise: Stationäre Altenpflege, ambulante Pflege, Krankenhaus Das Beratungs- und Entwicklungskonzept Vorgehen in einem pflegebezogenen betrieblichen Innovationsprojekt und Handlungsempfehlung zum Umgang mit älteren Patient/innen im Krankenhaus bleiben der Gesundheitsregion Aachen dank der Angebote der Projektträger erhalten. Außerdem bestehen in der Region folgende Ideen, die Ergebnisse des Modellprojektes PIA Pflegeinnovationen in der Gesundheitsregion Aachen auch in der betrieblichen Praxis von weiteren Unternehmen der Branche umzusetzen: PIA-Produkte anwenden: Steigern Sie die Innovationsfähigkeit Ihres Unternehmens mit Unterstützung einer Potenzialberatung: PIA-Erfahrungen nutzen: Die PIA-Unternehmen sind gerne bereit, Ihre Erfahrungen und Erfolge weiter zu geben. Nutzen Sie die Chance zum Gespräch. Zum Beispiel mit o der St. Gereon Altenhilfe, die im bundesweiten Wettbewerb Bester Arbeitgeber im Gesundheitswesen 2011 den 2. Platz belegt. PIA-Produkte weiterentwickeln: Das Amt für Altenarbeit der Städteregion Aachen ist Ihr Kooperationspartner. PIA-Innovationen umsetzen: Konzepte der PIA-Unternehmen in das eigene Unternehmen transferieren die PIA-Projektträger bieten Ihnen Beratung. PIA-Innovationen in der Region und im Land NRW bekannt machen: z.b. mit Unterstützung der Gesundheitsregion Aachen. PIA-Nachfolgeprojekte Bedarfe und innovative Entwicklungsansätze: Projektentwicklung mit Beratung und Begleitung der Gesundheitsregion Aachen. PIA weiterführen: z.b. durch Mitarbeit im Ideenzirkel Zukunft der Pflegeberufe. So möchten wir die Akteure der Gesundheitswirtschaft in der Gesundheitsregion Aachen vernetzen, gemeinsam neue Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft entwickeln und die Beschäftigungschancen dieses wichtigen Zukunftsmarktes sichern. 64

64 6. Das PIA-Projekt: Anstöße und Wirkungen in der Gesundheitsregion Aachen Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft der Region Aachen (2009) Bereiche der Gesundheitswirtschaft Stationäre und teilstationäre Versorgung: Ambulante Versorgung: Stationäre und ambulante Altenhilfe: Medizin- und Gerontotechnik, Gesundheitshandwerk: Verwaltung/Versicherung: Forschung Sonstige Gesamt: Umsatz: 4,1 Mrd. Euro

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66 7. Innovative Projekte in Pflegeeinrichtungen Beispiele aus dem Projekt PIA 7.1 Zum Vorgehen in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten ein Überblick Paul Fuchs-Frohnhofen, Claudia Bessin Inhalt 1. Einführung 2. Ziele 3. Vorgehensweise 4. Literatur 1. Einführung In den Beiträgen dieses 7. Kapitels berichten Führungskräfte der beteiligten Modelleinrichtungen und Mitarbeiter/innen des PIA-Projektteams primär über Innovationsprojekte, die in den einzelnen Einrichtungen im Rahmen von PIA bearbeitet wurden. Es wird aber auch über Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Region Aachen berichtet, die in unser Themenfeld passen, aber nur indirekt aus dem PIA-Projekt hervorgegangen sind. Als Beispiel seien hierfür die Kapitel 7.9, 7.11 und 7.12 genannt. Die Autor(inn)en dieser Kapitel haben zwar aktiv im PIA-Projekt mitgewirkt, die in den Beiträgen dargestellten Erkenntnisse und Erfahrungen haben aber nur einen indirekten Bezug zum PIA-Projekt. Da es sich aber um gute Beispiele für pflegerische Innovationen in unserer Region handelt, haben die Herausgeber sie mit in dieses Buch aufgenommen. Wie bereits in Kapitel 3 erläutert, waren die folgenden Modelleinrichtungen in der Region Aachen am PIA-Projekt beteiligt: 67

67 Paul Fuchs-Frohnhofen, Claudia Bessin a) Krankenhäuser: Kreiskrankenhaus Mechernich, Katholische Stiftung Marienhospital Aachen, Medizinisches Zentrum der StädteRegion Aachen ggmbh b) Stationäre Altenpflegeeinrichtungen: Senioren und Pflegezentrum St. Antonius, Würselen, Papst Johannes Stift, Aachen, Altenhilfe St. Gereon, Hückelhoven c) Ambulante Pflegedienste: Fauna e.v., Aachen, Visitatis GmbH, Aachen Das PIA-Projektteam hat im Verlauf des PIA-Projektes zusammen mit Pflegekräften und Führungskräften dieser Einrichtungen Verbesserungen zum Nutzen von Pflegekräften und Klient(inn)en erarbeitet und umgesetzt. Hierbei wurde von den PIA- Projektpartnern ein einrichtungs- und problemorientierter Ansatz verfolgt, weshalb für die Innovationsprojekte in den einzelnen Einrichtungen zwar die grundsätzlichen PIA-Ziele maßgeblich waren, aber für jede Einrichtung unter Beteiligung von Mitarbeiter(inne)n und Führungskräften entsprechende einrichtungsspezifische Ziele formuliert wurden. Einerseits abhängig von dem Pflegebereich, in welchem die Unternehmen tätig sind - Krankenhaus, stationäre und ambulante Pflege andererseits bedingt durch die individuelle Geschichte der Einrichtung, die jeweilige Unternehmenskultur und die jeweils aktuelle Problemlage, fielen die einrichtungsspezifisch in den Vordergrund gestellten Themen und Ziele sehr unterschiedlich aus. Nachfolgend wird kurz auf die unterschiedlichen Zielsetzungen auf Projekt-, Pflegebereichs- und einrichtungsspezifischer Ebene eingegangen und die gewählten Ziele werden durch einige Beispiele illustriert. Anschließend wird beschrieben, welche Vorgehensweise grundsätzlich gewählt wurde und wie diese auf die Bedürfnisse der Modelleinrichtungen abzustimmen war. Zum Schluss werden die gesammelten Erfahrungen resümiert und ein Ausblick für mögliche Vorgehensweisen in zukünftigen Projekten gegeben. 2. Ziele Wie in Kapitel 3 erläutert, trat das PIA-Projekt mit folgendem Anspruch an: Stärkung der Innovatoren-Rolle beruflich Pflegender, Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit der Pflegekräfte, Initiierung und Umsetzung von pflegebezogenen Innovationsprojekten in den Einrichtungen, Förderung des Voneinander- und Miteinander- Lernens aller Akteure und Verbesserung der Innovationsfähigkeit der Pflege in der Gesundheitsregion Aachen insgesamt. Der Themenbereich Innovation und Innovationsfähigkeit zog sich durch alle Ebenen der überbetrieblichen Aktivitäten des Projektes. Innovationsfähigkeit war sowohl zentrales Thema der Weiterbildung zum/r Innovationsmanager/in, wurde aber auch in 68

68 7.1 Zum Vorgehen in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten ein Überblick entsprechenden Vorträgen auf den einrichtungsübergreifenden Veranstaltungen und in den Artikeln der PIA-Rundbriefe fortlaufend thematisiert. In Anerkennung der erlebten Innovationsfähigkeit der Pflegekräfte äußerten einzelne Geschäftsführer/innen der beteiligten Einrichtungen eine neue Wertschätzung für ihre Mitarbeitenden und den Beitrag, den sie für die Klienten und die jeweilige Einrichtung leisten (können). Parallel führte der rege Austausch in den Arbeitskreisen zu neuen Impulsen und Blickwinkeln. Die Treffen waren zwar einrichtungsübergreifend, wurden jedoch separat für Krankenhäuser sowie stationäre und ambulante Pflege organisiert. Dort wurden Themen aufgegriffen, welche teilweise in einzelnen Einrichtungen bearbeitet wurden, gleichzeitig aber relevant für andere Unternehmen im gleichen Pflegebereich sind. So war die Gewinnung neuer Arbeitskräfte beispielsweise ein größeres Thema in der ambulanten Pflege, da die Dienste in der Regel nicht selbst ausbilden und die Möglichkeiten der Einarbeitung und Begleitung sich auf Grund der Tätigkeit von den anderen Pflegebereichen unterscheiden. In der stationären Pflege waren die Gesetzesänderungen des Wohn- und Teilhabegesetzes bezüglich der Ernährung sehr aktuell, während der Kreis der Krankenhäuser zum Beispiel über die Pflegemöglichkeiten für ältere und/ oder demenzerkrankte Patienten im Krankenhaus diskutierte. Auf der einrichtungsspezifischen Ebene dehnte sich das Spektrum der Schwerpunkte weiter aus, wodurch der Projektverlauf und die entsprechenden Maßnahmen ebenfalls beeinflusst wurden. Im Folgenden sind einige Beispiele der gesetzten Schwerpunkte aufgeführt: Umgang mit der besonderen Rolle der mittleren Führungskräfte Teambasierte Projektarbeit Kundenorientierte Kommunikation Mitarbeiterorientierte Führung und Arbeitsgestaltung Einführung einer betrieblichen Gesundheitsförderung Mitunternehmertum Spezifische Arbeitsbelastungen in den unterschiedlichen Pflegebereichen Ernährung von Risikopatienten Spezielle Bedürfnisse älterer Mitarbeiter/-innen Aufbau eines eigenen Bereiches für demenzerkrankte Personen Obwohl ein mitarbeiter- und einrichtungsorientierter Ansatz die Vergleichbarkeit zwischen den Einrichtungen und das Ziehen von wissenschaftlichen Rückschlüssen oder kausalen Verbindungen erschwert, hat sich dieses Vorgehen, bezogen auf die Nachhaltigkeit und auch die Bindung an die gesetzten Ziele, bewährt. Mitsprache und Einbindung der Leitungsebene und Partizipation der Mitarbeitenden kann ein entscheidender Faktor sein, um dauerhafte Änderungen zu ermöglichen. Dies zeigte sich nicht nur in den PIA-Projekten selbst. Eine wissenschaftliche Metaanalyse zu dem 69

69 Paul Fuchs-Frohnhofen, Claudia Bessin Zusammenhang zwischen Zielbindung und dem Zielbildungsprozess zeigte, dass die Partizipation von Beteiligten positiv mit der Zielbindung und diese wiederum positiv mit der gezeigten Leistung korreliert (vgl. Klein et al., 1999). Je mehr Mitarbeitende die Möglichkeit haben, ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen, aber auch ihre Interessen oder Ziele einzubringen, desto höher sind die Chancen, dass das Ziel erreicht wird. Bei der hohen Anzahl Angestellter, die viele der Einrichtungen haben, ist es natürlich unmöglich, es allen recht zu machen. Daher ist es gerade in diesen Einrichtungen wichtig, den Projektprozess möglichst transparent zu gestalten und allen Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, sich an dem Prozess zu beteiligen oder sich zumindest darüber zu informieren. Neben den Aspekten der Motivation und der Zielbindung ermöglichten die verschiedenen Themen in den Einrichtungen einen vielseitigeren Austausch innerhalb der Arbeitskreise. Die Einrichtungen gaben einander unterschiedliche Impulse, so dass gegenseitiges Lernen möglich wurde. 3. Vorgehensweise Kurz und sehr allgemein beschrieben, bestand der Projektablauf in allen Einrichtung aus den folgenden Schritten: 1. Die Bildung eines hausinternen Projektteams, an welchem sowohl Leitungskräfte als auch Mitarbeiter/innen beteiligt sind, 2. die Ist-Analyse, 3. die Zielkonkretisierung hierbei setzten sich die Ziele zum Teil aus den Ergebnissen der Ist-Analyse und zum Teil aus den Bedürfnissen und Wünschen der Einrichtung zusammen, 4. die Erarbeitung eines einrichtungsspezifischen Ablauf- und Projektplans, 5. die Umsetzung dieses Plans sowie 6. der Projektabschluss und die externe Evaluation oder interne Reflexion am Ende des Projektes. Einen sehr wichtigen Unterteil hiervon bildet der Aspekt der Nachhaltigkeit. In der Praxis gab es allerdings nur selten ein einziges Ziel, sondern meist mehrere Ziele, wodurch zusätzliche Arbeitsgruppen zustande kamen, um sich der jeweiligen Themen anzunehmen. Diese neuen Gruppen durchliefen Ihrerseits ebenfalls alle Punkte von 1 bis 6, da eine detailliertere Ist-Analyse auch zu den jeweils spezifischen Inhalten notwendig war und das oder die Ziel/e daraufhin erneut konkretisiert werden müssen. 70

70 7.1 Zum Vorgehen in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten ein Überblick Um die einzelnen Schritte anschaulicher zu gestalten, werden diese mittels Beispielen getrennt besprochen. Auf die Ist-Analyse wird hierbei nicht näher eingegangen, da Kapitel 9 diese Phase im Detail erörtert und Kapitel 7.2 exemplarisch Ergebnisse aus den Mitarbeiterbefragungen aufzeigt. Hausinterne Projektteams Idealerweise benachrichtigt die Einrichtung alle Mitarbeitenden vor Projektstart über das Projekt, den Ablauf und die Möglichkeit sich an dem Lenkungsteam/ Projektteam zu beteiligen. Führungskräfte und Mitarbeitende an diesen Teams zu beteiligen ist aus mehreren Gründen empfehlenswert. Zum einen erhält die Gruppe ein möglichst differenziertes und vollständiges Bild von der Einrichtung und zum anderen motiviert es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich an dem Projekt in welcher Form auch immer zu beteiligen. Neben einer Projektleitung, in den PIA-Projekten i.d.r. Geschäftsführung oder Pflegedienstleitung, empfiehlt es sich, im Lenkungsteam auch den Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung zu beteiligen. Dies verkürzt Kommunikationswege und kann eine ähnliche Wirkung haben wie die Beteiligung der Mitarbeitenden. Für das erste Treffen des Projektteams empfiehlt sich ein Kick-off Workshop, der z.t. nicht in der Einrichtung selbst, sondern an einem neutralen Ort stattfindet, an welchem die Beteiligten ungestört arbeiten aber auch einander kennenlernen können. Bei diesem Treffen werden erste Ziele, Erwartungen und Wünsche besprochen, sowie grob das weitere Vorgehen bestimmt. IST-Analyse hierfür können unterschiedliche Befragungsmethoden oder, je nach Thema, Kennzahlen oder bestehende Unterlagen verwendet werden. Zielkonkretisierung In dieser Phase fließen die groben Ziele/Schwerpunkte zusammen mit den Ergebnissen der Analyse und den Wünschen und Vorstellungen der Mitarbeitenden, so dass die Geschäftsleitung oder die Führungspersonen konkret und gezielt entscheiden können, welche Maßnahmen notwendig und/ oder welche gewünscht sind. In den Einzelprojekten der Modelleinrichtungen haben die jeweiligen Befragungsergebnisse häufig die Inhalte des weiteren Vorgehens geprägt. Einerseits überzeugten einige Innovationsvorschläge die Geschäftsleitung, wodurch sie zu einem Schwerpunkt wurden, andererseits gab es auch Überraschungen im Hinblick auf körperliche und seelische Belastungen. In einigen Fällen war beispielsweise bekannt, dass der Krankenstand oder auch die Fluktuation verhältnismäßig hoch ist, dass die Mitarbeitenden zu viele Überstunden machen oder dass die Folgen der physisch und psychisch anstrengenden Arbeit langsam erkennbar sind. Der Geschäftsführung oder den Leitungskräften war jedoch nicht deutlich, an welcher Stelle sie eingreifen bzw. reagieren sollen. Durch die Befragungsergebnisse wurden der Handlungsbedarf und die Handlungswünsche transparenter, so dass gezielt an den gewünschten und benötigten 71

71 Paul Fuchs-Frohnhofen, Claudia Bessin Stellen agiert werden konnte. Gleichermaßen gelang es auch einigen Leitungskräften, ihre Mitarbeitenden durch speziell für diese Zielgruppe und diese Inhalte konzipierten Schulungen für Aufgaben oder Thematiken zu begeistern wie beispielsweise Teamorientiertes Projektmanagement denen sie vorher ablehnend oder desinteressiert gegenübergestanden. In fast allen Projekten bildeten sich während diesem oder dem nächsten Schritt mehrere Arbeitsgruppen, die unterschiedliche Schwerpunkte bearbeiteten. Einrichtungsspezifischer Ablauf- und Projektplan In einem Ablauf- und Projektplan werden die Ziele soweit konkretisiert, dass die Arbeitsschritte, welche zum angestrebten Ziel führen, im Einzelnen aufgeführt werden. Gleichzeitig werden neben den Inhalten ebenfalls die angestrebte Dauer von einem Arbeitsschritt zum anderen sowie die jeweils handelnden oder hauptverantwortlichen Personen festgehalten. Der Plan gibt einen Überblick und unterstützt die Kontrollmöglichkeiten aller Beteiligten, da auf Grund der Zeitachse jederzeit erkennbar ist, wo das Projekt steht und wo es stehen sollte. Die Umsetzung Häufig werden parallel zu den Planungsstadien erste Umsetzungen erfolgen. Hier stellt sich die Frage, wie ein derart vielschichtiger Prozess im Rahmen des Projektmanagements zu steuern und zu kontrollieren ist. Die klassische Vorstellung zum Projektcontrolling ist in komplexen und turbulenten Projektsituationen in der Regel viel zu starr. Nicht das konsequente Festhalten an Planungen, sondern die Fähigkeit, aufgrund neuer Erkenntnisse, z.b. durch erste Umsetzungserfahrungen, flexibel umplanen zu können, erhöht in vielen Projekten die Erfolgswahrscheinlichkeit. Hier sind die Projektteams, aber auch das Projektlenkungsteam gefragt. Auf Projektteamebene werden die konkreten Umsetzungsaktivitäten vorangetrieben und kontinuierlich hinsichtlich ihres Realisierungsstandes überprüft. Im Projektlenkungsteam wird die Erreichung von Meilensteinen geprüft und gleichzeitig fördernde Bedingungen zur Umsetzung geschaffen bzw. Hindernisse aus dem Weg geräumt. Ein konsequentes Arbeiten mit Handlungsplänen bringt die notwendige Verbindlichkeit. Die Devise in dieser Phase lautet: Keine Sitzung ohne konkrete Vereinbarungen! Die Handlungspläne werden dabei durch die Teams selbst oder den Projektleiter hinsichtlich ihres Umsetzungsstandes kontinuierlich geprüft. Projektabschluss, Evaluation, Reflexion und Nachhaltigkeit Projekte sind von ihrer Definition her dadurch gekennzeichnet, dass sie ein definitives Ende haben. In der Regel heißt das, dass die Projektziele erreicht oder zumindest teilweise erreicht wurden aber auch gescheiterte Projekte, die die Ziele nicht erreichen, sollten ein Ende haben. Wenn das Projekt daraus besteht, mit einem neuen Angebot an den 72

72 7.1 Zum Vorgehen in den einrichtungsspezifischen PIA-Projekten ein Überblick Markt zu gehen, z.b. mit einer neuen Tagespflege, dann ist mit der Markteinführung der neuen Dienstleistung, also in unserem Fall mit der Eröffnung der Tagespflege das Projekt beendet. Handelt es sich aber um komplexe z.b. personal- und organisationsentwicklerische oder unternehmenskulturelle Projekte, z.b. der Verbesserung des Führungsverhaltens aller Leitungskräfte, so ist klar, dass mit einem befristeten Projekt nur Teilziele erreicht werden können, die grundlegende Organisationsaufgabe hinter diesen Teilzielen aber nicht zu befristen ist. Auch wenn aus einem Ursprungsprojekt also weitere Projekte oder Aufgaben für die Organisation entstehen, so sollte doch das einmal gestartete, mit einem Namen versehene Projekt offiziell beendet werden. Dies hat drei wesentliche Gründe: Es muss ein Punkt gesetzt werden, an dem über den gesamten Projektverlauf reflektiert werden kann, um die Organisation insgesamt voran zu bringen. Die Projektteams und das Lenkungsteam muss durch einen deutlichen Schnitt von der gestellten Aufgabe entlastet werden. Eine Endlos-Aufgabe demotiviert. Ein klares Ende mit dem Aufzeigen der Erfolge aber auch der nicht erreichten Ziele gibt ein bedeutsames Signal in die gesamte Organisation: Wir sind wieder ein Stück vorangekommen (Motivation) und die noch offen stehenden Punkte werden wir auch angehen (Kommunizieren des weiteren Vorgehens nach Projektabschluss). Dieser Abschluss kann je nach Projektumfang und -bedeutung unterschiedlich gestaltet werden. Zwei Maßnahmen sind jedoch mindestens notwendig: 1. Es sollte eine Bewertung des Projektes in den Projektteams und im Lenkungsteam hinsichtlich Prozess und Ergebnis erfolgen und die Lessons Learned sollten festgehalten werden. 2. Ein offizieller Schlusspunkt z.b. mit einem Abschlussworkshop sollte gesetzt werden. Dabei sollte auch deutlich werden, wie die Erfolge und erreichten Ziele im Einrichtungsalltag stabilisiert werden und wie alle Mitarbeiter/innen von dem Projektabschluss informiert werden sollen. 4. Literatur Fuchs-Frohnhofen, P., Stahn, G., Unger H. (1997): Reorganisation durch Partizipation Innovationsansatz und Gestaltungswerkzeuge. In: Fricke, W. (Hrsg): Aktionsforschung und industrielle Demokratie. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn. Klein, H.J., Wesson, M.J., Hollenbeck, J.R.& Alge, B.J. (1999): Goal commitment and the goal setting process: Conceptual classification and empirical synthesis. Journal of Applied Psychology, 64, Sell, R., Fuchs-Frohnhofen, P. (1993): Gestaltung von Arbeit und Technik durch Beteiligungsqualifizierung. Westdeutscher Verlag, Opladen 73

73 Paul Fuchs-Frohnhofen, Claudia Bessin Sell, R., Schimweg, R. (2002): Probleme lösen: In komplexen Zusammenhängen denken; Springer Verlag Berlin Sistenich, D., Unger, H. (2002): Teambasiertes Projektmanagement; in Fuchs-Frohnhofen, P. (Hrsg.): Arbeitsorientierte Modernisierung - Konzept, Umsetzung, Praxisbeispiele; Rainer Hampp Verlag, Mering, S

74 7.2 Beispielhafte Ergebnisse der schriftlichen Mitarbeiterbefragungen in den PIA-Einrichtungen Sandra Dörpinghaus Inhalt 1. Einführung 2. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse aus den Mitarbeiterbefragungen 3. Ausblick 4. Literatur 1. Einführung Entsprechend dem in Kapitel 7.1 beschriebenen einrichtungsinternen Vorgehen im Rahmen des PIA-Projektes wurde als einer der ersten Schritte eine Ist-Analyse zur Beschreibung der individuellen Situation im jeweiligen Unternehmen sowie zur Ideenfindung und -konkretisierung für das durchzuführende innerbetriebliche Innovationsprojekt durchgeführt. Ein Teil der beteiligten Einrichtungen entschied sich in diesem Zusammenhang für die Durchführung einer schriftlichen, standardisierten Mitarbeiterbefragung. Hierfür wurde vom Institut Arbeit und Technik ein gemeinsamer Fragebogen für alle interessierten Einrichtungen erstellt, der größtenteils auf dem für die NEXT-Studie (nurses early exit study) 1 verwandten Fragebogen basiert sowie weitere Befragungselemente aus anderen Instrumenten wie den BGW-Reports etc. sowie eigens konstruierte Fragen enthält. Zudem bestand die Möglichkeit, in einem zweiten Teil des Fragebogens einen individuellen Themenblock mit Fragen zu einer spezifischen einrichtungsrelevanten Fragestellung zu ergänzen. 2 1 Ziel der NEXT-Studie ist es, im europäischen Vergleich Ursachen, Umstände und Folgen des vorzeitigen Berufsausstiegs aus dem Pflegeberuf zu untersuchen. Siehe hierzu auch 2 Zum Vorgehen und zum Inhalt des Fragebogens vergleiche auch Kapitel 9. 75

75 Sandra Dörpinghaus Der Fragebogen wurde in insgesamt vier Einrichtungen des PIA-Projektes in unterschiedlicher Form eingesetzt angefangen mit der Mitarbeiterbefragung nur auf Ebene der Station, auf welcher das Innovationsprojekt stattfand, bis hin zur Befragung alle Pflegekräfte in verschiedenen Einrichtungen eines Trägers. Einrichtung Auswertbare Fragebögen Rücklauf in % Krankenhaus 1 (KH 1) n = ,9 % Krankenhaus 2 (KH 2) n = 58 65,2 % Stationäre Altenpflege 1 (Heim 1) n = 18 35,3 % Stationäre Altenpflege 2 (Heim 2) n = 18 25,3 % Ambulanter Pflegedienst 1 (Ambulant 1) n = 30 60,0 % Ambulanter Pflegedienst 2 (Ambulant 2) n = 11 84,6 % Gesamt n = , 6 % Abb. 1: Beteiligte an der schriftlichen Mitarbeiterbefragung im Rahmen von PIA (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Von den insgesamt ausgeteilten 592 Fragebögen wurden 246 beantwortet, dies entspricht einer durchschnittlichen Rücklaufquote von 41,6 %. Hierbei lassen sich jedoch große Unterschiede mit Blick auf die Einrichtungsform, -kultur und -größe feststellen, so variiert der Anteil der beantworteten Fragebögen von 25 % im stationären Altenheim bzw. 35 % im großen Krankenhaus bis hin zu über 84 % in einem kleinen ambulanten Pflegedienst. Ziel des vorliegenden Artikels ist es, einen kurzen Überblick über zentrale Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen in den PIA-Einrichtungen zu geben und hierbei sowohl Ressourcen und positive Aspekte der Pflegearbeit als auch Problemlagen und Belastungen zu thematisieren. 2. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse aus den Mitarbeiterbefragungen Mit Blick auf die Ergebnisse der Befragungen lässt sich zunächst einmal festhalten, dass sich bei allen befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über alle Einrichtungsformen hinweg eine hohe subjektiv empfundene Sinnstiftung der Pflegearbeit sowie große Bedeutung der eigenen Arbeitsaufgaben zeigt. Im Krankenhaus 1 sagen diesbezüglich 89,8 % der Befragten (n=108) aus, dass sie das Gefühl haben, dass die Arbeit, die sie leisten, in gewissen Maß bzw. sehr wichtig ist. Im Krankenhaus 2 (n=47) stimmen dieser Aussage sogar 95,8 % der Befragten zu. Auch in der stationären Altenhilfe lässt sich die Bedeutung der Pflegearbeit bestätigen. So geben 76

76 7.2 Beispielhafte Ergebnisse der schriftlichen Mitarbeiterbefragungen in der stationären Einrichtung 1 jeweils 88,8 % (n=18) an, dass sie sich bei der Arbeit motiviert und engagiert fühlen und ihre Arbeitsaufgaben für sinnvoll halten. Darüber hinaus ist auch eine überdurchschnittlich hohe Bindung der befragten Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter an den Pflegeberuf zu konstatieren. Die Identifikation mit dem Pflegeberuf stellt sich hierbei bei allen befragten Einrichtungen als hoch heraus. Abb. 2 verdeutlicht, dass sowohl im Krankenhaus 2, im ambulanten Pflegedienst 1 wie auch in der stationären Pflegeeinrichtung 2 die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu über 80 % aussagen, dass sie stolz sind, dem Pflegeberuf anzugehören. Abb. 2: Bindung an den Pflegeberuf und an die Einrichtung (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Neben der Bindung an den Beruf lässt sich zudem eine hohe Bindung auch an die jeweilige Einrichtung verzeichnen. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit zu der jeweiligen Einrichtung variiert in den befragten Einrichtungen zwischen knapp 60 % in der stationären Einrichtung 2 und über 76 % im ambulanten Pflegedienst 1. Einher geht die beschriebene Identifikation der Befragten mit Beruf und Einrichtung mit einer zumeist hohen subjektiv empfundenen Arbeitszufriedenheit. So zeigen sich im Krankenhaus 1 64,8 % der Befragten (n=108) mit dem Beruf insgesamt zufrieden, in der stationären Pflegeeinrichtung 1 (n=17) sind dies sogar 94,1 % der Befragten und im ambulanten Pflegedienst 1 trifft dies auf 86,2 % (n=30) zu. 77

77 Sandra Dörpinghaus Entsprechend der hohen Identifikation der Befragten mit ihrem Beruf und ihrer Arbeitsstelle wie auch der größtenteils empfundenen Arbeitszufriedenheit sind auch die in der NEXT-Studie eruierten Tendenzen, dass etwa jede fünfte Pflegekraft sich Gedanken über einen Berufsausstieg macht (Simon et al., 2005), in den am PIA-Projekt beteiligten Häusern nicht zu erkennen. Vielmehr sagt ein Großteil der befragten Pflegemitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, dass sie fast nie oder nur sehr selten darüber nachdenken, den Pflegeberuf aufzugeben oder aber die Einrichtung zu wechseln. So gilt dies im Krankenhaus 2 für 80,9 % (n=47) bzw. 78,2 % (n=46) der Befragten und in der stationären Pflegeeinrichtung 1 (n=17) für 88,2 % bzw. 82,4 % der Befragten. Im ambulanten Pflegedienst 1 geben sogar 92,9 % (n=28) an, dass sie fast nie oder nur sehr selten darüber nachdenken, den Pflegeberuf aufzugeben bzw. 86,2 % (n=29) denken selten oder nie daran, die Einrichtung zu wechseln. In der aktuellen Debatte um den Pflegeberuf ist das Thema Fachkräftemangel sehr präsent. Vor diesem Hintergrund wird auch von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den beteiligten PIA-Einrichtungen mit Blick auf die Arbeitsmarktsituation eine hohe Arbeitsplatzsicherheit gesehen. Sowohl in den Krankenhäusern wie auch in den stationären Einrichtungen und den ambulanten Pflegediensten sagt der Großteil der Befragten aus, dass sie ihren Arbeitsplatz in den nächsten 5 bis 10 Jahren für sicher halten (Abb. 3). Abb. 3: Arbeitsplatzsicherheit und Prognose (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Schaut man sich parallel dazu jedoch die Antworten auf die Frage an, ob die Befragten unter den gegebenen Anforderungen auch die nächsten 5-10 Jahre in ihrem Beruf weiterarbeiten könnten, zeigen sich erste Diskrepanzen. So können sich rund ein Fünftel der Befragten nicht vorstellen, dass sie unter den vorherrschenden Bedingungen auch die nächsten Jahre in ihrem Beruf weiterarbeiten können und auch der Anteil derer, die es sich nur teilweise vorstellen können, wächst deutlich an (vgl. Abb. 4). 78

78 7.2 Beispielhafte Ergebnisse der schriftlichen Mitarbeiterbefragungen Abb. 4: Arbeitsperspektive (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Wie bereits in vielen Studien zur Pflegearbeit in der Vergangenheit bestätigt, sind die Arbeitsbelastungen und insbesondere die quantitativen Arbeitsanforderungen in der Pflege in Deutschland sehr hoch. 3 Auch in den befragten Einrichtungen in der Region Aachen zeigt sich im Hinblick auf die zeitlichen Arbeitsanforderungen in der Pflege ein ähnliches Bild. So antworten die befragten Pflegekräfte im Rahmen des PIA-Projektes auf die Frage, ob sie sehr schnell arbeiten müssen, in überwiegendem Maße mit oft oder immer. Diese Aussage wird zudem bei Befragten im Krankenhaussektor wie auch in der stationären Pflege häufiger getroffen als von Pflegekräften, die in einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt sind. Abb. 5: Quantitative Arbeitsanforderungen (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Am Beispiel des Krankenhauses 1 zeigt sich, dass 77,6 % der Befragten (n=111) das Gefühl haben, oft oder immer sehr schnell arbeiten zu müssen, zudem sind 48,7 % (n=111) der Ansicht, dass das Arbeitsaufkommen ungleich verteilt ist und sich Dinge anhäufen. 52,3 % (n=109) geben an, dass sie fast nie oder nur selten genügend Zeit haben, mit Patientinnen und Patienten zu reden. Auch bei den Befragten in der stationären Pflegeeinrichtung zeichnen sich ähnliche Ausprägungen ab. In den beteiligten 3 Vgl. hierzu exemplarisch das Pflegethermometer 2009 (Isfort et al. 2010), die bereits angesprochene Next- Studie (Simon et al. 2005) oder die DAK-BGW-Gesundheitsreports (BGW / DAK 2006, 2005, 2003) 79

79 Sandra Dörpinghaus Einrichtungen der ambulanten Pflege stellen zeitliche Arbeitsanforderungen zwar ebenfalls einen Belastungsfaktor dar, jedoch in etwas geringerem Ausmaß. So sagen rund 64 % (n=28) der Befragten des ambulanten Pflegedienstes 1 aus, dass sie oft oder immer sehr schnell arbeiten müssen, das Problem der ungleichen Verteilung der Arbeitsaufgaben scheint hingegen weniger gegeben, 51,7 % (n=29) geben an, dass dies selten oder fast nie der Fall ist. Neben den zeitlichen Ansprüchen spielen auch die emotionalen Anforderungen in der Pflege eine bedeutende Rolle. Diese ergeben sich aus Begegnungen mit den Faktoren Tod, Krankheit und Leid, aber auch aus dem Umgang mit unfreundlichen sowie aggressiven Patienten bzw. Bewohnern oder Kunden. In allen befragten Einrichtungen zeigt sich, dass zwar die Berührungshäufigkeit mit Krankheit, menschlichem Leid und Tod die derjenigen mit unfreundlichen und aggressiven Patienten deutlich überstieg, jedoch erweist sich der Kontakt mit solchen Patienten als erheblich belastender für die Befragten. Dies gilt im Falle der stationären und ambulanten Altenhilfe in noch stärkerem Maße als in den befragten Krankenhäusern. Abb. 6: Emotionale Arbeitsanforderungen (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Insgesamt fühlen sich 55,6 % der Befragten in Heim 1 (n=18) durch den Umgang mit aggressiven Bewohnern belastet, zudem geben 44,4 % an, sich durch unfreundliche Bewohner belastet zu fühlen. In der ambulanten Pflege spielen Belastungen durch aggressive Patienten für 60 % (n=10) sowie durch unfreundliche Kunden für 30 % der Befragten eine Rolle. Diese Belastung ist zwar auch im Krankenhaus ein Thema, jedoch in geringerem Maße, was auch auf den Fakt zurückzuführen ist, dass der Kontakt zu Bewohnern und Kunden in der stationären bzw. ambulanten Pflege längerfristiger angelegt ist als ein Aufenthalt im Krankenhaus. Als dritten großen Belastungsfaktor in der Pflege sind die körperlichen Anforderungen zu nennen. Diese ergeben sich laut den Ergebnissen der im Rahmen des PIA- Projektes durchgeführten Mitarbeiterbefragungen primär aus dem Anheben von Patienten im Bett, dem Umsetzen, Umlagern oder Tragen sowie der Mobilisierung von Patient(inn)en, Bewohner(inne)n und Kund(inn)en, wenngleich andere Tätigkeiten 80

80 7.2 Beispielhafte Ergebnisse der schriftlichen Mitarbeiterbefragungen wie beispielsweise das Bettenmachen oder das Schieben von Betten, Essens- oder Wäschewagen weitaus häufiger von den Pflegekräfte durchgeführt werden. Ein weiteres großes Thema, welches derzeit mit Blick auf die Pflegearbeit breit diskutiert wird, ist die Arbeitsteilung zwischen Pflege und anderen auch unterstützenden Berufsgruppen. Auch im Rahmen der durchgeführten Befragungen in den PIA-beteiligten Einrichtungen bestätigt sich, dass mit Blick auf die Gestaltung der Schnittstellen zwischen Pflege und anderen Berufen noch Unklarheiten und Verbesserungspotenzial bestehen. Dies gilt sowohl in Krankenhäusern in Bezug auf die Arbeitsteilung zwischen dem Pflegedienst und unterstützenden Berufsfeldern wie Service- oder Hilfskräften bzw. Küchenpersonal etc. als auch für die stationäre Altenhilfe, in diesem Fall ist insbesondere die Schnittstelle zwischen Pflege und Reinigungsdienst gemeint. Insgesamt geben in Krankenhaus 1 (n=111) 30 % der befragten Pflegekräfte an, dass sie mehr als ein Fünftel ihrer Arbeitszeit mit pflegefremden Tätigkeiten, sprich Aufgaben, die sie selber nicht zu ihrem Aufgabenfeld zählen, verbringen. Im Krankenhaus 2 sind dies sogar 42 % der befragten Pflegekräfte (n=47). Hierbei ist nicht nur der zeitliche Faktor relevant, fremde Tätigkeiten stellen zudem einen großen Belastungsfaktor in der Krankenhauspflege dar: Rund 40 % der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern (n=158) fühlen sich durch Tätigkeiten, die sie erledigen, welche aber ihrer Meinung nach nicht zum täglichen Aufgabenfeld gehören sollten, belastet. Der größte Teil dieser als fremd verstandenen Aufgaben entfällt hierbei auf den Bereich Küche und Service, gefolgt von Tätigkeiten aus den Segmenten Sekretariat / Terminabsprachen sowie Putzarbeiten und Patiententransporte. Im Bereich der stationären Altenhilfe stehen Aufgaben an der Schnittstelle zum Reinigungsdienst wie auch zur Hauswirtschaft und zur Küche im Fokus um die Diskussion der pflegefremden Tätigkeiten. Hierzu zählen beispielsweise Essen verteilen und aufräumen, Wäsche einräumen, Reinigungsarbeiten, Aufräumarbeiten und Blumen gießen. In Heim 1 (n=13) fühlen sich knapp 60 % durch die Ausführung dieser Tätigkeiten belastet. Auch im Bereich der ambulanten Pflege zeichnen sich Bereiche ab, die von den befragten Pflegekräften als nicht pflegerische Aufgaben beziffert werden. Hierzu gehört z.b. die hauswirtschaftliche Versorgung oder aber Putz- und Reinigungsarbeiten. Das Ausmaß und die durch die Ausübung dieser Tätigkeiten empfundene Belastung liegen aber deutlich unter dem Niveau im Krankenhaus wie in der stationären Pflege. Zusammenfassend handelt es sich im Bereich der pflegefremden Tätigkeiten in den meisten Fällen um Aufgaben, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie auch von anderen Berufsgruppen übernommen werden können. Ein wichtiges Stichwort in die- 81

81 Sandra Dörpinghaus sem Zusammenhang ist der qualifikationsgerechte Arbeitseinsatz. In Zeiten, in denen Pflege von zunehmender Arbeitsverdichtung und gleichzeitiger Personalknappheit betroffen ist, gewinnen Themen wie der Einsatz unterstützender Dienste zunehmend an Bedeutung. So wird von den Befragten in den teilnehmenden PIA- Einrichtungen insbesondere die Kombination der knappen personellen Ressourcen und der als modifizierbar empfundenen Arbeitsteilung als problematisch dargestellt: Beim derzeitigen Aufgabenspektrum wird ein Mangel an Fachpersonal wahrgenommen. Als Resultat steht aber nicht pauschal die Forderung nach mehr Personal im Fokus, sondern differenziert zum einen nach mehr Fachkräften, aber auch der Wunsch nach unterstützenden Diensten wie Sekretärinnen, Küchenhelfer, Servicepersonal, Ungelernten und Ehrenamtlichen. Auf der anderen Seite steht auch die Arbeitsteilung zwischen Pflege und Ärzten unter dem Stichwort der möglichen Übernahme von derzeit von Ärzten ausgeführten Aufgaben durch die Pflege in der Debatte um die zukünftige Neuorientierung von Aufgabenbereichen im Krankenhaus. Hier zeigt sich, dass auch die befragten Pflegkräfte noch Modifizierungs- und Klärungsbedarf haben: In Krankenhaus 1 (n=104) sind nur rund 42 % der Meinung, dass die Arbeitsteilung zwischen Pflege und Ärzten sinnvoll sei und rund 20 % sehen dies nicht als gegeben an. Und auch in Krankenhaus 2 sagen nur rund 40 % der Mitarbeiter der Pflege (n=45) aus, dass die Arbeitsteilung mit den Ärzten sinnvoll sei, weitere 44,4 % antworten mit teilweise zutreffend und 15,6 % sind der Ansicht, dass die derzeit praktizierte Arbeitsteilung nicht sinnvoll ist. In den befragten Einrichtungen im Rahmen des PIA-Projektes stellte sich zudem heraus, dass sowohl die Entwicklungsmöglichkeiten als auch die Mitsprachemöglichkeiten und die empfundene Wertschätzung insbesondere durch den Arbeitgeber seitens der Pflegekräfte teilweise als defizitär bezeichnet werden. 82 Entwicklungsmöglichkeiten meint in diesem Kontext sowohl die Möglichkeit, Eigeninitiative zu zeigen, individuelle Fähigkeiten und Sachkenntnisse bei der Arbeit einzusetzen oder aber etwas Neues bei der Arbeit zu erlernen. Insbesondere letzteres wurde in allen drei Einrichtungsformen (Krankenhaus, stationäre sowie ambulante Altenhilfe) von einigen Befragten (zwischen 20 % und 45 %) als nicht gegeben dargestellt. Zudem stellen fehlende Entwicklungsmöglichkeiten insgesamt für rund jeden vierten Befragten einen Belastungsfaktor dar. Interessant wäre vor diesem Hintergrund eine Ausdifferenzierung nach Qualifikations- und Einsatzebene, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Aufgabenfeld und Entwicklungsmöglichkeiten herstellen zu können. Ein signifikantes Ergebnis zu dieser Fragestellung lässt sich aber aufgrund teilweise geringer Fallzahlen in den Einrichtungen nicht realisieren. Der Bereich der Mitsprachemöglichkeiten zielt auf die Einbringung von Verbesserungsvorschlägen sowie Beschwerden durch die Mitarbeiter ab und um-

82 7.2 Beispielhafte Ergebnisse der schriftlichen Mitarbeiterbefragungen fasst auch die Frage, ob Anliegen der Pflege von der Leitung des Unternehmens ernst genommen und unterstützt werden. In Krankenhaus 1 sowie in der stationären Pflegeeinrichtung 1 beschreiben die befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlende Partizipationsmöglichkeiten insbesondere mit Blick auf das Einbringen von Beschwerden und Verbesserungsvorschlägen: zwischen 30 % und 50 % fühlen sich hierzu nicht ermuntert. Das Thema Wertschätzung 4 stellt ein wichtiges Thema in der Pflege dar. Im Rahmen der in der Region Aachen befragten Häuser und Dienste stellt sich die Situation so dar, dass die beschäftigten Pflegekräfte eine durchaus hohe Wertschätzung seitens der Patient(inn)en / Bewohner/innen oder Kund(inn)en sowie ihrer Angehörigen empfinden, nicht aber durch den Arbeitgeber: die Wertschätzung der Einrichtungsleitung empfinden viele Befragte als mangelhaft. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob dies auch darauf zurückzuführen ist, dass die Einrichtungsleitung zumeist weit weg von der praktischen Pflegearbeit ist und Berührungspunkte eher selten sind. Neben den beschrieben Themenbereichen, die sowohl im Krankenhaus, der stationären wie auch der ambulanten Pflege eine Relevanz aufweisen, soll abschließend noch ein Blick auf diejenigen Problembereiche geworfen werden, die besonders für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten von Bedeutung sind. Hierzu zählt zum einen die Frage nach der Weitergabe von Informationen über Kundinnen und Kunden zwischen den Kollegen. So gaben im ambulanten Dienst 1 rund 14 % der befragten Pflegekräfte (n=29) an, dass sie nicht über alle Patienteninfos verfügen, die sie brauchen, unter den Befragten im ambulanten Dienst 2 (n=11) sind dies sogar rund 27 %. Darüber hinaus wurde auch deutlich, dass sich kritische Situationen sowohl beim Autofahren (Dunkelheit, schlechte Witterungsverhältnisse) als auch bei Hausbesuchen (schwieriges soziales Umfeld, dunkle Hauseingänge) für die befragten Pflegekräfte im ambulanten Dienst als Belastung darstellen. 3. Ausblick Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Rahmen der Mitarbeiterbefragungen in den PIA-beteiligten Krankenhäusern, stationären sowie ambulanten Pflegeeinrichtungen eine Reihe von Themen identifiziert werden konnten, die eine große Belastung in der Pflegearbeit darstellen. Hierzu zählen zum einen die zeitlichen, körperlichen und auch emotionalen Anforderungen, die der Beruf Pflege mit sich bringt, wobei das quantitative Arbeitsspektrum vor allem in Kombination mit der derzeitigen Aufgabenteilung zwischen Pflege und unterstützenden bzw. entlastenden Berufsgruppen und zwischen Pflege und Medizin als belastend wahrgenommen wird. Auf 4 Vgl. hierzu Fuchs-Frohnhofen et al

83 Sandra Dörpinghaus der anderen Seite stellen auch mangelnde Entwicklungs- sowie Mitsprache- und Partizipationsmöglichkeiten und die als defizitär empfundene Wertschätzung seitens der Unternehmensleitung einen Belastungsfaktor für die befragten Pflegekräfte dar. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, dass die befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine große Motivation verfügen, die sich aus einer hohen empfundenen Sinnstiftung der Pflegearbeit ergibt und welche sich auch in einer hohen Arbeitszufriedenheit und Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ihren Arbeitgeber ausdrückt. Diese Motivation und positive Grundstimmung der Befragten bildete in den Einrichtungen auch eine gute Grundlage, um gemeinsam an Problemen zu arbeiten und Lösungen für individuelle Problemlagen zu finden und zu gestalten. 4. Literatur: BGW / DAK (2006): BGW-DAK Gesundheitsreport 2006 Ambulante Pflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit in ambulanten Pflegediensten. BGW / DAK (2005): BGW-DAK Gesundheitsreport 2005 Stationäre Krankenpflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Pflegenden in Einrichtungen der stationären Krankenhauspflege in Deutschland vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Gesundheitssystems. BGW / DAK (2003): BGW-DAK Gesundheitsreport 2003 Altenpflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Pflegekräften in der stationären Altenpflege. Fuchs-Frohnhofen, P. / Blass, K. / Dunkel, W. / Hinding, B. / Keiser, S. / Klatt, R. / Zühlke- Robinet, K (Hg.) (2010): Wertschätzung, Stolz und Professionalisierung in der Dienstleistungsarbeit Pflege, Tectum-Verlag, Marburg. Isfort, M. / Weidner, F. / Neuhaus, A. / Kraus, S. / Köster, V.H. / Gehlen, D. (2010): Pflege- Thermometer Eine bundesweite Befragung von Pflegekräften zur Situation der Pflege und Patientenversorgung im Krankenhaus. Herausgegeben von: Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.v. (dip), Köln. Simon, M. / Tackenberg, P. / Hasselhorn, H.-M. / Kümmerling, A. / Büscher, A. / Müller, B.H. (2005): Auswertung der ersten Befragung der NEXT-Studie in Deutschland. Universität Wuppertal. 84

84 7.3 Innovative Angebote am Markt innovative Beteiligungsformen der Mitarbeiter die St. Gereon Altenhilfe Bernd Bogert, Gerd Palm, Paul Fuchs-Frohnhofen Inhalt 1. Prolog 2. Die Pfarre St. Gereon und ihre Einrichtungen 3. Zielsetzung und Ergebnisse der Projektteilnahme PIA 1. Prolog Die Rahmenbedingungen im Bereich der stationären Altenhilfe und der ambulanten Pflege haben sich durch das Pflegeweiterentwicklungsgesetz deutlich gewandelt und werden sich zunehmend verändern. Die Anzahl der hochaltrigen, sehr pflegebedürftigen Menschen wird deutlich zunehmen bei gleichzeitiger Abnahme der familiären Hilfemöglichkeiten. Es entstehen dadurch ein wachsender breiter Unterstützungsbedarf und eine erhöhte Nachfrage nach Leistungsangeboten. Um dem begegnen zu können, ist es erforderlich, dass eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Pflege- und Versorgungsinfrastruktur für ältere und pflegebedürftige Menschen geschaffen wird. Die Leistungen der Pflegeversicherung und der Sozialhilfe haben das Ziel, die Lebensqualität für die zuhause lebenden Pflegebedürftigen zu verbessern, und so das Wohnen in der eigenen Häuslichkeit zu unterstützen. Grundsatz gilt: ambulant vor teilstationär, teilstationär vor stationär. Dieser Unterstützungsbedarf fängt in der Regel bereits bei der Antragstellung auf Gewährung von Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz an. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Leistungen und deren Kombinationsmöglichkeit, die die Pflegeversicherung beinhaltet, ist es grundsätzlich schwierig, sich zu Recht zu finden. Folgende Leistungen des SGB XI werden angeboten: Pflegegeld 85

85 Bernd Bogert, Gerd Palm, Paul Fuchs-Frohnhofen Sachleistungen für häusliche Pflege und Tagespflege Kombinationsleistungen Zusätzliche Betreuungsleistungen Kurzzeitpflege Verhinderungspflege Soziale Sicherung der Pflegepersonen Vollstationäre Pflege Die Erwartungen der hilfesuchenden Menschen und ihrer Angehörigen gehen oft dahin, dass neben der individuell ausgerichteten Hilfe keine Wechsel der Hilfepersonen oder Institutionen mehr vorzunehmen sind. Das zentrale Motto eines Versorgungsnetzes muss daher lauten: Alles aus einer Hand. Der wirtschaftliche Druck, der von den Kostenträgern auf die Dienste und Einrichtungen ausgeübt wird, verstärkt sich immer mehr. Gleichzeitig wächst der Wettbewerb unter den Anbietern. Aus organisationaler Sicht geht es darum, sich und seine Leistungen flexibel auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Durch eine bessere Versorgungsqualität gilt es, die Abhängigkeit des älteren Menschen zu reduzieren und wenn möglich eine Versorgung in den eigenen vier Wänden zu gewährleisten. Notwendig für uns als Organisation sind deshalb erweiterte und vernetzte Versorgungsstrukturen. Das Angebot der Pfarre St. Gereon wird daher um die Bereiche der teilstationären Pflege (Tagespflege), Pflegeberatung und ambulanten Pflege erweitert, um so eine möglichst frühzeitige Kundenbindung herzustellen. Ziel ist einerseits aus der Sicht des Nutzers ein regionales, wohnortnahes Komplettangebot aus einer Hand zu schaffen und bei Bedarf, entsprechend der jeweiligen individuellen persönlichen Situation, für einen nahtlosen Übergang zwischen unterschiedlichen Angeboten zu sorgen. Die Nutzer (Pflege- und Hilfebedürftige und ihre Angehörigen oder Betreuer/in) können auf ein Netzwerk von fachlich guten Diensten und Einrichtungen in ihrem bisherigen Wohnumfeld zurückgreifen. Mit nur einem Ansprechpartner/in wird ihnen die gesamte Hilfepalette eröffnet und sie haben somit die Sicherheit, ohne großen Aufwand, die für sie notwendigen Hilfen zu erhalten. Ein Mehrwert, den Träger von ausschließlich Pflegeheimen den Hilfenachfragern nicht bieten können. Gleichzeitig trägt diese strukturelle Veränderung dazu bei langfristig unsere Kapazitätsauslastung sicherzustellen. Die Altenhilfe St. Gereon bietet also mit ihrem neuen Konzept Pflege aus einer Hand : 86

86 Innovative Angebote am Markt die St. Gereon Altenhilfe Stationäre Pflege Beratung und Begleitung Ambulante Pflege Servicewohnen und Betreutes Wohnen sowie Kurzzeitpflege Zentrales Qualitätskriterium ist ein Mix aus verschiedenen pflegerischen Dimensionen, die u.a. Beratung, Begleitung, Betreuung und Begegnung umfassen. Daraus ergibt sich ein modularisiertes Angebotsportfolio, das sich an den individuellen Wünschen der Betroffenen ausrichtet. 2. Die Pfarre St. Gereon und ihre Einrichtungen Die katholische Kirchengemeinde St. Gereon ist seit dem Jahre 1888 Träger mehrerer gemeinnütziger Einrichtungen der Altenhilfe. Die zentrale Idee besteht darin, dass durch das Vorhalten von unterschiedlichen Einrichtungen, mit je anderen Zielsetzungen ein differenziertes und abgestuftes Angebot für pflegebedürftige bzw. unterstützungsbedürftige Menschen geschaffen wird. Dabei ist uns bewusst, dass wir mit individuellen Persönlichkeiten sowohl bei der Bewohnerschaft als auch bei der Mitarbeiterschaft zu tun haben. Ziel ist es, für alle Beteiligten, ein Leben in Vielfalt" zu ermöglichen und zu fördern. Service Haus Altenwohnungen Ambulante Versorgung 20 Wohnungen Pastor Gerards Haus Betreutes Wohnen Ambulante Versorgung 16 Wohnungen St. Gereon Haus Tagespflege Ambulante Pflege Pflegeberatung Haus Schunck Pflegeheim 12 Plätze 1 Hausgemeinschaft Haus Berg Pflegeheim 90 Plätze 10 Hausgemeinschaften Christinenstift Pflegeheim 54 Plätze 6 Hausgemeinschaften Wohngemeinschaften Geistig Behinderte (4) Psych. Kranke (3) Fachseminar für Altenpflege In Kooperation mit IPS St. Gereon Tagespflege Setterich Tagespflege, Pflegeberatung Abb. 1: Einrichtungen der Pfarre St. Gereon 87

87 Bernd Bogert, Gerd Palm, Paul Fuchs-Frohnhofen Altenheime Haus Berg und Christinenstift Das Haus Berg verfügt über 80 Einzelzimmer, und 5 Doppelzimmer. Von den 90 vollstationären Pflegeplätzen sind 10 Plätze eingestreute Kurzzeitpflegeplätze. Das Christinenstift verfügt über 36 Einzelzimmer, und 10 Doppelzimmer. Von den 53 vollstationären Pflegeplätzen sind 5 Plätze eingestreute Kurzzeitpflegeplätze Die Bewohner leben in einer Hausgemeinschaft oder als Individualisten. Hausgemeinschaften sind anders gebaute und anders organisierte, quartiernahe Angebote für pflegebedürftige und /oder verwirrte ältere Menschen. In jeder Hausgemeinschaft leben in einem gemeinsamen Haushalt zwischen acht und zwölf ältere Menschen ähnlich wie in einer größeren Familie zusammen. Jeder hat sein eigenes Wohn-/Schlafzimmer und kann darüber hinaus alle Gemeinschaftsflächen (Wohnküche, Garten, Terrasse etc.) nutzen. Das Gemeinschaftsleben spielt sich vor allem rund um den Herd" in der geräumigen Wohnküche der Hausgemeinschafts- Wohnung ab. Die Bewohner beteiligen sich - wenn sie denn können und mögen - an den alltäglichen Aktivitäten in der Küche. Oder sie sitzen ganz einfach dabei und nehmen das Leben in der Wohnküche in sich auf. Der ganz gewöhnliche Alltag mit seinen aus früheren Tagen vertrauten Bewegungsabläufen, Geräuschen und Gerüchen wird so gleichsam zur Stimulans und - wenn man so will - zur Therapie". Die vertrauten Aktivitäten und Dinge und die - im Vergleich zu herkömmlichen Heimen - wenigen und überschaubaren Räume ermöglichen aufgrund ihrer Kleinräumlichkeit" insbesondere verwirrten älteren Menschen eine wesentlich bessere Orientierung und sorgen so für mehr Sicherheit, Geborgenheit und Lebensqualität. Das Leben in familienähnlichen Hausgemeinschaften wird von festen Bezugspersonen, den sogenannten Präsenzkräften, begleitet. Sie helfen den Bewohnern beim Anziehen oder beim Anlegen von Verbänden, sie unterstützen die Bewohner dabei, Teile der Mahlzeiten zuzubereiten oder helfen bei der Herstellung von Kontakten zu Bewohnern, Angehörigen oder Ärzten. Bei den meisten Hausgemeinschaften beteiligen sich außerdem Angehörige, Nachbarn, Freunde und ehrenamtliche Helfer in der Regel gern, da sie von der Hauptlast der Pflege und Betreuung entbunden sind. 88

88 Innovative Angebote am Markt die St. Gereon Altenhilfe Definition Hausgemeinschaft Hausgemeinschaften haben die Aufgabe, den Bewohnern die Ressourcen für eine eigenverantwortliche Alltagsgestaltung zur Verfügung zu stellen. Durch das Leben in einer Hausgemeinschaft sollen Handlungsräume eröffnet werden, in denen sie ihre Kompetenzen einbringen können und in denen sie solidarisch handeln können. Dadurch erfahren die Bewohner Selbständigkeit, Autonomie und Selbstbestimmung. Den Bewohnern, die nicht in Hausgemeinschaften und dem dazugehörigen Milieu leben wollen, stehen unser offener Ess- und Wohnbereich sowie mehrere Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Kleine Sitzecken laden zur Kontaktaufnahme ein. Die Bewohner im Haus Berg und im Christinenstift finden einen Lebensraum, der Ihren Bedürfnissen in dieser besonderen Lebenssituation gerecht wird. Alten- und Pflegeheim Haus Schunck 12 Wohnungen für 12 Bewohner/innen. Es handelt sich um ein anerkanntes Pflegeheim mit entsprechendem Versorgungsvertrag und Anerkennung durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Besonderheit: jeder Bewohner hat eine eigene Wohnung. Durch diese Wohnung werden die Selbsthilfekräfte der Bewohner gestärkt und gefördert. Das Haus Schunck wird im Sinne einer Hausgemeinschaft betrieben, d.h., dass die Bewohner untereinander Verpflichtungen für das Gemeinwohl haben. Durch die Selbsthilfe und durch die entsprechenden Einspareffekte liegen die Kosten für den pflegebedingten Aufwand ca. 1/3 niedriger als in normalen Heimen. Pastor Gerards Haus 16 Wohnungen. Erstbezug: Besonderheit: jeder Bewohner hat ein eigenes Appartement bzw. 2 Personen (z. B. Ehegatten) teilen sich eine eigene Wohnung. In diesem Haus leben überwiegend Menschen im Alter von Jahren, die in der Regel psychische Hilfen und lebenspraktische Assistenz benötigen. Es handelt sich um eine sozialhilferechtlich anerkannte Einrichtung des Betreuten Wohnens. Wohngemeinschaft in Brachelen Brachelen: 4 Plätze. Erstbezug: In einem Reihenhaus leben 4 Bewohner, die geistig behindert sind und einer Tätigkeit bei der Lebenshilfe nachgehen. Sie werden von uns in geringfügigem Maße betreut. Die Grundidee dieser Wohngemeinschaft ist, dass die Bewohner in der Lage sind, einen Haushalt mit geringer Hilfe zu managen. Servicehaus am Klostergarten 20 Wohnungen für 26 Mieter/innen in unmittelbarer Nähe zum Haus Berg. Erstbezug: Dezember In diesen Wohnungen leben pflegebedürftige Menschen (bis Pflegestufe 3), die von uns betreut und ambulant gepflegt werden. 89

89 Bernd Bogert, Gerd Palm, Paul Fuchs-Frohnhofen Fachseminar für Altenpflege am Haus Berg In separat gelegenen Räumlichkeiten am Haus Berg führen wir seit 1996 im Rahmen eines eigenen Bildungswerkes Fortbildungsveranstaltungen für eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch und organisieren Fortbildungen für andere Träger. Seit 2001 wird in diesen Räumlichkeiten ein anerkanntes Fachseminar für Altenpflege in Kooperation betrieben. St. Gereon Haus Tagespflege - Im St. Gereon Haus bieten wir älteren Menschen, die tagsüber nicht länger alleine zu Hause sein wollen oder Unterstützung und Betreuung benötigen, die Möglichkeit, den Tag in Gemeinschaft zu verbringen und abends nach Hause zurück zu kehren. Pflegeberatung - Die Pflegeberatung richtet sich an Pflegebedürftige und deren Angehörige sowie an Personen, die sich neu mit dem Thema Pflegebedürftigkeit auseinandersetzen müssen. Sie gibt konkrete Hilfestellungen rund um das Thema Pflege egal, ob jemand selbst pflegebedürftig oder pflegender Angehöriger ist. Unser Angebot für Sie: Information und Beratung zu den Leistungen der Pflegeversicherung, zur Finanzierung von Pflegeleistungen, zur Koordination und Durchführung der notwendigen Hilfen, zu den Diensten im häuslichen Bereich, z. B. pflegerische und hauswirtschaftliche Hilfen, Menüdienst, Haus-Notruf-Dienst, über die Einrichtungen der stationären Pflege, Tagespflege, Kurzzeitpflege und Betreutes Wohnen. Ambulanter Dienst Im St. Gereon-Haus ist auch die Zentrale unseres Ambulanten Dienstes untergebracht, der sich seit Januar 2011 am Markt etabliert. 3. Zielsetzung und Ergebnisse der Projektteilnahme PIA Die angestrebten innerbetrieblichen Reformen und Innovationen können nur unter Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestoßen und umgesetzt werden. Es gilt daher die Mitarbeiter/innen weniger als Kostenfaktor und mehr als Innovationsträger und Mitunternehmer/innen zu sehen und dementsprechend zu beteiligen. Dazu hat uns die externe Moderation durch das PIA-Projekt geholfen. In diesem Rahmen konnten sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in strukturierter Form bei der Planung der neuen Tagespflege in Linnich und bei der Vorbereitung der Markteinführung unseres neuen ambulanten Dienstes einbringen. Eine vom PIA- 90

90 Innovative Angebote am Markt die St. Gereon Altenhilfe Projekt angebotene Schulung zur Kommunikation mit Angehörigen und Interessent(inn)en für unsere Angebote war von der Botschaft durchzogen, dass unsere Mitarbeiter/innen die wichtigsten Werbeträger für unsere Einrichtungen sind. Durch die Schulungen fühlten die Mitarbeiter/innen sich wertgeschätzt, erkannten aber auch, welche Verantwortung sie für unsere Einrichtungen auch über die tägliche Arbeit hinaus als Botschafter/innen der Altenhilfe St. Gereon haben. Neben der Förderung der internen Mitarbeiterbeteiligung stand das voneinander- und miteinander-lernen zwischen verschiedenen Einrichtungen ebenso im Vordergrund unserer Zielsetzungen und Erwartungen für die Teilnahme am PIA-Projekt. Durch den kooperativen Austausch erhofften wir uns eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit unserer Organisation sowie eine Horizonterweiterung hinsichtlich der organisationsspezifischen Umwelten durch die Teilnahme an den spezifischen Facharbeitskreisen, um so eine Flankierung unseres Kerngeschäftes mit anderen Dienstleistungen zu erreichen. Das langfristige Ziel war eine Verbesserung der Wettbewerbssituation. Abb. 2: Der NRW-Arbeitsminister am im Christinenstift (v.l.n.r.: Paul Fuchs-Frohnhofen, MA&T, Karin Pelzer, Christinenstift, Arbeitsminister Guntram Schneider, Gerd Palm, Christinenstift, Bernd Bogert, Geschäftsführer St.Gereon) 91

91 Bernd Bogert, Gerd Palm, Paul Fuchs-Frohnhofen Diese Ziele konnten voll erreicht werden. Besonders hervorzuheben ist dabei die Teilnahme von Führungskräften unserer Organisation an der Weiterbildung Innovationsmanager/in Pflege, die durch uns mit initiierte Weiterbildung Ernährungsbeauftragte/r für stationäre Altenpflege-Einrichtungen, zwei Leitungskonferenzen in Hellenthal auf der Wildenburg zu den Themen Mitunternehmertum und Werte-Kodex unsere Beteiligung am PIA-Arbeitskreis Stationäre Pflege sowie der Besuch des Arbeitsministers von Guntram Scheider in unserer Einrichtung. Durch seine innovative mitarbeiter- und bewohnerorientierte Organisation erreichte die Altenpflege St. Gereon zahlreiche Auszeichnungen und gehört zu Deutschlands besten Arbeitgebern und zu den besten Arbeitgebern im Gesundheitswesen. 92

92 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren und demenzkranken Patienten im Kreiskrankenhaus Mechernich Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Inhalt 1. Einführung 2. Die Ausgangssituation im Kreiskrankenhaus Mechernich 3. Zum Vorgehen im PIA-Projekt 4. Zusammenfassung und Ausblick 5. Literatur 1. Einführung Unser Krankenhaussystem ist nach wie vor und in den letzten Jahren sogar zunehmend auf die effiziente Behandlung von akuten Erkrankungen ausgerichtet. Charakteristisch ist das Bemühen um reibungslose und kostengünstige Abläufe, effektive Kommunikation und Kooperation des Personals, die Erfüllung hygienischer Anforderungen und der Einsatz hochfunktionaler Technik. Eine solche funktionale Organisation stellt geradezu den Gegenentwurf zur Lebenswelt von Menschen mit Demenz dar. Demenz ist im Krankenhaus meist eine Nebendiagnose. Behandelt wird vor allem eine akute Krankheit, während die mit der Demenz in Verbindung stehenden Besonderheiten Störfaktoren darstellen. Insbesondere eine funktionale Arbeitsgestaltung durch die Pflege kann sich dabei negativ auf die demenzerkrankten Patient(inn)en auswirken. Gegenwärtig sind Krankenhäuser kaum auf die Betreuung dieser Personen eingestellt, obwohl der Anteil demenzerkrankter Patienten schon heute mehr als 12 % beträgt (ISO 2005). Ihre Pflegebedürftigkeit besteht teilweise darin, dass sie kognitive Beeinträchtigungen, die sie an selbständigen Aktivitäten im Lebensalltag, selbstän- 93

93 Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam diger Krankheitsbewältigung oder selbständiger Gestaltung von Lebensbereichen und sozialer Teilhabe (Wingenfeld et al., 2007, S. 107) hindern, nicht selbst kompensieren können, so dass sie auf personelle Hilfe angewiesen sind. Ein Krankenhausaufenthalt als Patientin oder Patient ist bereits für jeden alltagskompetenten Menschen eine ungute Erfahrung. Nicht selten wird die Zeit als Patient/in als traumatisch erlebt, man fühlt sich ausgeliefert und hilflos. Wie viel verwirrender und beängstigender muss diese Situation für Menschen sein, die infolge einer Demenz große Schwierigkeiten haben, Abläufen zu folgen, Informationen zu verstehen und sich an Personen zu erinnern. Die Pflege im Kreiskrankenhaus Mechernich ist sich dieser Tatsache bewusst und setzt daher im PIA-Projekt auf innovative Entwicklungen, um die Versorgung älterer Patient/innen und insbesondere solcher mit demenziellen Erkrankungen während des Klinikaufenthalts zu verbessern. 2. Die Ausgangssituation im Kreiskrankenhaus Mechernich Im Jahr 2009 feierte das Kreiskrankenhaus Mechernich sein 100 jähriges Bestehen Jahre im Dienste der Patienten. Das Kreiskrankenhaus gehört zu dem Unternehmensverbund Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH, der mehrere Tochterunternehmen umfasst, wie ein Ambulantes OP-Zentrum in Zülpich, den Pflegedienst Vivant, das Altenheim Liebfrauenhof in Schleiden und das Geriatrische Zentrum in Zülpich. Der Unternehmensverbund Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH ist mit ca Mitarbeiter/innen ein bedeutender Arbeitgeber für die Region. Das Kreiskrankenhaus Mechernich verfügt über 413 Betten. In insgesamt 13 Abteilungen werden jährlich ca Patienten versorgt. Die Hauptfachabteilungen teilen sich auf in die Innere Medizin, Kardiologie, Akutgeriatrie mit Tagesklinik, Kinder- und Jugendmedizin, Gynäkologie und Geburtshilfe, Unfallchirurgie, Orthopädie, Urologie, Anästhesiologie und Chirurgie. Des Weiteren wird eine Belegabteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde sowie die Radiologie und ein Sozialpädiatrisches Zentrum vorgehalten. Seit 1977 ist das Kreiskrankenhaus Mechernich Lehrkrankenhaus der Universität zu Bonn. Das Kreiskrankenhaus hat sich am Gesundheitsmarkt unter Einbeziehung ambulanter Versorgungsformen und flankierender Angebote der Tochtergesellschaften immer breiter aufgestellt und Schwerpunkte gebildet: Die Kinder- und Jugendabteilung des Hauses sowie die umfassende Versorgung älterer Patienten gehören dazu. 94

94 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren u. demenzkranken Patienten im KKH Mechernich Die Beteiligung am Projekt PIA wurde als Chance wahrgenommen, einen der Versorgungsschwerpunkte weiter zu stärken, indem nach Optimierungsmöglichkeiten in der Versorgung älterer bzw. demenzerkrankter Patienten gesucht wurde. Bei der Umsetzung der Projekt-Ideen standen die unfallchirurgische Abteilung und die Abteilung für Akutgeriatrie im Mittelpunkt. Abteilung für Unfallchirurgie Die Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie gehört zum Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie und deckt das gesamte Spektrum der muskuloskelettalen Chirurgie ab: Behandlung von Unfallverletzungen und Folgen von Unfallschäden Behandlung von Schwerverletzten mit Intensivbehandlungsbedürftigkeit Operative und nicht operative Knochenbruchbehandlung des gesamten Skelettes Wiederherstellung von Weichteilschäden bei unfallbedingten Defekten Handchirurgie und Mikrochirurgie Arthroskopien (Gelenkspiegelungen) aller großen Gelenke einschließlich arthroskopischer Operationen und Bandoperationen (sowohl ambulant als auch stationär) künstlicher Gelenkersatz aller großen Gelenke Knochenersatzoperationen nach unfallbedingten und tumorbedingten Knochendefekten Es werden Schwerpunkte gelegt auf die Bereiche Sporttraumatologie, Frakturbehandlung bei Kindern und Jugendlichen sowie Alterstraumatologie. Da es eine dramatische Zunahme an Knochenbrüchen bei älteren Menschen und Menschen mit Osteoporose gibt, werden Verfahren wie die Ballonkyphoplastie für die Sinterungsbrüche an der Wirbelsäule und neue Platten-Schrauben-Kombinationen angewandt. Abteilung für Akutgeriatrie Die geriatrische Abteilung des Kreiskrankenhauses verfügt über 34 Betten und 10 Tagesklinikplätze. Die Station hat schwerpunktmäßig das Ziel, alters- und langzeitkranken Menschen zu helfen, ihre Selbstständigkeit möglichst zu erhalten oder zurückzugewinnen. Bei Pflegebedürftigkeit steht die Beseitigung, Minderung und die Verhütung einer weiteren Verschlechterung im Vordergrund. Um dieses Ziel zu erreichen, orientiert sich die Abteilung für Akutgeriatrie und Frührehabilitation an einem integrierten sozialmedizinischen Konzept, das aus folgenden Teilbereichen besteht: medizinische Diagnostik und Behandlung physikalische Rehabilitation 95

95 Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam soziale Betreuung und Reintegration Zur Aufnahme kommen in der Regel über die Grenzen einzelner medizinischer Fachgebiete hinweg akut erkrankte, multimorbide, ältere bis sehr alte Patienten. Die verloren gegangene und durch die Erkrankung bedrohte Selbstständigkeit des Patienten machen (früh-)rehabilitative Maßnahmen neben der medizinischen Primärversorgung notwendig. Die ärztliche Behandlung älterer Menschen auf der Geriatriestation beinhaltet u.a. folgende Aspekte: Medizinische Diagnostik Psychometrie: z.b. Mini Mental Test nach Folstein, Clock-Completion-Test, SKT (Syndromkurztest nach Erzigkeit), geriatrische Depressionsskala, Ischämieindex nach Hachinski Funktionstest: z.b. Barthel-Index (Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL), Motilitätstest nach Tinetti (Sturzneigung) Aktivierende Pflege nach Bobath Logopädische Befundung und Behandlung: Diagnostik und Behandlung von Sprach- und Sprechstörungen sowie von Kau- und Schluckstörungen Enge Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst, um die soziale und rehabilitative Weiterversorgung der Patienten nach der Krankenhausentlassung zu sichern Krankengymnastik und Physikalische Therapie: z.b. Gehtraining, Beckenbodengymnastik bei Inkontinenz, Massage Ergotherapie: z.b. Frühstückstraining, Anziehtraining, Hilfsmittelanpassung, - training und -verordnung, um Aktivitäten des täglichen Lebens ausführen zu können 3. Zum Vorgehen im PIA-Projekt 3.1 Analyse der Ausgangssituation Dem PIA-Projektlenkungsteam am Kreiskrankenhaus Mechernich gehörten die Geschäftsführung, die Pflegedirektion, der stellv. ärztliche Direktor, der Betriebsrat sowie einige leitende Pflegekräfte an. Moderiert und fachlich unterstützt wurden die Arbeiten durch Mitarbeiter/innen von IAT und MA&T. Zu Beginn der Projektarbeiten wurde beschlossen, zunächst eine vertiefende Analyse der Situation älterer, insbesondere auch demenziell veränderter Patient(inn)en durchzuführen. Die Ergebnisse sollten Aufschluss über die spezifische Lage auf den beiden beteiligten Stationen der Unfallchirurgie (36 Betten) und der Geriatrie (34 Betten) geben und so eine gezielte Verbesserung ermöglichen. Wichtig war dabei, verschiedene Perspektiven einzubeziehen. Methodisch fiel die Wahl auf leitfadengestützte Interviews. Insgesamt wurden 16 Interviews geplant und durchgeführt. Auf jeder Sta- 96

96 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren u. demenzkranken Patienten im KKH Mechernich tion waren zwei Patientinnen, zwei Angehörige (derselben Patientinnen), drei Pflegende und eine Ärztin/ein Arzt beteiligt. Die Terminkoordination übernahm der Pflegedienst des Kreiskrankenhauses, die Interviewführung die Mitarbeiter/innen des IAT und von MA&T. Die Interviews dauerten zwischen 15 und 45 Minuten und wurden in geschützter Atmosphäre ohne Anwesenheit weiterer Personen durchgeführt und aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen wurden anschließend transkribiert und am IAT qualitativ ausgewertet. Schließlich wurden die Ergebnisse im Rahmen einer Präsentation im Projektteam und auf den beteiligten Stationen vorgestellt und diskutiert. Die Interviews ergaben vielfältige Hinweise darauf, dass Strukturen und Abläufe auf beiden Stationen für Patienten und Angehörige schwer durchschaubar waren, Zuständigkeiten unklar erschienen und Mängel in der Koordination bestanden. Daher wurde beschlossen, das Pflegesystem auf beiden Stationen weiterzuentwickeln. Zudem war bereits vorher geplant, auf der Geriatrie eine Mahlzeitengruppe für Menschen mit Demenz zu implementieren. Die Entwicklungen werden im Folgenden weiter erläutert. 3.2 Teilprojekt 1 Weiterentwicklung des Pflegesystems Konzeptioneller Hintergrund Die Organisation pflegerischer Arbeit nach dem tayloristischen Prinzip, also die Erledigung einer Verrichtung an vielen Patienten nacheinander (bspw. in Form von Lagerungsrunden, Messrunden, Bettenrunden usw.), gilt seit langem als inakzeptabel. Sie bedeutet nicht weniger als die Übertragung von Prinzipien industrieller Produktion auf die Arbeit mit Menschen. Pflege ist eine personenbezogene Dienstleistung und Interaktionsarbeit. Patienten und Pflegende sind Interaktionspartner und Koproduzenten einer Dienstleistung. Die Organisation sollte diese Interaktion unterstützen. Entsprechend wurden in den meisten Kliniken in den 1980er und 90er Jahren alternative Konzepte erprobt, die relativ unsystematisch als Bereichspflege, Gruppenpflege, Bezugspflege usw. bezeichnet wurden. Bei der Frage danach, was eine ganzheitliche Pflege ausmacht, die die genannten Anforderungen erfüllt, verweisen Büssing und Glaser (1996) auf zwei entscheidende Merkmale. Erstens die Patientenorientierung: Die/der Patient/in wird als Interaktionspartner/in ernst genommen, wird vom Objekt zum Subjekt der Pflege. Kern der Pflege ist damit die Beziehungsgestaltung, das gemeinsame Aushandeln der Problemsicht und der Vorgehensweise im Pflegeprozess. Zweitens die Vollständigkeit der pflegerischen Aufgaben. Das arbeitspsychologische Konzept der vollständigen Tätigkeit geht davon aus, dass Arbeit mit den Merkmalen Autonomie, Anforderungsvielfalt, Möglichkeiten der sozialen Interaktion, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie Sinnhaftigkeit gesundheits- und persönlichkeitsfördernd sowie motivierend ist. Man spricht hier auch von Kriterien humaner Arbeit (Büssing & Glaser, 1996; Hacker, 2005). Den genannten Merkmalen entsprechend, kann ein Pflegesystem über zwei Dimensionen beschrieben werden. Die Dimension Pflegeorganisationsform bezeichnet die organisatorische Zuständigkeit, d. h. die 97

97 Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Größe des Zuständigkeitsbereichs (Station, Gruppe, Bereich, Zimmer, Patient). Die inhaltliche Orientierung, also das Ausmaß der Patientenorientierung, entspricht der Dimension des Pflegeprinzips. Abb. 1: Schema zur Einordnung von Pflegesystemen (Quelle: Büssing & Glaser, 1996, S. 12) Beide Dimensionen stehen in einem Zusammenhang in dem Sinn, dass ein kleinerer Zuständigkeitsbereich günstigere Bedingungen für eine patientenorientierte Arbeitsgestaltung bietet als ein großer. Dennoch ist wichtig: Innerhalb einer Pflegeorganisationsform kann das Pflegeprinzip stark unterschiedlich sein, d. h. es besteht bspw. innerhalb einer Bereichspflege-Organisationsform die Möglichkeit starker Patientenorientierung ebenso wie die eines ganz funktionalen Prinzips. Daher ist es unzureichend, ein Pflegesystem nur nach der Organisationsform zu benennen. Eine Übersicht über mögliche Ausprägungen bietet die folgende Abbildung an: Abb.2: Klassifikation von Pflegesystemen (Quelle: Büssing & Glaser, 1996,S. 17) 98

98 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren u. demenzkranken Patienten im KKH Mechernich Die Ausgangslage im Kreiskrankenhaus Mechernich Das im Kreiskrankenhaus Mechernich praktizierte System wurde ursprünglich pragmatisch als Gruppenpflege bezeichnet. Dieses System war seit mehreren Jahren Routine. Grundzüge ließen sich am Beispiel der Geriatrie wie folgt beschreiben: Die Station wurde morgens in mehrere Patientengruppen aufgeteilt, die jeweils von einer examinierten Pflegenden und einer Pflegehilfskraft betreut wurden. Hierbei hatte die examinierte Pflegende die Verantwortung für die Gruppe, die Rolle der zweiten Person ergab sich aus ihrer Qualifikation und der Situation. Typischerweise erledigte die zweite Person bei allen Patient(inn)en der Gruppe die Vitalzeichenkontrolle, danach wurden innerhalb der Gruppen alle Aufgaben der etwa neun Patienten zimmerweise erledigt. Dieses Prinzip wurde bis etwa 9:30 Uhr aufrechterhalten. Zum Frühstück gingen die Pflegenden von zwei Gruppen in die Pause. Für das anschließende Lagern wurden meist zwei Gruppen zusammengelegt. Nach 10 Uhr zog sich die examinierte Pflegende sofern es der Zustand der Patienten zulässt für patientenferne Aufgaben wie Dokumentation oder Medikamentenvorbereitung für die Gruppe zurück, während sich die assistierende Person nach eher funktionalem Prinzip um die Patient(inn)en der Gruppe kümmerte. Bei der Visite ging die Gruppenleitung mit dem Arzt durch die jeweiligen Zimmer. Auch die Übergabe mittags war gruppenweise organisiert. Im Spätdienst, am Wochenende und an Feiertagen galt diese Organisation nicht. Zu diesen Zeiten wurden zwei Gruppen à 18 Patienten gebildet. Im Spätdienst arbeiteten zwei Personen pro (Groß-)Gruppe, am Wochenende vormittags drei. Da auch Teilzeitbeschäftigte in das System als Gruppenleitung eingebunden waren, blieben die Gruppen lediglich für etwa vier bis fünf Tage gleich. Bei Vollzeitkräften ergaben sich teilweise bis zu 11 Tage Zuständigkeit. Die Ausbildung der Schüler erfolgte auch innerhalb der Gruppen. Problematisch waren schwierige Praktikanten und Schüler, bei der die examinierte Pflegekraft viel anleiten und beaufsichtigen musste und damit wenig Zeit für ihre Patienten hatte. Diese seit mehreren Jahren bestehende Organisation stellte eine Mischform aus verschiedenen Pflegesystemen dar. Hinsichtlich der Pflegeorganisationsform (eine Dimension des Pflegesystems) ließen sich Tendenzen in Richtung einer Bereichspflege identifizieren, wie anhand der Definition von Büssing und Glaser (1996, S 16) deutlich wird: Die Bereichspflege [ ] unterteilt die Station in mehrere, in der Regel vier bis sechs Bereiche, die von einer bzw. zwei Bereichsschwestern weitgehend eigenverantwortlich geführt werden. In jedem Bereich sind in der Regel etwa acht bis zwölf Patienten untergebracht. Dies entsprach aber lediglich der Vorgehensweise, die montags bis freitags vormittags eingeführt war. Bereits in dieser Zeit fanden sich Übergänge zu einer anderen Pflegeorganisationsform, indem für bestimmte Phasen oder Arbeiten zwei Bereiche 99

99 Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam zusammengelegt wurden. Dies entsprach zumindest hinsichtlich der Anzahl der Patienten eher einer Gruppenpflege und galt für sämtliche Spätdienste sowie Wochenend- und Feiertage. Nicht auszuschließen ist, dass es zudem verdeckte Reste einer Stationspflegeform gab. Auch das Pflegeprinzip (die zweite Dimension des Pflegesystems) wirkte gemischt. Schon am Vormittag zeigte sich hier eine funktionszentrierte Ausprägung: Vitalzeichenkontrolle durch die zweite Kraft zu Beginn des Frühdienstes und Lagerungsrunden in zusammengelegten Bereichen am Vormittag. Als entscheidender Befund der Interviews konnte ebenfalls gelten, dass die vormittägliche Zuständigkeit für einen kleineren Patientenbereich nur aus arbeitsorganisatorischer Sicht der Pflegenden bestand, für Patienten und Angehörige wie auch für Ärzte dagegen nicht erkennbar war. Auch wurde eine Kontinuität der Verantwortlichkeit lediglich für vier bis fünf Tage angestrebt, da durch die Einbindung von Teilzeitkräften als Bereichsverantwortliche eine Verantwortlichkeit für die Gesamtaufenthaltsdauer der Patienten nicht möglich erschien. Von einem Pflegesystem der Ganzheitlichen Bereichspflege, mit dem Patientenorientierung und Vollständigkeit der pflegerischen Aufgaben als Merkmale ganzheitlicher Pflege erreicht werden sollen, war die Realität damit noch weit entfernt. Daher waren grundlegende Entwicklungsschritte auf verschiedenen Ebenen erforderlich Vorgehen zur Weiterentwicklung des Teilprojektes Pflegesystem Um die Zielrichtung der weiteren Entwicklung zu beschreiben, wurde im Mai 2010 eine Besprechung zum Thema Professionelle Pflege und Pflegesystem organisiert. Auf Basis von Vorgesprächen und der durchgeführten Interviews wurden der professionelle Anspruch der Pflegenden und die Frage thematisiert, wie dieser durch die Weiterentwicklung des Pflegesystems besser umgesetzt werden könnte. Danach ist professionelle Pflege insbesondere von drei Oberthemen charakterisiert: Beziehung, Ganzheitlichkeit und Unterstützung. Beim Thema Beziehung stehen das Vertrauen der Patienten zu den Pflegenden sowie die Kontinuität der Beziehung im Mittelpunkt. Ganzheitlichkeit bedeutet hier die gleichrangige Beachtung psychischer, sozialer und physischer Dimensionen der Patientensituation. Unterstützung bezieht sich auf die verschiedenen Funktionen bzw. Aufgaben der Pflege, beispielsweise die Aufrechterhaltung der Würde des Patienten, Interessenvertretung, Planung der nachstationären Versorgung, individuelle Förderung. Die weitere Entwicklung sollte der verbesserten Umsetzung dieser Grundsätze dienen. Auf beiden Stationen wurden anschließend unterschiedliche Wege zur Erpro- 100

100 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren u. demenzkranken Patienten im KKH Mechernich bung und Implementierung gewählt: Während in der Geriatrie auf der gesamten Station die hier bereits bestehende (und oben beschriebene) Bereichspflege weiterentwickelt werden sollte, entschied sich das Team der Unfallchirurgie hier herrschte nach wie vor ein stärker funktionsorientiertes Prinzip vor dafür, zunächst probeweise nur eine Gruppe zu organisieren und den Rest der Station traditionell weiter zu führen. Als Hauptprinzip des neuen Pflegesystems ist die Kontinuität zu betrachten. Kontinuität bezieht sich einerseits auf die Verantwortlichkeit und andererseits auf die Beziehung zum Patienten. Um dies zu erreichen, wurde folgende zentrale Zielvorstellung beschlossen: Jede/r Patient/in hat eine/n Verantwortliche/n Pflegende/n (VP), während ihres/seines gesamten Aufenthalts auf der Station. Angelehnt an das Bezugspflegesystem, lässt sich diese Rolle wie folgt beschreiben: Die/der VP ist verantwortlich für den gesamten Pflegeprozess bestimmter Patient(inn)en. Sie/er führt die Bedarfserhebung incl. der Pflegeanamnese persönlich durch und plant die gesamte Pflege im Dialog mit den Patient(inn)en. Sie/er führt bei eigener Anwesenheit pflegerische Handlungen soweit möglich und sinnvoll selbst durch. Ansonsten delegiert sie/er situationsadäquat an andere und koordiniert die Pflege in Zusammenarbeit mit den anderen Pflegenden. Die/der VP überprüft kontinuierlich Prozess und Ergebnisse. Ebenso gehören das Entlassungsmanagement, der Kontakt zu den Angehörigen und die professionelle Kooperation mit anderen Berufen zum Verantwortungsbereich der/des VP. Die/der VP ist für Patient(inn)en, Angehörige, Pflegende und andere Berufe Ansprechpartner/in in allen pflegerischen Belangen, was auch von anderen Pflegenden vermittelt wird. Die Zuständigkeit ist in der Pflegedokumentation ausgewiesen. Während der Dienstzeiten der VP bemüht sie/er sich um möglichst engen Kontakt zu ihren/seinen Patient(inn)en, gestaltet ärztliche Visiten aktiv mit und sorgt für eine professionelle Dienstübergabe an nachfolgende Kolleg(inn)en. Bei ihrer/seiner Arbeit wird die/der VP von anderen Mitgliedern des Pflegeteams nach deren Qualifikation und Kompetenz unterstützt. Diese Unterstützung findet sowohl während der Anwesenheit der/des VP statt als auch in ihrer Abwesenheit. Ist die/der VP nicht im Dienst, kümmert sich die/der Diensthabende Pflegende (DP) um ihre/seine Patient(inn)en. Diese/r setzt die von der/dem VP geplante Pflege um und bleibt gleichzeitig ggfs. VP für die eigenen Patienten. Nach freien Tagen oder Wochenenden wechselt die Verantwortung für die Patient(inn)en nicht. Zur Implementierung des durch diese Grundsätze skizzierten Pflegesystems mussten verschiedene Fragen geklärt werden, bspw.: 101

101 Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Welche der examinierten Pflegenden der Station sollen die Position der VP übernehmen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein? Wie viele Patienten sollen von einer VP betreut werden? Wie verändern sich die Aufgaben der Stationsleitung durch das neue System? Soll es für die Stationsleitung bei den bisherigen Arbeitszeiten bleiben? Welche Konsequenzen hat das neue Pflegesystem für die Dienstplangestaltung? Wie kann die Ausbildung des Pflegenachwuchses integriert werden? 3.3 Teilprojekt 2 Die Mahlzeitengruppe auf der geriatrischen Station Viele demenzkranke Personen sind unterernährt und dehydriert (Radzey & Fischer, 2007; Schwerdt, 2005), weil sie sich nicht ausreichend auf die Mahlzeiten konzentrieren, die notwendigen Handlungen nicht selbständig gestalten können, einen erhöhten Energiebedarf haben, das Essen und Trinken schlicht vergessen usw. Die Einweisung ins Krankenhaus ist häufig mit einer weiteren Verschlechterung verbunden, so dass die Thematik besondere Aufmerksamkeit seitens der Pflege verlangt. In stationären Pflegeeinrichtungen gibt es bereits erfolgreiche Konzepte zur Verbesserung der Ernährungssituation. Mit einer angemessenen Unterstützung bei der Aufnahme von Speisen und Getränken kann eine Mangelernährung verhindert oder bereits bestehenden Ernährungsdefiziten begegnet werden (DNQP, 2010). Über die Auswirkungen der Umgebungsgestaltung, der Form der Mahlzeitenbereitstellung, des Kommunikationsverhaltens, hinderlicher und fördernder Einflüsse auf die Konzentration beim Essen usw. liegen inzwischen einige Wissensbestände vor (vgl. bspw. Lind, 2005; Radzey & Fischer, 2007; Schwerdt, 2005; Wagener et al., 1998; Sandman et al., 1994), auch wenn sich dieses Wissen überwiegend auf Langzeitpflege-Settings bezieht. Es ist evident, dass demente Menschen durch eine ressourcenunterstützende Hilfestellung, die von konstanten Bezugspersonen geleistet wird, mehr essen und trinken und gleichzeitig ihre Selbstständigkeit, aber auch ihr Selbstwertgefühl erhalten bleiben (Schreier & Bartholomeyczik, 2004; Watson & Green, 2006). Die Mahlzeitengruppe sollte daher so weit wie möglich evidenzbasiert gestaltet werden. Eine Übertragung in den Krankenhausbereich ist möglich, wenn die Unterstützung des Managements und der Betriebsleitung gewährleistet ist (Archibald, 2002). Bereits im Jahr 2009 wurden auf der geriatrischen Station Grundlagen für eine Mahlzeitengruppe gelegt, in der ein Teil der Patient(inn)en an Werktagen beim Frühstück und Mittagessen von einer Krankenschwester gezielt in der Gruppe betreut wird. 102

102 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren u. demenzkranken Patienten im KKH Mechernich Die Neuerung wurde im Rahmen des PIA-Projekts weiter ausgebaut und strukturell verankert. Aus Sicht der Pflegenden der Station sind die Anfänge der neuen Mahlzeitengruppe positiv einzuschätzen: Wir haben jetzt einen kleinen Erfolg, indem wir jetzt die Frühstücks- und Mittagessensgruppe haben, so dass die Nahrungsaufnahme wieder mehr wie zu Hause ist, am Tisch und mit anderen zusammen essen, das ist schon ein Aspekt, der uns ein Stück Erfolg gebracht hat. Das merkt man ja jetzt schon, dass mit dieser Essgruppe, in der es seit einem halben Jahr Frühstück und Mittagessen gibt, die Leute da wesentlich ruhiger essen, mehr essen das ist dann erstens eine feste Bezugsperson und die ist auch nicht im Zeitdruck, das ist ihre einzige Aufgabe und die kann sich wirklich Zeit für Leute nehmen. In diesen kurzen Interviewauszügen werden verschiedene Facetten des Themas Essen und Trinken angesprochen. Zunächst wird deutlich, dass es sich bei der Mahlzeitengruppe nicht einfach um eine arbeitsorganisatorische Entlastung der Pflegenden handelt, die von der Hilfe beim Essen befreit werden. Dies allein könnte kaum als pflegerische Innovation bezeichnet werden. Die quantitative Verbesserung der Nahrungsaufnahme, die in einer Interviewaussage angedeutet wird, stellt bereits ein wichtiges Ziel der Mahlzeitengruppe dar. Weiterhin klingt an, dass durch die Intervention das Essen wieder mehr wie zu Hause ist, d. h. die besondere Belastung, die die Klinikumgebung sonst auslösen kann, abgemildert wird. Wichtig ist die Atmosphäre beim Essen, die mehr Ruhe und Konzentration auf die Situation ermöglicht. Erwähnt werden auch die soziale Dimension des Essens mit anderen zusammen und die Tatsache, dass eine feste Bezugsperson zur Verfügung steht, die sich auf die Betreuung konzentrieren kann. Solche qualitativen Verbesserungen durch die Mahlzeitengruppe sind viel versprechend. Dieses tagesstrukturierende Angebot ist als Teil der Milieugestaltung im Zusammenhang mit weiteren Entwicklungen auf der geriatrischen Station zu sehen. So wurden Veränderungen der Raumgestaltung durchgeführt, die mittels angepasster Farbgestaltung und Beleuchtung die Orientierung und Sicherheit insbesondere auch kognitiv beeinträchtigter Patient/inn/en verbessern sollen. Für die Mahlzeitengruppe wurde ein Ende des Stationsflures abgetrennt und mit geeigneten Möbeln und Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Entscheidend ist aber die Einbettung des Angebots in das Pflegesystem der Station, das sich in einem grundlegenden Entwicklungsprozess befindet (s.o.). Ziel ist die Ausweitung auf jeweils 2 Essgruppen mit jeweils 8 Patienten zum Frühstück und zum Mittagessen sowie die Realisierung auch an Wochenenden und Feiertagen mit dem Personalbestand der Station unter Berücksichtigung der be- 103

103 Markus Thur, Manfred Herrmann, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam sonderen Bedeutung der Beziehungskontinuität. Eine umfassende Evaluation ist für Ende 2011 geplant. 4. Zusammenfassung und Ausblick Mit der Weiterentwicklung des Pflegesystems und der Schaffung des speziellen Angebots der Mahlzeitengruppe sind im Rahmen von PIA zwei wichtige Innovationen in der Krankenhauspflege am Kreiskrankenhaus Mechernich angestoßen worden, die bereits erste Erfolge zeigen. Die zum Ende der Projektlaufzeit in strukturierten Gruppengesprächen erfolgte Zwischenauswertung zeigt: Beide Teilprojekte werden aus Sicht der Pflegenden der beteiligten Stationen überwiegend als positiv und längerfristig vielversprechend eingeschätzt. Mit Blick auf das Pflegesystem werden insbesondere eine ruhigere Atmosphäre, feste Ansprechpartner sowohl für die Patientinnen und Patienten und Angehörigen sowie für alle am Genesungsprozess Beteiligten, klar definierte Aufgabenbereiche und eine damit einhergehende verbesserte Lernsituation für Schülerinnen und Schüler sowie neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen der Evaluation als Verbesserungen hervorgehoben. Zur Realisierung einer Bereichspflege mit ausgeprägter Patientenorientierung stellte sich zudem als relevant heraus, einen organisierenden Außendienst durch die Stationsleitung oder aber auch durch eine/n Stationssekretär/in zu etablieren, welche/r als zentrale Ansprechpartner/in nach außen zur Verfügung steht sowie die Bereiche Telefonate / Terminabsprachen etc. übernimmt. Die Vorzüge der Mahlzeitengruppe werden von den Pflegekräften in der Sicherstellung und Kontrolle der Nahrungsaufnahme, der Tagesstrukturierung sowie der sozialen Integration der Patienten in eine Gruppe gesehen. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Abschlussgespräche aber auch deutlich, dass eine vollständige Umsetzung der Konzepte noch Zeit erfordern wird und zukünftig noch Probleme zu bearbeiten sind. Dies umfasst insbesondere das Aufrechterhalten der Gruppenpflege wie auch der Mahlzeitengruppe auch bei Personalmangel. Darüber hinaus ist zu überlegen, wie die Verantwortlichkeit weiter ausgedehnt werden kann, mit dem Ziel, dass der/die Verantwortliche Pflegende während des gesamten Krankenhausaufenthaltes für den Patienten zuständig ist. Im Anschluss an die weitere Erprobung soll entschieden werden, wie dieses Konzept auch auf andere Stationen übertragen werden kann. 104

104 7.4 Verbesserte Versorgung von älteren u. demenzkranken Patienten im KKH Mechernich 5. Literatur Archibald C. (2002): People with Dementia in Acute Hospital Settings. Stirling. Büssing, A. & Glaser, J. (1996): Bereichspflege. Analyse und Bewertung ganzheitlicher Pflegestrukturen. München. DNQP - Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2010): Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege, Entwicklung - Konsentierung Implementierung. Osnabrück. Elkeles, T. (1988): Arbeitsorganisation in der Krankenpflege - Zur Kritik der Funktionspflege. Köln. Hacker, W. (2005²): Allgemeine Arbeitspsychologie: Psychische Regulation von Wissens-, Denkund körperlicher Arbeit. Bern. ISO Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.v. (Hg) (2005): Gerontopsychiatrisch veränderte Menschen im Krankenhaus: Krisenerlebnis oder Chance? Dokumentation der Fachtagung im Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober Saarbrücken. Lind, S. (2005): Mahlzeitenmilieu für an Demenz erkrankte Menschen im Heim: Gemeinsam schmeckt es besser. PFLEGEZEITSCHRIFT 12/05: Radzey, B. & Fischer, U. (2007): Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. PFLEGEN: DEMENZ 2/2007: Sandman, P.O., Norberg, A. & Adolfsson, R. (1994): Gespräche und Verhaltensweisen von fünf hospitalisierten Alzheimer-Patienten während der Mahlzeiten. PFLEGE 7: Schreier M. & Bartholomeyczik S. (2004): Mangelernährung bei alten und pflegebedürftigen Menschen. Hannover. Schwerdt, R. (2005): Probleme der Ernährung älterer Menschen mit Demenz: Aktueller Forschungs- und Entwicklungsbedarf. PFLEGE & GESELLSCHAFT 10/2: Wagener, R., Berkemeyer, C., Hock, G., Schneider, A., Winterberg, C. & Ulmer, E.-M. (1998): Essen und Trinken bei Menschen mit Alzheimer-Demenz. PFLEGE 11: Watson R. & Green S.M. (2006): Feeding and Dementia: a systematic literature review. JOURNAL OF ADVANCED NURSING 54 (1): Wingenfeld, K., Büscher, A. & Schaeffer, D. (2007): Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumenten. (Überarbeitete und korrigierte Fassung, 23. März 2007). Bielefeld. 105

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106 7.5 Verbesserung der Ernährung von Risikopatienten auf einer geriatrischen Station im Krankenhaus Michael Münchmeyer Inhalt 1. Mangelernährung im Krankenhaus als Problem älterer Patient(inn)en 2. Mangelernährung und die Auswirkungen im Krankenhausbereich 3. Ursachen und Interventionen bei Mangelernährung 4. Literatur 1. Mangelernährung im Krankenhaus als Problem älterer Patient(inn)en Mangelernährung wird häufig bei chronischen und schweren Erkrankungen beobachtet und wird mit einem beeinträchtigten Outcome in Verbindung gebracht. Die The German Hospital Malnutrition Study (Pirlich et al., 2006) hat für Deutschland erstmals Daten über die Prävalenz und die Auswirkungen der Mangelernährung im Krankenhaus erfasst. Der Ernährungszustand wurde bei 1886 konsekutiv aufgenommenen Patient(inn)en in 13 Krankenhäusern erhoben. 1 43% der Patient(inn)en im Alter von mehr als 70 Jahren waren mangelernährt im Vergleich zu lediglich 7,8% in der Gruppe der unter 30-Jährigen. Die höchste Prävalenz der Mangelernährung wurde in geriatrischen (56,2%), onkologischen (37,6%) und gastroenterologischen (32,6%) Abteilungen beobachtet. Eine multivariate Analyse ergab, dass zwischen Mangelernährung und den drei voneinander unabhängigen Risikofaktoren höheres Alter, Anzahl der einzunehmenden Medikamente (Multimorbidität) und maligne Erkrankung ein Zusammenhang besteht. 2 Mangelernährung war mit einer 43%igen Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes assoziiert. 1 (n=1073 in Universitätsklinika; n=813 Lehr- oder städtischen Krankenhäusern) 2 Dieses Ergebnis ist mit p<0,01 als hoch signifikant zu werten. 107

107 Michael Münchmeyer 2. Mangelernährung und die Auswirkungen im Krankenhausbereich Eine mangelnde Versorgung mit Nährstoffen und Energie während einer Krankheit ist ein hoher Risikofaktor für eine höhere Morbidität, einen verlängerten Krankenhausaufenthalt, eine erhöhte Wiederaufnahmerate und eine verlangsamte Genesung (Stratton et al., 2003a). Daraus folgen eine verminderte Lebensqualität, höhere Krankenhauskosten und eine erhöhte Mortalität (Tucker & Miguel, 1996; Larsson et al., 1994; McWhirter &Pennington, 1994). Des Weiteren erhöht eine Mangelernährung die Inzidenz von nosokomialen Infektionen (Potter et al., 1995). Viele Patient(inn)en sind schon bei der Krankenhausaufnahme mangelernährt (McWhirter & Pennington,1994; Corish & Kennedy, 2000) und viele davon verlieren auch während des Krankenhausaufenthaltes noch an Gewicht (z.b. Saeglitz, 2007). Aktuelle Berechnungen (CEPTON, 2007) lassen im deutschen Gesundheitswesen durch krankheitsbedingte Mangelernährung zusätzliche Kosten von neun Milliarden Euro annehmen, sagt Prof. Dr. Arved Weimann, Chefarzt der Klinik für Allgemeinund Visceralchirurgie am Klinikum St. Georg in Leipzig und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.v. (DGEM), anlässlich des Kongresses Ernährung 2010 in Leipzig. 3. Ursachen und Interventionen bei Mangelernährung Die Gründe für die Ausbildung einer krankheitsassoziierten Mangelernährung sind vielfältig krankheitsbedingter erhöhter Energiebedarf, erhöhter Bedarf bestimmter Nährstoffe, unzureichende Nahrungsaufnahme durch Kau- und Schluckstörungen, Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Geschmacksverluste aber auch mittel- bis höhergradige Demenz und vieles mehr. Eine adäquate Ernährungsintervention ist nicht möglich, wenn die Mangelernährung von den Behandler/innen (Mediziner, Pflegepersonal, Ernährungsfachkräfte) aber auch vom Patienten und ihren Angehörigen und Sozialarbeiter/innen nicht erkannt wird bzw. ausreichende Bedeutung beigemessen wird. Das ist darauf zurückzuführen, dass das Personal sich häufig der Bedeutung der Ernährung für die Genesung des Patienten nicht bewusst ist. Einfache Screening- Methoden zur Erkennung einer Mangelernährung, z.b. allein das Wiegen bei der Aufnahme und während des Aufenthalts, werden in der täglichen Routine nur selten durchgeführt (Lennard-Jones et al., 1995). Ein umfassendes Konzept zur Therapie der Mangelernährung des älteren Menschen muss sich auf verschiedene Ansätze stützen. 108

108 7.5 Verbesserung der Ernährung von Risikopatienten auf einer geriatrischen Station Nach Ausschluss oder auch in Ergänzung einer primär kausalen Therapieoption kann dies aus einer verbesserten Nährstoffzufuhr mit Hilfe natürlicher Lebensmittel, aus einer Anreicherung derselben mittels kommerzieller Produkte, aus einer enteralen Ernährung mittels oraler Supplemente oder Sonde sowie in seltenen Fällen aus einer parenteralen Ernährung einschließlich PEG bestehen. Für mangelernährte Krankenhauspatienten konnte bei Einsatz dieser Therapieformen eine Verkürzung der Verweildauer, eine Verminderung des Auftretens von Komplikationen sowie eine Verringerung der Mortalität nachgewiesen werden. Eine positive Wirkung ließ sich insbesondere bei > 75 Jährigen, bei einem Supplementangebot von > 400 kcal / Tag sowie bei primär schlechtem Allgemeinzustand dokumentieren (Tkatch et al., 1992). In der stationären Altenpflege gibt es bereits eine Vielzahl erfolgreicher Konzepte zur Verbesserung der Ernährungssituation. Eine Transformation in den Krankenhausbereich ist möglich, wenn der alte demente Mensch als "Kunde" mit seinen Bedürfnissen ernst genommen wird. Dies haben auch die Ergebnisse im Lennox Hill Hospital in New York gezeigt (Monteleoni & Clark, 2004). Ebenso wichtig ist die Unterstützung des Managements und der Betriebsleitung, damit diese Konzepte erfolgreich sind und eine menschenwürdige Versorgung dementer Patient(inn)en möglich ist (Archibald, 2002). In der Pflege gilt es, den Blick für diese Problematik zu schärfen. Ein neuer Expertenstandard beschreibt den pflegerischen Beitrag zum Ernährungsmanagement und zielt darauf ab, eine bedürfnisorientierte und bedarfsgerechte orale Ernährung von kranken und pflegeabhängigen Menschen zu sichern und zu fördern. Mit einer angemessenen Unterstützung bei der Aufnahme von Speisen und Getränken sowie der Gestaltung der Mahlzeiten ist zu gewährleisten, dass eine Mangelernährung verhindert oder bereits bestehenden Ernährungsdefiziten begegnet wird. 3 Es ist außerdem belegt, dass eine appetitanregende Umgebung gewährleistet sein muss, damit demente Menschen ausreichend essen (Lind, 2005). Es ist evident, dass demente Menschen durch eine ressourcenunterstützende Hilfestellung durch konstante Bezugspersonen mehr essen und trinken und gleichzeitig 3 Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege, Entwicklung - Konsentierung - Implementierung Mai 2010 Hrsg.: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), 147 Seiten. 109

109 Michael Münchmeyer ihre Selbstständigkeit, aber auch ihr Selbstwertgefühl erhalten bleiben (Schreier & Bartholomeyczik, 2004; Watson &Green, 2006; Kitwood, 2000). Daher sind auch im Krankenhaus bestimmte Voraussetzungen für eine bessere alimentäre Versorgung von Problempatient(inn)en zu schaffen: Bedürfnisgerechte Ernährung (Essverhalten, Speisenvorlieben, Ablehnung) Rücksicht auf den soziokulturellen Rahmen der Essensdarbietung Geeigneter Speiseraum, Atmosphäre bei Tisch Optimierte Essenszeiten Spezialisierte Pflegefachkräfte als konstante Bezugsperson Konsequente Überwachung und Dokumentation des Essverhaltens Im Rahmen des Projektes PIA wurde von allen beteiligten Berufsgruppen ein umfassendes strukturelles und personelles Konzept für die geriatrische Abteilung erarbeitet ( Mahlzeitengruppe ), in einer Pilotphase auf Alltagstauglichkeit erprobt, von der Betriebsleitung unterstützt, genehmigt und auf der Station endgültig umgesetzt. Die positiven Ergebnisse bestätigen die o.g. Erkenntnisse (vgl. Kapitel 7.4). 4. Literatur Archibald C. (2002): People with Dementia in Acute Hospital Settings. Dementia Service Development Centre, S. 67 Delmi M, Rapin CH, Bengoa JM, Delmas PD, Vasey H, Bonjour JP (1990): Dietary supplementation in elderly patients with fractured neck of the femur. Lancet 1990; 335(8696): Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (Hg.) (2010): Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege, Entwicklung - Konsentierung Implementierung, FH Osnabrück Larsson J, Unosson M, Ek AC, Nilsson L, Thorslund S, Bjurulf P (1990): Effect of dietary supplement on nutritional status and clinical outcome in 501 geriatric patients - a randomised study. Clin Nutr 1990;9(4): Larsson, J.; Akerlind, I.; Permerth, J.; Hornquist, J. O. (1994). The relation between nutritional state and quality of life in surgical patients. Eur J Surg 160(6-7): Lennard-Jones, J. E.; Arrowsmith, H.; Davison, C.; Denham, A. F.; Micklewrite, A. (1995): Screening by nurses and junior doctors to detect malnutrition when patients are first assessed in hospital. Clin Nutr 14(6): ; Lind S. (2005): Gemeinsam schmeckt es besser. Pflegezeitschrift 12/2005, S McWhirter, J. P. and C. R. Pennington (1994). Incidence and recognition of malnutrition in hospital. Bmj 308(6934): McWhirter, J. P, Pennington, C. R., 1994, Corish, C. A. and N. P. Kennedy (2000). "Protein-energy undernutrition inhospital in-patients." Br J Nutr 83(6): Monteleoni C., Clark E. (2004) Using rapid-cycle quality improvement methodology to reduce feeding tubes in patients with advanced dementia: before and after study. BMJ; 329, S

110 7.5 Verbesserung der Ernährung von Risikopatienten auf einer geriatrischen Station Pirlich et al. (2006): Clinical Nutrition Volume 25, Issue 4, August 2006, Pages Potter J, Klipstein K, Reilly JJ, Roberts M (1995): The nutritional status and clinical course of acute admissions to a geriatric unit. Age Ageing 1995;24(2):131-6 Rasmussen, H. H.; Kondrup, J.; Ladefoged, K.; Staun, M. (1999). "Clinical nutrition in danish hospitals: a questionnaire-based investigation among doctors and nurses." Clin Nutr 18(3): Saeglitz C. (2007): Mangelernährung bei geriatrischen Patienten im Krankenhaus - Prävalenz, mögliche Ursachen, übliche Therapie und prognostische Bedeutung; 2007 ; Stratton, R. J.; Green, C. J.; Elia, M. (2003a): Disease-related malnutrition: An evidence-based approach to treatment. Wallingford, CABI Tkatch L, Rapin CH, Rizzoli R, Slosman D, Nydegger V, Vasey H, Bonjour JP (1992): Benefits of oral protein supplementation in elderly patients with fracture of the proximal femur. J Am Coll Nutr 1992;11(5): Tucker, H. N. and S. G. Miguel (1996): Cost containment through nutrition intervention. Nutr Rev 54(4 Pt 1): ; 111

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112 7.6 Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst: die Geriatrie im Medizinischen Zentrum der StädteRegion Aachen Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Inhalt 1. Einführung 2. Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung 3. Aktivitäten auf der Geriatrie im Rahmen des PIA-Projektes 4. Fazit 1. Einführung Das Medizinische Zentrum StädteRegion Aachen GmbH (ehemals Medizinisches Zentrum Kreis Aachen ggmbh) mit den beiden Betriebsteilen Marienhöhe und Bardenberg ist ein öffentliches Krankenhaus der Knappschaft und der StädteRegion Aachen und fungiert als akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen. Neben den 685 Betten auf 31 Stationen (2008) zur akutstationären Versorgung betreibt das Medizinische Zentrum der StädteRegion Aachen (MZ) weitere 68 Betten zur geriatrischen Rehabilitation sowie eine geriatrische Tagesklinik mit acht Plätzen zur akutmedizinischen Versorgung und acht Plätzen zur Rehabilitation. Insgesamt wurden im Jahr 2008 im Medizinischen Zentrum Patientinnen und Patienten in folgenden Kliniken stationär behandelt: Allgemein-, Gefäß- und Thoraxchirurgie Geriatrie und geriatrische Rehabilitation Frauenheilkunde und Geburtshilfe Innere Medizin Betriebsteil Bardenberg Innere Medizin Betriebsteil Marienhöhe Internistische Rheumatologie 113

113 Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Neurologie Orthopädie Radiologie und Nuklearmedizin Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin Schmerztherapie und Palliativmedizin Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Urologie und Kinderurologie Augenheilkunde Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Neurochirurgie Leistungsschwerpunkte sind zudem eine Stroke Unit, ein Palliativzentrum, ein Herzkatheder-Labor, eine interdisziplinäre Bauchstation sowie eine interdisziplinäre Notfallaufnahme und ein Prostatazentrum. Eine zentrale Rolle in der Patientenversorgung spielt die mit ca. 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern größte Berufsgruppe des Pflegedienstes. Bereits in der Vergangenheit hat - unter der Leitung des Pflegedirektors Herrn Königs - eine Vielzahl von Projektaktivitäten in der Pflege stattgefunden. Hierzu zählt beispielsweise die Entwicklung eines gemeinsamen Pflegeleitbildes und Pflegeverständnisses, Personalentwicklungs- sowie Führungskräftemaßnahmen sowie die Entwicklung und Umsetzung von pflegerischen Konzepten und Zielsetzungen für verschiedene Bereiche. Nach ersten Vorgesprächen mit der Pflegedirektion kristallisierte sich schnell heraus, dass das hausinterne PIA-Projekt im Medizinischen Zentrum der Städteregion Aachen das Themenfeld Kooperation und Kommunikation zwischen pflegerischen und ärztlichem Dienst umfassen soll. Hierfür wurden die geriatrischen Stationen als Pilotabteilungen des Projektes ausgewählt. Dies hat den Hintergrund, dass die Verbesserungsfähigkeit der Zusammenarbeit der Pflege und dem ärztlichen Dienst im Sinne einer gemeinsamen Patientenorientierung insbesondere auf der Geriatrie schon vielfach thematisiert wurde. Die Auswahl der Geriatrie als Modellabteilung des Projektes beabsichtigte zudem, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geriatrie dazu zu befähigen, erfolgreiche Ideen auch in andere Abteilungen des Medizinischen Zentrums Aachen zu übertragen. Mit dem Ziel, die Arbeitsorganisation und Belastungen der Pflegekräfte genauer zu beschreiben sowie die Problematik der Zusammenarbeit zwischen pflegerischen und ärztlichen Dienst besser bearbeiten zu können, wurde auf den geriatrischen Stationen des MZ Aachen im Februar / März 2010 zunächst eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Diese Befragung umfasste neben dem allgemeinen Teil zur Arbeitsorganisation und den Belastungen in der Pflege - welcher so auch in anderen PIA- Einrichtungen abgefragt wurde - außerdem einen speziell für die Thematik des Medi- 114

114 7.6 Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst zinischen Zentrums der Städteregion Aachen konstruierten Fragebogenteil. Dabei wurde die Mitarbeiterbefragung als mehrperspektivische Befragung durchgeführt, indem im spezifischen Fragebogenteil zur Zusammenarbeit zwischen dem pflegerischen und ärztlichen Dienst identische Themen an beiden Perspektiven erfasst wurden. Insgesamt wurden auf der geriatrischen Station 89 Fragebögen verteilt, von denen das IAT für die Auswertung 58 zurückerhalten hat, hierunter 11 aus dem ärztlichen Dienst. Die erzielte Rücklaufquote kann mit 65,2 % als sehr hoch bewertet werden und zeigt, dass die Beteiligten über eine hohe Motivation verfügen, sich dem Thema verstärkt zu widmen. Darüber hinaus wurde ein hausinternes Projektteam Pflege innovativ unter Beteiligung von Leitungskräften und Mitarbeiter/innen sowohl aus der Pflege als auch der Ärzteschaft gebildet, welches die Lenkungsfunktion des Projektes im MZ während der Projektlaufzeit übernommen hat. 2. Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung Zunächst sind an den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung der Pflegekräfte ein sehr hohes Berufsethos und eine hohe Sinnstiftung durch die Pflegearbeit erkennbar. Insgesamt haben knapp 96 % der Befragten (n=47) das Gefühl, dass die Arbeit, die sie leisten, wichtig ist und knapp 94 % erachten ihre Arbeitsaufgaben als sinnvoll. Ein weiterer wichtiger positiver Aspekt ist die durch die befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfundene hohe Unterstützung durch die direkten Vorgesetzten. So gaben knapp 83 % der Pflegekräfte auf der Geriatrie an, dass ihr jeweiliger direkter Vorgesetzter den Wert und die Ergebnisse der eigenen Arbeit schätzt, 72 % waren zudem der Meinung, dass der direkte Vorgesetzte bereit sei, bei der Ausübung der Arbeitsaufgaben zu unterstützen (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Unterstützung durch den direkten Vorgesetzen (n=46) (Quelle: Institut Arbeit und Technik) 115

115 Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Diese hohe Unterstützung durch die Vorgesetzten resultiert auch in einem sehr positiven und freundlichen Verhältnis der Pflegemitarbeiterinnen und -mitarbeiter nicht nur unter den Kollegen, sondern auch zu den Stationsleitungen. Demgegenüber haben sich vor allem die hohen zeitlichen wie auch emotionalen Anforderungen der Pflegekräfte auf den geriatrischen Stationen als belastend herausgestellt. 86 % der Befragten (n=43) stimmen der Aussage zu, dass sie oft sehr schnell arbeiten müssen und knapp 81 % (n=47) geben an, dass sie nie oder nur selten genügend Zeit haben, mit Patientinnen und Patienten zu reden. Insgesamt fühlen sich 72,4 % durch die zeitlichen Arbeitsanforderungen in gewissem Maße oder sehr belastet. Mit Blick auf die emotionalen Anforderungen ist vor allem der Umgang mit unfreundlichen und aggressiven Patienten auf den geriatrischen Stationen ein Thema. Mit 49 % fühlt sich knapp die Hälfte der Befragten Pflegekräfte (n=47) durch den Kontakt mit solchen Patientinnen und Patienten belastet. Eine Folge der hohen quantitativen Anforderungen und emotionalen Belastungen ist Müdigkeit, Erschöpfung sowie eine übermäßig empfundenen Verpflichtung gegenüber der Arbeit. Vor diesem Hintergrund gilt es - auch im Rahmen des PIA-Projektes - nach Wegen zu suchen, den Überlastungen der Pflegenden in der Geriatrie entgegenzuwirken. Trotz der hohen beschriebenen Belastungen ist unter den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine außergewöhnlich hohe Bindung an und Identifikation mit dem Arbeitgeber erkennbar. Diese führt auch dazu, dass nur wenige Befragte darüber nachdenken, den Pflegeberuf aufzugeben oder eine neue Anstellungen in einer anderen Einrichtung zu suchen (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Bindung der Pflegekräfte an den Pflegeberuf und die Einrichtung (Quelle: Institut Arbeit und Technik) 116

116 7.6 Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst Kooperation und Kommunikation Pflegekräfte - Ärzte Mit Blick auf die spezifische Thematik der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Ärzten ist aus den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung zunächst einmal festzuhalten, dass das gegenseitige Verhältnis mehrheitlich als positiv bezeichnet wird; 59,1 % der Pflegekräfte (n=45) bzw. 54,5 % der Ärzte (n=11) bezeichnen das Verhältnis zur anderen Berufsgruppe als freundlich. Darüber hinaus beschreibt jeweils ein gutes Drittel der Befragten das Verhältnis als neutral. Sowohl die Pflegenden als auch die Ärztinnen und Ärzte haben sich im Rahmen der Befragung mehrheitlich für eine bessere gegenseitige Unterstützung ausgesprochen. Diese Unterstützungswünsche umfassen folgende Bereiche: Unterstützungswünsche der Pflegenden an die Ärzte Mehr kollegiale Zusammenarbeit und gemeinsame Entscheidungen Mehr Rücksicht auf pflegerische Arbeitsprozesse Schnelleres Handeln Einhalten von Regeln (z.b. Visitenzeiten) Bedarfsmedikation, bessere Information Unterstützungswünsche der Ärzte an die Pflegenden (Aktive) Teilnahme an den Visiten Visitenausarbeitung Koordination Mehr Informationen über Patienten Praktische Unterstützung am Patienten bei Untersuchungen und Visiten Tab. 1: Gegenseitige Unterstützungswünsche Pflegende - Ärzte (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Ein großer Themenbereich in der Zusammenarbeit zwischen ärztlichem und pflegerischem Dienst ist die Informationsweitergabe. Stellt sich die Situation der Pflegekräfte so dar, dass rund 45 % der Befragten die Informationsweitergabe mit dem ärztlichen Dienst als reibungslos funktionierend beschreiben sowie weitere 47 % dies zumindest als teilweise zutreffend empfinden (n=47), wird die Informationsweitergabe vom ärztlichen Dienst als Problem bewertet. Fast 82 % der befragten Ärztinnen und Ärzte geben an, dass die Informationsweitergabe mit der Pflege nicht reibungslos funktioniert und ihnen nicht alle Patienteninformationen zur Verfügung stehen. Zudem fühlen sich 90,9 % der Ärzte durch fehlende Informationen belastet (n=11). Andersherum stellt sich die Situation bei der Einschätzung der Visiten auf den geriatrischen Stationen dar. Während die Visitenzeiten aus der Perspektive der Ärzte mehrheitlich als gut empfunden werden, sind mit Blick auf die Visitentermine rund 53 % der befragten Pflegenden der Ansicht, dass sie nicht gut gewählt sind (n=45) und 57 % (n=46) geben an, dass sie die Visitendauer als nicht adäquat empfinden. 117

117 Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Interessante Ergebnisse ergeben sich aus der Mitarbeiterbefragung zudem speziell in der Frage der gegenseitigen Wahrnehmung der pflegerischen Arbeitsaufgaben sowie jeweiligen Belastungen. So beschreibt die Pflege ihren primären Aufgabenbereich sowohl in der (körperlichen) Unterstützung der Patientinnen und Patienten wie auch gleichermaßen in den Bereichen Zuwendung/Beziehung/Gespräch. Demgegenüber geben die Ärztinnen und Ärzte an, dass sie in der Kooperation mit dem ärztlichen Dienst und dem Begleiten bzw. Ausarbeiten der Visiten die zentralen Aufgaben der Pflege sehen. Deutlich wird aber auch, dass beide Professionen eine Überlastung der Pflegenden sehen, die nicht zuletzt sowohl in als auch aus Problemen bei der Kooperation zwischen Pflege und Medizin resultiert. 3. Aktivitäten auf der Geriatrie des Medizinischen Zentrums im Rahmen des PIA-Projektes Zusammenfassend haben sich aus den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung im Medizinischen Zentrum zwei Themen als entscheidend herausgestellt, die inhaltlich in engem Zusammenhang stehen: 1. Hohe Arbeitsbelastung der Pflegekräften auf den geriatrischen Stationen und 2. die Probleme bei der Kooperation zwischen Pflege und Medizin. Hierzu wurden im Rahmen des PIA-Projektes in vertiefenden moderierten Arbeitsgruppen folgende Verbesserungsvorschläge zu den beiden Themenfeldern erarbeitet. 3.1 Verbesserungsvorschläge zur Reduktion der Arbeitsbelastung der Pflegekräfte in der Geriatrie Wie aufgezeigt, hat sich im Rahmen der Mitarbeiterbefragung gezeigt, dass die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte auf den geriatrischen Stationen des Medizinischen Zentrums als sehr hoch empfunden wird und auch einen bedeutenden Belastungsfaktor darstellt. Die vertiefenden Arbeitsgruppentreffen haben deutlich gemacht, dass hinter der hohen Arbeitsbelastung nicht pauschal der Wunsch nach mehr pflegerischem Personal steht, sondern vielmehr dezidiert Bereiche ausgemacht werden konnten, in denen gezielte Maßnahmen zu einer Reduktion der Arbeitsbelastungen der Pflegenden beitragen können. Insgesamt konnten folgende Verbesserungsvorschläge festgehalten werden: Das zur Reduktion der als besonders belastend empfundenen Aufgaben des Bereichs Hauswirtschaft/Service bereits entwickelte Modell der Servicekräfte 118

118 7.6 Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst wurde nach Abschluss der internen Ausbildungen auch auf weiteren Geriatrie- Stationen eingeführt. Verbesserung des Belegungsmanagements mit dem Ziel der gezielteren Steuerung von geriatrischen Akut- und Rehabilitationspatienten, um Verlegungen und Fehlbelegungen zu vermeiden. Entwicklung einer mittel- und langfristigen Personalauswahl- und Personalentwicklungsstrategie. Basis einer solchen Strategie ist die Gegenüberstellung der Aufgaben und der vorhandenen Pflegenden und ihrer Qualifikationen, so dass deutlich wird, ob und wie die erforderlichen Qualifikationen beim Pflegepersonal vorhanden sind und ggf. erweitert werden müssen. Etablierung von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung der pflegerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dem Ziel der Reduktion der Gesundheitsbelastung und Vermeidung von arbeitsbedingten Krankheitsausfällen sowie Verbesserung der Wertschätzungskultur und Umstellung des Systems der Hilfsmittelausstattung auf ein EDV-gestütztes System, welches zentral vom Lager betrieben wird. Bessere Abstimmung und Kommunikation mit anderen Berufsgruppen wie beispielsweise der Ergotherapie, der Krankengymnastik etc. Verbesserung der Angehörigenarbeit. 3.2 Kooperation und Kommunikation zwischen dem pflegerischen und ärztlichen Dienst Kooperation ist eine in arbeitsteiligen Prozessen hergestellte Form der Zusammenarbeit, bei der die Beteiligten gemeinsame Arbeitsziele anstreben. In stark arbeitsteiligen Institutionen kommt der Zusammenarbeit zwischen den an den Versorgungsprozessen Beteiligten eine herausragende Bedeutung zu. Man geht davon aus, dass eine gelungene interprofessionelle Kooperation für die Qualität der Versorgung eine wichtige Rolle spielt. Zur Erreichung der gemeinsamen Ziele werden die verschiedenen Arbeitsprozesse in gegenseitiger Absprache geplant, koordiniert und überprüft. Die Kommunikation der Beteiligten ist bei diesen Prozessen von besonderer Wichtigkeit. Wie die Mitarbeiterbefragung auf den geriatrischen Stationen im Medizinischen Zentrum gezeigt hat, herrscht in der Zusammenarbeit der Ärzte und Pflegenden ein gewisser Mangel an gegenseitigem Verständnis, teilweise ungeklärte Aufgabenteilung, große gegenseitige Unterstützungswünsche sowie differierende Ansichten zu den Aufgaben der Pflege. Als Kristallisationspunkt hat sich das Thema Visite herausgestellt. 119

119 Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Abb. 3: Zusammenarbeit zwischen Pflege und Medizin in der Geriatrie (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Die angesprochenen Problemlagen lassen sich in zwei große Themenfelder gliedern, für die in gemeinsam besetzten Arbeitskreisen die folgenden Lösungsansätze erarbeitet werden konnten: Themenbereich 1: Informationsaustausch und Visiten Der erste Themenbereich umfasst den Informationsaustausch zwischen dem ärztlichen und pflegerischen Dienst sowie das Thema der Visiten. Im Rahmen der Diskussionen wurde deutlich, dass sich sowohl die Ärzte als auch die Pflege einen höheren Informationsaustausch untereinander wünschen. Dies umfasst seitens der Pflegenden mehr Informationen vom ärztlichen Dienst über die Diagnostik, Therapie und Planung (z.b. Termine) der Patienten zu erhalten. Andersherum wünschen sich die Ärzte mehr Informationen über den wahrgenommen Zustand der Patienten von den Pflegekräften. Ein Ort, in dem der Austausch solcher Informationen stattfindet, ist die Visite. Derzeit stellt sich die Situation so dar, dass die Chefarzt- wie auch Oberarztvisite durch eine Pflegekraft begleitet wird, wobei jedoch die Visitenzeiten wie auch die Dauer der Visitenausarbeitung durch die Pflegenden Ansatzpunkte für Konflikte der beiden Berufsgruppen darstellen. Um dies zu lösen, wurden gemeinsam vom ärztlichen und pflegerischen Dienst in der Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Pflege und Medizin in der Geriatrie Regeln im Sinne eines Prozessplanes für die Visiten festgelegt: Die Chefarzt- sowie die Oberarztvisite wird durch eine examinierte Pflegekraft begleitet. 120

120 7.6 Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst Eine Begleitung der Visiten der Assistenzärzte wird nicht vorgesehen, dafür findet ein morgendlicher mündlicher Austausch zwischen Assistenzarzt/-ärztin und einer Pflegekraft noch vor der Visite statt. Zusätzlich findet einmal wöchentlich eine Teambesprechung mit Beteiligung von Pflege, Medizin und anderen Funktionsbereichen statt. Es wird ein fester Korridor für die Visiten festgelegt: Visiten der Assistenzärzte finden zwischen 9 und 11 Uhr statt, die Oberarzt bzw. Chefarztvisiten finden ebenfalls zwischen 9-11 Uhr an zwei aufeinanderfolgenden, noch festzulegenden fixen Tagen statt. Die Visitenausarbeitung durch die Pflege ist bis 13:30 Uhr abgeschlossen. Soweit möglich, sollen Anforderungsscheine bereits während der Visite ausgefüllt werden. Anordnungen und Änderungen am Nachmittag sind auf das Nötigste zu begrenzen. Visitenzeit sind wichtig: Störungen der Visite finden nur im Notfall (und nach interner Filterung) statt, ebenfalls wird drauf geachtet, in dieser Zeit keine Diagnostik für die Oberärzte- bzw. den Chefarzt zu planen. Es werden feste Angehörigensprechstunden für die Ärzte eingeführt. Die Zeiten hierfür sind noch festzulegen. Themenbereich 2: Belegungsmanagement und Entlassungsplanung Ein zweiter wichtiger Themenblock in der Kooperation zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst ist das Belegungs- und Entlassungsmanagement. Auch für diesen Bereich sollen im Medizinischen Zentrum für die Geriatrie Regeln definiert werden, die Grundlage einer besseren Zusammenarbeit der Professionen darstellen. Diese umfassen beispielsweise Ausführungen zur frühzeitigen Bekanntgabe von Entlassungen (24 Stunden vorher) seitens der Ärzte, so dass die Pflege die Entlassung planen und ggf. einen Transport organisieren kann. Weiterhin sollten die Entlassungen früher am Tag stattfinden, um neue bettlägerige Patienten auch aufnehmen zu können. Mit Blick auf das Belegungsmanagement ist zudem seitens der Pflege eine bessere Abstimmung der Patientenaufnahme und Bettenplanung mit den Pflegerinnen und Pflegern auf den Stationen gewünscht. 4. Fazit Das einrichtungsinterne Modellprojekt im Rahmen von PIA im Medizinischen Zentrum der StädteRegion Aachen hatte zwei wichtige Schwerpunkthemen: die hohe Arbeitsbelastung der Pflegekräfte sowie die Kommunikation und Kooperation mit dem ärztlichen Dienst. Im Rahmen der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung zur Situationsbeschreibung konnten zunächst einmal spezifische Problembereiche identifiziert werden, die im weiteren Vorgehen in moderierten Sitzungen sowohl im hausinternen Projektteam sowie in vertiefenden Arbeitsgruppen zu den Themen konkretisiert wurden. Zudem konnten gemeinsame und abgestimmte Lösungs- und Verbesse- 121

121 Winfried Königs, Rudolf Harlacher, Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus rungsvorschläge für die Themenfelder erarbeitet und auch festgehalten werden. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sowie tatsächlich erzielte Effekte und Erfolge werden jedoch erst in der nächsten Zeit sichtbar werden und gehen weit über die zweijährige Laufzeit des Projektes PIA hinaus. Dies gilt auch für die Frage, inwiefern die erzielten Veränderungen nach der Etablierung auf den geriatrischen Stationen auch auf andere Stationen des Medizinischen Zentrums der StädteRegion Aachen übertragen werden können. 122

122 7.7 Wertschätzung und Neuordnung der Arbeitsaufgaben in der Katholischen Stiftung Marienhospital Aachen Ralf Marleaux, Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Inhalt 1. Einführung 2. Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung 3. Handlungsfelder und Aktivitäten im Rahmen des PIA Projektes 4. Ergebnisse und Fazit 5. Literatur 1. Einführung Als Akutkrankenhaus, Krankenhaus der Regelversorgung und akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen hält das Marienhospital Aachen insgesamt 321 Betten vor. Mit folgenden Fachabteilungen bietet das Marienhospital Aachen ein umfassendes Angebot für die Bürger in Aachen und Umgebung: Allgemein- und Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe mit anerkanntem Brustzentrum, Diagnostische und Interventionelle Radiologie Anästhesiologie mit Intensivmedizin und Schmerztherapie Belegarztabteilungen für o Augenheilkunde, o HNO-Heilkunde und o Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie. 123

123 Ralf Marleaux, Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam Integraler Bestandteil ist eine interdisziplinäre Intensivpflegeabteilung mit 12 Betten. Im Jahr 2008 wurden stationäre Patientinnen/en von ca. 270 examinierten Pflegekräften und 75 Auszubildenden betreut. Aufgrund des demographischen Wandels und dem hieraus resultierenden Anstieg des Anteils multimorbider Patientinnen/en hat die qualitativ hohe pflegerische Versorgung einen immer bedeutenderen Stellenwert. Das Pflegepersonal setzt entscheidende Maßstäbe für die bestmögliche Patientenversorgung. Dies wird im Marienhospital Aachen durch die Umsetzung einer Vielzahl von Qualitätsmanagement-Projekten mit pflegerischer Beteiligung u.a. zu folgenden Themen unterstützt: Wundmanagement, Stoma- und Inkontinenzversorgung, Sturzprophylaxe, Frührehabilitation und Pflegeüberleitung. Während also eine Beteiligung von Pflegekräften an der Erarbeitung und Umsetzung patientenbezogener Verbesserungs-Projekte im Marienhospital bereits seit einigen Jahren praktiziert wurde, sollte das PIA-Projekt, an welchem das Marienhospital zwischen 2009 und 2011 als eine von zehn Modelleinrichtungen involviert war, neue Ergebnisse und Impulse in Richtung auf die Arbeitszufriedenheit sowie spezifischen Belastungen der Pflegekräfte selbst bringen. Dazu sollte in folgenden Schritten vorgegangen werden: 1. Bildung eines PIA-Projektlenkungskreises 2. Durchführung und Auswertung einer Mitarbeiterbefragung 3. Identifizierung von PIA-Kernthemen auf der Basis der Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung 4. zeitlich befristete Etablierung von Arbeitsgruppen aus Pflegekräften zu den definierten Kernthemen 5. Diskussion, Entscheidung und Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen, die in den Arbeitsgruppen der Mitarbeiter entwickelt wurden 6. Auswertung und Verstetigung der Projektergebnisse 2. Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung Im Marienhospital Aachen wurde im Zeitraum Dezember 2009 / Januar 2010 eine Mitarbeiterbefragung bei den pflegerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt. Von 318 ausgegebenen Fragebögen sind 111 Fragebögen ausgefüllt zurückgekommen, es ergab sich also eine Rücklaufquote von 34,9 %. 124

124 7.7 Wertschätzung und Neuordnung der Arbeitsaufgaben im Marienhospital Aachen Insgesamt ist festzuhalten, dass die Pflegekräfte im Marienhospital Aachen einen hohen Sinngehalt ihrer Arbeit sehen und dementsprechend auch die grundsätzliche Eigenmotivation sehr positiv bewertet wurde. Rund 85 % der Befragten geben an, dass ihre Arbeitsaufgaben sinnvoll seien und knapp 90 % haben das Gefühl, dass die Arbeit, die sie leisten, wichtig ist (Abb. 1). Abb. 1: Bedeutung und Sinnstiftung der eigenen Arbeit (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Gleichzeitig fühlen sich die Pflegekräfte jedoch durch eine Reihe von Faktoren mehr oder weniger stark belastet: Abb. 2: Belastungen der Pflegekräfte im Überblick (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Insbesondere die zeitlichen Anforderungen der Arbeit, gepaart mit der Übernahme von fremden Tätigkeiten, sprich solchen Aufgaben, die die Pflegekräfte selber 125

125 Ralf Marleaux, Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam nicht ihrem primären Aufgabenfeld zuordnen, stellen einen hohen Belastungsfaktor der befragten Pflegenden im Marienhospital Aachen dar. Dies bedeutet, dass das von den Pflegekräften wahrgenommene Aufgabespektrum Fehlzuständigkeiten wie beispielsweise Reinigungsarbeiten, Materialwirtschaft, Küche und Service als auch Transporte, Botengänge, Begleitung und Organisationstätigkeiten umfasst. Diese Aufgaben hindern die Pflegenden entscheidend daran, sich um ihre pflegerischen Aufgaben in professioneller Weise zu kümmern. Eine kritische Rückmeldung gaben die Befragten auch, als es darum ging, wie sehr die Anliegen der Pflege von der Leitung ernst genommen und Mitarbeiter/innen zu Verbesserungsvorschlägen bzw. Beschwerden ermuntert wurden. In den folgenden Ergebnissen spiegelte sich insgesamt das Gefühl vieler Pflegekräfte wider, dass von Seiten der Führungskräfte im Marienhospital mehr für die Wertschätzung und Beteiligung der Pflegenden getan werden könnte. So geben insgesamt 37 % der befragten Pflegekräfte (n=108) an, dass ihr direkte/r Vorgesetze/n zu selten oder fast nie einen unterstützenden Rat gebe und knapp 30 % (n=104) fühlen sich von der Einrichtungsleitung nicht genügend wertgeschätzt. Abb. 3: Mitsprache- und Partizipationsmöglichkeiten der Befragten (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Abschließend bleibt aber auch festzuhalten, dass die Bindung der Befragten sowohl an den Pflegeberuf als auch an die Einrichtung der Katholischen Stiftung Marienhospital sehr hoch ist und somit eine gute Basis für die gemeinsame Arbeit an den benannten Problemfeldern vorhanden ist. 3. Handlungsfelder und Aktivitäten im Rahmen des PIA-Projektes Um aus den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung eine Themenpriorisierung und Konkretisierung in Problemlösungs-Maßnahmen vorzunehmen, wurden die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung den Pflege- 126

126 7.7 Wertschätzung und Neuordnung der Arbeitsaufgaben im Marienhospital Aachen kräften, der Mitarbeitervertretung (MAV) sowie der Leitungsebene präsentiert. In der Diskussion der qualitativen Befragungsanteile kristallisierte sich die Fokussierung auf folgende vier Kernthemen heraus: Abb. 4: Kernthemen für die Verbesserung der Arbeitssituation der Pflegekräfte (qualitativer Anteil) (Quelle: Institut Arbeit und Technik) Neben der Bildung einer Steuerungsgruppe unter Beteiligung der Pflegedirektion, des Personalleiters, der Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung sowie der Firma MA&T und des IATs von Seiten des PIA-Projektes wurden zur weiteren Bearbeitung der Themen zwei Arbeitsgruppen etabliert, die sich unter Moderation von IAT und MA&T mehrere Male trafen und dem Projektlenkungskreis ihre Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitssituation der Pflegekräfte am Marienhospital präsentierten: AG 1: Wertschätzung durch Leitung in der Kath. Stiftung Marienhospital, Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten aus Sicht der Mitarbeiter/innen AG 2: Abbau von Belastungen durch Neuordnung der Arbeitsaufgaben - Chancen und Möglichkeiten einer veränderten Arbeitsteilung im Krankenhaus-Bereich der Kath. Stiftung Marienhospital, Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten aus Sicht der Mitarbeiter/innen AG 1 Wertschätzung Die AG Wertschätzung beschäftigte sich mit dem Thema Wertschätzung der Arbeit von Pflegekräften am Marienhospital Aachen auf den fünf Wertschätzungsebe- 127

127 Ralf Marleaux, Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam nen, die im Projekt PflegeWert 1 definiert wurden (vgl.: Fuchs-Frohnhofen u.a., 2010) 1. Selbst-Wertschätzung 2. Wertschätzung durch Patient/innen und ihre Angehörigen 3. Wertschätzung durch Team und Vorgesetzte 4. Wertschätzung als Bestandteil der Organisationskultur 5. Wertschätzung durch Gesellschaft und Umwelt Da die Ebene der Selbst-Wertschätzung und der gesellschaftlichen Wertschätzung den Pflegekräften in der Arbeitsgruppe wenig beeinflussbar erschien, konzentrierten sich die Diskussionen der Arbeitsgruppe auf die Ebenen 2-4. Dabei wurden die folgenden Vorschläge erarbeitet: Ebene 2: Wertschätzung der Pflegekräfte durch Patient/inn/en und Angehörige Stationsweise Erarbeitung eines Konzepts für Angehörigengespräche in einer abgestimmten Aufgabenteilung zwischen Pflegekräften und Ärzten Bessere Präsenz der Pflege in Printmedien und Internet des Marienhospitals Stationsweise Darstellung der Pflege im Intranet des Marienhospitals Ebene 3: Wertschätzung durch direkte Vorgesetzte und Kolleg/innen Stationsweises Zusammenwirken Pflegerische Stationsleitung / Oberarzt oder Chefarzt zur Umsetzung einer Weiterbildungsbedarfsanalyse und einer Weiterbildungsplanung für das pflegerische Personal Schulungen zu bestimmten Themen auf Station von Pflegekräften für Pflegekräfte, kurz und praxisorientiert Ausbau von Mitarbeitergesprächen Stärkung des gegenseitigen Vertrauens zwischen Pflegedirektion, den Stationsleitungen und Stationsmitarbeiter/innen zur Förderung der Eigenverantwortung Respektvoller Umgang und ein gegenseitiges Aufeinander zugehen der Pfle geund Ärzteschaft sowie ein kommunikationsbezogenes Weiterbildungsangebot des Marienhospitals für Ärzte (incl. Ober- und Chefärzte) Ebene 4: Wertschätzung durch höhere Vorgesetzte / Geschäftsführung Ausbau und Stabilisierung der erlebten Ansätze für einen wertschätzenderen Umgang der Geschäftsführung und Krankenhaus-Direktion mit den Pflegemitarbeiter/innen Ausbau vorhandener Ansätze zur Mitarbeiter-Wertschätzung (Geburtstags-, Weihnachts- und Jubilargrüße etc.) und Anregung, gute Mitarbeiter/innen zu 1 Weitere Informationen zum Projekt PflegeWert unter 128

128 7.7 Wertschätzung und Neuordnung der Arbeitsaufgaben im Marienhospital Aachen umwerben und gute Pflege sowie gute Konstanz der Mitarbeiterschaft in Zukunft mehr als Werbemittel für die Stiftung zu nutzen AG 2: Abbau von Belastungen durch Neuordnung von Arbeitsaufgaben - Chancen und Möglichkeiten einer veränderten Arbeitsteilung im Krankenhaus Die Arbeitsgruppe diskutierte das Thema Neuordnung von Arbeitsaufgaben unter folgenden Stichworten und erarbeitete entsprechende Vorschläge: 1. Entlastung der Pflege auf den Stationen von pflegefremden Aufgaben 2. Verbindliche Klärung und Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Pflege und Medizin 3. Vermeidung von Organisations- und Kommunikationsmängeln durch Optimierung von Schnittstellen 4. Einbindung und Ausbau von ehrenamtlichen Diensten Entlastung der Pflege auf den Stationen von pflegefremden Aufgaben Ein Ansatz wäre die Aufstockung und der Ausbau der dezentralen unterstützenden Dienste (Hol- und Bringdienste, Bettenzentrale), damit Ausfälle und Arbeitsspitzen dort intern aufgefangen werden können und der Pflegedienst von der Kompensation solcher Ausfälle grundsätzlich befreit ist. Besondere Beachtung verdient aber das Konzept der Aufwertung der Serviceassistenz zu einer "Stationsassistenz", wie in einem Versuch auf Station H 1 angedacht. Dieser Dienst sollte fest in das Stationsteam eingebunden sein und neben dem Service weitere Aufgaben fest übernehmen. Verbindliche Klärung und Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Pflege und Medizin Die Aufgabenteilung zwischen pflegerischem und ärztlichem Dienst sollten hinsichtlich solcher Zuständigkeiten, die in der täglichen Praxis nicht eindeutig geregelt sind, verbindlich geklärt werden. Bei Übergang bisher ärztlicher Aufgaben in den pflegerischen Zuständigkeitsbereich zur Prozessoptimierung im Interesse der Patient(inn)en sollte die Form der Übertragung (Delegation, Substitution) geklärt werden. Solche Änderungen sind nur möglich, wenn eine entsprechende Anpassung der Stellenanteile erfolgt. Im Rahmen des Projektes wurde entschieden, diesen Aspekt der Neuordnung von Arbeitsaufgaben zunächst zurückzustellen, da dies nicht im primären Interesse der Pflegenden liegt. Verbesserung von Organisations- und Kommunikationsstrukturen Ein nicht optimales Belegungsmanagement usw. wirken sich störend und belastend auf die Arbeit der Stationen aus. Zentrale Probleme sollten identifiziert 129

129 Ralf Marleaux, Paul Fuchs-Frohnhofen, Sandra Dörpinghaus, Christoph Bräutigam und in bereichsübergreifenden Arbeitsgruppen unter Beteiligung der jeweiligen Leitungsebene bearbeitet werden. Ausbau der Einbindung von ehrenamtlichen Helferinne/n Die Mitwirkung Ehrenamtlicher könnte mit positiven Wirkungen für die Patientinnen/en deutlich ausgebaut werden. Es wird angeregt, über kreative Lösungsansätze auf diesem Gebiet nachzudenken und eine entsprechende Initiative zur Gewinnung ehrenamtlicher Personen (Gemeinde?) zu starten. Die Arbeitsgruppe hat ein entsprechendes Konzeptpapier erarbeitet. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe regen an, bei der weiteren Bearbeitung in Arbeitsgruppen oder Workshops diese bei Bedarf auch ganztätig sowie berufs- und bereichsübergreifend unter Beteiligung der jeweiligen Vorgesetzten durchzuführen. 4. Ergebnisse und Fazit Die verschiedenen Vorschläge der Arbeitsgruppen wurden im Lenkungskreis PIA des Marienhospitals diskutiert und je nach Diskussionsergebnis der Geschäftsführung zur endgültigen Entscheidung vorgelegt. Hierbei wurde ergänzend zu den, in den Arbeitsgruppen erarbeiteten, Ergebnissen folgendes diskutiert und festgehalten: Für die Bezeichnung "pflegefremde Tätigkeiten besteht kein breiter Konsens hinsichtlich der inhaltlichen Definition. Eine grundlegende Verständigung über das Selbstverständnis von Pflegenden scheint daher angezeigt. D.h., "die Pflege" muss klären, welche Arbeiten sie weiterhin verrichten (oder zusätzlich übernehmen) will und welche der bislang vom Pflegedienst durchgeführten Tätigkeiten sinnvollerweise an andere Dienste oder Berufsgruppen delegiert werden können oder sollen. Letzteres, sprich ein Abgeben von Aufgaben an andere Berufsgruppen, würde jedoch zur Folge haben, dass neue Schnittstellen entstehen würden und dass evtl. Budget und Stellenanteile ggf. auch zu Lasten der Pflege umverteilt werden müssen. Im Marienhospital wurde im Rahmen des PIA-Projektes nach eingehender Diskussion der Terminus "pflegefremde Tätigkeiten" verworfen und durch die Bezeichnungen "pflegeunterstützende patientennahe Tätigkeiten" und "pflegeunterstützende patientenferne Tätigkeiten" ersetzt. Besondere Beachtung verdient dabei das Konzept der Aufwertung und des Ausbaus der Serviceassistenz zu einer "pflegeunterstützenden Stationsassistenz", wie im Projektverlauf in einer 40 Betten umfassenden Station für Allgemein- und Gefäßchirurgie erprobt. Dieser Dienst ist fest in das Stationsteam eingebunden. An die bisher ausschließlich für den Service (Speisenversorgung) zuständigen Mitarbeiter/innen wurden weitere Aufgaben, zunächst zur Erprobung, übertragen. Zusätzlich delegierte Aufgaben sind u.a. hausinterne Patientenbegleitdienste, Materialwirtschaft, Aktenablage, Botengänge und Bettplatz- 130

130 7.7 Wertschätzung und Neuordnung der Arbeitsaufgaben im Marienhospital Aachen aufbereitung. Hierdurch wurden die Aufgabenvielfalt und der fachliche Anspruch an die einzelnen Mitarbeiter/innen erhöht (Schulungsbedarf). In die Teambindung und die Arbeitszufriedenheit dieser Mitarbeitenden-Gruppe wurden intensiviert und eine höhere Arbeitszufriedenheit kann zwischenzeitlich verzeichnet werden. Eine Korrektur des Stellenplanes zu Gunsten dieses pflegeunterstützenden Dienstes um 1,5 Vollkräfte konnte bei Einsparung eines 50%igen Stellenanteiles einer Pflegefachkraft realisiert werden. Insgesamt zeigte es sich, dass an verschiedenen Stellen bestimmte Maßnahmen zunächst pilothaft umgesetzt werden mussten, um ihre Wirksamkeit abschließend einschätzen zu können. Außerdem wurde immer wieder deutlich, wie eng die Personaldecke und der finanzielle Spielraum in dem Krankenhaus war, so dass der Umsetzung von Maßnahmen insbesondere im Themenfeld Ausbau pflegeunterstützender Tätigkeiten zur Entlastung der Pflegefachkräfte enge finanzielle Grenzen gesetzt waren. Als Fazit dieses PIA-Teilprojekts kann festgehalten werden, dass sich der eingeschlagene Weg - auf der Basis einer breit angelegten Mitarbeiterbefragung Innovationsthemen zu identifizieren und dann in beteiligungsorientierten Arbeitsgruppen Verbesserungen vorschlagen zu lassen, die in einem Projektlenkungskreis entschieden werden - grundsätzlich bewährt hat. Es wurde aber auch deutlich, dass es einer längeren zeitlichen Perspektive bedarf, als ein zweijähriges Förderprojekt sie bieten kann, um tatsächlich zu umgesetzten Innovationen zu kommen. Außerdem sollte versucht werden, bei künftigen ähnlich gelagerten Projekten, auch wenn es um pflegerische Innovationen geht, die Geschäftsführung und die ärztliche Leitung stringenter in ein solches Projekt einzubinden, um Kommunikations- und Entscheidungswege zu verkürzen. 5. Literatur Fuchs-Frohnhofen, P., Isfort, M., Wappenschmidt-Krommus, E., Duisberg, M., Neuhaus, A., Rottländer, R., Brauckmann, A. (2010): Wertschätzung und Stolz fördern Wertschöpfung; in Fuchs- Frohnhofen, P., Blass, K., Dunkel, W., Hinding, B., Keiser, S., Klatt, R., Zühlke-Robinet, K (Hrsg.): Wertschätzung, Stolz und Professionalisierung in der Dienstleistungsarbeit Pflege, Tectum-Verlag, Marburg, S Bräutigam, C., Evans, M., Hilbert, J. (2009): Arbeitsgestaltung und Qualifizierung in Kliniken und Heimen: gegenwärtige Problematik und zukünftige Herausforderungen. In: Hilbert, Josef / Goldschmidt, Andreas J. W. (Hrsg.): Gesundheitswirtschaft in Deutschland: die Zukunftsbranche. Wegscheid: Wikom, S

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132 7.8 Mit neuem Führungsleitbild und Mitarbeiterworkshops zu innovativen Problemlösungen - das Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius, Betriebsteil Würselen Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin Inhalt 1. Einführung 2. Die Entwicklung eines neuen Führungsleitbildes Theorie & Praxis 3. Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Pflege und Hauswirtschaft 4. Entwicklung und Einführung von betrieblicher Gesundheitsförderung 5. Fazit 6. Literatur 1. Einführung Das Würselener Senioren- und Pflegezentrum der St. Antonius ggmbh befindet sich im Herzen der Stadt und ist durch sein vielfältiges Angebot ein zentraler Anlaufpunkt für ältere und pflegebedürftige Menschen. Insgesamt umfasst der dortige Betriebsteil ein Pflegezentrum mit 4 Wohn- und Pflegegruppen (mit 137 Heimplätzen) einschließlich 6 eingestreuter Kurzzeitpflegeplätze, einer gerontopsychiatrischen Tagespflege, 32 Wohnungen für betreutes Wohnen, einem mobilen Sozialen Dienst und einem Restaurant für Senioren, in welchem Junggebliebene ebenfalls gerne gesehen werden. Dank der sehr zentralen Lage stehen auch dem weniger mobilen Bewohner in einem Umkreis von 100 Metern alle Möglichkeiten zur Versorgung durch Arzt, Apotheke, Bank, Bäckerei, Optiker, Lebensmittel- und sonstigen Geschäften zur Verfügung. Um eine gute Versorgung der Bewohner zu gewährleisten, arbeiten in Würselen derzeit ca. 190 Mitarbeiter/innen verschiedener Professionen mit unterschiedlichen Beschäftigungsumfängen in der Einrichtung. Den größten Anteil stellt hierbei der Pfle- 133

133 Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin gebereich mit etwa 50 Vollzeitstellen dar. Hinzu kommen die Bereiche Hauswirtschaft, Verwaltung, Haustechnik und Mitarbeitende im Sozialdienst. Resultierend aus der Vielfallt der Beschäftigten wurden im Rahmen des PIA- Projektes unterschiedliche Schwerpunkte und Innovationsmöglichkeiten identifiziert, an welchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der zweijährigen Projektzeit gearbeitet haben. Das Spektrum der Themen und Ziele die gesetzt wurden reicht von Schulungen für einzelne Mitarbeitende, über Arbeitsgruppen für bestimmte Bereiche, bis hin zur Entwicklung von neuen Konzepten, die sowohl das Individuum als auch die gesamte Einrichtung betreffen. Im Folgenden werden 3 dieser Themen die Entwicklung eines neuen Führungsleitbildes, die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Pflege und Hauswirtschaft und die Entwicklung und Einführung von betrieblicher Gesundheitsförderung - aufgegriffen und näher beschrieben. Anschließend wird zu den unterschiedlichen Schwerpunkten ein Resümee gezogen. 2. Die Entwicklung eines neuen Führungsleitbildes Theorie & Praxis Der wirkungsvollste Gruppenleiter ist der, der die Bedingungen schaffen kann, aufgrund derer er in Wirklichkeit die Führung verliert (Rogers, 2000, S. 298) Das Vorhaben, ein Führungsleitbild zu entwickeln, entstand innerhalb eines Workshops zur Rolle und Situation von Führungskräften, welcher speziell für die Wohnbereichsleiter erarbeitet und gegeben wurde. Neben theoretischen Inhalten wie beispielsweise Führung und Führungsstile, Kommunikation und Konfliktverhalten wurden ebenso praktische Fragen, wie die individuelle Erwartungshaltung an die eigene Führungsrolle diskutiert. In Rahmen der Entwicklung des neuen Leitbildes stellten sich den Führungskräften zwei weitere Fragen: (1) Welcher Führungsstil ist für unser Senioren- und Pflegezentrum der richtige? (2) Wie wird der bisherige Führungsstil von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrgenommen? Hierzu wurde einerseits die wissenschaftliche Literatur studiert und andererseits viel diskutiert, um die Ansprüche der einzelnen Führungskräfte zu sammeln, zu sortieren und zu kombinieren. Nachdem der erste Entwurf des Leitbildes geschrieben war, stellten die jeweiligen Führungskräfte es ihren Gruppen sowie den anderen Abteilungen vor, mit dem Ziel, Impulse für Ergänzungen und Erweiterungen zu erhalten. Im Folgenden wird zuerst die verwendete Theorie zum Thema Führung und anschließend die Entwicklung und Umsetzung des Leitbildes näher beschrieben. 134

134 7.8 Mit neuem Führungsleitbild und Mitarbeiterworkshops zu innovativen Problemlösungen Führungsstile in der Theorie Die Kommunikationsstrukturen innerhalb einer (Pflege-)Gruppe sind u.a. bei der effektiven Lösung eines Problems von Bedeutung. Bestimmte Strukturen des Informationsflusses hemmen das Finden einer richtigen Lösung, während es durch andere erleichtert werden kann. Abhängig von der Art der zu lösenden Aufgabe sind bei einigen Aufgabentypen hierarchische Strukturen erfolgreicher beispielsweise wenn der Lösungsweg bekannt ist und es weitgehend darauf ankommt, die Aufgaben sinnvoll zu verteilen - während bei anderen Aufgaben dezentralisierte Strukturen zu besseren Leistungen führen zum Beispiel bei neuartigen Problemen, wenn der Einfallsreichtum jedes Einzelnen erforderlich ist (vgl. Bornewasser, Hesse, Mielke & Mummendey, 1979, S. 181). Der Pionier der sozialpsychologischen Richtung, der sich mit den Fragen der Führungsstile und Gruppenstrukturen befasst hat, war Kurt Lewin ( ). Er unterschied 3 Führungsstile: den autokratischen, den demokratischen und den Laissezfaire-Stil: Beim autokratischen Stil herrscht die Führungskraft uneingeschränkt und hält eine deutliche Distanz zu den Gruppenmitgliedern. Sie trifft alle Entscheidungen alleine und weist den Gruppenmitgliedern mit strengem Regiment die Aufgaben zu. Selbst beteiligt sie sich nicht an den Gruppenaktivitäten. Beim demokratischen Stil bezieht der oder die Vorgesetzte die Gruppenmitglieder in die Planung und Festlegung von Gruppenaktivitäten sowie in die Entscheidungsprozesse mit ein. Beim Laissez-faire-Stil sollte man nicht von Führung im engeren Sinne sprechen. Die Leitungskraft gibt den Mitgliedern alle Freiheiten und greift kaum durch Entscheidungen und Festlegungen in die Gruppenaktivitäten ein. Mittels einer seiner Untersuchungen wollte Lewin herausfinden, wie sich die verschiedenen Führungsstile auf Zufriedenheit und Produktivität der Gruppenmitglieder auswirken. Seine Beobachtungen legen eine Reihe von allgemeinen Feststellungen zur Führung in Gruppen nahe: Der autokratische Führungsstil hatte positive und negative Auswirkung auf die Gruppenmitglieder. Zu bestimmten Zeiten arbeitete die Gruppe sehr hart, aber typischerweise nur, wenn die Führungskraft, welche sich als strenger Chef aufspielte, sie auch beobachtete. Am auffälligsten war allerdings das hohe Ausmaß an Aggressivität unter autokratischer Führung. Die Gruppenmitglieder zeigten bis zu 30 Mal häufiger Feindseligkeit unter autokratischer Führung als unter den beiden anderen Führungsstilen. Sie mussten in höherem Maße beaufsichtigt werden und zerstörten häufiger ihre eigenen Sachen. Außerdem gab es viel häufiger Sündenböcke - schwächere Gruppenmitglieder, die bevorzugt die Frustration und den Ärger der anderen zu spüren bekamen. Unter dem Laissez-faire-Stil schnitten die Gruppen nicht besonders gut ab. Hinsichtlich der Leistung war dieser Stil der ineffizienteste von allen die 135

135 Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin Gruppenmitglieder leisteten die wenigste und die schlechteste Arbeit. In Abwesenheit jeglicher sozialer Struktur tummelten sie sich einfach herum. Als dieselben Gruppen allerdings demokratisch geführt wurden, arbeiteten die Gruppenmitglieder am zuverlässigsten und am effizientesten. Die Probanden zeigten nun das meiste Interesse, die höchste Motivation und den größten Einfallsreichtum. Wenn Unzufriedenheit aufkam, wurde sie offen gezeigt. Fast alle Teilnehmer zogen den demokratischen Führungsstil den beiden anderen vor. Er förderte Loyalität gegenüber der Gruppe und die Freundlichkeit gegenüber den anderen Gruppenmitgliedern. Zusätzlich gab es häufiger wechselseitiges Lob und freundliche Bemerkungen, es wurde häufiger geteilt und die Gruppenmitglieder hatten insgesamt mehr Spaß bei der Arbeit (Lewin et al., 1939). Als Führungskraft müssen vier grundlegende Leitungsfunktionen in Gruppen wahrgenommen bzw. umgesetzt werden: 1. Emotionale Anregung (herausfordernde, konfrontierende Aktivität, eindringliches Beispielgeben durch das Eingehen persönlicher Risiken und weitgehende Selbstoffenbarung) 2. Anteilnahme (Unterstützung, Zuwendung, Lob, Schutz, Wärme, Annahme, Echtheit, Besorgtheit) 3. Sinngebung (erklären, klarstellen, interpretieren, der Veränderung einen kognitiven Rahmen geben, Gefühle und Erlebnisse in Ideen übersetzen) 4. Exekutive Funktion (Grenzen, Regeln, Normen, Ziele setzen, Zeit einteilen, das Tempo des Fortschreitens bestimmen, Verfahren anhalten, unterbrechen und vorschlagen) Die größten Erfolge erzielt die Leitung, wenn sie maßvoll anregt, ihre Leitungsfunktion mäßig wahrnimmt, viel Anteilnahme zeigt und viel Mühe auf Sinngebung verwendet. Zu wenig Leitung ein Laissez-faire-Stil führte zu einer verwirrten, richtungslosen Gruppe; zu viel ein autokratischen Stil - führte zu einer stark strukturierten, autoritären, arrhythmischen Gruppe, bei deren Mitgliedern sich ebenso wenig ein Gefühl der Selbstständigkeit entwickelte wie eine frei fließende Interaktionssequenz (vgl. Yalom, 2007, S. 585). Aus diesen Erfahrungssätzen lässt sich ableiten, dass eine Führungskultur nach demokratischem Stil für das Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius die meisten Vorteile mit sich bringen würde und daher die erste Wahl darstellen sollte. Führungsstile in der Praxis Der erste Entwurf des Leitbildes bildete eine Kombination aus dem oben aufgeführten theoretischen Hintergrund und dem Führungsanspruch der Leitungskräfte. Da die Bedeutung der Partizipation der Mitarbeiter/innen mehrmals in der Weiterbildung 136

136 7.8 Mit neuem Führungsleitbild und Mitarbeiterworkshops zu innovativen Problemlösungen genannt wurde, stellte die Gruppe im folgenden Schritt allen Mitarbeitenden das Leitbild vor. Dies geschah im Rahmen von 8 Workshops, in welchen die einzelnen Abteilungen des Pflegeheims - Stationäre Pflege (Gruppe 1-4), Sozialer Dienst und Tagespflege, Hauswirtschaft, Wäscherei und Reinigung sowie der ambulante Dienst an Hand verschiedener Fragen über das Leitbild diskutierten. Neben einer direkten Rückmeldung fragten die Leitenden ebenfalls nach der derzeitigen Führungssituation und nach Verbesserungsmöglichkeiten. Alle Fragen wurden offen gestellt, um möglichst differenziertere Antworten zu erhalten. Die Mehrheit der Mitarbeitenden bewerteten sowohl das neue Führungsleitbild als auch die direkten Vorgesetzten und die Einrichtung selbst durchgängig positiv. Vor allem das vielfältige Weiterbildungsangebot der Einrichtung und das gute Team bzw. die gute Zusammenarbeit im Team wurden hervorgehoben. An Kritikpunkten bzw. Verbessrungsvorschläge für das Leitbild wurde lediglich um die folgende Ergänzung gebeten, Rückendeckung durch Vorgesetzte gegenüber der Geschäftsführung oder der Pflegedienstleitung. Dieser Punkt wurde daraufhin im Leitbild ergänzt. Bezüglich der generellen Arbeitssituation kritisierten die Mitarbeitenden vor allem den hohen Zeit- und Arbeitsdruck sowie teilweise eine mangelnde Abstimmung zwischen den Abteilungen. Als letztes fragte die Arbeitsgruppe die Mitarbeitenden nach konkreten Veränderungen, welche kurz- oder mittelfristig umgesetzt werden können. Auf diese Frage kamen mit Abstand die meisten Reaktionen und es wurden unter anderem mehrere Lösungsansätze zum eben beanstandeten Aspekt mangelnde Absprachen zwischen Abteilungen vorgeschlagen. Die Idee zu den Themen betriebliche Gesundheitsförderung und zur Arbeitsgruppe Reduzierung der Belastung im Bereich der Hauswirtschaft waren ebenfalls Teil der Verbesserungsvorschläge. Ein weiteres Beispiel, das verhältnismäßig schnell umgesetzt werden konnte, ist die Wiederaufnahme von Mitarbeitergesprächen. Die Ergebnisse der Fragen zu dem derzeitigen Führungsverhalten sind - vor allem in Verbindung mit der Selbstwahrnehmung der Führungskräfte sehr interessant und äußerst ambivalent. Die Wahrnehmung des Führungsstils durch die Gruppe stimmte nur vereinzelt mit der Selbstwahrnehmung der Führungsperson überein und ging teilweise sehr auseinander. Dies mag allerdings daran liegen, dass in beiden Fällen keine standardisierten Kriterien zur Messung verwendet wurden und beide Einschätzungen dadurch subjektiver Natur sind. Hinzu kommt, dass das Bedürfnis der Menschen nach Führung sehr individuell sein kann. Eine Person, welche beispielsweise eine Führungskraft mit au- 137

137 Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin tokratischem Stil bevorzugt, empfindet den demokratischen Stil eventuell schon als Laissez-faire. Überraschend war ebenfalls die Feststellung, dass viele Mitarbeitende einem Wechsel des Führungsstils eher gleichgültig bis ablehnend gegenüberstanden, unabhängig davon welcher Stil praktiziert wurde. Abb. 1: Auszug aus dem - im Rahmen des PIA-Projektes - erarbeiteten Führungsleitbild Obwohl die Ergebnisse weniger eindeutig und aufschlussreich waren als gehofft, haben sie viele Impulse geliefert, um die Selbstreflektion der Leitungskräfte positiv anzuregen. Um die weitere Reflektion auf dem Weg zum demokratischen Führungsstil zu unterstützen, wurden weitere Denkanstöße von Carl Rogers (2000, S. 301 f.) hinzugenommen: 1. Vertraue ich auf die Fähigkeiten der Gruppe und des Individuums in der Gruppe, mit den Problemen, denen wir begegnen, fertig zu werden, oder vertraue ich im Grunde nur mir selbst? 2. Gebe ich der Gruppe die Freiheit zur kreativen Diskussion, indem ich bereit bin, alle Einstellungen zu verstehen, zu akzeptieren und zu respektieren, oder versuche ich, die Gruppendiskussion dahingehend zu manipulieren, dass sie zu den von mir gewünschten Resultaten kommt? 3. Nehme ich als Führungskraft daran teil, indem ich meine eigenen Einstellungen ehrlich ausdrücke, ohne zu versuchen, die Einstellungen der Anderen zu kontrollieren? 138

138 7.8 Mit neuem Führungsleitbild und Mitarbeiterworkshops zu innovativen Problemlösungen 4. Verlasse ich mich auf grundlegende Einstellung für die Motivation oder denke ich, dass oberflächliche Verfahren das Verhalten motivieren? 5. Bin ich bereit, für diejenigen Aspekte der Aktion die Verantwortung zu übernehmen, die die Gruppe mir zugewiesen hat? 6. Traue ich dem Individuum zu, dass es seine Aufgabe erfüllt? 7. Versuche ich, wenn Spannungen auftreten, die Möglichkeit zu schaffen, dass sie ans Tageslicht gebracht werden? Ziel des neuen Leitbildes ein Auszug hiervon ist in Abbildung 1 zu sehen - ist es, ein Arbeitsumfeld und ein Klima zu schaffen, welche die Führungsfunktion in der Gruppe lässt und so Gelegenheit zur Beteiligung gibt, Freiheit der Kommunikation ermöglicht und ein nicht bedrohliches psychisches Klima erschafft. 3. Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Pflege und Hauswirtschaft Die Zusammenarbeit zwischen Pflege und Hauswirtschaft erweist sich in vielen Pflegeeinrichtungen als schwierig. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in den teils sehr unterschiedlichen und teils überlappenden Tätigkeitsfeldern. Beide Bereiche sind an der direkten, täglichen Versorgung der Pflegebedürftigen beteiligt und müssen, vor allem während der Hauptmahlzeiten, unter hohem Zeitdruck eng und vor allem effektiv zusammenarbeiten. Hierbei können die unterschiedliche Ausbildung und die unterschiedliche Arbeit sowie der zeitliche Druck, welcher auf beiden Seiten lastet, schnell zu Reibereien, Frontenbildung oder Problemen bei der Zusammenarbeit führen. Um diesen Schwierigkeiten entgegen zu wirken, organisierte einer der Arbeitskreise, die im Rahmen des PIA-Projektes zu unterschiedlichen Themen gebildet wurden, ein Treffen pro Wohnbereich, welches Mitarbeitenden und Leitungskräften aus der Pflege und dem Bereich Hauswirtschaft den Raum gab, um über Reibungspunkte und Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Arbeit zu sprechen. Während des Treffen wurde nicht nur deutlich, dass beide Gruppen teilweise das Aufgabenpensum und den zeitlichen Druck der jeweils anderen Gruppe unterschätzen, es zeigt sich auch, dass beide Parteien im gleichen Boot sitzen und nur an einem Strang ziehend gut zum Ziel kommen. Leider musste ebenfalls festgestellt werden, dass eine freiwillige Teilnahme an diesen Gesprächen zu einer Selbstselektion der Teilnehmenden führte, wodurch die Personen, die sich tendenziell weniger kollegial verhalten, nicht an den Treffen teilnahmen bzw. sich weniger an der Diskussion beteiligten. Daher war die Stimmung in den Besprechungen wahrscheinlich positiver und kooperativer als es im Alltag der Fall ist. 139

139 Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin Zusätzlich trafen die einzelnen Gruppen Absprachen zu bestimmten Arbeitsprozessen, um einen reibungsloseren Ablauf zu ermöglichen. Ein anderer Ansatz zur Entlastung beider Bereiche ist eine Veränderung der Arbeitszeiten der Servicekräfte, welche ein Bindeglied zwischen Hauswirtschaft und Pflege darstellen und Aufgaben aus beiden Tätigkeitsfeldern ausführen. In den kommenden Monaten werden einzelnen Arbeitszeitmodelle getestet und anschließend evaluiert. Neben diesem sehr komplexen und nur bedingt beeinflussbaren Thema, diskutierte der Arbeitskreis ebenso andere Belastungsfaktoren im Bereich der Hauswirtschaft. Viele hiervon konnten in einer kürzeren Zeitspanne gelöst und schneller umgesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist eine Arbeitsablaufänderung bezüglich des Kaffeegeschirrs. Dies wird nun bis zum Abend in den Wohnbereichen gelagert, um Zeit und Lauferei während des Tages zu sparen. Gleichzeitig wurde eine neue und bildreichere Anleitung für die Reinigung der neuen Spülmaschine erstellt, um auch hier Zeit bei den Abläufen zu sparen und durch Unsicherheit verursachten Stress zu reduzieren. Obwohl noch viel zu tun bleibt und sich ein Teil der neuen Konzepte und Arbeitsprozesse noch bewähren muss, konnten bereits erste erfreuliche Auswirkungen beobachtet werden. Die nächste Aufgabe besteht nun in der Erhaltung der neuen Standards. 4. Entwicklung und Einführung von betrieblicher Gesundheitsförderung Ziel sind zufriedene, gesunde und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche ihren Dienst auch mit steigendem Alter gerne und gut machen (St. Antonius-Lenkungsteam). Das oben genannte Statement, welches so als Ergebnis einer der Teamsitzungen ins Protokoll aufgenommen wurde, bildete die Basis und das Ziel des Arbeitskreises Gesundheitsförderung und Lobkultur. Gesundheitsfördernde Maßnahmen innerhalb und außerhalb der Arbeitszeiten anzubieten, war einer der Verbesserungsvorschläge, welche im Zusammenhang mit der Besprechung des Leitbildes gewünscht wurde. Da die Teilnahme an Maßnahmen der Gesundheitsförderung jedoch im Einzelfall für die Mitarbeitenden ein hoher Kostenfaktor sein kann, einigten sich die Teilnehmer der Arbeitsgruppe von Beginn darauf, dass es bei allen Maßnahmen die Möglichkeit geben muss, die Kosten durch die jeweilige Krankenkassen oder den Arbeitgeber zu subventionieren. 140

140 7.8 Mit neuem Führungsleitbild und Mitarbeiterworkshops zu innovativen Problemlösungen Bei der Recherche nach geeigneten Kursen oder Informationsveranstaltungen stellte sich heraus, dass einige Krankenkassen bereits ein sehr breites Spektrum an Förderungsmaßnahmen anbieten. Die klassischen Themen hierbei sind Ernährung, Bewegung, Stressbewältigung und Suchtprävention, zu welchen jeweils Kurse, Workshops und/ oder Seminare durchgeführt werden. Eine Kompaktschulung zum Thema Rücken beinhaltet beispielsweise einen einführenden Vortrag sowie eine anschließende Schulung direkt am Arbeitsplatz diese findet im Abstand von mehreren Wochen statt, so dass neu erlernte Bewegungsabläufe ausprobiert werden können. Bereich Ernährung Bewegung Stressbewältigung Suchtprävention Kurse/ Seminare/ Vorträge Individuelle Beratung zu persönlichen Ernährungsund Lebensgewohnheiten Ernährungskurs Essen und Beruf Kochkurs gesunde Ernährung Pilates (Kurs) Aqua Fitness (Kurs) Nordic Walking (Schnupperkurs) Lauftraining für Einsteiger (Ziel ist es am Ende 30 Minuten am Stück zu laufen) Massagen am Arbeitsplatz Seminar zur Stressbewältigung Informationsveranstaltung zur Tabakentwöhnung Abb. 2: Auszug eines Fragebogens zum Interesse der Mitarbeitenden an Angeboten aus den Bereichen Ernährung, Bewegung, Stress und Sucht, welcher im Rahmen des PIA-Projektes erarbeitet wurde. Obwohl diese Angebote sehr umfangreich sind und sich mehrfach bewährt haben, sind sie gleichzeitig standardisiert wodurch die Möglichkeiten auf individuelle Bedürfnisse einzugehen gering sind. Daher wurde eine Befragung mit sehr unterschiedlichen konkreten Angeboten geplant und durchgeführt, um allen Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, eine für sich passende Maßnahme zur Steigerung des eigenen Wohlbefindens und parallel zur Förderung der Gesundheit zu finden. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, umfasst der Fragebogen ein äußerst breites Spektrum an Kursen, Vorträgen und anderen Angeboten. Um die Hemmschwelle für eine Teilnahme möglichst niedrig zu halten, werden direkt Termine (und Preise) genannt, so dass Mitarbeitende nur an dem vorgesehenen Tag erscheinen müssen. 141

141 Tatjana Finkelberg, Christian Weimer, Claudia Bessin In wie weit die angebotenen Maßnahmen Mitarbeitende dauerhaft zu einem gesünderen Verhalten bewegen können, und ob auch Personen, welche gar kein Interesse an diesen Themen haben auf lange Sicht erreicht und vielleicht sogar begeistert werden, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Zu diesem Zeitpunkt kann jedoch festgehalten werden, dass die Angebote größtenteils positiv aufgenommen wurden und vor allem Ideen wie die Massage am Arbeitsplatz sehr beliebt sind. 5. Fazit Wie in den Unterkapiteln bereits angedeutet wurde, werden die tatsächlichen Effekte vieler Maßnahmen erst in den kommenden Jahren, teilweise vielleicht schon in einem Jahr, zu sehen sein. Unabhängig von den zukünftigen Erfolgen haben die Mitarbeitenden ebenso wie die Leitungskräfte bereits jetzt erlebt, dass kleine Änderungen große Wirkung haben können. Selbst wenn das eigentliche Problem nicht unmittelbar gelöst ist, fördert es das Klima und die Zufriedenheit, zu sehen, dass sich etwas tut und das Veränderung auch wenn sie anfangs unerwünscht, unbequem, ein wenig bedrohlich und auch schon mal stressig sein kann möglich ist und zu vielen kleinen und großen Verbesserungen führen kann. Einen Aspekt, der hierbei nicht vergessen werden sollte, und den insbesondere alle Veränderer nicht unterschätzen sollten, ist, dass die Vorbereitung, die Durchführung und vor allem das Annehmen und Umsetzten im Unternehmen viel Zeit in Anspruch nimmt und Personen erfordert, welche kontinuierlich am Ball bleiben und sich nicht zu schnell entmutigen lassen! Das Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius blickt auf zwei interessante, ereignisreiche und erfolgreiche Jahre zurück und einem spannenden und auf Gesundheit fokussierten Jahr entgegen. 6. Literatur Bornewasser, M.; Hesse, F. W.; Mielke, R.; Mummendey, H. D. (1979), Einführung in die Sozialpsychologie; Heidelberg Rogers, C.R. (2000); Die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie; 14. Aufl.; Fischer TB. Frankfurt am Main Yalom, I.D. (2007); Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie, München 142

142 7.9 Mitarbeiter beteiligen und an der Vernetzung in einer Region mitwirken die FAUNA Georg Schenkelberg Inhalt 1. Aktuelle Herausforderungen in der ambulanten Pflege 2. Zur Konzeption der FAUNA 3. Mitbeteiligung und Mitverantwortung bei der FAUNA 4. Mitarbeit im regionalen Netzwerk 1. Aktuelle Herausforderungen in der ambulanten Pflege Aufgrund sinkender Ausbildungszahlen in der Pflege wird es zunehmend schwieriger, examiniertes Personal zu finden und die gewonnenen examinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig an die Einrichtung zu binden. Die Versorgungsstrukturen im Bereich der Pflege sind geprägt von chronischem Mitarbeitermangel und einer damit verbundenen permanenten Überlastung und starker Fluktuation durch hohe Krankheitsausfälle und Mitarbeiterwechsel. Die Pflege ist als Dienstleistungssektor einer der am stärksten wachsenden Bereiche auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits steigen in den kommenden Jahren die Zahl der Pflegebedürftigen und damit der Bedarf an Pflegekräften, andererseits wächst aber auch die Zahl der Anbieter und damit die Konkurrenz untereinander. Aus diesen Gründen sind Einrichtungsleitungen gefordert, ansprechende und attraktive Arbeitsstrukturen zu schaffen, die für neu ausgebildete oder arbeitsuchende Pflegekräfte interessant sind. Im Rahmen des PIA-Projektes sollen innovative Ansätze des Personalmanagements durch Projektbegleitung in einzelnen Einrichtungen und Austausch in gemeinsamen Arbeitskreisen gefördert und entwickelt werden. Die FAUNA (Freie Alten- und Nachbarschaftshilfe Aachen) hat seit ihrer Gründung als gemeinnütziger Verein vor 143

143 Georg Schenkelberg über 25 Jahren Raum für innovative Prozesse gelassen und dadurch langjährige Erfahrung in der praktischen Umsetzung sammeln können. Vor diesem Hintergrund hat sich die FAUNA am PIA-Projekt beteiligt, um diese Erfahrungen in Arbeitskreisen und im gemeinsamen Austausch einzubringen. 2. Zur Konzeption der FAUNA Die FAUNA entwickelte eine neue und andere Form der ambulanten Pflege und setzte sie in die Praxis um. Die beteiligten Gründungsmitglieder des Vereins und die im Nachhinein dazu gekommenen Mitarbeiter/innen möchten nicht mehr unter den üblichen Strukturen arbeiten. Die Dienstleistung Pflege wird von Politik und Kostenträgern häufig überwiegend nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt und gestaltet, was zu Rationalisierung und Einsparung und wenig patientengerechter Pflege führt. Die Folge ist, dass die Einrichtungsträger mehr und mehr Probleme haben, der Zufriedenheit der Klienten, aber auch der Mitarbeiter/innen gerecht zu werden. Schon seit der Gründung werden die Mitarbeiter/innen in Entscheidungsprozesse und die Entwicklung weiterer Ziele eingebunden. Sie sind aufgefordert, die Arbeitsstrukturen für sich und die Betreuten mit zu gestalten. Die gut durchdachte und sich ständig weiter entwickelnde Struktur erfordert Disziplin und Engagement von den Mitarbeiter/innen, da sie nicht nur als Angestellte der Einrichtung ihren Arbeitsauftrag erfüllen, sondern auch als Verantwortliche für die eigene Arbeit agieren. Ziel war und ist es, eine möglichst hohe Versorgungsqualität und Zufriedenheit für die Klienten durch Bezugspflege zu bieten, bei gleichzeitig hoher Arbeitszufriedenheit für die Mitarbeiter/innen der FAUNA. Die Möglichkeit der Umsetzung ihrer erlernten Fähigkeiten in die Praxis spielt dabei eine große Rolle. Von besonderer Bedeutung ist für die Klienten, im Rahmen der Beziehungs- bzw. Bezugspflege, eine möglichst kontinuierliche Betreuung durch eine kleine, überschaubare Anzahl von gleichbleibenden Mitarbeiter/innen. Noch wichtiger ist dies bei der Betreuung von demenziell veränderten Menschen, da sie sehr sensibel auf Personalwechsel reagieren und auf ihnen bekannte Vertrauenspersonen angewiesen sind. Diese Aspekte sollten auch im Konzept einer (ambulanten) Pflegeeinrichtung im Rahmen der Personaleinsatzplanung berücksichtigt werden. Wie die angesprochenen Aspekte konkret in der Praxis umgesetzt werden können, soll hier am Beispiel der FAUNA dargestellt werden, die in den Bereichen der ambulanten Pflege, der ambu- 144

144 7.9 Mitarbeiter beteiligen und an der Vernetzung in einer Region mitwirken die FAUNA lant betreuten Pflegewohngemeinschaften, der Tagespflege, des ambulant betreuten Wohnens sowie der niedrigschwelligen ambulanten Betreuungsangebote tätig ist. Die FAUNA hat von Anfang an viel Wert auf eine mitarbeiterfreundliche Betriebsstruktur gelegt und hat diese immer weiter ausgebaut und gefestigt. Auch wenn dies bereits seit über fünfundzwanzig Jahren in die Praxis umgesetzt wird, ist es kein veraltetes Modell, sondern eine erfolgreiche Methode, neue Mitarbeiter/innen zu gewinnen und bereits tätige Mitarbeiter/innen im eigenen Unternehmen zu motivieren, ihr Engagement zu fördern und bewährte Fachkräfte langfristig zu binden. Zufriedene und verantwortungsbewusste Mitarbeiter/innen tragen erheblich zu einer guten und klientenfreundlichen Versorgung bei und machen die Einrichtung hinsichtlich ihrer Entscheidungsmöglichkeiten in den Bereichen Qualität und Wirtschaftlichkeit flexibler. Diese inzwischen allgemein bekannten Erkenntnisse nutzen immer mehr Einrichtungen für sich, um von den damit verbundenen Vorteilen zu profitieren. 3. Mitbeteiligung und Mitverantwortung bei der FAUNA Neue Mitarbeiter/innen werden bei Weiterbeschäftigung nach der Probezeit Mitglied im Verein FAUNA. Sie sind dadurch nicht nur Angestellte der Einrichtung, sondern haben als Mitglied des Vereins ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht. Die Beteiligung am Unternehmen fordert und fördert das Engagement, die Motivation und die Kreativität der/ des einzelnen Mitarbeiter/in. Sie ist nicht mehr nur Erfüllungsgehilfin, sondern sie kann sich aktiv einbringen und mitentscheiden, wovon auch die Einrichtung profitiert. Durch die Beteiligung an wichtigen Entscheidungen von der Personalauswahl bis zu Fragen der Arbeitsentlohnung bekommt die Mitarbeitenden ein anderes Verständnis für die eigene Tätigkeit und ihre Stellung innerhalb der Einrichtung. Sie oder er fühlt sich eher mitverantwortlich hinsichtlich der Entwicklung und Umsetzung von Plänen zur Stabilisierung der Existenz des Unternehmens. Sie sind aktiv beteiligt an der Sicherung nicht nur ihres eigenen Arbeitsplatzes, sondern es geht immer um die Sicherung aller Arbeitsplätze. Dies verringert das Konkurrenzdenken untereinander, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und stärkt die Solidarität unter den Mitarbeiter/innen. Es wird mehr zusammen und weniger gegeneinander oder aneinander vorbei gearbeitet. Der Verein mit seinen Angeboten ambulante Pflege, Tagespflegehaus, Entlastungsdienst und Fachberatung für Demenzbetroffene ist in kleine Arbeitseinheiten, die Teams, aufgeteilt, die selbstständig und autonom arbeiten. Die 4 Pflegeteams des 145

145 Georg Schenkelberg ambulanten Pflegedienstes z.b. betreuen jeweils mit ihren vier bis fünf Pflegekräften eine Anzahl von gleichbleibenden Klientinnen. Die geplanten Pflegezeiten sind weitgehend konstant durch eine feste Tourenplanung. Auch in Vertretungsfällen bei Erkrankung oder Urlaub einer/eines Mitarbeiter/in des Teams vertreten sich die Teammitglieder gegenseitig: Dem Betreuten fremde Mitarbeitende - z.b. in Form von Springer/innen - müssen dadurch nicht eingesetzt werden. Die komplette Tour wird durch die Vertretungskraft des eigenen Teams übernommen und die Klienten werden nicht - wie in manchen Einrichtungen üblich - auf andere Touren verteilt. Somit werden die Klienten zum Teil über Jahre nur von den vertrauten Betreuer/inne/n des Teams versorgt, da auch die Mitarbeiterfluktuation durch das mitarbeiterfreundliche System sehr gering ist. Diese Betreuungsqualität wird zwar per Gesetz von allen ambulanten Einrichtungen gefordert, aber in dieser Weise kaum so konsequent umgesetzt wie in der FAUNA. Das hat zum einen sicher auch damit zu tun, dass durch eine solch feste Teamstruktur nicht ganz so flexibel auf die Marktsituation reagiert werden kann und somit die Einnahmemöglichkeiten ggf. eingeschränkt werden. Zum anderen sind die Begriffe Team und Bezugspflege individuell interpretierbar, was die praktische Umsetzung in Bezug auf die Größe und Kontinuität angeht. Dieses dem Klienten und den Mitarbeitenden vertraute Team ist die Kernzelle der FAUNA. Sie bietet dem Klienten und den Mitarbeiter/innen ein Zuhause, wo man sich austauschen kann. Die Einzelkämpfermentalität ist hier nicht gefragt, sondern Teamgeist und Transparenz. Für manche Klienten gehören die Mitarbeiter/innen mit der Zeit durch den regelmäßigen und auch intimen Kontakt beinahe schon zur Familie. Da die richtige Zusammensetzung des einzelnen Teams entscheidend ist für ein vertrauensvolles und gutes Funktionieren, werden dementsprechend die Teammitglieder bei der Auswahl neuer Kolleginnen und Kollegen maßgeblich beteiligt. Wenn bereits bei Anstellung die Chemie nicht stimmt, gibt dies erfahrungsgemäß zukünftig in der gemeinsamen Zusammenarbeit Probleme. Dass die Mitarbeiter/innen des Teams hier ernst genommen werden und bei solch existenziellen Entscheidungen mitbeteiligt werden, fördert erheblich die Motivation und das Arbeitsklima. Auch bei der Zusammensetzung der einzelnen Touren werden die Mitarbeiter/innen der einzelnen Teams beteiligt. Es wird gemeinsam mit der Leitung überlegt und entschieden, wo ggf. ein neuer Klient aufgenommen wird. Auch dies fördert das Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden bzgl. Entscheidung und Ökonomie. Unter dem Motto: Alle denken mit! Die Teams der FAUNA sind selbst verantwortlich für Dienst- und Urlaubspläne, Neuaufnahmen und Fachgespräche mit Ärzten und Angehörigen. Dies fordert und fördert die Fachkenntnisse der Mitarbeiter/innen und entlastet auf der anderen Seite die Pflegedienst- und die Geschäftsleitung. 146

146 7.9 Mitarbeiter beteiligen und an der Vernetzung in einer Region mitwirken die FAUNA Die persönlichen und fachlichen Wünsche und Bedürfnisse werden somit ständig berücksichtigt und die Mitarbeiter/innen fühlen sich ernst genommen. Die Transparenz in allen Angelegenheiten fördert die Offenheit unter den Mitarbeiter/innen und das gute Arbeitsklima. Dies senkt die Fluktuation und die Krankheitsrate. Die Delegation von Aufgaben ist klar geregelt über Stellenbeschreibungen und Qualitätsstandards im Sinne der gesetzlichen Anforderungen. Die Kommunikationswege sind kurz und direkt, was die Fehlerquote senkt. Schwachstellen werden durch die gegenseitige Kontrolle schneller erkannt und benannt. Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung erfolgen nicht nur von oben nach unten, sondern auch horizontal. Die erkannten Mängel und Bedarfe werden durch regelmäßige Fortbildungen abgearbeitet und korrigiert. Bei der Themenfindung für Fortbildungen sind auch wieder die Mitarbeiter/innen gefragt. Sie werden maßgeblich bei der Bedarfsermittlung beteiligt und berücksichtigt, um Unter- und Überforderungen zu vermeiden. Die Möglichkeit, selbst als Dozent/in zu bestimmten fachlichen Themen eine kleine interne Fortbildung anzubieten, fördert die Weiterentwicklung der Mitarbeiter- Kompetenzen und die Kreativität. Dies geschieht ebenso durch Teilnahme an Arbeitskreisen, Qualitätszirkeln und Fallbesprechungen, die teilweise auch von Mitarbeiter/innen, die es sich zutrauen, geleitet werden. Mitarbeitergespräche und Supervisionen können jederzeit bei Bedarf von einzelnen Mitarbeiter/innen oder Teams in Anspruch genommen werden. Das zeigt, dass Probleme ernst genommen und Raum für Lösungen geschaffen werden. Niemand wird allein gelassen! Der allgemein übergreifende und regelmäßige Informationsaustausch findet über unterschiedliche Gremien statt, in denen sich die Mitarbeiter/innen oder die Teamleitungen mit den Einrichtungsleitungen treffen. Die Mitarbeiter/innen werden nicht nur an ökonomischen Entscheidungen beteiligt, sondern auch ökologische Aspekte werden - in der heutigen Zeit überall ein Thema - entsprechend den selbstgesteckten Zielen der Mitarbeiter/innen berücksichtigt, indem z.b. ein großer Teil der Mitarbeitenden des ambulanten Dienstes auf eigenen Wunsch die Touren mit dem Fahrrad ableistet, dort wo es ökonomisch und praktisch möglich ist. Dies spart Dienstfahrzeuge und somit Kosten für das Unternehmen und schont die Umwelt. Der höhere Gesamtaufwand für den gemeinsamen Austausch wird durch die mit dem Konzept erzielten positiven Effekte wieder ausgeglichen. Die FAUNA bietet ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Arbeitsstruktur, in der sie selbstständig und eigenverantwortlich, motiviert und mitentscheidend arbeiten können. Die innovativen Ideen einzelner Mitarbeiter/innen finden somit ihren Weg in die Institution und gehen nicht verloren. 147

147 Georg Schenkelberg Um der enormen Arbeitsbelastung in der Pflege Rechnung zu tragen und die notwendige Flexibilität, die die Arbeitsorganisation in kleinen Pflegeteams erfordert, gerecht zu werden, sind fast alle Mitarbeiter/innen teilzeitbeschäftigt (ausgenommen Pflegedienst- und Geschäftsleitung). Sie arbeiten mit der Stundenanzahl, die sie persönlich leisten können und wollen. Die Mitarbeiter/innen sind dadurch ausgeglichener und nicht überlastet durch zu viel Arbeit. Sie sind dadurch flexibler und einsatzbereiter in Vertretungssituationen im Sinne von Verständnis für einander und Kollegialität. Dies nimmt den Druck, krank zu werden bzw. krank zu sein. 4. Mitarbeit im regionalen Netzwerk Da jede Einrichtung für sich positive Erfahrungen mit bestimmten eigenen individuellen Lösungen macht, ist es sinnvoll und erstrebenswert, diese in gemeinsamen Gremien einzubringen und auszutauschen mit dem Ziel, dass andere Einrichtungen davon profitieren und lernen können. Dies erfordert aber, dass nicht der Konkurrenzgedanke und die Angst, etwas preiszugeben im Vordergrund stehen, sondern der gemeinsame Wunsch, die Strukturen in der Pflege möglichst breit in vielen Einrichtungen zu verbessern. Nicht nur die eigenen Klienten sollen optimal versorgt werden bzw. den eigenen Mitarbeitenden soll es möglichst gut gehen bei ihrer Tätigkeit. Die Situation insgesamt soll und muss sich ändern und verbessern, damit mehr Menschen für die Ausbildung zur Pflegefachkraft gewonnen werden bzw. niemand Angst haben muss, pflegebedürftig zu werden. Wenn sich die allgemeine Situation in Pflegeeinrichtungen für Mitarbeiter/innen und Pflegebedürftige eher unattraktiv und negativ dargestellt bzw. erlebt wird, kann dieses Ziel nicht erreicht werden. Ebenso wenig wenn jeder Anbieter für sich alleine arbeitet und es keine Zusammenarbeit gibt. Über den Austausch untereinander werden Konkurrenzängste abgebaut und Transparenz geschaffen für alle Beteiligten. Nur so können die gemeinsamen Probleme wirklich erkannt und auch gelöst werden. Natürlich bedeutet dies einen zusätzlichen Aufwand, der nicht unbedingt abrechenbar ist. Inwieweit dieser Aufwand von den Einrichtungen beim gleichzeitigen finanziellen Druck möglich ist, muss jeweils ausgelotet werden. Hier sind Politik und Kostenträger gefragt, die strukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen bzw. zu fördern. Es ist wichtig, auch die unmittelbar Betroffenen - also die aktiven Pflegekräfte - an Verhandlungen und Planungen zu beteiligen. Sie wissen aus eigener praktischer Erfahrung, wie es in der Praxis aussieht und was genau verbessert werden muss. Wenn allein vom grünen Tisch durch Wissenschaft und Politik Veränderungen erwirkt werden, dann löst dies oft nicht das Problem der Diskrepanz zwischen Theorie und 148

148 7.9 Mitarbeiter beteiligen und an der Vernetzung in einer Region mitwirken die FAUNA Praxis. Die Pflegenden müssen selbst politisch aktiv werden und sich für den eigenen Berufsstand stark machen. Geplante Veränderungen und Verbesserungen müssen für die praktisch Tätigen umsetzbar sein! Es kommt zudem darauf an, nicht nur negative Aspekte der Pflegetätigkeit in den Vordergrund zu rücken, sondern vielmehr die positiven Seiten des Pflegeberufs darzustellen. Schlagzeilen, die die Pflege in Verruf bringen, gibt es genug. Das Positive zu benennen bedeutet nicht, das Negative zu verdrängen. Mit dem Thema Öffentlichkeitsarbeit sollten die angehenden Pflegekräfte frühzeitig vertraut gemacht werden, hier können die Pflegeschulen einen wichtigen Beitrag leisten. Letztendlich kann jeder Einzelne dazu beitragen, der Pflege ein positiveres Bild zu geben, auch wenn dieser Bereich auf den ersten Blick - privat wie dienstlich - überwiegend mit schweren Themen wie Krankheit, Alter, Sterben und Tod verbunden ist. Es bietet die Chance, einzigartige und schöne Erfahrungen zu machen, die unmittelbar mit dem Leben zusammenhängen. Schließlich wird fast jeder von uns früher oder später z.b. wegen der eigenen oder der Pflegebedürftigkeit der Eltern mit diesem Thema konfrontiert. Die Pflegenden und zu Pflegenden dürfen nicht allein gelassen werden. Pflege ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die gemeinsam bewältigt werden muss. 149

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150 7.10 Beteiligungsorientiertes Projektmanagement aktive Mitarbeiter/innen verbessern die Arbeitsgestaltung und erhöhen die Attraktivität des Pflegedienstes Visitatis für neues Personal Astrid Siemens, Claudia Bessin, Manfred Borutta Inhalt 1. Einführung 2. Alles unter einem Dach: Ambulanter Pflegedienst Pflegeberatung - Tagespflege 3. Projektmanagement in Teams 4. Einbeziehung aller Mitarbeitenden die Mitarbeiterbefragung 5. Erfolg und Stolpersteine 6. Fazit 1. Einführung Der Aachener Pflegedienst Visitatis GmbH wurde am gegründet. Durch sein Pflege- und Betreuungsangebot erleichtert er kranken sowie älteren Menschen das Leben in der vertrauten Umgebung. Die Leistungen im Bereich Kranken- und Altenpflege sind sehr vielseitig. Sie reichen von Betreuungsleistungen, über Körperpflege, Behandlungspflege (z.b. Spritzen, Wundversorgung) bis hin zur Intensivpflege von Beatmungspflichtigen Patienten. Die Pflegeberatung von Patienten und Angehörigen nimmt beim Visitatis Pflegedienst einen hohen Stellenwert ein. Denn nur durch gute Beratung kann eine tragfähige, individuelle Lösung für den zu Pflegenden gefunden werden. Das ca. 80 Mitarbeiter/innen starke Team setzt sich überwiegend aus examinierten Pflegefachkräften, Schwesternhelferinnen und Haushaltshilfen zusammen. Der Pflegedienst wurde in den letzten Jahren mehrmals freiwillig durch den TÜV Rheinland zertifiziert. 151

151 Astrid Siemens, Claudia Bessin, Manfred Borutta 2. Alles unter einem Dach: Ambulanter Pflegedienst - Pflegeberatung Tagespflege Neben dem klassischen ambulanten Pflegedienst bietet die Visitatis GmbH im Seniorenwohnen Rosenpark Laurensberg eine Besonderheit. Hier ist das Ziel, dass die Bewohner des Hauses, entsprechend der persönlichen Bedürfnisse, auf eine Vernetzung zwischen seniorengerechten Wohnen, Pflegeberatung, ambulanter Pflege und Tagespflege zurückgreifen können. Der ambulante Pflegedienst Visitatis ist im Rosenpark Laurensberg 24 Stunden vor Ort und kann sich um die pflegerischen Bedürfnisse der Bewohner zu jeder Tagesund Nachtzeit kümmern. Ziel ist es, dass der Bewohner, auch bei erhöhter Pflegebedürftigkeit, nicht noch einmal sein Zuhause aufgeben muss. Seit Dezember 2010 befindet sich im Haus die Visitatis-Tagespflege. Sie richtet sich an Menschen, die tagsüber nicht mehr alleine sein wollen oder zur Entlastung der Angehörigen. Das Hauptanliegen ist, für die Besucher einen Ort zu schaffen, an dem sie sich wohl und sicher fühlen. Durch eine optimale Anpassung der Angebote an die Interessen der Besucher, möchten die Mitarbeiter/innen die Lebensqualität, die Selbständigkeit und das Wohlbefinden ihrer Kunden bestmöglich unterstützen. Ein Team von qualifizierten Mitarbeiter/innen aus der Alten- und Krankenpflege und Sozialpädagogik gestalten die Tagespflege. An ambulante Pflegedienste werden spezielle fachliche und leistungsrechtliche Anforderungen gestellt, die sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeitenden betreffen. Zum einen handelt es sich um eine pflegefachlich anspruchsvolle Arbeit, bei der die Pflegefachkraft sich oft rasch auf unterschiedliche Pflegeaufgaben in spezifischen häuslichen Umgebungen einstellen muss. Zum anderen müssen Pflegeaufgaben selbstständig und in relativ kurzer Zeit erledigt werden. Auch auf der sozialen und kommunikativen Ebene werden durch die betreuten Menschen und deren Angehörige sehr hohe Ansprüche gestellt. Pflegende werden täglich mit sehr unterschiedlichen sozialen und familiären Milieus sowie heterogenen Krankheitsbildern und Pflegebedarfen der betreuten Menschen konfrontiert. Gleichzeitig entstehen durch die Art der Tätigkeit organisatorische Herausforderungen. Regelmäßige Möglichkeiten zum beruflichen Erfahrungsaustausch zwischen den Pflegenden, aber auch zwischen Führungskräften und Pflegenden, ergeben sich nur durch gesonderte Koordination und Organisation. Diese Punkte erschweren auf Arbeitgeberseite nicht nur die Erhaltung der Mitarbeitermotivation und der Arbeitsfähigkeit, sondern auch das Finden und Binden von gutem Pflegepersonal. Hinzu kommen der Pflegekräftemangel zum Teil bedingt durch das niedrige Ansehen von Pflegenden im ambulanten Bereich und die steigenden Anforderungen, die Angehörige, Politik und Gesellschaft an Pflegedienste stellen. 152

152 7.10 Beteiligungsorientiertes Projektmanagement - der Pflegedienst Visitatis Als Antwort auf diese Herausforderungen investiert Frau Siemens Gründerin und Geschäftsführerin der Visitatis GmbH Vertrauen, Zeit und Geld in ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ermutigt diese, sich mit ihrem Fachwissen, ihren Erfahrungen und ihrer Kreativität einzubringen und gemeinsam die Arbeit mitarbeiterfreundlich und attraktiv zu gestalten. Hinter diesem Vorgehen steht das Konzept, dass eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur maßgeblich zur Motivation und zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden beiträgt, und dass zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die beste Werbung für ein Unternehmen sind bei der Gewinnung von neuen Kunden und von neuem Personal. Im Rahmen des PIA-Projektes wurden verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung der Unternehmenskultur im Allgemeinen und speziell zur Steigerung der Mitarbeiterbeteiligung sowie zur Verbesserung der Attraktivität des Berufsfeldes durchgeführt. Einige hiervon werden im Folgenden vorgestellt. Daran anschließend wird kurz dargelegt, welche Erfolge erreicht wurden, welche Hindernisse auf dem Weg dorthin auftraten und welches Fazit aus dem Projekt gezogen wird. 3. Projektmanagement in Teams Um das Ziel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv in die Arbeitsgestaltung einzubeziehen zu erreichen, wurde Mitarbeitenden im Rahmen des PIA-Projektes eine Weiterbildung zum Thema Projektarbeit in Teams angeboten. Gerade in der (ambulanten) Pflege ist es wichtig, flexibel zu bleiben und schnell auf Kundenwünsche und unerwartete Situationen einerseits und auf neue Gesetze oder Gesetzesänderungen andererseits reagieren zu können, um sich dauerhaft am Markt zu behaupten und als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Die Entwicklung und Einführung von neuen oder veränderten Konzepten ist hierbei immer projektbasiert. Dabei ist die Wahl des Projektmanagements ein entscheidender Faktor für die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Projektes. Je mehr Personen von den Projektergebnissen betroffen sind und je komplexer der Projektgegenstand, desto e- her ist ein teambasiertes Projektmanagement erfolgversprechend. Bei der Umsetzung von teambasiertem Projektmanagement wird der Schwerpunkt auf eine hierarchieund funktionsübergreifende Kooperation bei der Projektbearbeitung gelegt. Im Gegensatz zu dem noch vielfach vorkommenden Spezialistenmodell des Projektmanagements werden bei der teambasierten Form Betroffene miteinbezogen, um kreative, innovative und praxistaugliche Problemlösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen. Gleichzeitig wird nicht nur das Projektergebnis von der Art des Projektmanagements beeinflusst, sondern ebenso die Prozessqualität. Vor dem Hintergrund laufender Dis- 153

153 Astrid Siemens, Claudia Bessin, Manfred Borutta kussionen um die lernende Organisation gibt es kaum ein besseres Lernfeld für die Mitarbeitenden, als in bereichs- und hierarchieübergreifenden Teams komplexe Problemstellungen aktiv handelnd zu bewältigen, wie es in Projektteams der Fall ist. Ein teambasierter Ansatz von Projektmanagement schien daher für die Zielsetzung von Visitatis am besten geeignet. Die Weiterbildung gab Mitarbeitenden nicht nur die Möglichkeit, theoretisch zu erlernen, wie Projekte effektiv und strukturiert bearbeitet werden, sondern auch den Raum, dies anhand eines konkreten Beispiels auszuprobieren, so dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Zukunft neue Projekte innerhalb der Visitatis GmbH selbstständig(er) mit ihren Kolleg(inn)en durchführen können. Insgesamt bestand die diesbezügliche Weiterbildung aus fünf Modulen à 2 Stunden welche auf fünf Tage verteilt waren. Inhaltlich wurden zur Einführung (Modul 1) die Grundlagen der Projektarbeit, und insbesondere der teamorientierte Aspekt hiervon, besprochen, fachspezifisches Vokabular geklärt sowie die einzelnen Schritte eines Projektes dargelegt. Im zweiten Schritt (Modul 2 bis 5) wurde ein konkretes Thema Verbesserte Gestaltung der Dienstübergabe für das Beispielprojekt ausgewählt und mit der Bearbeitung begonnen. Hierzu folgte die Gruppe den folgenden (Projekt-)Phasen: Auftragsdefinition: Zu Beginn vereinbaren die Auftraggeber i.d.r. die obere Leitungsebene mit dem Projektkoordinator und/ oder dem gesamten Projektteam die Aufgabe und Rahmenbedingungen der Projektarbeit. Projekte können allerdings nicht nur von der Leitungsebene (Führungsprojekte) initiiert werden, sondern auch durch Mitarbeiter (Votive Projekte). Projektlayout: In dieser Phase verschafft sich das Projektteam einen Überblick über den Hintergrund, sowie Nutzen, Sinn und Zweck des Projektes. Zusätzlich werden bereits praktische Themen wie Teilziele, Zielerreichungsindikatoren sowie benötigter Qualifizierungsbedarf, das Budget und die Zeitplanung diskutiert und festgelegt. Gleichzeitig ist es hilfreich, im Sinne eines Perspektivwechsels über mögliche Stolpersteine und Scheiterungsszenarien zu sprechen. Ziele setzen: Wie der Name schon sagt, werden an dieser Stelle die Projektziele konkretisiert. Gut und konstruktiv formulierte Ziele zeichnen sich dadurch aus, dass sie spezifisch, messbar, anspruchsvoll, erreichbar und terminiert sind. Ist Analyse: Zur Analyse der derzeitigen Situation können unterschiedliche Methoden herangezogen werden, zum Beispiel eine Mitarbeiterbefragung. Soll Analyse: Da die Ziele des Projektes bereits festgelegt wurden, wird nun nach Lösungskonzepte und Maßnahmen gesucht, um die Ziele zu erreichen. Hierfür gibt es ebenfalls verschiedene Methoden wie beispielsweise das Brainstorming oder die Mind-Map. 154

154 7.10 Beteiligungsorientiertes Projektmanagement - der Pflegedienst Visitatis Bewertung der Soll-Konzepte: Im Anschluss an die Generierung von Lösungsansätzen folgt der Vergleich und die Bewertung der einzelnen Konzepte mit dem Ziel, dass sich die Gruppe am Ende der Diskussion für einen Vorschlag entscheidet. Implementierung planen und steuern: Die Umsetzung des erarbeiteten Lösungsansatzes wird so konkret wie möglich geplant und terminiert. Bewertung des Projekterfolges, Projektcontrolling und Projektdokumentation: Je konkreter der vorherige Schritt ausgearbeitet wurde, desto leichter kann der aktuelle Projektstand kontrolliert und der Erfolg entsprechend ermittelt werden. Passend zu den einzelnen Projektphasen wurde zwischendurch immer wieder Hintergrundwissen zu Themen wie Kommunikation, Moderation, Ziele setzten und ähnlichem vermittelt. Von Seiten der Teilnehmenden wurde die Weiterbildung insgesamt als positives Erlebnis erfahren. Dies war jedoch nicht von Anfang an der Fall. Zu Beginn schien das Thema fremd und einige waren sich nicht sicher, warum sie diese Fortbildung überhaupt machten. Mit dem wachsenden Wissen und den praktischen Modulen stieg jedoch sowohl das Interesse als auch das Gefühl, das Erlernte später anwenden zu können. Am Ende der Weiterbildung meldeten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sie viel gelernt haben und die gute Stimmung in der Gruppe als sehr positiv empfanden. Mit ihrem Konzept zur Dienstübergabe ist den Teilnehmenden bereits eine erfolgreiche Umsetzung gelungen. 4. Einbeziehung aller Mitarbeitenden die Mitarbeiterbefragung Im Rahmen des PIA-Projektes wurde neben verschiedenen Weiterbildungen ebenfalls eine quantitative, schriftliche Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegedienstes Visitatis durchgeführt. Diese Mitarbeiterbefragung enthielt zusätzlich zu dem auch in anderen PIA-Einrichtungen durchgeführten Fragebogenteil (vgl. hierzu auch Kap. 7.2 sowie zur Vorgehensweise Kap. 9) einen Abschnitt, in dem einrichtungsspezifische Themen abgefragt wurden, welche im Fall der Visitatis die besonderen Belastungen der Arbeit im ambulanten Dienst betrafen. Hierzu gehörten beispielsweise Fragen zum Autofahren, Hausbesuchen oder auch zu den Arbeitszeitmodellen im ambulanten Dienst. Von den 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben 30 an der Befragung teilgenommen. Insgesamt waren die Ergebnisse ausgearbeitet und präsentiert durch Vertreter des Instituts für Arbeit und Technik (IAT, Gelsenkirchen) sehr positiv, auch im Vergleich zur NEXT-Studie. Die Mitarbeitenden im Pflegedienst Visitatis erleben Ihre Arbeit beispielsweise als (sehr) sinnvoll und wichtig. Auf einer Skala von 0 = keine Wichtigkeit der eigenen Arbeit bis 100 = maximale Bedeutung der eigenen Arbeit 155

155 Astrid Siemens, Claudia Bessin, Manfred Borutta liegen die Mitarbeitenden der Visitatis mit einem Mittelwert von 91,2 weit oben. Auch die Burnout-Gefahr ist im Vergleich zur NEXT-Studie geringer. Aspekte wie die zeitlichen und emotionalen Anforderungen wirken sich bei einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allerdings schon eher belastend aus. Hierunter fallen vor allem der Kontakt mit unfreundlichen oder auch aggressiven Kunden sowie die Konfrontation mit dem Leid der Kunden. Auch das Autofahren, vor allem bei Dunkelheit, schlechter Witterung oder anderen stressigen Situationen, oder der Schichtdienst wird von knapp der Hälfte der Befragten als sehr belastend erlebt. Dennoch ist die Bindung an den Beruf und die Einrichtung bei mehr als der Hälfte der an der Befragung teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr hoch und die Fluchttendenzen, sowohl den Pflegeberuf als auch die Einrichtung betreffend, entsprechend niedrig. Verglichen mit den Werten der ambulanten Dienste aus der NEXT-Studie ist die Bindung in beiden Fällen höher, während die Fluchttendenzen ähnlich sind. Zusammengefasst sind die Ergebnisse der Befragung positiv zu werten. Zum einen ist es natürlich erfreulich zu hören, dass die meisten Mitarbeitenden zufrieden mit ihrer Arbeit sind und sich mit der Einrichtung, für die sie arbeiten, verbunden fühlen. Zum anderen ermöglicht das Wissen um die belastenden Situationen ein zielgerichtetes und spezifisches Entgegenwirken. Im Zusammenhang mit den Belastungen beim Autofahren sind beispielsweise ein Fahrtsicherheitstraining sowie die Anschaffung neuer Fahrzeuge für 2011 geplant. Gleichzeitig werden Schulungsmöglichkeiten zu den Themen emotionale Abgrenzung und Umgang mit demenzerkrankten Kunden angeboten. 5. Erfolg und Stolpersteine Im Zusammenhang mit den einzelnen Maßnahmen wurde bereits angedeutet, dass der ambulante Pflegedienst Visitatis mehrere Erfolge im Rahmen des PIA-Projektes vorweisen kann. Der Informationsfluss wurde durch die Konzeption und Umsetzung des neuen, strukturierteren Übergabeprozesses optimiert. Durch den Umzug in neue Geschäftsräume, eröffnen die neuen und größeren Räumlichkeiten den Mitarbeitenden die Gelegenheit, sich in einer angenehmen Atmosphäre beruflich (und privat) auszutauschen. Die neu erworbenen Fertigkeiten der Schulungsteilnehmer/innen bewähren sich auch im Tagesgeschäft. Auftretende Probleme werden nun autonomer gelöst. Auf große Resonanz stießen ebenfalls die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung. Wie bereits erwähnt, sind für das Jahr 2011 diverse Weiterbildungsmaßnahmen geplant bzw. befinden sich teilweise bereits in der Umsetzung. Gleichzeitig sind die positiven Zahlen eine Bestätigung für die Geschäftsführerin, ihren grundsätzlichen Kurs der Mitarbeiterorientierung beizubehalten bzw. weiter auszubauen, beispielsweise indem 156

156 7.10 Beteiligungsorientiertes Projektmanagement - der Pflegedienst Visitatis Arbeitszeitmodelle stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden ausgerichtet werden. Natürlich gab es neben den Erfolgen auch Hindernisse, die es zu überwinden galt. Ein sehr praktisches Hindernis wurde bereits in der Einführung erwähnt die Schwierigkeit, viele Mitarbeitende zeitgleich in organisationsinterne Debatten einzubinden, sodass gemeinsam Neurungen erörtert oder Ankündigungen bekanntgegeben bzw. besprochen werden können. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass Pflegende sich bisher wenig bis gar nicht mit der speziellen Führungsstrategie des Projektmanagements, und die damit einhergehenden Anforderungen an eine professionelle Moderation beschäftigt haben. Daher ist es verständlich, dass beispielsweise die Schulungsinhalte zuerst befremdlich erschienen und durchaus auch Widerstand gegenüber dem Erlernen solcher Kompetenzen bestand. Hinzu kommt, dass es vielfach als schwer empfunden wird, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Hierzu braucht es hinreichend Gelegenheiten, damit aus neuen Strategien Routine werden kann. Unabhängig davon ist es umso wichtiger, Weiterbildungen möglichst praxis- und mitarbeiterorientiert zu gestalten und so Raum zum Experimentieren und Anwenden zu geben. Gerade hier können die Erfahrung, die Fachkenntnis und die Kreativität von Teilnehmenden einfließen und sinnvoll genutzt werden. 6. Fazit Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die am Anfang des Projektes gesetzten Ziele, die Unterstützung der Unternehmenskultur im Allgemeinen und speziell die Optimierung der Mitarbeiterbeteiligung sowie eine Verbesserung der Attraktivität des Berufsfeldes, weitestgehend erreicht wurden. Vor allem die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an neuen Projekten hat sich positiv auf den täglichen Informationsfluss und die Bewältigung des Alltags ausgewirkt. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, da die nachhaltige Anwendung der neuen Prozesse in der Zukunft eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellt. Inwieweit die einzelnen Schulungsmaßnahmen, die neuen Räumlichkeiten sowie die erarbeiteten und umgesetzten Konzepte sich dauerhaft auf die Mitarbeiterzufriedenheit und auch auf die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit auswirken, bleibt abzuwarten. Ähnliches gilt für die Steigerung der Attraktivität der Tätigkeit in der ambulanten Pflege. Der Austausch mit anderen ambulanten Pflegediensten im Rahmen des PIA- Projektes hat zu vielen Impulsen geführt, welche in Zukunft umgesetzt und evaluiert werden müssen. 157

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158 7.11 Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen Veronika Schönhofer-Nellessen Inhalt 1. Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen 2. Transparenz und demokratische Mitgestaltung 3. Vernetzung von Basisversorgung und spezialisierten palliativer Versorgung 4. Institutionelle Koordination (Care Management) als neutrale Moderation 5. Übergang von einer konkurrierenden Wettbewerbshaltung zur wertschätzenden Kooperation 6. Erfolgsfaktoren - Mögliche Stolpersteine 1. Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen Auf Transparenz, Qualität und wertschätzende Kooperation kommt es an 2007 wurde in Deutschland im Rahmen einer Gesundheitsreform allen Krankenversicherten ein Anspruch auf spezialisierte ambulante palliative Versorgung per Gesetz zugesichert. Dies bedeutete für die Weiterentwicklung einer flächendeckenden hospizlichen und palliativen Arbeit einen enormen Schub. Die regional schon vorhandenen Ressourcen und Strukturen sollten in der sektorenübergreifenden zukünftigen Vernetzung berücksichtigt werden. Das war Chance und Hürde zugleich. Es wurden keine einheitlichen Vorgaben gemacht, sondern den regionalen Akteuren möglichst viele Handlungs- und Gestaltungsspielräume überlassen. Vernetzung wurde jetzt vorausgesetzt in einem Feld, in dem sektorenübergreifende und interdisziplinäre Netzwerkarbeit bisher nicht zum Berufsalltag der Akteure gehörte. Dieser Prozess ist deutschlandweit nach wie vor schleppend und nicht so erfolgreich, wie man es sich nach vier Jahren wünschen würde. 159

159 Veronika Schönhofer-Nellessen Vor dem Hintergrund, das städteregionsübergreifende Netzwerk in der Region Aachen und darüber hinaus auch weitere Netzwerkprozesse moderiert und begleitet zu haben, scheinen mir eine Reihe von Faktoren entscheidend für Erfolg, Stagnation oder Misserfolg von lebendigen und gelingenden Kooperationen. Diese Faktoren möchte ich in den folgenden Kapiteln erläutern. 2. Transparenz und demokratische Mitgestaltung Schon zu Beginn der Vernetzung bedingen einander Transparenz der Prozesse und demokratische Mitgestaltungsmöglichkeit für alle Beteiligten gegenseitig. So können von Anfang an Themen wie Qualitätsstandards, Rechtsform des Netzes und Prioritäten in der Wahl von Projekten gemeinsam entschieden werden. Damit ist schon Wesentliches ausgesagt über Erfolgsfaktoren in Bezug auf gelingende und erfolgreiche Kooperationen. Demokratische Mitgestaltungsmöglichkeiten aller Beteiligten legen die Basis für Vertrauen und Wertschätzung unter den Akteuren. Bilanzierend sind folgende Faktoren zum Thema Transparenz und demokratische Mitgestaltung festzuhalten: Transparenz wird durch einen Prozess sichergestellt, in dem alle wichtigen Akteure von Beginn an einbezogen werden. Dazu gehören auch, neben den eigentlichen Akteuren der palliativen Versorgung, politische Funktionsträger der Kommunen, Vertreter der Krankenkassen und die Zusammenarbeit mit den Gremien des regionalen Gesundheitswesens (Gesundheitskonferenz etc.). Transparenz wird durch regelmäßige interdisziplinäre Foren, Fortbildungen, Veranstaltungen sowie durch einen Runden Tisch der palliativen Versorgung gefördert. Ein transparenter und demokratischer Prozess fördert nicht nur die Akzeptanz untereinander, sondern auch die öffentliche Akzeptanz bis in die Organe des regionalen und kommunalen Gesundheitswesens hinein. Das Schaubild auf der folgenden Seite zeigt ein mögliches Modell für Netzwerkprozesse: 160

160 7.11 Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen Service-und Netzwerkstelle Hospiz für die StädteRegion Aachen V. Schönhofer-Nellessen Aufbau eines Netzwerkes Projektphase I Bedarfsermittlung/ Analyse der bestehenden Versorgung Projektphase II Projektphase III Projektphase IV Schaffung eines Runden Tisches Entwicklung eines Gesamtkonzeptes Implementierungsphase Aus Sicht von Leistungserbringern Medizin, Pflege, psychosoziale Dienste, Seelsorge, Ehrenamt, Physiotherapie etc. Mitglieder: Leistungserbringer, Entscheidungsträger aus dem Gesundheits - und Sozialwesen, Politik, Kassen Konzeptentwicklung Rückbindung der Ergebnisse in Runden Tisch Auftaktveranstaltung Sektorenübergreifende Projekte u. Projektteams Aus Sicht der stat. Versorgungsinstitutionen Fachtagung Beauftragung eines Steuerungsgremium Feste Kooperationsform/ Rechtsform Nachhaltigkeit Qualitätsstandards, Weiterbildung Abb. 1: Vier Projektphasen beim Aufbau eines regionalen palliativen Netzwerks Ein Runder Tisch mit allen Beteiligten ermöglicht ein höchstes Maß an Transparenz und Mitbestimmung. Die Teilnehmer/innen des Runden Tisches haben die Aufgabe, sich auf eine gemeinsame Rechtsform zu einigen und im nächsten Schritt Ziele festzulegen, die realistisch und umsetzbar sind. Nur realistische Ziele führen zu Erfolgserlebnissen, die wiederum den Netzwerkteilnehmer/innen Rückenwind geben für ihre weitere Kooperation. So kann allmählich eine eigene Kooperationskultur entstehen und die einzelnen Individuen der Versorgung eine gemeinsame Identität entwickeln. Nach außen wie nach innen ist jetzt ein gemeinsames Auftreten ein weiterer wichtiger Schritt in eine lebendige und tragfähige Vernetzung hinein. Nachhaltigkeit kann sichergestellt werden durch gemeinsame Qualitätsstandards, die in gegenseitiger Vereinbarung immer wieder angepasst, aktualisiert bzw. weiterentwickelt werden. Entscheidend ist hierbei ein ständiger Prozess der Kommunikation zwischen Praxis, Forschung, den interdisziplinären Berufsgruppen und den ehrenamtlichen Mitarbeitern. 161

161 Veronika Schönhofer-Nellessen 3. Vernetzung von Basisversorgung und spezialisierter palliativer Versorgung Ein wichtiger Entwicklungsschritt auf dem Weg zu einer gelingenden Vernetzung ist miteinander festzulegen, die Regelversorgung und die spezialisierte Versorgung als eine gemeinsame Aufgabe zu betrachten. Nur miteinander ist eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Das setzt wiederum eine abgestimmte Vernetzung und klare Regeln der Zusammenarbeit voraus. Die Festlegung von Regeln der Zusammenarbeit minimiert Konkurrenzängste und stärkt den Kooperationswillen. Erst wenn alle Möglichkeiten der Basisversorgung erschöpft sind, ist die Ergänzung durch Spezialisten erforderlich und anzufragen. Dies geschieht durch ein abgestuftes Angebot der Vernetzung und Kooperation. Möglich ist eine rein konsiliarische Unterstützung der Spezialisten, Teilversorgung oder auch auf Wunsch Vollversorgung. Wenn die oben beschriebene Abfolge von der Regel- und der spezialisierten Versorgung eingehalten wird, minimiert sich Konkurrenz unter den Akteuren und Vorbehalte gegenüber der spezialisierten Versorgung. Servicestelle Hospiz für die StädteRegion Aachen V. Schönhofer -Nellessen Regeln der Zusammenarbeit in einer abgestuften Palliativversorgung Basisversorgung Unterstützende spez. ambulante Angebote Stationäre Angebote Familienbereich / Zuhause Hausärzte/ Fachärzte/ Mobile Dienste/ Therapeuten Palliativkonsiliardienste Palliativstationen Langzeitbereich Alten-und Pflegeheime Ambulante Hospizdienste Akutbereich Krankenhäuser Mobile Palliative Care Teams (Ärzte/Pflege) Stat. Hospize Abb. 2: Regeln der Zusammenarbeit bei der Palliativversorgung Die Regeln der Zusammenarbeit bestehen darin, dass alle Akteure im Netzwerk eine bestimmte Abfolge der Versorgung von der Regelversorgung hin zur spezialisierten Versorgung einhalten. Das heißt, es wird verbindlich vereinbart, dass immer zuerst jene Akteure beauftragt werden, die die größte Basisnähe haben. In der Betreuung zu Hause bedeutet das beispielsweise, dass die Hausärztin oder der Hausarzt zunächst die Behandlung einer Palliativpatient/in übernimmt - wenn notwendig und sinnvoll - gemeinsam mit ambu- 162

162 7.11 Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen lanten Diensten, Fachärztinnen und Fachärzten oder Therapeutinnen und Therapeuten. Erst wenn diese Basisversorger/innen zu der Einschätzung kommen, dass sie fachliche Unterstützung brauchen, wird die nächste Versorgungsstufe hinzugezogen, nämlich der Palliativkonsiliardienst. Die Hausärzt(innen)e im Netzwerk können sich also darauf verlassen, dass sie nicht vom Palliativteam verdrängt werden. Dadurch minimieren sich Konkurrenz unter den Akteuren und Vorbehalte gegenüber der spezialisierten Versorgung. 4. Institutionelle Koordination (Care Management) als neutrale Moderation Eine neutrale Koordinationsstelle, die die Moderation des Prozesses übernimmt, kann sich als vertrauensbildende Basis und Anlaufstelle zur Vermittlung zwischen verschiedenen Interessensgruppen bewähren. Neutral meint, wenn möglich, eine Anbindung an einen nicht konfessionsgebundenen oder verbandlich organisierten Träger. Wenn es sich ermöglichen lässt als Koordinator nicht zu den Leistungserbringern zu gehören, ist dies sicherlich ein zusätzlicher Bonus in Punkto vertrauensbildende Maßnahme, Neutralität und Akzeptanz, da eigene wirtschaftliche Interessen nicht unterstellt werden können. Die Koordinationsstelle kann im Auftrag des Netzwerkes im Weiteren die Nachhaltigkeit von Qualitätsstandards absichern und fachliche Beratung von Netzwerkteilnehmern durchführen oder auch Neuaufnahmen begleiten. Neben den fachlichen Kompetenzen, die für eine solche Stelle vorausgesetzt werden müssen, ist ebenfalls eine hohe soziale Kompetenz vonnöten, um authentisch Brücken zwischen den verschiedenen Interessensgruppen und Versorgungslogiken. zu bauen. Die sozialpsychologischen Kompetenzen sind häufig in den Netzwerken noch unterrepräsentiert. Damit ist ein weiterer wichtiger Punkt der Erfolgsfaktoren benannt. Ein/e Koordinator/in, der oder die auf institutioneller Ebene Vernetzung fördert, pflegt und nachhaltig für Transparenz und Sicherstellung der vereinbarten Qualitätsstandards sorgt, ist ein Garant für gelebte und funktionierende Vernetzung. Wenn niemand die Zeit, Kompetenz und den Auftrag hat, das Netzwerk zu koordinieren, gibt es kein Netzwerk! Diese These stützt sich auf die jahrelange Beobachtung und Begleitung verschiedenster Netzwerkprozesse. 163

163 Veronika Schönhofer-Nellessen Dafür sollten finanzielle Ressourcen in die Gesamtplanung mit einbezogen werden. Diese Funktion ist in den bisherigen Kassenleistungen nicht vorgesehen. Daher sind kreative Mischfinanzierungen oft ein erster realistischer Schritt. Fundraising, Finanzierung über Mitgliedsbeiträge, Fortbildungen, sowie kommunale Mittel können mögliche Schritte zur Realisierung und Implementierung einer solchen Stelle sein. Servicestelle Hospiz für die StädteRegion Aachen V. Schönhofer-Nellessen Abbildung 3: Aufgabenprofil für das Care Management Aufgaben Koordinieren Organisieren Implementieren Coachen Anleiten Beraten Evaluieren Krisenintervention Kommunikations - und Interaktionsprozesse Patientin, Angehörige, Professionelle Leistungserbringer Ehrenamtliche Kostenträger Ziel: Sicherung der Betreuungskontinuität Optimierung der angestrebten Ziele Abb. 3: Aufgabenprofil für das Care Management 5. Übergang von einer konkurrierenden Wettbewerbshaltung zur wertschätzenden Kooperation Die einzelnen Leistungserbringer stehen häufig im Wettbewerb und müssen sich eine neue Kultur der Kooperation nicht selten erst einmal mühsam erarbeiten. Die grundlegende Haltung, die Kooperation und Vernetzung erst möglich macht, ist eine gegenseitige wertschätzende Betrachtung und ein wohlwollender Umgang miteinander. Wie können mögliche Schritte in diese Richtung aussehen? Häufig stehen am Anfang Ängste, von anderen Anbietern übernommen oder übergangen zu werden, und mit seiner Kompetenz und Berufserfahrung nicht den gebührenden Platz in einer Vernetzung einnehmen zu können. Gerade an diesem Punkt kann eine neutrale Moderation sehr hilfreich sein. Sie moderiert den Prozess unparteiisch, um eine Lösung herbeizuführen, indem eine Atmosphäre des gegenseitigen Achtens geschaffen wird. In wertschätzender Haltung wird es möglich, Konflikte offen anzusprechen, um wieder mit innerer Offenheit inhaltlich und konzeptionell weiterzuarbeiten. 164

164 7.11 Implementierung und Vernetzung in der palliativen Versorgung in der Region Aachen 6. Erfolgsfaktoren - Mögliche Stolpersteine Die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen gestaltet sich häufig sehr schwierig, weil sie oft über wenig strukturell verankertes Schnittstellenmanagement verfügen. Entscheidungen werden nicht selten anlassbezogen und wenig vorausschauend getroffen. Es ist nach wie vor ungewohnt, institutionsübergreifend zu denken und tatsächlich vernetzt zu arbeiten. Kommunikation passiert viel auf informeller Ebene und weniger als durchdachtes und strukturiertes Konzept. Unterschiedliche Versorgungslogiken prallen wie fremde Kulturen aufeinander. Dabei spielt die Konkurrenz der Anbieter eine entscheidende Rolle. Die Rolle der Medizin ist in der palliativen Versorgung von zentraler Bedeutung und insbesondere die Integration der Hausärzte. Wenn diese Verzahnung zur Regelversorgung engmaschig organisiert ist, dann kann regionale Versorgung gut abgedeckt und sichergestellt werden. Im Alltag gestaltet sich allerdings eine gezielte interdisziplinäre Zusammenarbeit über die eigene Arztpraxis hinaus häufig sehr schwierig. Zeitdruck und eine enge Personaldecke lassen die notwendigen Vernetzungsaktivitäten über das eigene Alltagsgeschäft hinaus häufig nicht zu. Drei Grundkompetenzen sind für gelingende Vernetzung von zentraler Bedeutung: Quer durch alle Professionen sollte eine Grundqualifikation und fachliche Kompetenz in hospizlicher und palliativer Arbeit vorhanden sein. Ziel sollte sein, die Netzwerkteilnehmerinnen und -teilnehmer auf fachlich gutem Niveau zu schulen und das Know-how kontinuierlich weiter zu entwickeln in ständigem Austausch zwischen Forschung und Praxis. Eine sogenannte Vernetzungskompetenz sollte sukzessive zwischen den Netzwerkteilnehmern gefördert und geschult werden. Die Fähigkeit, als Netzwerk zu handeln und zu entscheiden, steht dabei im Mittelpunkt der Weiterentwicklung. Als dritte Kompetenz ist in der Vernetzung die ethische Kompetenz ein nächster entscheidender Faktor. Ethische Fragestellungen wie künstliche Ernährung, Krankenhauseinweisung oder auch notwendige Heilbehandlungen am Lebensende sind nur einige Beispiele für drängende ethische Entscheidungen, die häufig unter Zeitdruck getroffen werden müssen. An diesem Punkt ist u.a. auch mit dem PIA-Projekt eine interessante Kooperation entstanden. In drei Veranstaltungen haben wir unsere Netzwerkerfahrungen weitergeben können und darüber hinaus nicht examinierte Mitarbeiter/innen in der Pflege geschult zu den Themen Demenz, Sterbebegleitung, Trauerbegleitung, Kommunikation und ethische Entscheidungen am Lebensende. Die drei Grundkompetenzen für gelingende Vernetzung wurden hier in lebendiger Praxis grundgelegt: Grundqualifikationsschulungen gerade für Mitarbei- 165

165 Veronika Schönhofer-Nellessen ter, die bisher noch nicht viel oder kein Wissen an diesem Punkt vorweisen konnten. Vernetzungskompetenz wurde durch das institutionsübergreifende Angebot gefördert. Darüber hinaus stand im Fokus der Schulung ethische Fallbesprechung als wichtiges Instrument, um möglichst im Konsens und im Sinne des Schwersterkrankten Entscheidungen zu treffen. Eine nachhaltige Qualitätsentwicklung kann u.a. dadurch sichergestellt werden, indem ein palliatives Netzwerk bestimmte Qualitätsstandards als Teilnahmevoraussetzung für die Aufnahme ins Netz von den unterschiedlichen Institutionen fordert. Dies fungiert wie ein Gütesiegel, das mit der Aufnahme ausgesprochen wird. Am Beispiel einer stationären Einrichtung der Altenhilfe könnte das z.b. konkret bedeuten, dass sie pro 30 Betten eine Palliative Care Fachkraft ausbildet. Daneben sollte der Einrichtung ein Palliativmediziner konsiliarisch oder versorgend zur Verfügung stehen. Qualitätszirkel, Fortbildung, Beratung und Koordination sollten vom Netzwerk angeboten und ermöglicht werden. 166

166 7.12 Palliativpflege für demenziell Erkrankte in der stationären Pflege Erfahrungen aus dem Altenzentrum Papst-Johannes- Stift Josif Cvetkovski Inhalt 1. Einleitung 2. Bezugspflege-Systematik 3. Projekt Palliative Pflege und hospizliche Begleitung am Lebensende 4. Resümee 1. Einleitung Im Folgenden soll chronologisch dargestellt werden, wie ein Projekt in den Aachener Caritas Diensten (ACD) zum Thema Palliative Care und hospizliche Begleitung am Lebensende aufgelegt wurde und welchen Status die einzelnen, im Jahr 2008 formulierten, Ziele Anfang 2011 haben. Ausgehend von diesem durch die Robert-Bosch-Stiftung geförderten Projekt brachte sich das Altenzentrum Papst-Johannes-Stift auch in das PIA-Projekt ein. Die Aachener Caritasdienste ggmbh wurde im Dezember 2001 gegründet. Sie ist ein Tochterunternehmen des Caritasverbandes für die Region Aachen Stadt und Aachen Land e.v., sowie des Caritasverbandes für das Bistum Aachen e.v. Beide Organisationen sind Gesellschafter der ACD. Vom Verein zur Förderung der Caritasarbeit im Bistum Aachen e.v. wurden die bis dahin in dessen Trägerschaft stehenden Einrichtungen zum 1. Januar 2004 auf die ACD übertragen. Der ACD gehören an: das Altenzentrum Papst Johannes Stift, Aachen, das Altenheim St. Elisabeth, Aachen, das Klosterstift Radermecher Aachen und das Seniorenzentrum St. Anna, in Alsdorf Hoengen. 167

167 Josif Cvetkovski Gemeinsam bieten die vier Einrichtungen ca. 400 pflegebedürftigen Menschen individuelle Pflege, Begleitung und Betreuung. Die ACD bietet rund 500 Mitarbeiter/innen einen sicheren und attraktiven Arbeitsplatz. Von den 500 Arbeitsplätzen entfallen über 280 auf den Fachbereich Pflege, wobei die Fachkraftquote in allen Häusern bei 60% und höher liegt. Der Projektablauf und dessen Beschreibung hatten keine wissenschaftlichen Studien als Grundlage. Somit sind auch keine Quellenangaben aus der Literatur möglich. Vielmehr waren die praktisch erlebten Nöte der Mitarbeiter/innen Anlass, sich dieser zum Teil sehr belastendenden Thematik anzunehmen. Jedes Projekt hat seine Vorgeschichte, so auch dieses. 2. Bezugspflegesystem Im Jahr 2006 wurde auf Trägerebene der Aachener Caritas Dienste (ACD), im Fachbereich Pflege das Thema Bezugspflegesystem als Schwerpunktthema gesetzt. In den vier Pflegeheimen der ACD gab es, bedingt durch die jeweilige Historie, unterschiedliche Ausprägungen der Bezugspflegesystematik. Ausgehend von dem Leitgedanken, bestehende und zukünftige Pflegestandards gemeinsam zu entwickeln und zu implementieren, wurde sehr schnell deutlich, dass die Bezugspflegesystematik das Fundament der weiteren gemeinsamen Arbeit sein muss. Am Ende der Bestandsaufnahme herrschte Einigung darin, die fünf wesentlichsten Merkmale der Bezugspflegesystematik verbindlich für alle vier Einrichtungen fest zu schreiben. Bezugspflege wurde in jedem der vier Häuser praktiziert, jedoch auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Es galt die Frage zu beantworten: Welches sollen die fünf markantesten Merkmale für die Bezugspflege in den Häusern der ACD zukünftig sein? Klar war nur der Leitgedanke: Egal, in welcher Einrichtung jemand sich aufhält, er muss die Bezugspflegesystematik wiedererkennen. Nach zum Teil kontrovers geführten Diskussionen sind folgende Merkmale als die wichtigsten erarbeitet worden: Tandemprinzip Eine Pflegefachkraft und ein/e Pflegehelfer/in sind für eine bestimmte Anzahl von Bewohner(inne)n verantwortlich; damit wurde die Verantwortung aus dem Graubereich des Teams personifiziert. Durch diese Festlegung wurden alle Teammitglieder in die Pflicht genommen, sich zu beteiligen. Vor allem die Pflegehilfskräfte erfuhren durch diese Festlegung eine Bestätigung und Aufwertung ihrer Arbeit. Steuerung des Pflegeprozesses Das Tandem ist für den kompletten Pflegeprozess ihrer Bezugspflegegruppe verantwortlich. Die Informationssammlung war und ist der erste und wichtigste Baustein. Hier geht es um die benötigten Informationen für die Anamneseerstellung ebenso wie 168

168 7.12 Palliativpflege für demenziell Erkrankte in der stationären Pflege das PJS für den Biographiebogen. Nicht nur die Informationseinholung sondern auch die Informationsweitergabe für die jeweilige Bezugspflegegruppe liegt im Verantwortungsbereich des Tandems. Erstkontakt Bereits in der Heimvorfeldarbeit wird das Tandem einbezogen. Beim Hausbesuch des zukünftigen Bewohners ist die Pflegefachkraft mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter des Sozialdienstes beim Bewohner. Sie nimmt schon mal sein bisheriges Wohnumfeld war und kann sich ein erstes Bild von der oder dem zukünftigen Bewohner/in machen. Damit bekommt die Bezugspflegekraft eine Art Brückenfunktion für die oder den Bewohner/in. Die erste Risikoerfassung erfolgt somit im Vorfeld. Notwendige Vorkehrungen, z.b. Weichlagerungsmatratze bei einem Dekubitus-Risiko, ein Niedrigbett bei einer Sturzproblematik oder besondere Kostformen bei Ernährungsproblemen können vor dem Einzug organisiert werden. Besuche im Krankenhaus Sollten Bewohner/innen sich im Krankenhaus aufhalten, ist das Tandem für Besuch und Kontaktaufrechterhaltung zuständig. Im Idealfall wird die/der Bewohner/in von einer Pflegekraft aus dem Tandem besucht. Die Praxis zeigt aber, dass dies nicht immer zu realisieren ist. So bleibt die Verantwortung aber trotzdem beim Tandem, den Besuch zu organisieren. Dazu gehört nicht nur, der Bewohnerin oder dem Bewohner frische Wäsche, sondern auch einen Strauß Blumen oder eine Schachtel Pralinen mitzubringen. Über den Tod hinaus Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Verantwortung nicht mit dem Tod der Bewohnerin oder des Bewohners endet. Hier wird die Erwartung an das Tandem formuliert, dass die Begleitung der Angehörigen nach dem Tod der Bewohnerin oder des Bewohners auch im Aufgabenfeld des Tandems verbleibt. Die Erarbeitung der Bezugspflege hat etwa ein halbes Jahr gedauert. Anfang 2007 wurde das System in allen vier Häusern implementiert. Nach der ersten Evaluierung wurde erfreulicherweise deutlich, dass die erhofften Ergebnisse größtenteils eingetroffen waren. Vor allem die eindeutige Zuordnung der Verantwortlichkeiten hat bei den Mitarbeiter(inne)n für Klarheit gesorgt. Die vier Wohnbereiche im Papst- Johannes-Stift haben eine eigene individuelle Visualisierung der Bezugspflegetandems und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gewählt. Das fünfte Merkmal des Bezugspflegesystems war die unausgesprochene Geburtsstunde des Projektes: Palliative Pflege und hospizliche Begleitung. Hier stellten sich die Fragen: Was alles muten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu? 169

169 Josif Cvetkovski Welche Unterstützung und Kompetenzentwicklung brauchen unsere Mitarbeiter/innen, um den Anforderungen zu genügen? Welche Rahmenbedingungen müssen durch die Leitung geändert werden, damit Palliative Pflege am Lebensende gut gelingen kann? Aus diesen Fragen ist konsequenterweise das Thema Palliative Pflege und hospizliche Begleitung am Lebensende zum Schwerpunktthema für das folgende Jahr (2008) geworden. Schon ganz am Anfang der inhaltlichen Auseinandersetzung und Beschäftigung mit dem Thema Pflege und Begleitung zeigte sich, dass dieses Thema mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als alle vorherigen Arbeiten. So wurde beschlossen, sich dieser wichtigen Thematik gemeinsam mit dem ambulanten Hospizdienst der ACD in einem Projekt anzunehmen. 3. Projekt Palliative Pflege und hospizliche Begleitung am Lebensende Am Anfang stand, wie bei allen Projekten, die Bildung einer Projektgruppe. Diese setzte sich ganz im Sinne des Palliativen und Hospizlichen Gedankens multidisziplinär zusammen. In dieser Projektgruppe waren alle Kompetenzen des Trägers gebündelt. Die einzelnen Mitglieder brachten unterschiedliche Qualifikationen bzw. unterschiedliches Fachwissen mit. Der Projektgruppe gehörten an: die vier Pflegedienstleitungen, die beiden Leiterinnen der ambulanten Hospizdienste, ein Sozialarbeiter, eine Sozialwissenschaftlerin, vier Pflegefachkräfte und externe Experten, die meist medizinisches Fachwissen einbrachten. Vor der Zielsetzung erfolgte in allen Häusern eine eingehende Analyse. In einem zweiten Schritt wurden die Ziele, zunächst unabhängig davon, ob sie erreichbar bzw. realistisch sind oder nicht, formuliert. Die Ziele waren am Anfang sehr mannigfaltig, es wurden jedoch einige Dinge sehr schnell deutlich. Die Fachkompetenzen zur palliativen Pflege auf den Wohnbereichen waren nicht vorhanden. Die vorhandene Anzahl an ehrenamtlichen Mitarbeitern für die hospizliche Begleitung war zu gering, um jedem Bewohner und seinen Angehörigen eine Begleitung anzubieten. Im Einzelnen wurden folgende Ziele formuliert: Mitarbeiter/innen für das Thema sensibilisieren Begleitung am Lebensende durch/mit ambulanten Hospizdienst organisieren 170

170 7.12 Palliativpflege für demenziell Erkrankte in der stationären Pflege das PJS Angehörigen Begleitung und Trauerbewältigung anbieten Sterbe- und Verabschiedungskultur etablieren pflegerische Versorgung so organisieren, dass Bewohner/innen im Haus verbleiben Kooperationen aufbauen und intensivieren Konzeptentwicklung: Standard Erarbeitung zur Pflege/Begleitung am Lebensende aktive Teilnahme am Aachener Palliativnetzwerk Palliativforum: Regelmäßig Infoabende für Mitarbeiter/innen, Angehörige, Betreuer/innen und Ärzte organisieren und durchführen Teilnahme von mindestens 1 Mitarbeiter pro Wohnbereich an der Weiterbildung Palliative Care Begleitforschung in Kooperation mit der Palliativstation des UK Aachen Durch die Zielformulierungen, insbesondere für die Ausbildung ehrenamtlicher Hospizhelfer, und die Weiterbildung zur Palliative Care wurde die Laufzeit des Projektes auf 3-4 Jahre festgelegt. Die vier wichtigsten Bausteine zur Zielerreichung sollen kurz charakterisiert werden. Weiterbildung Palliative Care mindestens 1 Mitarbeiter pro Wohnbereich Die Entscheidung, pro Wohnbereich eine/n Mitarbeiter/in in Palliative Care weiterbzw. auszubilden, war enorm wichtig und im Nachhinein goldrichtig. Die ersten Mitarbeiter/innen der einzelnen Einrichtungen, die an der Weiterbildung Palliative Care teilnahmen, waren auch Mitglieder in der Projektgruppe. Viele gute und vor allem praxisnahe Ideen wurden von diesen Mitarbeiter(inne)n eingebracht. Sie haben in einer Sonderarbeitsgruppe unter der Leitung einer Pflegedienstleitung Inhalte der eigenen Weiterbildung gemeinsam aufgearbeitet und in den einzelnen Häusern an die eigenen Kolleginnen und Kollegen weitervermittelt. Es wurde aber auch deutlich, dass die Anforderungen bezüglich des Umgangs mit Medien und Kompetenzen hinsichtlich Präsentation und Moderation zu hoch waren. Dieser Erkenntnis wurde dadurch Rechnung getragen, dass den Mitarbeiter(inne)n in einem zweiten Schritt ein Seminar mit diesen Inhalten angeboten wurde. Mittlerweile verfügen die meisten Wohnbereiche, bis auf drei, über eine eigene/n Mitarbeiter/in mit einer Weiterbildung Palliative Care. Um der Bezugspflegesystematik zu genügen, wird im Jahr 2011 pro Wohnbereich eine Pflegehilfskraft in einem 40-stündigen Seminar in Palliative Care geschult. Da- 171

171 Josif Cvetkovski mit soll die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt, aber weiterhin eindeutig personenbezogen bleiben. In der gesamten ACD würden damit für ca. 400 Bewohner 17 Fachkräfte mit einer Palliative Care Weiterbildung mit einem Umfang von je 160 Stunden und 17 qualifizierte Pflegehelfer/innen mit einem Umfang von 40 Stunden zur Verfügung stehen. Begleitung am Lebensende durch/mit ambulanten Hospizdienst organisieren Die Ausbildung weiterer ehrenamtlich tätiger Hospizhelfer/innen war ebenfalls ein wichtiger Baustein. Standen zu Beginn des Projektes 12 Hospizhelferinnen und Helfer zur Verfügung, sind es in der Zwischenzeit 30 engagierte Frauen und Männer. Mit dieser Anzahl lassen sich die Bedürfnisse in den stationären Einrichtungen und im ambulanten, also häuslichen Umfeld der Patienten viel besser erfüllen. Die Mitarbeiter/innen auf den Wohnbereichen haben die Entlastung durch den Hospizdienst sehr schnell erkannt und positiv gewürdigt. Mit dieser Anzahl von ehrenamtlichen Hospizhelfer/innen/n kann das Ziel, jeder/m Bewohner/in und ihren bzw. seinen Angehörigen ein Angebot zur Begleitung zu ermöglichen, viel besser umgesetzt werden. Allerdings fällt die Definition dessen, was ein Hospizdienst im Seniorenheim leisten kann und soll, sehr unterschiedlich aus. Die Vorstellungen der Betroffenen reichen von religiös angehauchter Sterbebegleitung bis hin zur 24-Stunden-Präsenz am Bett. Eine Klärung der Erwartungen und Bedürfnisse findet immer am Anfang einer möglichen Begleitung statt. Die notwendigen Gespräche führt ausschließlich die Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes. Sie ist es auch, die die notwendige Koordination der Einsätze vornimmt. Die Hospizhelfer/innen treffen sich einmal im Monat mit der Leiterin zu einem Reflexionsabend. Der Austausch in der Gruppe ist von enormer Wichtigkeit. An den Reflexionsabenden wird das Erlebte verarbeitet und durch den gegenseitigen Austausch Lösungen für problematische Situationen gesucht. Für die Leiterin bietet sich die Gelegenheit, Themen und Fragen, die alle Hospizhelferinnen und Helfer betreffen, zu erörtern. Palliativforum: regelmäßige Infoabende für Mitarbeitende, Angehörige, Betreuende und Ärzte organisieren und durchführen Die Zielsetzung, regelmäßig Informationsabende für Mitarbeitende, Bewohner/innen, Angehörige, Betreuende und Hausärzte zu veranstalten, hat zwei wichtige Dinge bewirkt. Zum einen musste sich die Projektgruppe immer wieder disziplinieren und am Thema dranbleiben. Die Informationsabende hatten bisher die Struktur, dass ein palliativmedizinisches bzw. pflegerisches Thema bestimmt wurde. Im nächsten Schritt wurde überlegt, welche Perspektiven jeweils von Interesse sein könnten. Danach wurden Dozenten gesucht, die eine der Perspektiven einnehmen konnten. Durch diese Herangehensweise ist das Projektteam ständig gefordert, Ideen für lohnenswerte Themen, mögliche Dozenten und Formen der Abendgestaltung zu suchen. Die Zuständigkeit, welche/r Mitarbeiter/in für welche Aufgaben verantwortlich ist, wechselt ständig. 172

172 7.12 Palliativpflege für demenziell Erkrankte in der stationären Pflege das PJS Zum anderen wurde in der Mitarbeiterschaft durch die Regelmäßigkeit symbolisiert, dass uns dieses Thema so wichtig ist, dass es stetig etwas Neues dazu gibt. Um die Durchdringung in den Teams aufrechtzuerhalten, wurde im Rahmen der Fortbildungsplanung festgelegt, dass an jedem Palliativforum mindestens zwei Mitarbeiter/innen pro Wohnbereich teilnehmen müssen. Selbstverständlich werden diese Stunden als Fortbildungsstunden und damit als Arbeitszeit verrechnet. Kooperationen aufbauen und intensivieren Der Aufbau von Kooperationen und die Ausweitung haben im Nachhinein einen sehr wichtigen Beitrag zum bisherigen Gelingen des Projektes geleistet. Ohne zu Beginn zu wissen, wie mögliche Kooperationen aussehen könnten, geschweige denn mit wem diese einzugehen wären, ist dieses Ziel formuliert worden. Wohlwissend und aus dem Gedanken heraus: Alleine werden wir nicht alles schaffen können. Im Rahmen des PIA-Projektes sind gemeinsame Veranstaltungen organisiert und durchgeführt worden. Nach der Info-Veranstaltung am im Papst Johannes Stift stand am Ende des Workshops die Frage, inwieweit das Thema palliative Pflege im PIA-Projekt behandelt werden soll. Das erfreuliche Ergebnis dieser Info-Veranstaltung war, dass sich alle Beteiligten für eine tiefere Auseinandersetzung mit diesem Thema ausgesprochen haben. Dem Projektleiter Herrn Fuchs Frohnhofen ist es gelungen als Kooperationspartner das Aachener Bildungswerk mit Frau Schönhofer-Nellessen (Leiterin der Aachener Servicestelle Hospiz und Geschäftsführerin des Palliativen Netzwerks für die Region Aachen e.v.) für zwei ganztägige Fortbildungstage mit Workshop Charakter zu gewinnen. Die beiden Workshops fanden am und im Papst Johannes Stift statt. Daran teilgenommen haben 14 Mitarbeiter/innen aus drei Einrichtungen des PIA-Projektes. Die beruflichen Werdegänge und Qualifikationen der 14 Teilnehmer/innen waren sehr heterogen. An den beiden Tagen beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter Leitung von Frau Schönhofer-Nellessen mit Themen wie den Grundlagen der palliativen Versorgung, fallzentrierter Arbeit und Besonderheiten in der Sterbebegleitung von demenzerkrankten Menschen. Kooperationen als Unterstützung der Umsetzung von Palliativ-Pflege Eine sehr wichtige Kooperation ist uns mit Home Care Aachen gelungen, die sich damals noch als rein spendenfinanzierte Organisation um die palliative Versorgung sterbenskranker Menschen im häuslichen Umfeld gekümmert hat. Mittlerweile ist Home Care Aachen eine durch die SAPV anerkannte Organisation. Home Care hat uns nicht nur mit Fachbeiträgen bei den Palliativforen unterstützt, sondern auch in mehreren schwierigen Situationen zur Seite gestanden. Hierbei handelte es sich um Situationen, in denen uns die Versorgung unserer Bewohner/innen an den Rand unserer Möglichkeiten gebracht hat. 173

173 Josif Cvetkovski Einen sehr wichtigen Beitrag erhalten wir immer noch durch Home Care in der Form, dass jeder Wohnbereich routinemäßig einmal im Jahr durch eine Ärztin oder einen Arzt aufgesucht wird und die Mitarbeiter/innen einer Bewohnerin oder einen Bewohner im Rahmen einer Fallbesprechung vorstellen. Es müssen nicht immer palliative Fälle sein. Das Team bestimmt selbst, welche Problematik vorgetragen wird. In der Reflexion mit der/m teilnehmenden Ärztin/Arzt wird oft deutlich, dass die Mitarbeiter/innen über den gemeinsamen Austausch und mit der Moderation der Ärzte zu eigenen guten Lösungen kommen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschreiben die Atmosphäre wie folgt: Die Fallbesprechungen schätzen wir deshalb, weil sich ein Arzt die Zeit nimmt und uns zuhört, zu unseren Beobachtungen und Einschätzungen eine Rückmeldung gibt und aus seiner Erfahrung berichtet. Mit den Hausapotheken sind uns rein praktisch relevante Kooperationen gelungen. Die jeweiligen Apotheken beliefern uns jederzeit mit sogenannten Palliativsprays, die zur schonenden Mundpflege in der letzten Lebensphase eingesetzt werden. Ebenso hilfreich sind die kostenlosen Lieferungen einfacher, leerer, dunkler Sprühfläschchen. Diese können mit beliebigen Flüssigkeiten gefüllt werden. Nicht nur Wasser und Tee, sondern auch Bier und Saft kommen zum Einsatz. Es gilt, jenen Geschmack zum Einsatz zu bringen, den die Bewohnerin oder der Bewohner mit etwas Angenehmen und Lebensqualität verbindet. Die Hausapotheke des Papst- Johannes-Stiftes beliefert das Haus auch kostenlos mit Panthenol-Salbe. Eine weitere Kooperation ist uns mit der Klinik für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Aachen gelungen. Zu den bisherigen Themen der Palliativforen Palliative Care in Altenheimen, Ernährung am Lebensende, Patientenverfügungen und Schmerzbehandlung sind wertvolle Referate und Diskussionsbeiträge aus der Mitarbeiterschaft dieses Kooperationspartners beigetragen worden. Mit diesem Kooperationspartner wird ein weiteres Projektziel im Jahr 2011 angegangen. Die Begleitforschung durch die Klinik für Palliativmedizin wird 2011 starten. Dieser Projektbaustein ist für die ACD etwas Außergewöhnliches und eine große Besonderheit. Die Forschungsfragen lauten: Sind evaluierte Assessmentinstrumente zur Symptomkontrolle bei Palliativpatientinnen und Patienten auf gerontopsychiatrisch veränderte Patientinnen/en anwendbar? Werden diese Instrumente vom Pflegepersonal als hilfreich für ihre Arbeit eingeschätzt? 174

174 7.12 Palliativpflege für demenziell Erkrankte in der stationären Pflege das PJS Die Studie ist für einen Zeitraum von sechs Monaten angelegt und soll ausschließlich auf den drei geschützten Wohnbereichen durchgeführt werden. Wir erhoffen uns Aussagen darüber, welche Instrumente für unsere tägliche Arbeit von Nutzen sein können, um diese dann in einem weiteren Schritt in der gesamten Einrichtung zu implementieren. Im Überblick sind die selbstgesteckten Ziele und der heutige Status dargestellt: Projektziel Pro Wohnbereich mindestens 1 MA mit Weiterbildung Palliative Care damit verbunden Wissenstransfer Allen Angehörigen Begleitung und Trauerbewältigung anbieten Palliativforen für Mitarbeiter/innen, Angehörige; Bewohner/innen, Betreuende, Hausärzte organisieren und durchführen Kooperationspartnerschaften aufbauen und intensivieren Verabschiedungskultur etablieren Trägerweites Konzept/Standards zur palliativen Pflege und Begleitung am Lebensende entwickeln und implementieren Anzahl ehrenamtlicher Hospizhelfer/innen erhöhen Durchdringung aller Fachbereiche Pflegerische Versorgung so organisieren, dass Bewohner/innen im Haus verbleiben, um Krankenhauseinweisungen am Lebensende zu vermeiden Aktive Teilnahme am Palliativnetzwerk Aachen Begleitforschung in Kooperation mit der Klinik für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Aachen Förderung durch Robert-Bosch-Stiftung Erreicht? JA (ABER) JA JA JA JA SIND DABEI JA NEIN JA JA AM ANFANG JA Das letzte Ziel die Förderung durch die Robert-Bosch-Stiftung soll an dieser Stelle besonders hervorgehoben, beschrieben und gewürdigt werden. Diesen Förderantrag zu stellen, gehörte nicht von Anfang an zu den Projektzielen. In der dritten Sit- 175

175 Josif Cvetkovski zung der Projektgruppe wurde durch ein Projektgruppenmitglied ein kurzer Artikel aus einer Fachzeitschrift vorgelesen, aus dem hervorging, dass die Robert-Bosch- Stiftung Fördergelder für Palliative Care Projekte vergibt. Da sich die Projektgruppe bereits mit diesem Thema beschäftigte, nahm sie daraufhin eine sehr umfangreiche Projektbeschreibung nach Vorgaben der Robert-Bosch-Stiftung vor und sandte diese als Förderantrag an den Stiftungsrat. Nach einem Jahr kam die überaus erfreuliche Positivbescheinigung durch den Stiftungsrat. Das Projekt wird mit der Höchstfördersumme von gefördert. Diese im Vorfeld nicht eingeplanten finanziellen Mittel haben die Arbeit natürlich erheblich erleichtert. Mit diesen Mitteln sind Aufwendungen, insbesondere Kursgebühren für Qualifizierungsmaßnahmen, Honorare für Dozentinnen und Dozenten und Aufwendungen im Sachkostenbereich unterstützt worden. Die anstehende Begleitforschung wird ebenso zum Teil aus diesen Fördermitteln finanziert. 4. Resümee Die Thematik Palliative Pflege und Begleitung am Lebensende ist und bleibt aktuell. Die Aachener Caritas Dienste haben sich mit einem ehrgeizigen Projekt auf den Weg gemacht, die internen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Palliative Care gut gelingen kann. Die meisten der gesteckten Projektziele wurden erreicht. Die Kontinuität bei den erreichten Dingen zu erhalten wird eine Daueraufgabe bleiben. Bei einigen Zielen muss noch Überzeugungsarbeit geleistet werden. Vor allem die Durchdringung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie aller Fachbereiche gestaltet sich als schwierig. An dieser Stelle ein Beispiel: Den Reinigungsdienst für das Thema zu sensibilisieren ist genauso wichtig wie die Mitarbeiter/innen im Pflegebereich. Diese Dienstleistung ist jedoch zum Teil extern vergeben. Damit stellen sich viele Fragen: Wer kommt für die Freistellung der notwendigen Fortbildungsstunden auf? Wer stellt sicher, dass neue Mitarbeiter/innen über den bestehenden Standard in Kenntnis gesetzt werden? Wer formuliert dem Reinigungspersonal gegenüber die Erwartungshaltung zu diesem Thema? Durch die bereits erzielten Erfolge überwiegen jedoch die Zuversicht und der Optimismus, für diese und alle anderen offenen Fragen pragmatische Lösungen zu finden. 176

176 Teil B: Produkte und Handlungsempfehlungen aus dem PIA-Projekt 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt von der Ist-Analyse bis zum Einbringen der Ergebnisse in die tägliche Routine Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Inhalt 1. Einführung 2. Überblick 3. Zum Vorgehen in den einzelnen Projektphasen 4. Zusammenfassung und Ausblick 5. Literatur 1. Einführung Während in Kapitel 7.1 dieses Buches ein Überblick über die Vorgehensweise in den einrichtungsspezifischen Innovationsprojekten im Rahmen von PIA gegeben wird und in den folgenden Beiträgen des Kapitels 7 Beispiele aus PIA- Modelleinrichtungen beschrieben sind, soll es im Teil B dieses Buches beginnend mit diesem Kapitel 8 darum gehen, für den schnellen Leser Produkte und Handlungsempfehlungen aus dem PIA Projekt so aufzuarbeiten, dass Dritte, die nicht am PIA-Projekt beteiligt waren, diese für ihre eigene Arbeit nutzen können. Auch wenn wir uns bemühen, diesen Text hier selbsterklärend zu gestalten, so empfehlen wir doch für die praktische Umsetzung, auch in Kapitel 7 zu schauen, um sich weitere Anregungen zu holen. Dieser Beitrag möchte Einrichtungsleitungen, Pflegedienstleitungen oder Projektleitungen ansprechen, die sich selbst vorgenommen haben oder die Aufgabe erhalten haben, in ihrer Einrichtung pflegebezogene Innovationsprojekte umzusetzen. 177

177 Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Ein Innovationsprojekt meint hier: eine komplexe Aufgabe mit zeitlicher Befristung und interdisziplinären Anforderungen. In der Pflege kann es sich dabei beispielsweise um die Entwicklung und Etablierung neuer, innovativer Dienstleistungen für den Markt handeln oder um die Verbesserung innerbetrieblicher Strukturen und Vorgehensweisen, um bekannte Dienstleistungen erfolgreicher erbringen zu können. 2. Überblick Wenn Sie in Ihrer Einrichtung ein Innovationsprojekt in dem beschriebenen Sinne umsetzen möchten, dann empfehlen wir Ihnen ein Vorgehen in 6 Schritten. Diese 6 Schritte sollen zunächst im Überblick vorgestellt werden, bevor Sie in Abschnitt 3 detaillierter beschrieben werden. 1. Die Projektetablierung: Legen Sie ein Grobziel für das Projekt fest, bilden Sie ein Projektlenkungsteam und bestimmen Sie einen Projektkoordinator. Klären Sie, ob Sie eine externe Projektmoderation benötigen und diskutieren und entscheiden Sie im Projektlenkungsteam über die Rahmenbedingungen (Zeit, Geld, etc.) des Projektes und bestimmen Sie zunächst vorläufig, ob und wie Sie mit themenspezifischen Projektteams arbeiten möchten. 2. Die Ist-Analyse: Verschaffen Sie sich mit geeigneten Methoden (Interviews, Fragebogen, Workshops, ) einen Überblick, wie konkret die Ausgangslage bezüglich des von Ihnen angestrebten Ziels beschaffen ist. Dazu kann je nach Projektthema ebenso eine Mitarbeiter-Zufriedenheitsbefragung dienen wie eine Marktanalyse bzgl. des von Ihnen vorzubereitenden neuen Dienstleistungsangebots. In dieser Phase empfiehlt es sich häufig, externen Sachverstand einzubinden, um so die Anonymität von Befragungsergebnissen sicherzustellen und die Akzeptanz der Untersuchung in der Einrichtung zu erhöhen. 3. Die Zielkonkretisierung: Hierbei sollten Sie aufbauend auf den Ergebnissen der Ist-Analyse und unter Einbeziehung eines breiten Meinungsspektrums definieren, was mit dem Projekt bis wann konkret erreicht werden soll. 4. Die Maßnahmenerarbeitung und -planung: In dieser Phase sollten Sie zunächst sammeln, welche Vorschläge es für die Zielerreichung in ihrer Einrichtung oder auch aus der Literatur oder aus anderen Einrichtungen gibt. Dann sollte im Projektlenkungsteam entschieden werden, mit welchen konkreten Maßnahmen die Projektziele erreicht werden sollen. Diese Maßnahmen sollten 178

178 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt Sie mit einer Zeitplanung und der Bestimmung von Verantwortlichkeiten in einem Ablauf- und Projektplan verankern. 5. Die Umsetzungsphase: Die erarbeiteten Maßnahmen müssen koordiniert durch die Projektleitung umgesetzt werden. Dabei sollte immer wieder abgeglichen werden, ob die Erfolgswahrscheinlichkeit der Maßnahmen weiter gegeben ist oder ob der Maßnahmenplan auf Grund der Umsetzungserfahrungen revidiert oder angepasst werden muss. 6. Der Projektabschluss und der Übergang in die Alltagsroutine: Wenn die Maßnahmen umgesetzt sind, sollten Sie zu einem definierten Projektabschluss kommen, Ergebnisse und Vorgehensweisen reflektieren oder evaluieren und sicherstellen, in welcher Form der Routinebetrieb mit den Projektergebnissen gewährleistet werden kann. 3. Zum Vorgehen in den einzelnen Projektphasen 3.1 Projektetablierung In dieser Phase muss sich zunächst zumindest eine/r der wesentlichen Akteure einer Organisation darüber klar sein, welches Thema mit einem Projekt angegangen werden soll. Beispiel 1A: Im Rahmen von PIA haben Geschäftsführer und Stellvertreter der Altenhilfe St. Gereon beschlossen, dass eine neue Tagespflege eröffnet werden soll. Damit hatten sich ein grobes Thema und ein Ziel im Kopf dieser beiden leitenden Akteure gebildet, das in einem Projekt zur Umsetzung gebracht werden sollte. Beispiel 1B: Im Rahmen von PIA hat der Pflegedirektor des Medizinischen Zentrums Würselen grob darüber nachgedacht, dass es in diesem Projekt um das Beschwerdemanagement gehen sollte, da sich die Beschwerden in der Geriatrie gehäuft hatten. Ein konkretes Thema und Ziel der Aktivitäten sollte in diesem Beispiel aber erst definiert werden, nachdem im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung die Erfordernisse aus Sicht von Pflegekräften und medizinischem Personal evaluiert worden waren. Als Ergebnis der Ist-Analyse wurde u.a. erkannt, dass das Beschwerdemanagement ein Symptom für tatsächliche Verbesserungsnotwendigkeiten darstellte und es wurde beschlossen, z.b. die Kooperation Pflege/Medizin in der Geriatrie anzugehen. Ist also das Projektthema bestimmt, ist es als nächstes hilfreich, ein Grobziel für das Projekt festzulegen. 179

179 Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Im Beispiel 1A hieß dieses Grobziel: Eröffnung der Tagespflege in einem Zeitrahmen von 12 Monaten. Nicht immer ist ein solches Grobziel direkt handlungsleitend, aber es gilt: je klarer das Ziel, desto einfacher die Projektbearbeitung. Als nächstes wird ein Projektlenkungsteam gebildet und ein/e Projektkoordinator/in bestimmt. Es ist zu klären, ob eine externe Projektmoderation benötigt wird. Im Rahmen von PIA wurde in allen unternehmensspezifischen Projekten mit einer externen Projektmoderation durch Mitarbeiter/innen von MA&T oder IAT gearbeitet. Erfahrungen in anderen Projekten verdeutlichen die Vorteile einer solchen externen Projektmoderation, zeigen aber auch, dass es möglich ist, ohne externe Moderation erfolgreiche Projekte durchzuführen. Hierzu bedarf es eines gut ausgebildeten Projektkoordinators, der offenen für neue Ideen und Anstöße von außen aber ebenso in der Lage ist, neben seinem Tagesgeschäft ein internes Projekt systematisch und kontinuierlich voranzutreiben. Der Projektkoordinator sollte dazu sowohl einen guten Draht zur Geschäftsführung haben als auch bei wichtigen Mitarbeiter/innen und Führungskräften anerkannt sein. Ist Thema, Grobziel und Projektkoordinator/in bestimmt, sollte ein Projektlenkungsteam etabliert werden. Beispiel 1C: Im Rahmen von PIA wurde im Kreiskrankenhaus Mechernich ein Projektlenkungsteam gebildet, dem die Geschäftsführung des Krankenhauses, die Pflegedirektion, der Personalrat, der stellv. Medizinische Direktor sowie je eine Pflegefachkraft aus den anvisierten Pilotbereichen Geriatrie und Unfallchirurgie angehörten. Außerdem war die externe Moderation von MA&T und IAT am Projektlenkungsteam beteiligt. Die Projektkoordination wurde intern durch die Pflegedirektoren übernommen. Wenn die Leitungsebene nicht im Projektteam vertreten ist, kann dies zu verschiedenen Doppeldiskussionen führen, da die Geschäftsführung wahrscheinlich ihre Einschätzung im Nachhinein dem Projektlenkungsteam bekannt geben wird. Deswegen wird empfohlen, wo immer möglich, Geschäftsführung oder Einrichtungsleitung direkt am Projektlenkungsteam zu beteiligen. Wenn das nicht möglich ist, ist es Aufgabe des Projektkoordinators, wichtige Entscheidungen direkt mit der Einrichtungsleitung oder Geschäftsführung abzustimmen oder die Geschäftsführung zumindest zu einzelnen Terminen in das Projektlenkungsteam einzuladen. Auf dem ersten Treffen des Projektlenkungsteams werden das Ziel des Projektes sowie die Rahmenbedingungen für die Projektarbeit (Zeit, Geld, Häufigkeit der Treffen, 180

180 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt Einladung, Moderation und Protokollerstellung der Treffen des Projektlenkungsteams etc.) festgelegt. In den verschiedenen einrichtungsspezifischen PIA-Projekten hat es sich bewährt, bei den Treffen der Projektteams zeitweise mit Metaplan zu arbeiten. Dann bestanden die Protokolle nur aus den abfotografierten Wandzeitungen. Wurden komplexere Zusammenhänge diskutiert, die es im Protokoll entsprechend auszuformulieren galt, wurde aber auch die klassische Word-Datei als Protokoll genutzt. Im folgenden Beispiel sehen Sie eine Wandzeitung aus einer Sitzung des Projektlenkungsteams der Einrichtungen St. Gereon, bei der mit der Metaplan-Methode gearbeitet wurde. Abb. 1: Wandzeitungsprotokoll einer Metaplan-Arbeitsphase Zum Vergleich zeigt Abbildung 2 den Auszug aus einem Word-Protokoll des Projektlenkungsteams beim KKH Mechernich. 181

181 Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Abb. 2: Das klassische Protokoll Auf dem ersten Treffen des Projektlenkungsteams sollte außerdem beschlossen werden, wie die Mitarbeiterschaft der Einrichtung über das Projekt informiert werden soll. Abschließend sollte ein erster Handlungsplan für die kommenden Schritte erarbeitet werden, insbesondere muss geklärt werden, wie die nächste Phase die Ist-Analyse erfolgen soll. 3.2 Die Ist-Analyse Bei der Ist-Analyse geht es darum, den Status-Quo, also die Ausgangssituation für die anstehenden Veränderungen genauer zu beschreiben. Drei Methoden haben sich dabei im Rahmen des PIA-Projektes bewährt: die offene Metaplan-Sammlung im Projektlenkungsteam oder in anderen Teams, leitfadengestützte Interviews, der Einsatz und die Auswertung von systematischen Fragebögen. Mit der offenen Metaplan-Sammlung wurde z.b. im Seniorenzentrum St. Antonius gearbeitet, um die Ausgangssituation und den Handlungsbedarf aus Sicht der Mitar- 182

182 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt beiter/innen zum Führungsleitbild und zur Arbeitszufriedenheit im Haus schnell zusammentragen zu können. Abb. 3: Offene Metaplan-Sammlung im Rahmen der Ist-Analyse Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass man bei guter Moderation schnell zu einem Ergebnis kommt und dass es keiner aufwendigen Nacharbeiten bedarf. Der Nachteil besteht darin, dass es keine Repräsentativität und Vergleichbarkeit der spontan geäußerten Meinungen gibt. Bei leitfadengestützten Interviews, wie sie im Rahmen von PIA z.b. im Kreiskrankenhaus Mechernich eingesetzt wurden, können die Fragen spezifisch und detailliert vorbereitet werden und es ergibt sich bei genügender Anzahl von Interviews eine Vergleichbarkeit. Wirklich repräsentative Ergebnisse erhält man beim Einsatz von validen Fragenskalen, wenn eine genügend hohe Antwortquote vorliegt. Da der Aufwand für die Erstellung eines solchen validen Fragebogen-Instruments relativ hoch ist, wurde in PIA teilweise auf Fragen aus bewährten Instrumenten wie z.b. der Next-Studie oder den BGW-Reports zurückgegriffen (vgl. Kapitel 9), die außerdem den Vorteil haben, dass hier Vergleichsergebnisse aus anderen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Das folgende Bild zeigt einen Auszug aus den Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung des ambulanten Pflegedienstes Visitatis im Rahmen von PIA: 183

183 Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Abb. 4: Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung 3.3 Die Zielkonkretisierung Hat man das Thema des Innovationsprojektes sinnvoll festgelegt und sich bei der Ist- Analyse einen Überblick über Stärken und Schwächen in der Ausgangssituation verschafft, kann jetzt das Ziel konkreter definiert werden. Abbildung 5 gibt als Ergebnis der offenen Fragen im Rahmen der Ist-Analyse wieder, welche Kernthemen in einer der PIA-Einrichtungen bei der fragebogengestützten Mitarbeiterbefragung benannt wurden. In der Zielkonkretisierung wird es in diesem Beispiel also darum gehen, festzulegen, was in dem Projekt bzgl. der hier genannten Kernthemen erreicht werden soll. 184

184 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt Abb. 5: Verdichtete Ergebnisse der offenen Fragen der Mitarbeiterbefragung als Basis für Zielkonkretisierung (Quelle: Institut Arbeit und Technik) 3.4 Die Maßnahmenerarbeitung und -planung Doch wie kann es in einem Projekt gelingen, von der Analyse und Benennung von Problemen zu Handlungen zu kommen, die dann tatsächlich im Arbeitsalltag zumindest einen Teil der Probleme lösen? Darauf soll in Kapitel 10 vertiefend eingegangen werden an dieser Stelle wird aber ein erster Überblick gegeben. Aus den Erfahrungen des PIA-Projektes wird empfohlen, mit folgenden Methoden zu arbeiten: Brainstorming im Projektlenkungsteam, ggf. vertiefende Analysen und Maßnahmenerarbeitung in problemspezifischen Projektteams, Gegenüberstellung verschiedener Handlungsoptionen bzw. Maßnahmenpakete und Erörterung der finanziellen, organisatorischen und sonstigen Voraussetzungen und Folgen, Entscheidung für eine Maßnahmenlinie, Umsetzung. Beim Brainstorming im Projektlenkungsteam wird abgefragt und entweder direkt auf eine Flipchart oder auf Metaplan-Karten geschrieben und dann für alle sichtbar an 185

185 Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta eine Pinnwand geheftet, welche Maßnahmen die Beteiligten vorschlagen, um bezüglich des Gesamtproblems oder einzelner Teilbereiche zu Lösungen zu kommen. Erscheinen dem Projektlenkungsteam diese Lösungsideen und Maßnahmenvorschläge noch zu unkonkret oder nicht genügend durchdacht, hat es sich in einigen der PIA- Einrichtungen bewährt, eine kurze intensive Nacharbeit zu den Phasen Ist-Analyse und Maßnahmenfindung in Projektteams zu einzelnen Teilgebieten des z.b. im voranstehenden Bild verdeutlichten Problemraumes einzuberufen. Mit den Ergebnissen dieser Projektteams werden dann wieder im Projektlenkungsteam konkretere Lösungsvorschläge gegenübergestellt und es wird zu jedem der Maßnahmenvorschläge diskutiert und abgewogen, welche Erfolgswahrscheinlichkeiten sie haben, ob sie finanzierbar sind, ob sie auf Zustimmung wichtiger Mitarbeitergruppen stoßen und ob sie wirklich zu langfristig positiven Folgen im Sinne der Projektziele führen. Dann muss das Projektlenkungsteam ein Maßnahmenpaket verabschieden und konkret festlegen, wer sich zur Realisierung der Problemlösung bis wann um was genau kümmert. Für die zu ergreifenden Maßnahmen muss also ein Handlungsplan verabschiedet werden, in dem die zeitliche Perspektive und die Verantwortlichkeiten ebenso festgelegt sind, wie Reflexionsschleifen, in denen überprüft wird, ob die zu ergreifenden Maßnahmen tatsächlich zur Zielerreichung und Problemlösung führen. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft den Auszug aus einem solchen Handlungsplan. Wer? Was? (Bis) Wann? Herr Meier Führungskräfteseminar zum Thema Wertschätzende Führung organisieren Frau Müller Kostenabschätzung 3 zusätzliche Stellen Pflegehilfskräfte in Klinik 1u.2 Frau Müller Qualifizierungskonzept und Stellenbeschreibungen Pflegehilfskräfte Frau Müller Abklärung: Einsatz, Personalakquise und Qualifizierung Pflegehilfskräfte mit Pflegedirektion und Geschäftsführung Frau Schulze Reflexionstermin im Projektlenkungskreis organisieren Ca um Zwischenbewertung zu Maßnahmen Wertschätzungsförderung und Einsatz von Pflegehilfskräften durchzuführen Tab. 1: Handlungsplan 186

186 8. Hinweise zum Vorgehen in einem betrieblichen Innovationsprojekt 3.5 Die Umsetzungsphase Die erarbeiteten Maßnahmen müssen koordiniert durch die Projektleitung umgesetzt werden. Dabei sollte immer wieder abgeglichen werden, ob die Erfolgswahrscheinlichkeit der Maßnahmen weiter gegeben ist oder ob der Maßnahmenplan auf Grund der Umsetzungserfahrungen revidiert oder angepasst werden muss. 3.6 Der Projektabschluss und der Übergang in die Alltagsroutine Wenn die Maßnahmen umgesetzt sind, sollten Sie zu einem definierten Projektabschluss kommen, Ergebnisse und Vorgehensweisen reflektieren oder evaluieren und sicherstellen, in welcher Form der Routinebetrieb mit den Projektergebnissen gewährleistet werden kann. Wichtig ist es, Erfolge zu feiern und regelmäßig Ereignisse zu planen, die ein Einschlafen der erreichten Erfolge verhindern. 4. Zusammenfassung und Ausblick Auch für das Umsetzen von Innovationsprojekten ist nicht nur Kreativität gefragt, sondern es empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen in den sechs Projektphasen 1. Projektetablierung 2. Ist-Analyse 3. Zielkonkretisierung 4. Maßnahmenerarbeitung und -planung 5. Umsetzungsphase 6. Projektabschluss und der Übergang in die Alltagsroutine Wenn es gelingt, in diesen Phasen Sammlung und Diskussion zu trennen und Freiräume für Kreativität bewusst zu gestalten, dann steht einem erfolgreichen Innovationsprojekt nichts mehr im Weg. 5. Literatur Fuchs-Frohnhofen, P., Stahn, G. & Unger, H. (1997): Reorganisation durch Partizipation Interventionsansatz und Gestaltungswerkzeuge. In: W. Fricke Aktionsforschung und industrielle Demokratie. Forum Zukunft der Arbeit, Heft 6, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn Heeg, F.-J. (1993): Projektmanagement - Grundlagen der Planung und Steuerung von betrieblichen Problemlöseprozessen. REFA-Fachbuchreihe Betriebsorganisation. München /Wien Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) e.v. (Hrsg.) (1994): Projektmanagement-Fachmann - Fach- und Lehrbuch in zwei Bänden. Eschborn Schlicksupp, H. (1976): Kreative Ideenfindung in der Unternehmung Methoden und Modelle. Berlin/New York Sell, R. & Schimweg, R. (1998): Probleme lösen. In komplexen Zusammenhängen denken. Berlin Unger, H. (1998): Organisationales Lernen durch Teams - Methode und Umsetzung eines teambasierten Projektmanagements. München 187

187 Paul Fuchs-Frohnhofen, Manfred Borutta Unger, H. (1999): Projektmanagement. In: Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.v. (Hrsg.): Erfolgreich durch Lernen. Köln 188

188 9. Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse und der Einsatz unterschiedlicher Formen von Mitarbeiterbefragungen und Workshops Sandra Dörpinghaus, Paul Fuchs-Frohnhofen Inhalt 1. Einleitung 2. Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse 3. Schriftliche Mitarbeiterbefragung 4. Qualitative leitfadengestützte Interviews 5. Offene Metaplan-Sammlungen / Workshops 6. Fazit 7. Literatur 1. Einleitung Viele Einrichtungen oder Unternehmen der Gesundheitsbranche möchten gerne Innovationsprojekte in ihren Häusern durchführen, wissen aber vielfach nicht, wo sie ansetzen sollen. Für die Identifikation und Durchführung von (Innovations-) Projekten ist es jedoch von erheblicher Bedeutung, über ausreichende Kenntnisse der Grundbedingungen zu verfügen. Dies gilt sowohl für die allgemeine Ausgangslage in der Gesundheits- und Pflegebranche als auch für den spezifischen Ist-Stand in der Einrichtung, sprich die Fragen, wie die jeweilige Einrichtung gegenüber den allgemeinen Herausforderungen aufgestellt ist, welche spezifischen Arbeitsbelastungen aber auch Ressourcen vorhanden sind und welche konkreten Erwartungen und Ideen die Mitarbeiter mit Blick auf ein Modellprojekt haben. Im Rahmen des PIA-Projektes wurden für die Analysephase in den beteiligten Krankenhäusern, ambulanten Diensten sowie stationären Pflegeeinrichtungen die Instrumente der schriftlichen Mitarbeiterbefragung, der qualitativen leitfadengestützten Interviews sowie der offenen Metaplan-Sammlung genutzt, die im Folgenden näher erläutert werden sollen. 189

189 Sandra Dörpinghaus, Paul Fuchs-Frohnhofen 2. Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse Für die Durchführung einer Ist-Analyse-Phase hat sich ein schematisches Vorgehen bewährt, welches sich aus sechs Schritten zusammensetzt und sowohl feste als auch flexibel wählbare Bausteine besitzt. Abb. 1: Methodisches Vorgehen in den Einrichtungen in der Ist-Analyse Phase (Quelle: Institut Arbeit und Technik) In einem ersten Schritt wird zunächst einmal der Kontakt zur Leitungsebene (Geschäftsführung oder Pflegedirektion) gesucht, um eine erste vorläufige Problemanalyse und Themenklärung für das anstehende Innovationsprojekt durchzuführen. Je nach Einrichtungskultur und Thema können auch weitere Beteiligte an dieser Sitzung teilnehmen. Als vorteilhaft erweist sich die Bildung eines Projektteams (bestehend aus Leitungsebene, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Pflege, Mitarbeitervertretungen bzw. Betriebsrat und Angehörige anderer Berufsgruppen sofern thematisch passend und erforderlich), welches im kompletten Projektverlauf bestehen bleibt und sich regelmäßig austauscht und somit als Lenkungskreis für das innerbetriebliche Innovationsprojekt fungiert. 190

190 Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse Nach der ersten Selbsteinschätzung insbesondere aus Sicht der Leitung wird darauf aufbauend die Vorgehensweise und Methodik der Ist-Analyse von den Beteiligten gemeinsam festgelegt. Der dritte und vierte Schritt umfasst die eigentliche Durchführung des schriftlichen Befragung bzw. der Interviews sowie die Auswertung. Ein wichtiges Thema ist hierbei die Wahrung der Anonymität der Beteiligten, dies bedeutet, dass die Ergebnisse möglichst extern ausgewertet und so zusammengefasst werden müssen, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind. Im fünften Schritt werden diese Ergebnisse dann der Leitungsebene bzw. dem Projektteam sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung vorgestellt. Transparenz gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist insofern besonders wichtig, um den Beteiligten und Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich über die Ergebnisse zu informieren und so auch für zukünftige Projekte und Befragungen die Bereitschaft und Motivation zu erhalten. Die Ergebnispräsentation für die Leitungsebene und die Mitarbeitenden kann wahlweise in einem oder aber in zwei unterschiedlichen Schritten aufeinander aufbauend geschehen. Der sechste und letzte Schritt beinhaltet schließlich die Fokussierung auf Probleme und somit die Festlegung auf ein Thema für das Innovationsprojekt aufbauend auf den Ergebnissen der Befragungen. Dies kann eine Bestätigung oder Priorisierung der bereits im ersten Schritt mit der Leitungsebenes bzw. dem Projektteam angesprochenen Themen sein, in manchen Fällen können sich aber auch ganz neue Themen herauskristallisieren, die seitens der Beschäftigten für wichtig erachtet werden. 3. Schriftliche Mitarbeiterbefragung Eine gängige Methode, um die spezifische Ist-Situation der Arbeitsbedingungen in den beteiligten Einrichtungen abzubilden, ist die Durchführung einer schriftlichen Mitarbeiterbefragung. Diese erlaubt es, die Perspektive der Pflege selbst (sowie ggf. ergänzt durch andere) zu erheben, die Probleme und Belastungen, aber auch Arbeitszufriedenheit zu verstehen, Möglichkeiten für Kritik und Verbesserungsvorschläge zu schaffen sowie Anstöße für die Ideenfindung bzw. Ideenkonkretisierung aus der Praxis zu erhalten. Zudem schafft es allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege die Möglichkeit, sich zu äußern und stellt so eine Form der Wertschätzung dar. Und nicht zuletzt gewährt die schriftliche Mitarbeiterbefragung mittels eines Fragebogens ein größtmögliches Maß an Anonymität. Für die Durchführung einer schriftlichen Mitarbeiterbefragung bietet es sich an, auf bestehende Instrumente zurückzugreifen. Ein Aufbau auf existente Analysen hat den Vorteil, dass die Fragebogenkonzeption im Großen und Ganzen schon erarbeitet und 191

191 Sandra Dörpinghaus, Paul Fuchs-Frohnhofen erprobt ist, zudem stehen Ergebnisse zur Verfügung, um die evaluierte Situation in der Einrichtung auch vergleichen und somit einordnen zu können. Einen breiten Überblick über die Situation, Arbeitsbedingungen und -belastungen der Pflege in Deutschland wie auch im internationalen Vergleich gibt beispielsweise die NEXT (nurses early exit study) Studie, welche zum Ziel hat, Gründe für das vorzeitige Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Pflegeberuf zu eruieren. 1 Hierbei werden neben grundlegenden Daten die Themen Arbeitsexposition und Anforderungen am Arbeitsplatz, Soziale Aspekte, Arbeitsorganisation sowie Endpunkte angesprochen. Als weitere Referenzinstrumente sind darüber hinaus die DAK/BGW-Gesundheitsreports zur ambulanten, stationären und Krankenhaus-Pflege oder aber das Pflege-Thermometer des Deutsche Instituts für angewandte Pflegeforschung e.v. (dip) zu nennen. Im Rahmen des PIA-Projektes wurde vom Institut Arbeit und Technik ein Fragebogen erstellt, der neben Elementen aus den aufgeführten Befragungen auch die Möglichkeit bot, einen individuellen Fragenblock zu ergänzen, der ein für die Einrichtung spezifisches Thema näher beleuchtete. Dies war beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen der Pflege und dem ärztlichem Dienst im Krankenhaus oder aber Spezielle Arbeitsbelastungen in der ambulanten Pflege. Insgesamt setzt sich der Fragebogen aus folgenden Themen zusammen: A. Allgemeine Angaben (Alter, Qualifikation, Berufserfahrung etc.) B. Anforderungen und Möglichkeiten bei der Arbeit (Entscheidungsspielraum, Entwicklungsmöglichkeiten, körperliche und psychische Belastungen) C. Soziales und Organisation (Verhältnis zu anderen Berufen und Vorgesetzten, Kommunikation, Aufgabenteilung) D. Auswirkungen (körperliche und psychische Folgen der Arbeit, Arbeitszufriedenheit, Identifikation) E. Spezifischer einrichtungsinterner Fragenblock (falls sinnvoll und gewünscht) Der größte Teil des Fragebogens sind Fragen bzw. Aussagen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, ein Teil der Fragen insbesondere zu Verbesserungsbedarfen und Innovationsideen stellen offene, frei zu beantwortende Fragen dar. Insgesamt beläuft sich der Zeitaufwand der Befragten für die Ausfüllung des Fragebogens den Erfahrungen zufolge auf rund 30 Minuten

192 Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse Abb. 2: Beispielfragen einer schriftlichen Mitarbeiterbefragung (Quelle: Simon et al / Institut Arbeit und Technik) Wie bereits angesprochen ist es bei Mitarbeiterbefragung von hoher Relevanz, sicherzustellen, dass die Anonymität der Befragten gewährleistet wird. Dies gilt zum einen, um eine entsprechende Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen, aber auch, um die Offenheit der Befragten zu unterstützen und sozial erwünschte Antworten dem Arbeitgeber gegenüber möglichst zu vermeiden. Im Falle der Mitarbeiterbefragungen im PIA-Projekt wurde dem Aspekt der Anonymität insofern besondere Beachtung geschenkt, als dass das Institut Arbeit und Technik aus Gelsenkirchen als externe Institution für die Durchführung und Auswertung der schriftlichen Befragung verantwortlich war. Die Fragebögen wurden an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege entweder durch die Übersendung zusammen mit der Lohnabrechnung oder aber in den Teamsitzungen gemeinsam mit einem neutralen Rückumschlag verteilt. Diese konnten in einer verschlossenen Box an festgelegten Orten in der Einrichtung eingeworfen oder aber von den Befragten auch direkt nach Gelsenkirchen geschickt werden. Die Auswertung und Präsentation der Ergebnisse fand dann ebenfalls unter strikter Wahrung der Anonymität statt, indem die Ergebnisse so in zusammengefasster Form präsentiert wurden, dass die Aussagen nicht auf einzelne Personen zurückzuführen waren. 4. Qualitative leitfadengestützte Interviews Qualitative leitfadengestützte Interviews sind als Mitarbeiterbefragungsinstrument in den Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesen noch nicht sehr präsent, dennoch konnten in den im Rahmen von PIA zur Ist-Analyse durchgeführten Interviews sehr gute Erfahrungen verzeichnet werden. Insbesondere eignet sich die Methode der Interviews dazu, vertiefende Analysen zu einem vorab bereits sondierten Themengebiet zu erhalten, zudem können mittels Interviews mehrere Perspektiven befragt (Pflege, Ärzte, Patienten und Angehörige) und die gewonnen Erkenntnisse gegeneinander gestellt werden. Darüber hinaus eignen sich qualitative Interviews mit ausgewählten Personen besonders dann, wenn in der Vergangenheit schon eine Reihe von schriftlichen Befragungen in anderen Zusammenhängen (zum Beispiel Zertifizierungen etc.) stattgefunden hat. 193

193 Sandra Dörpinghaus, Paul Fuchs-Frohnhofen Die Durchführung von qualitativen leitfadengestützten Interviews setzt sich aus folgenden Bausteinen zusammen: Der erste Schritt ist die Vorbereitungsphase, in der zum einen das Einverständnis für die Durchführung qualitativer Interviews mit den Beschäftigen durch den Betriebsrat bzw. die Mitarbeitervertretung sowie den Patienten bzw. deren Angehörige eingeholt werden muss. Zum anderen ist die Entwicklung eines Interviewleitfadens (evtl. mehrere je nach Befragungsperspektive), der wichtige Themen und Leitfragen enthält, Bestandteil der Vorbereitungsphase. Ziel ist es, dass sich ein Gespräch entwickelt, bei welchem der Interviewte seine Antworten frei formulieren kann und es ist ihm überlassen ist, wie detailliert er auf gewisse Fragen antworten möchte. In die Vorbereitungsphase fällt darüber hinaus auch die Terminkoordination mit den Interviewpartnern. Der zweite Schritt ist die eigentliche Durchführung der qualitativen Interviews. Hierzu bietet sich ein geschützter und ruhiger Raum an, um eine entsprechende Gesprächsatmosphäre zu generieren. Zur Vereinfachung der Auswertung der Interviews und um sich während des Gespräches rein auf die Interviewführung konzentrieren zu können, kann das Gespräch nach Absprache mit den Interviewpartnern mittels eines Diktiergerätes aufgezeichnet werden. Hierbei muss dem Interviewten überzeugend versichert werden, dass die Aufnahme nur für die interne Auswertung verwendet wird, um eine offene Gesprächssituation herstellen zu können. Die Auswertung der Interviews beginnt mit der Verschriftlichung der Aufnahmen des Diktiergerätes. Darauf aufbauen können die Texte zusammengefasst und nach relevanten Kriterien qualitativ ausgewertet werden. Die Ergebnisaufbereitung und -darstellung sowie die Präsentation in der Einrichtung zusammen mit der Diskussion um mögliche Konsequenzen und Inhalte für das durchzuführende Innovationsprojekt stellen den letzten Schritt der Ist-Analyse dar. 5. Offene Metaplan-Sammlung / Workshops Manchmal empfiehlt es sich, in einer Ist-Analyse auch die Methode einer offenen Metaplan-Sammlung im Rahmen von Workshops anzuwenden. Diese Methode wurde im Rahmen des PIA-Projektes z.b. im Senioren und Pflegezentrum St. Antonius eingesetzt. So konnten die Projektbegleiter sich ein auch emotionales Bild von der Stimmung in verschiedenen Arbeitsbereichen der Einrichtung machen und es gab die Möglichkeit, auf Nachfragen direkt zu antworten und bestimmte zusätzliche Themen der Mitarbeiter/innen, die vorher nicht bekannt waren, aufzunehmen. 194

194 Methodisches Vorgehen bei der Ist-Analyse Abbildung 3 zeigt eine Wandzeitung aus einem der entsprechenden Workshops: Abb. 3: Metaplan-Sammlung an einer Wandzeitung im Rahmen der Ist-Analyse (Quelle: MA&T) 6. Fazit Für die Auswahl und Fokussierung von Themen im Rahmen von Innovationsprojekten von Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft können Mitarbeiterbefragungen bzw. Workshops eine Unterstützung bei der schwierigen Ideenfindung bieten. Die Erfahrungen des PIA-Projektes haben gezeigt, dass Mitarbeiterbefragungen in Einrichtungen problemlos durchführbar sind und wertvolle Ergebnisse liefern. Dies betrifft vor allem die Tatsache, dass seitens der Pflege nicht nur über die schlechten Arbeitsbedingungen und mangelnden Ressourcen geklagt wurde, sondern durchaus konstruktive Vorschläge zur Verbesserung der Situation auch unter bestehenden Möglichkeiten geäußert wurden. Darüber hinaus leisten solche Instrumente einen 195

195 Sandra Dörpinghaus, Paul Fuchs-Frohnhofen Beitrag zur Wertschätzung durch die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aufgrund einer hohen Arbeitsdichte in den Unternehmen selbst sowie um den Fakt der Anonymität zu unterstützen bietet es sich bei der Durchführung von Mitarbeiterbefragungen, Interviews oder Workshops an, auf externe fachliche Kompetenz zurückzugreifen. Mit Blick auf die Ergebnisse bleibt festzuhalten, dass die in einem ersten Gespräch mit der Leitungsebenen angedachten Themen teilweise bestätigt wurden, in anderen Fällen kamen mittels der Befragungen und Interviews jedoch völlig neue Themen auf die Agenda. Interessant ist auch, dass unter dem Stichwort Innovationen seitens der Pflege teilweise Verbesserungen mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Versorgung der Patienten oder Veränderungen der Kernprozesse (Kommunikations- und Abstimmungsprozesse) im Fokus standen. Im Rahmen des Projektes wurde aber ebenso deutlich, dass auch kreative Ideen im Gesundheitswesen möglich sind, dies zeigen exemplarisch die Beispiele der Etablierung einer Essensgruppe für demenzerkrankte Patienten im Krankenhaus oder aber die Diskussionen um eine neue Arbeitsteilung und der Integration neuer Berufsgruppen im Krankenhaus. 7. Literatur BGW / DAK (2006): BGW-DAK Gesundheitsreport 2006 Ambulante Pflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit in ambulanten Pflegediensten. BGW / DAK (2005): BGW-DAK Gesundheitsreport 2005 Stationäre Krankenpflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Pflegenden in Einrichtungen der stationären Krankenhauspflege in Deutschland vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Gesundheitssystems. BGW / DAK (2003): BGW-DAK Gesundheitsreport 2003 Altenpflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Pflegekräften in der stationären Altenpflege. Isfort, M. / Weidner, F. / Neuhaus, A. / Kraus, S. / Köster, V.H. / Gehlen, D. (2010): Pflege- Thermometer Eine bundesweite Befragung von Pflegekräften zur Situation der Pflege und Patientenversorgung im Krankenhaus. Herausgegeben von: Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.v. (dip), Köln. Simon, M. / Tackenberg, P. / Hasselhorn, H.-M. / Kümmerling, A. / Büscher, A. / Müller, B.H. (2005): Auswertung der ersten Befragung der NEXT-Studie in Deutschland. Universität Wuppertal

196 10. Den schwierigen Schritt von der IST-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen gestalten Paul Fuchs-Frohnhofen Inhalt 1. Einführung 2. Von der Ist-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen 3. Zusammenfassung und Ausblick 4. Literatur 1. Einführung In Kapitel 8 dieses Buches wurde ein Überblick gegeben, wie in einem einrichtungsspezifischen Innovationsprojekt entsprechend den Erfahrungen aus PIA vorgegangen werden kann. Dazu wird die Bearbeitung eines Projektes in 6 Phasen empfohlen. In diesem Kapitel sollen einige vertiefende Anregungen für die Phasen 4 und 5 gegeben werden es geht also darum, wie der Weg von der Ist-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen gestaltet werden kann. 2. Von der Ist-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen Ausgangspunkt der folgenden Darlegungen ist, dass in einer Einrichtung Thema und Ziel eines Innovationsprojektes sinnvoll festgelegt wurde, ein Projektlenkungsteam etabliert ist und die Beteiligten sich im Rahmen der Ist-Analyse einen Überblick über Stärken und Schwächen in der Ausgangssituation verschafft haben. Nun geht es darum, Maßnahmen zu sammeln und sich für Maßnahmen zu entscheiden, die eine hohe Wirkwahrscheinlichkeit und eine hohe Umsetzbarkeit versprechen. Aus den Erfahrungen des PIA-Projektes wird empfohlen, mit folgenden Methoden zu arbeiten: Brainstorming im Projektlenkungsteam, 197

197 Paul Fuchs-Frohnhofen ggf. vertiefende Analysen und Maßnahmenerarbeitung in problemspezifischen Projektteams, Gegenüberstellung verschiedener Handlungsoptionen bzw. Maßnahmenpakete und Erörterung der finanziellen, organisatorischen und sonstigen Voraussetzungen und Folgen, Entscheidung für eine Maßnahmenlinie, Umsetzung. Brainstorming im Projektlenkungsteam Beim Brainstorming im Projektlenkungsteam wird abgefragt und entweder direkt auf eine Flipchart oder auf Metaplan-Karten geschrieben und dann für alle sichtbar an eine Pinnwand geheftet, welche Maßnahmen die Beteiligten vorschlagen, um bezüglich des Gesamtproblems oder einzelner Teilbereiche zu Lösungen zu kommen. Dabei sollen die folgenden Regeln beachtet werden (vgl. Sell & Schimweg 2002, S. 78): Die Aufgabenstellung muss genau und für alle sichtbar formuliert werden (Beispiel: Benennen Sie mögliche Maßnahmen, wie die Wertschätzung für die Pflegemitarbeiter/innen in unserer Einrichtung verbessert werden kann!). Der Moderator /die Moderatorin sollte deutlich machen, dass jede Idee erlaubt ist (Oft scheuen sich Menschen Ideen, die Ihnen nicht direkt praktikabel oder bewährt erscheinen, überhaupt zu benennen. Eine solche Scheu kann dazu führen, dass wirklich innovative Ideen gar nicht auf den Tisch kommen, sondern nur das Altbewährte fortgeschrieben wird. Dem sollte in dieser Phase bewusst entgegengesteuert werden.). Jede/r soll so viele Ideen wie möglich entwickeln. Geäußerte Ideen sollen (dürfen) aufgegriffen und weiterentwickelt werden (Darin liegt ein besonderer Vorteil der teamorientierten Methode Brainstorming oft entsteht eine gute Idee erst, wenn ein Anstoß dazu von jmd. Anderem kommt.). Kritik an geäußerten Ideen ist zunächst, während des Brainstormings, nicht zulässig und wird auf später verschoben (Dies ist ein ganz wichtiger Hinweis, um neue Ideen nicht direkt im Keim zu ersticken. Wenn in Organisationen tatsächlich Innovationen konzipiert und umgesetzt werden sollen, dann ist es von fundamentaler Bedeutung, dass es Phasen der Projektarbeit gibt, in denen nur gesammelt wird und nicht direkt diskutiert und kritisiert. Zeitlich beschränkte aber inhaltlich offene Sammelphasen ohne Diskussion und Kritik sind ein effizientes Instrument zur Generierung neuer Ideen). 198

198 10. Von der IST-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen Jede Idee sollte schriftlich festgehalten werden (Sonst besteht die Gefahr, dass gute Ideen zwar geäußert aber nicht umgesetzt werden, da sie schlicht wieder vergessen werden.). Vertiefende Analysen und Maßnahmenerarbeitung in problemspezifischen Projektteams Erscheinen dem Projektlenkungsteam die selbst erarbeiteten Lösungsideen und Maßnahmenvorschläge noch zu unkonkret oder nicht genügend durchdacht, kann das Projektlenkungsteam die Bildung von Projektteams anregen, in denen z.b. bestimmte Mitarbeitergruppen oder bestimmte Kompetenz oder Erfahrungen vertreten sind, um Einzelaspekte einer Aufgabenstellung genauer auszuarbeiten. Diese Projektteams können neben der fachlichen Funktion auch die Aufgabe haben, die zu erarbeitende Problemlösung auf eine breitere Basis zu stellen, um bei der späteren Umsetzung eine höhere Akzeptanz zu erreichen. Denn die Erfahrung auch in PIA hat gezeigt, dass Mitarbeiter/innen, die an einem Projekt aktiv beteiligt sind, sich leichter tun, durch ein Projekt initiierte Veränderungen von z.b. Vorgehensweisen und Arbeitsschritten auch im Alltag zu akzeptieren und umzusetzen. Die Ergebnisse dieser Projektteams werden dann dem Projektlenkungsteam berichtet. Gegenüberstellung und Erörterung von Handlungsoptionen Nach der Sammlung von Lösungsideen und Maßnahmenvorschlägen geht es darum, im Projektlenkungsteam Vor- und Nachteile, Aufwand und Erfolgswahrscheinlichkeit von Lösungsvorschlägen gegeneinander abzuwägen und zu Entscheidungen zu kommen, welche der Ideen umgesetzt werden soll. Oft ergibt sich eine solche Entscheidung aus sachlichen Gründen recht schnell, in manchen Fällen ist aber ein sorgfältiger Bewertungs- und Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Ideen sinnvoll. In einem solchem Bewertungs- und Abwägungsprozess können z.b. die folgenden Fragen gestellt werden: Werden durch die vorgeschlagene Problemlösung Gegenkräfte hervorgerufen und wenn ja, erscheint es plausibel, dass diese Gegenkräfte in ihrer Bedeutung reduziert werden können? Unter Gegenkräften werden hier Personen, Argumente, Randbedingungen, Sachzwänge, Richtlinien, Gesetze und Sonstiges verstanden, was auch nur irgendwie dem angestrebten Ziel entgegenstehen könnte. Diese möglichen oder wahrscheinlichen Gegenkräfte sollten gesammelt werden und es sollten dazu passend Maßnahmen ge- 199

199 Paul Fuchs-Frohnhofen sammelt werden, wie diese Gegenkräfte reduziert werden können. Eine typische Gegenkraft bei best. Projekten ist z.b. das Budget bzw. mangelnde Geld- oder Personalmittel. Eine Methode zur Reduzierung dieser Gegenkraft ist z.b. das Benennen von Einsparungen oder die Generierung zusätzlicher Einnahmen durch das Projekt oder auch das konsequente Vertreten der Überzeugung, dass sich z.b. eine bessere Motivation von Mitarbeiter/innen langfristig auch finanziell positiv für Einrichtungen auswirkt. Eine andere Gegenkraft, die bei unterschiedlichen Arten von Projekten auftritt ist, dass bestimmte Personen durch ein Projekt Nachteile befürchten. Nachteile können z.b. Verluste an Macht und Ansehen oder unliebsame Veränderungen an Arbeitsabläufen sein. Hier bietet es sich des Öfteren an, Betroffene zu Beteiligten zu machen, Ausgleiche für Härtefälle anzubieten oder Kompensationen an anderer Stelle zu initiieren. Sollen z.b. Pflegekräfte bestimmte zusätzliche Aufgaben übernehmen, ist zu überlegen, wo ihr Arbeitsaufwand an anderer Stelle reduziert werden kann. Argumentiert z.b. ein Chefarzt im Hintergrund gegen bestimmte Veränderungen, kann es sinnvoll sein, ihn in das Projektlenkungsteam mit aufzunehmen. 200 Gibt es bisher nicht wahrgenommene fördernde Kräfte, die bei der Umsetzung eines Projektes hilfreich sein können? Ist zu den Maßnahmenvorschlägen diskutiert und abgewogen worden, welche Erfolgswahrscheinlichkeiten sie haben, ob sie finanzierbar sind, ob sie auf Zustimmung wichtiger Mitarbeitergruppen stoßen und ob sie wirklich zu langfristig positiven Folgen im Sinne der Projektziele führen? Eine solche Bewertung von Projektideen kann durch Diskussion erfolgen, manchmal können aber auch einfache grafische Methoden hilfreich sein. So zeigt die folgende Tabelle die Einschätzung eines Projektteams bzgl. der Umsetzbarkeit von Maßnahmen (Auszug) des Gesundheitsmanagements in einer der PIA- Einrichtungen: Maßnahme Hilfreich? Realistisch? Umsetzung Initiieren? Vereinsbuch des benachbarten Sportvereins unter ja den Mitarbeiter/innen verteilen Durch den Arbeitgeber bezahlte Rücken-massagen anbieten nein

200 10. Von der IST-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen Mehr Personal einstellen um gesundheitl. Belastung durch die Arbeit zu reduzieren Angebote durch interne Krankengymnasten auch den Mitarbeitern vergünstigt zur Verfügung stellen Abb. 1: Abfrage: Sind Maßnahmen hilfreich und realistisch? nein ja Durch die grafische Darstellung der Kategorien hilfreich und realistisch durch den Moderator auf Zuruf der Projektgruppe konnte die Einigung über die Auswahl der weiter zu verfolgenden Maßnahmen rasch erfolgen. Die Gefahr einer solchen Vorgehensweise liegt darin, dass zu schnell pauschalen Äußerungen gefolgt wird, ohne sich die Mühe einer genaueren Abwägung zu machen. Wenn es darum geht, auf der Basis gesammelter Ideen und Vorschläge zu einem Maßnahmenplan zu kommen, der auch umgesetzt werden soll, treten des Öfteren auch Probleme auf, die mit den inhaltlichen Gesichtspunkten wenig oder nur am Rande zu tun haben: Es gibt implizite oder heimliche Ziele von Projektbeteiligten, die nicht offen kommuniziert werden, aber die Einigung über bestimmte Maßnahmen behindern. Es gibt Zielkonflikte und ein unterschiedliches Zielverständnis, wodurch die Einigung auf best. Maßnahmen erschwert wird. Jeder will Recht bekommen, bzw. seinen Vorschlag durchsetzen. Es kommt zu einer Überlagerung von fachlicher und persönlicher Ebene. Das Team reibt sich an Diskussionen über Nebensächlichkeiten auf. Einzelne Beteiligte halten aus Prinzip am Bisherigen fest und verweigern sich grundsätzlich gegen Neuerungen. Angst vor der Verantwortung, die man durch eine Entscheidung für bestimmte Maßnahmen übernimmt, lähmt die Gruppe und allgemeine Skepsis und - durch die parallele Alltagsarbeit bestimmter Zeitdruck - verhindern ein mutiges Voranschreiten. 201

201 Paul Fuchs-Frohnhofen Bei all diesen Problemen ist das Geschick und der Mut des Moderators oder Projektkoordinators gefragt, diese unterschwellige Probleme anzusprechen, sie zu explizieren und in einer wertschätzenden Art so zu kommunizieren, dass den Beteiligten eine Gesichtswahrung ermöglicht und dennoch das Innovationsprojekt zur Umsetzung gebracht werden kann. Entscheidung für ein Maßnahmenpaket Schließlich muss im Projektlenkungsteam ein Maßnahmenpaket verabschiedet und konkret festlegt werden, wer sich zur Realisierung der Problemlösung bis wann um was genau kümmert. Für die zu ergreifenden Maßnahmen muss also ein Handlungsplan verabschiedet werden, in dem die zeitliche Perspektive und die Verantwortlichkeiten ebenso festgelegt sind, wie Reflektionsschleifen, in denen überprüft wird, ob die zu ergreifenden Maßnahmen tatsächlich zur Zielerreichung und Problemlösung führen. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft den Auszug aus einem solchen Handlungsplan. Wer? Was? (Bis) Wann? 20 Stück Vereinsbuch des benachbarten Sportvereins besorgen und unter den Mitarbeiter/innen Jürgen Schuster verteilen Annemarie Cordes Mit der GF besprechen, inwieweit Angebote der interne Krankengymnasten auch den Mitarbeitern vergünstigt zur Verfügung gestellt werden können und bei positivem Feedback die Umsetzung koordinieren Victor Hansen Abb. 2: Handlungsplan Reflektionstreffen des Projektlenkungsteams einberufen, um die Umsetzung der verabschiedeten Maßnahmen zu reflektieren und ggf. nachzusteuern Die Umsetzungsphase Die erarbeiteten Maßnahmen müssen koordiniert und durch die Projektleitung umgesetzt werden. Dabei sollte immer wieder abgeglichen werden, ob die Erfolgswahr- 202

202 10. Von der IST-Analyse zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen scheinlichkeit der Maßnahmen weiter gegeben ist oder ob der Maßnahmenplan auf Grund der Umsetzungserfahrungen revidiert oder angepasst werden muss. 3. Zusammenfassung und Ausblick Oft tun sich Organisationen schwer, von der Aufdeckung von Fehlern und Mängeln, die sie im Rahmen einer Ist-Analyse festgestellt haben, zur Generierung und Umsetzung machbarer Ideen zu gelangen. In diesem Kapitel werden einige methodische Hinweise gegeben, die helfen können, diesen Prozess lösungsorientiert zu gestalten. Wird diesen Hinweisen gefolgt, zeigt sich in vielen Organisationen, dass ein großes Potenzial von innovativen Lösungsideen für viele Fragestellungen bei den Mitarbeitenden vorhanden ist. 4. Literatur Sell, R. & Schimweg, R. (2002): Probleme lösen. In komplexen Zusammenhängen denken. Berlin, Springer, 6. Auflage. 203

203 204

204 11. Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen Inhalt 1. Gestiegene pflegefachliche Anforderungen 2. Haftungs- und leistungsrechtliche Anforderungen 3. Bruchstellen zwischen Pflegewissenschaft und Pflegepraxis 4. Innovationen über strukturelle Kopplung unterschiedlicher Referenzebenen (Person-Organisation-Ansatz) 5. Innovationsmanagement als Bildungsintervention 6. Die Module des theoretischen Teils der Weiterbildung 7. Beispielhafte Projekte in der Qualifizierung zum/zur Innovationsmanager/in 8. Weiterentwicklung der Qualifizierungsmaßnahme Innovationsmanagement 9. Literatur 1. Gewachsene pflegefachliche Anforderungen Die vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) veröffentlichten sieben Expertenstandards stellen die derzeit bundesweit zu diesen kernpflegerischen Themen beste Evidenz in der Pflege dar. Die bis März 2009 vom DNQP herausgegebenen sieben Expertenstandards entsprechen jedoch lediglich der Evidenzklasse IV (Evidenz aufgrund von Berichten/Meinungen von Expertenkreisen, Konsensuskonferenzen und/oder klinischer Erfahrungen anerkannter Autoritäten) im Sinne der Klassifizierung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierter Medizin e.v. (ebm Deutsches Netzwerk) 1. 1 Sämtliche auch im deutschsprachigen Bereich dargestellten Kriterien für wissensbasierte Belege leiten sich von der (vierstufigen) Einteilung der AHCPR (Agency for Health Care Policy and Research, USA) ab (vgl.: Behrens & Langer 2010). 205

205 Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen Dabei vertritt das DNQP den Anspruch, mit der Publikation der Expertenstandards zentrale Pflegethemen den Pflegefachkräften in geeigneter, das heißt in wissenschaftlich aufbereiteter Form, zugänglich 2 zu machen. Die Autorinnen und Autoren der Standards verweisen darauf, dass stationäre Einrichtungen und ambulante Anbieter von Gesundheitsleistungen lernen müssen (Hervorh. Borutta), ihre Interventionsangebote hinsichtlich der Effektivität zu bewerten 3 und insofern die Expertenstandards für Pflegefachkräfte in Einrichtungen des Gesundheitswesens eine Lernchance darstellen würden. 4 Entgegen diesen wie selbstverständlich formulierten Erwartungen der Expertengruppe des DNQP und entgegen der seit über fünf Jahren bestehenden öffentlichen Zugänglichkeit der Expertenstandards, bleibt festzustellen, dass offenkundig erhebliche Übersetzungsprobleme in den Pflegeeinrichtungen zu verzeichnen sind. So zeigen die Qualitätsprüfungen in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz für das Jahr 2008 eine ernüchternde Bilanz. Demnach weisen über 50 Prozent der in 2008 geprüften ambulanten Einrichtungen (N = 102) und über 40 Prozent der stationären Einrichtungen (N = 205) eine gefährdenden Status beim Thema Sturzprophylaxe auf (MDK, 2009). 5 Der nach 118 Abs. 4 SGB XI vorzulegende (zweite) Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.v. (MDS) verdeutlicht in seiner Mängeldarstellung für das gesamte Bundesgebiet komplementär hierzu, dass in 20 Prozent der ambulanten Dienste und in 14 Prozent der stationären Einrichtungen keine Ursachenanalyse bei Sturz und ähnlichen kritischen Situationen erfolgt (MDS, 2007, S. 18ff). Der DNQP-Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege wurde jedoch bereits im Februar 2006 veröffentlicht. 2. Haftungs- und leistungsrechtliche Anforderungen Stürze und Sturzfolgen stellen ein zentrales Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Versicherungsträgern (Krankenkassen) und Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen dar. Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich zwischen Juni 2000 und November 2009 allein in 26 Fällen mit Sturzereignissen im Bereich der stationären Pflege. Stürze pflegebedürftiger Menschen und die Nichteinhaltung entsprechender Standards zur Vermeidung derselben können für die Dienste und Einrichtungen schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. So ist eine Kündigung des Versorgungs- 2 DNQP: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, DNQP: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, a.a.o., S. 6 4 vgl. DNQP: Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, a.a.o., S. 7 5 Weitere 17 Prozent der ambulanten und 33 Prozent der stationären Einrichtungen weisen einen lediglich ausreichenden Status in der Sturzprophylaxe auf. 206

206 11. Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes vertrages (gem. 74 Abs. 2 SGB XI) dann nicht auszuschließen, wenn die mangelnde Berücksichtigung von Expertenstandards zu einem relevanten Thema des Prüfberichts des MDK werden. S. Görres et al. stellen hierzu fest, dass die Prüfberichte und die darin enthaltene Prüfmatrix nicht selten von Kreditinstituten eingefordert werden, um Kreditrichtlinien festzulegen (Görres et al., 2008, S. 10). Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) hat der Gesetzgeber seit dem 1. Juli 2008 die Anwendung der Expertenstandards zur Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen erhoben ( 112 Abs. 2 SGB XI). Die Entwicklung und Fortschreibung von Qualitätsinhalten in der Pflege durch Expertenstandards ( 113a) stellt eine von insgesamt drei Säulen der Weiterentwicklung von Pflegequalität im PfWG dar. In einer rechtlichen Konnexion wird hiervon sogar die Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag abhängig gemacht ( 72 Abs. 3 SGB XI). Nach 113a SGB XI sind die Vertragsparteien zudem verpflichtet durch die Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlich fundierter und fachlich abgestimmter Expertenstandards die Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege zu sichern. Der Gesetzgeber legt hierzu fest: Expertenstandards tragen für ihren Themenbereich zur Konkretisierung des allgemein anerkannten Standes der medizinisch-pflegerischen Erkenntnis bei. ( ) Der Auftrag zur Entwicklung oder Aktualisierung und die Einführung von Expertenstandards erfolgen jeweils durch einen Beschluss der Vertragsparteien ( 113a Abs. 1 SGB XI). Die Expertenstandards stellen für den Gesetzgeber ein ausgesprochen wichtiges Instrument der internen Qualitätsentwicklung in der Pflege dar. Denn: Pflegebedürftige Menschen haben einen Anspruch darauf, dass sie entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse gepflegt werden. 6 Diesbezüglich haben die Vertragsparteien (der GKV-Spitzenverband, die Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände) mit Datum vom 30. März 2009 eine Vereinbarung nach 113a Abs. 2 Satz 2 SGB XI über die Verfahrensordnung zur Entwicklung von Expertenstandards zur Sicherung und Weiterentwicklung in der Pflege geschlossen, die mit Schreiben vom 10. März 2009 vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) genehmigt worden ist. Die Verfahrensordnung legt das Verfahren zur zukünftigen Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlich fundierter und fachlich abgestimmter Expertenstandards fest. Die Vertragsparteien haben Einvernehmen darüber hergestellt, dass vorrangig Beschlüsse über die Aktualisierung der bisher entwickelten nationalen Expertenstandards (unter Berücksichtigung des Urheberrechts) herbeigeführt werden sollen. 6 Bundestagsdrucksache 16/7439: Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) 2007, S

207 Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen 3. Bruchstellen zwischen Pflegewissenschaft und Pflegepraxis Als Rahmenstandards sind die DNQP-Expertenstandards Teil des derzeit gültigen pflegewissenschaftlichen Wissens aber ebenso Teil einer professions- und systemspezifischen Problemlage. Bestehen aus Sicht der Pflegewissenschaft, aus der Perspektive des Gesetzgebers und der Vertragspartner nach 113a SGB XI keine Zweifel an der Notwendigkeit der Expertenstandards im Sinne des state-of-the-art-prinzips und an der Umsetzungspflicht durch die Dienste und Einrichtungen der Pflege, so scheint diese normative Verhaltenserwartung von einem Großteil der Pflegeorganisationen nicht (an)erkannt zu sein. Die Umsetzung der pflegewissenschaftlich so einleuchtend erscheinenden Anforderungen, dass zeigen die Befunde der Prüfungen der MDK-Gemeinschaft sowie die vergleichsweise hohen Fallzahlen beim BGH (s.o.), scheint in den Organisationen des Pflegesystems nicht immer die erwartete Resonanz zu erzeugen. Die Pflegewissenschaftlerin D. Schaeffer (2006) stellt fest: Seit vor ungefähr einem Jahrzehnt begonnen wurde, mit großer zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland Pflegewissenschaft zu etablieren, wurde in kürzester Zeit eine Fülle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Konzepte erarbeitet, die jedoch keineswegs so ihren Weg in die Praxis finden, wie einst erhofft. ( ) Landauf landab ist die Klage zu hören, das neues Wissen an der Pflegepraxis abprallt und ergo nicht aufgegriffen wird (Schaeffer, 2006, S. 3). 4. Innovationen über strukturelle Kopplung unterschiedlicher Referenzebenen (Person Organisation Ansatz) Mit herkömmlichen Bildungsansätzen aus dem quartären Bereich von Fort- und Weiterbildung kann der von Schaeffer und anderen beschriebenen Wissenshemmung unseres Erachtens nicht begegnet werden. Die strukturelle Kopplung an der Schnittstelle zwischen dem Lernen von Mitarbeiter/innen (systemisch: psychischen Systemen) und dem Lernen von Organisationen (systemisch: sozialen Systemen) bleibt in den Formen der Wissensvermittlung unberührt. Es kommt zu keiner nachhaltigen und tragfähigen Ausprägung veränderter Verhaltensweisen auf der personalen Ebene und zu keinen diese tragenden strukturellen Veränderungen. Bildungsangebote dieser Art bleiben somit in der Regel als Als-ob-Intervention (vgl. Ortmann, 2004) im Gestrüpp redundanter Organisationsregeln hängen. Die im Rahmen des PIA-Projekts entwickelte Qualifizierungsmaßnahme zum/zur Innovationsmanager/in greift deshalb einerseits die vg. fünf Kernprobleme (nach Brandenburg) auf und verbindet diese andererseits mit unterschiedlichen Referenzebenen. 208

208 11. Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes Die erste Referenzebene (personale Ebene) ist die der Pflegemitarbeiter/innen. An diese richtet sich das Angebot primär. Es widerspräche aber der Logik des vorgestellten Ansatzes, wenn wir es hierbei bewenden lassen würden. Als zweite Referenzebene (organisationale Ebene) soll deshalb die Pflegeorganisation, in der die Mitarbeiter/innen beschäftigt sind, miteinbezogen und angesprochen werden. Personen und Organisationen lernen je unterschiedlich. Wie sind aber dann die Zusammenhänge zwischen personalem und organisationalem Lernen zu sehen? Das Lernen von Personen unterscheidet sich vom Lernen der Organisation nicht zuletzt deshalb, weil letztere nicht über die Fähigkeit des Wahrnehmens verfügen. D.h. Organisationen können wenn überhaupt nur durch die schmale Pforte der Wahrnehmungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Mitarbeiter/innen neues Wissen generieren (vgl. Kap. 4.3). Mitarbeiter/innen entscheiden dabei sowohl im Rahmen der kategorialen Interpretation wie im Rahmen der substanziellen Interpretation darüber, welche Innovation in der Organisation möglich sind. Interpretation bezeichnet dabei eine Operation des Umsetzens von etwas (auftauchende Daten in der Umwelt der Organisation) in etwas anderes (relevante Information, die die Organisation aus diesen Daten gewinnt). Ob ein Datum überhaupt irgendeine Relevanz für eine Pflegeeinrichtung hat, darüber wird erst im Rahmen der kategorialen Interpretation entschieden. Ist die relevante Information (z.b. die Anforderungen aus den Expertenstandards) für eine Pflegeorganisation und die damit einhergehende Irritation von dauerhafter Bedeutung und muss die Organisation in Folge dessen, Sorge dafür tragen (um ihr Weiterleben zu sichern), dass es zur Nutzung neuen Wissens kommt, dann markiert eben dies eine substanzielle Interpretation. An beiden Interventionsebenen wirken vor allem und zuerst Mitarbeiter/innen in der Pflege mit. Sie stellen mit ihren Wahrnehmungsfähigkeiten die Pforte zur Innovation in der Organisation dar (vgl. hierzu u.a.: Groth, 2001; Willke, 1998; Wollnik, 1998; Borutta, 2007; Borutta 2009). Ohne Bezugnahme auf beide Referenzebenen haben innovative Interventionen keine Chancen dauerhaft und nachhaltig Wirkung zu entfalten. D.h., liegt die Wahrnehmungsbereitschaft und -fähigkeit, oder einfacher: die Neugier der Mitarbeiter/innen brach oder wird sie von der Organisation verhindert, so wird es kaum zur Generierung relevanter Informationen aus Daten kommen. Die Organisation entwickelt dann keine geeigneten Referenzmuster, die dafür sorgen (könnten), dass die von ihren Mitarbeiter/innen wahrgenommenen Veränderungsnotwendigkeiten und Alternativen zu den vertrauten, aber nicht mehr funktionalen Routinen, Geltung erfahren. 209

209 Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen Mit Bezug auf P. Senge beschreibt H. Willke (2001) Lernen als kunstvolles Spiel mit neuen Möglichkeiten, die sich auf der einen Seite aus individuellen Einsichten und Gruppeninnovationen ergeben, und die andererseits aus überraschenden Konstellationen des organisationalen Kontextes für individuelle Handlungsoptionen resultieren (Willke, 2001, S. 48). Dabei sei erstaunlich zu beobachten, dass begabte und fähige Menschen in einem bestimmten institutionellen oder organisatorischen Kontext verkümmern können, während sie in einem anderen Kontext zu sprühender Hochform auflaufen. Damit ist die Frage aufgeworfen, welche Anforderungen Personen an Organisationen stellen, damit sie eine Chance haben, mit ihren Fähigkeiten gehört, bemerkt und gefordert zu werden. Welche Voraussetzungen müssen im Zusammenspiel zwischen Mitgliedern und Organisation erfüllt sein, damit Personen nicht gegen ihre Organisation arbeiten und Organisationen nicht die Talente ihrer Mitglieder verkrüppeln? 5. Innovationsmanagement als Bildungsintervention Das Bildungsangebot Innovationsmanager/in in der Pflege möchte diese Frage beantworten und gleichzeitig praktische Anregungen für die stabile Veränderung von veränderungsbedürftigen Routinen liefern. Es bietet dabei aber auch theoretische Reflexionsfolien an, mit denen Veränderungsbedarfe überhaupt erst erkannt werden können und dabei von den Routinen unterschieden werden, die (zur Zeit) keiner Veränderung bedürfen, um die Organisation oder Einheiten einer Organisation (Abteilungen, Bereiche etc.) überlebensfähig zu gestalten. Insofern gliedert sich das Angebot in drei Ebenen: Ebene I: Ebene II: Ebene III: Organisationstheoretische Grundlagen Instrumente der Wissensorganisation (Werkzeugkasten) Generierung und Etablierung beispielhafter Innovation in den Projekteinrichtungen Das Angebot umfasst insgesamt 140 Stunden (76 Ustd. Theorie und 64 Std. Praxis) und beinhaltet in der Theorie die folgenden sechs Module: 1. Grundlagen des Innovations- und Wissensmanagements in Pflegeorganisationen; Erkennen von Risikopotenzialen und Innovationserfordernissen 2. Wissensbasierung und -generierung in der Pflege 3. Instrumente des Innovationsmanagement 4. Moderation und Kommunikation im Innovationsprozess 5. Projektmanagement als Methode und Projektreflexion 6. Präsentation der Innovationsprojekte 210

210 11. Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes In der Praxis beinhaltet das Bildungsangebot die geplante Implementierung eines Innovationsprojektes in der jeweiligen Pflegeeinrichtung der an der Weiterbildung Teilnehmenden. Die Projekte werden über die Projektreflexion im Theorieteil fachlich begleitet. Projekte eignen sich besonders für zielgerichtete Irritation bestehender Systemregeln, da sie diese zunächst nicht in Frage stellen bzw. gefährden, sondern für das System unschädlich Alternativen zu den bestehenden Routinen entwickeln helfen. Durch den Aufbau einer solchen auf einen bestimmten Bereich konzentrierten organisationsinternen Parallelwelt ist das Konflikt- und Destabilisierungspotenzial für die Gesamtorganisation zunächst eher gering, was zu einer höheren Akzeptanz in der Organisation führt, als die gezielte direktive Veränderung der Systemregeln, beispielsweise mit Hilfe der Hierarchie. Es kommt quasi zu einer Form der Problematisierung und der Optionsbildung (Wollnik, 1998) als Orientierungsoptionen, die von der Organisation anerkannt werden können. Hierdurch wiederum kann eine konstruktive Autokatalyse in Gang gesetzt werden: also eine gerichtete Selbständerung der Organisation als soziales System mit systemeigenen Mitteln, die im Veränderungsprozess selbst freigesetzt werden. 6. Die Module des theoretischen Teils der Weiterbildung Der theoretische Teil der Weiterbildung gliedert sich in Einführung Projektmanagement als Innovationsmethode Instrumente des Innovationsmanagements (I. und II.) Moderation und Kommunikation (I. und II.) Wissensgenerierung in der Pflege (I. und II.) Präsentation und Diskussion der Innovationsprojekte Reflexion Insgesamt umfasst die Weiterbildung damit 10 Tage (a 8 Ustd.), die um darin eingestreute drei Tage (a 4 Ustd.) Projektbegleitung ergänzt werden. 7. Beispielhafte Projekte in der Qualifizierung zum/zur Innovationsmanager/in Die an der Modellmaßnahme insgesamt 12 Teilnehmer/innen rekrutierten sich aus den Sektoren Krankenhaus, ambulante Altenhilfe, stationäre Altenhilfe und Pflegeausbildung. Sie sind beruflich innerhalb dieser Sektoren als Pflegedienstleitung, Qualitätsbeauftragte, stv. Leitung einer Pflegebildungseinrichtung, Stationsleitung, Wohnbereichsleitung, Pflegefachkraft und Physiotherapeut tätig. 211

211 Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen Die Heterogenität dieser Gruppe stellte methodisch-didaktisch entsprechende Anforderungen an die agierenden Referenten, da die Vorkenntnisse sehr unterschiedlich ausgeprägt waren und damit Unter- bzw. Überforderung die Anschlussfähigkeit der einzelnen Kursteilnehmer/innen nicht gefährden sollte. Andererseits sorgte allein die unterschiedliche Herkunft (Sektoren) und die unterschiedlichen Verantwortungsbereiche innerhalb der Organisationen für eine anregende und von Wertschätzung geprägte Auseinandersetzung in den Gruppenarbeiten und in den Plenumsdebatten. Diese konstruktive Heterogenität setzte sich innerhalb der zu bearbeitenden Innovationsprojekte mit den (hier beispielhaft benannten) Themen fort, die im Folgenden exemplarisch kurz dargestellt werden: a) Beruflich Pflegende als Innovatoren im Krankenhaus In diesem Projekt wurden die individuellen Kompetenzen pflegender Mitarbeiter/innen zum organisationalen Angelpunkt. Personalgebundene Fach- und Sozialkompetenzen wurden analysiert und im Hinblick auf ihre Passung und ihren Bedarf für die Organisation und ihre Einheiten hin beobachtet. Es zeigte sich im Laufe des Projekts, dass die Organisation mit ihrem primär auf die Erhaltung der Routine ausgerichteten Fokus eine ganze Reihe von vorhandenen und für die Organisation funktional bedeutsamer Kompetenzen der Mitarbeiter/innen sinnhaft nutzen konnte. Dies betraf sowohl fachliche Kompetenzen und Interessen von Mitarbeiter/innen (bspw. im Bereich des Wundmanagements) als auch soziale Kompetenzen wie Moderationsbereitschaft und -fähigkeit. b) Gemeinsame Schule gemeinsame Einführungsrituale Im Rahmen einer anstehenden Fusion zwischen einem Fachseminar für Altenpflege und einer in unmittelbarer räumlicher Nähe angesiedelten Krankenpflegeschule wurde nach Möglichkeiten gesucht, erste gemeinsam abgestimmte Schritte kooperativ anzugehen. Dabei kamen die Mitarbeiter/innen beider Ausbildungsstätten überein, die am gleichen Tag stattfindende Aufnahme neuer Auszubildender gemeinsam und einheitlich zu gestalten. Als (neue) Einführungsrituale wurde u.a. eine gemeinsame Messe (es handelt sich um einen konfessionell gebundenen Träger) und gemeinsame Erkundungen der näheren räumlichen Umgebung durch die neuen Auszubildenden vereinbart. Dabei diente zur symbolischen Unterstützung eine Schatztruhe. Mit Hilfe dieser Metapher wurden die vorhandenen Stärken sowohl der beiden Organisationen als auch der jeweiligen Mitarbeiter/innen beobachtet. Diese wiederum wurden dann für die Umsetzung der vg. neuen Rituale genutzt. c) Häusliche Betreuungsdienste für dementiell veränderte Menschen Eine bereits stark auf Diversifizierung setzende Einrichtung entwickelte als ein weiteres Komplement zu den bereits bestehenden Angeboten im Rahmen der Weiterbil- 212

212 11. Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes dung zur/zum Innovationsmanager/in einen neuen Betreuungsdienst für dementiell veränderte Menschen, die (noch) zu Hause leben. Dabei entwickelte die Weiterbildungsteilnehmerin in einer eigens hierzu eingerichteten Projektgruppe gemeinsam mit einer Weiterbildungseinrichtung u.a. ein Curriculum zur Schulung der (ehrenamtlichen) Betreuungskräfte. d) 10-Minuten-Re-Aktivierung für Mitarbeiter/innen Nicht die zu betreuenden Klienten standen im Zentrum dieses Innovationsansatzes; sondern die Mitarbeiter/innen einer stationären Pflegeeinrichtung. In Abstimmung mit der Geschäftsführung sollten pflegende Mitarbeiter/innen die Möglichkeit zur Teilnahme an Re-Aktivierungsangeboten erhalten. Dazu wurden körperliche Aktivierungsinterventionen vereinbart, die zeitlich am Ende der Vormittagspausen (je zu 5 Minuten als Pausenzeit und 5 Minuten Arbeitszeit) den Mitarbeiter/innen durch einen Physiotherapeuten (Teilnehmer der Innovationsmanagement-Weiterbildung) angeboten wurden. Dieser entwickelte entsprechend passende Bewegungsangebote für die Mitarbeiter/innen. e) Führung als zirkulärer Prozess: Möglichkeiten partizipativer Führung in der Hospizarbeit Im Zentrum dieser Innovationsidee stand die sukzessive Entwicklung eines partizipatorischen Führungsstils durch die Pflegedienstleistung in einer bislang stark hierarchisch geprägten Einrichtung. Dabei wurden kleinere managerielle Interventionen entwickelt, die über einen längeren Zeitraum implementiert, beobachtet und ausgewertet wurden. f) Motivationale Mitarbeiter/innen-Führung im Altenheim Dieses Projekt setzte sich mit Möglichkeiten der Analyse von intrinsischen und extrinsischen Motivationsaspekten und darauf aufbauenden Interventionsansätzen zur Motivation je unterschiedlicher Mitarbeiter/innen auseinander. Es zeigte sich im Laufe des Projekts, wie bedeutsam die genaue Analyse der unterschiedlichen Motive der Mitarbeiter/innen für deren berufliche Weiterentwicklung und für die Passung zu den organisationalen Anforderungen ist. 8. Weiterentwicklung der Qualifizierungsmaßnahme Innovationsmanagement Das Amt für Altenarbeit der StädteRegion übernimmt als einer der drei Projektpartner des PIA-Projekts die Verantwortung zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit über den Projektzeitraum hinaus. Dies bedeutet im Einzelnen: Verankerung der Projektergebnisse in Pflege- und Gesundheitskonferenzen, 213

213 Manfred Borutta, Paul Fuchs-Frohnhofen Aufnahme von Projektelementen in das eigene Weiterbildungs- und Beratungsangebot der Fort- und Weiterbildung für Pflegeberufe beim Amt für Altenarbeit, Einbindung des Projekts in strategische Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Gesundheitsregion Aachen, Transfer von Projektergebnissen zu anderen Regionen in NRW. In Bezug auf die Qualifizierungsmaßnahmen zum/zur Innovationsmanager/in bietet die Fort- und Weiterbildung ab 2011 eine an den Anforderungen des Marktes angepasste Version der Innovationsmanagement-Weiterbildung an (siehe: www-pflegeregio-aachen.de Fort- und Weiterbildung Amt für Altenarbeit Jahresprogramm 2011). Damit wurde das Programmangebot der Fort- und Weiterbildung um einen entscheidenden Baustein erweitert. Im Kontext der Beratungsarbeit mit den Pflegeeinrichtungen der Region fließen weitere Elemente aus der Weiterbildung Innovationsmanagement (bspw. Projektmanagement, Instrumente des Innovationsmanagements) ein. 9. Literatur: Behrens, J. u. Langer, G. (2010): Evidence-based Nursing and Caring, Bern Böhm, W. (1995): Theorie und Praxis, Würzburg Borutta, M. (2007): Von der lernenden zur kompetenten Organisation. In: PrinterNet 2/2007, S Borutta, M. (2009): Wissensmanagement in Bildungseinrichtungen Systemtheoretische Rekonstruktion eines Schlagwortes. In: PADUA Fachzeitschrift für Pflegepädagogik 5/2009, S Bundesregierung (2007): Entwurf eines Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz) Bundestagsdrucksache 16/7439, S. 83 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (Hrsg.) (2006): Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege, Osnabrück Görres, S. et al. (2008): Gutachten zu den MDK-Qualitätsprüfungen und den Qualitätsberichten im Auftrag der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.v., Bremen, S. 10 Groth, T. (2001): Der Entscheidungsbegriff in Luhmanns Systemtheorie Überlegungen zu den Feldern Organisation, Innovation und Beratung (unveröffentlichtes Manuskript) Habermas, J. (1995): Theorie des kommunikativen Handelns, Taschenbuchausgabe, Frankfurt a.m. Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.v. (MDS) (2007): 2. Bericht Qualität in der ambulanten und stationären Pflege, Essen Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (2009): Bericht Qualitätsprüfungen in ambulanten & stationären Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2008 Ortmann, G. (2004): Als ob. Fiktionen und Organisationen, Wiesbaden Schaeffer, D. (2006): Wissenstransfer in der Pflege ein Problemaufriss. In: Dies. (Hg.): Wissenstransfer in der Pflege. Ergebnisse eines Expertenworkshops, Bielefeld 214

214 11. Die Weiterbildung zum/zur Innovationsmanager/in Pflege ein Produkt des PIA-Projektes Willke, H. (1998): Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2. Aufl., Stuttgart Willke, H. (2001): Systemisches Wissensmanagement, 2. Aufl., Stuttgart Wollnik, M. (1998): Interventionschancen bei autopoietischen Systemen. In: K. Götz (Hg.): Theoretische Zumutungen. Vom Nutzen der systemischen Theorie für die Managementpraxis, 2. Aufl., Heidelberg, S

215 216

216 12. Die Weiterbildung zum/zur Ernährungsbeauftragten für stationäre Einrichtungen ein Produkt des PIA-Projektes Judith Kettler, Frank Finke, Bernd Bogert, Paul Fuchs-Frohnhofen Inhalt 1. Vorgeschichte Erfahrungen aus den Pflegeeinrichtungen 2. Vorarbeiten 3. Aufbau und Struktur der Weiterbildung 4. Erste Ergebnisse und Rückmeldungen der Weiterbildung 5. Ausblick 1. Vorgeschichte In den Angeboten/Veranstaltungen des PIA-Projektes, unter anderem im Rahmen von Workshops zum Thema Leitbild von Pflegeeinrichtungen, wurde deutlich, dass es in den Berufsfeldern Pflege, Hauswirtschaft und Küche Konfliktpotentiale gab. Das Verständnis für die jeweils andere Berufsgruppe war nicht oder nur wenig gegeben und die Kommunikationskultur war wenig ausgeprägt. Vor dem Hintergrund, dass die Einführung und die Umsetzung des Expertenstandards Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege in den Pflegeeinrichtungen Pflichtaufgabe ist, erschien es notwendig, in diesem Bereich zu Verbesserungen zu kommen. Reibungsverluste zwischen den einzelnen Berufsgruppen waren deutlich. Die Konflikte wurden dargestellt und aufgearbeitet. Die Ursachen für die Konflikte liegen häufig in der Unkenntnis über die Arbeitsinhalte der anderen Berufsgruppe und auch an der Qualität der Wertschätzung für die eigene und die Arbeit von Kolleg/innen. Ich muss ständig die Windeln wegräumen, sagt die Mitarbeiterin aus der Hauswirtschaft. Wieso schmiere ich immer die Brote, das ist doch dein Job, fragt die Mitarbeiterin aus der Pflege. Die meinen doch eh, sie sind die Besseren, ein Kommentar von einer Mitarbeiterin aus der Hauswirtschaft. Solche und vergleichbare Aussagen gab es von den Mitarbeiter/innen. 217

217 Judith Kettler, Frank Finke, Bernd Bogert, Paul Fuchs-Frohnhofen Um das Verständnis füreinander zu entwickeln, bedarf es der Bereitschaft, sich zuzuhören und aufeinander zugehen zu wollen. Die Einrichtungsleiter/innen sind an einer guten Kooperation im Team interessiert, da es die Arbeitszufriedenheit, die Arbeitsergebnisse und Zufriedenheit der Bewohner/innen erhöht. Besonders bedeutsam ist die Zusammenarbeit bei der Versorgung mit Essen und Trinken. Ohne ein Hand in Hand arbeiten ist die optimale Versorgung eines Bewohners kaum gegeben. Die Pflegekraft dokumentiert das Ess- und Trinkverhalten und aufgrund der Beobachtung werden Maßnahmen mit der Hauswirtschaft und der Küche getroffen. Der MDK (Medizinische Dienst der Krankenkassen) und die Heimaufsicht kontrollieren regelmäßig und unangemeldet die Einrichtungen. Der MDK vergibt die Pflegenoten, die veröffentlicht werden. Die Kriterien, die der MDK für seine Bewertungen nutzt, basieren auf dem o.g. Expertenstandard, der vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelt worden ist. Für die Umsetzung des Standards benötigen stationäre Alten- und Pflegeinrichtungen qualifizierte Mitarbeiter/innen mit fundierten Kenntnissen der aktuellen Anforderungen und der Bereitschaft, bereichsübergreifend zu kooperieren und das Wissen in die tägliche Praxis umzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist die Weiterbildung zum Ernährungsbeauftragten für stationäre Einrichtungen entwickelt worden. 2. Vorarbeiten Der Geschäftsführer der St. Gereon Altenhilfe, Bernd Bogert, hat im Rahmen des PIA-Projektes den Anstoß dafür gegeben, dass sich eine Hauswirtschafterin, ein Koch, der Geschäftsführer und eine Diplom-Oecotrophologin und Beraterin zusammengesetzt haben, um das Konzept, den Titel, die Ansprechpartner und die Voraussetzungen für die Weiterbildung zu diskutieren. Für den organisatorischen Rahmen hat MA&T die Verantwortung übernommen und für den Rahmen bezüglich Prüfung sowie Zertifizierung ist die IHK Aachen (Industrie- und Handelskammer Aachen) zuständig. 3. Aufbau und Struktur der Weiterbildung An der Weiterbildung kann ein ausgebildeter Koch, eine Pflegefachkraft oder eine Hauswirtschaftskraft mit zweijähriger Berufserfahrung in einer Pflegeeinrichtung teilnehmen. Die Weiterbildung besteht aus 6 Modulen, die jeweils eintägig angeboten werden. Modul 1 beinhaltet den Bereich Ernährungslehre und Diätetik. Vermittelt werden die Anforderung an Essen und Trinken im Alter, Informationen von Lebensmitteln, die die Qualität der Nahrung verbessern, Wissenswertes zum Thema Diätetik und Al- 218

218 12. Die Weiterbildung zum Ernährungsbeauftragten für stationäre Einrichtungen lergien, Maßnahmen bei Mangelernährung und die Umsetzung in der Menü- und Speiseplangestaltung. Bedeutsam ist auch die Reflexion des eigenen Ess- und Trinkstils, damit eine höhere Sensibilität gegenüber dem Bewohner besteht. Der Schwerpunkt in Modul 2 ist die Gerontologie. Dort werden die Lebensstile, die Kompetenz und die Veränderungen im Alter dargestellt. Das Thema Ethik und Menschenbild ermöglicht die Erkenntnis, welche Werte und Haltungen von den Mitarbeiter/innen vertreten werden und welche Werte es von älteren bzw. für ältere Menschen gibt. Inhaltlich wird in Modul 3 Essen als basale Stimulation Wissen über hochwertige Kostformen, pürierte Nahrung und Schaumkost vermittelt. Mit praxisbezogenen Beispielen wird auf die Bedeutung von bedarfsbezogenen und genussvollen Mahlzeiten hingewiesen. Auch die Zubereitung und das Anreichen von Fingerfood bedürfen einer kompetenten Absprache, damit der/die Bewohner/in optimal versorgt wird. Welche Anforderungen der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) an die Einrichtungen hat und worauf der Nationale Standard basiert ist Inhalt des Moduls 4. Im teamübergreifenden Erfahrungsaustausch wird die Bedeutung der Zusammenarbeit deutlich. Ein weiterer Punkt befasst sich mit der Hygiene in der Küche und im Umgang mit Lebensmitteln. Die Einführung und Umsetzung von Projektarbeit steht im Mittelpunkt von Modul 5. Durch eine bewusste Kommunikation und eine professionelle Anleitung von Mitarbeiter/innen ist es möglich, die Planung und Ausführung von Veränderungen teamübergreifend weiterzugeben. In Modul 6 Vertiefung und Prüfungsvorbereitung erhalten die Teilnehmer/innen die Möglichkeit, das Wissen aus den Modulen 1 bis 5 zu vertiefen und sich so auf die schriftliche, praktische und mündliche Prüfung optimal vorzubereiten. In den Modulen werden berufsgruppenübergreifende Arbeitsgruppen gebildet, in denen verschiedene Vorgehens- und Sichtweisen diskutiert werden. Durch diese Zusammenarbeit entsteht Verständnis für die anderen Berufsgruppen und Missverständnisse können geklärt werden. Die Weiterbildung legt einen Schwerpunkt auf die Kommunikation und Wertschätzung zwischen Pflege, Gastronomie und Hauswirtschaft. Darüber hinaus unterstützt die praxisbezogene und übergreifende Auseinandersetzung mit den Inhalten die individuelle Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Wissensvermittlung zum Thema Ernährung und Expertenstandard. Da sich der/die Ernährungsbeauftragte Schlüsselqualifikationen erarbeiten und ausbauen sowie seine Kenntnisse innerhalb seiner Pflegeeinrichtung weitergeben soll, wird im Rahmen der Weiterbildung regelmäßig die Möglichkeit für Vorträge der Teilnehmer/innen geboten. 219

219 Judith Kettler, Frank Finke, Bernd Bogert, Paul Fuchs-Frohnhofen 4. Erste Ergebnisse und Rückmeldungen der Weiterbildung Im ersten Durchlauf haben 16 Personen regelmäßig an der Weiterbildung teilgenommen und im Anschluss an diese die Zertifikatsprüfungen der IHK Aachen durchlaufen und bestanden. Zu den Teilnehmer(inne)n zählten acht Köche, zwei Pflegefachkräfte und sechs Hauswirtschafterinnen. Die Rückmeldungen zu den einzelnen Modulen und zu der Weiterbildung insgesamt waren sehr positiv. Die Weiterbildung wurde als empfehlenswert eingeschätzt. Positiv hervorgehoben wurden das vielfältige Angebot und die Praxisbezogenheit der Maßnahme. Die Teilnehmer/innen meldeten zurück, dass sie sich dem Bewohner nun näher fühlen und eine erhöhte Sensibilität für ältere Menschen gewonnen haben. Außerdem sei das Verständnis der Bereiche Pflege und Hauswirtschaft/Küche füreinander gewachsen. Die Teilnehmer/innen fühlen sich gut informiert, welche Anforderungen der MDK hinsichtlich der Pflegeplanung hat. Sie fanden außerdem die Darstellung von unterschiedlichen Kostformen nützlich sowie die Erkenntnis, dass ein Pürierstab für die Herstellung von Speisen bei Schluckstörungen ungeeignet ist. Abschließend wurde von den Teilnehmer(inne)n empfohlen, dass aus jeder Einrichtung mindestens zwei Mitarbeiter/innen an der Weiterbildung teilnehmen sollten, bzw. alle, die mit dem Thema Ernährung zu tun haben. 5. Ausblick In 2011 und 2012 wird die Weiterbildung zum/zur Ernährungsbeauftragten für stationäre Pflegeeinrichtungen wieder von MA&T und der IHK Aachen angeboten. Das Angebot soll zu einer höheren Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit beitragen, indem die Kommunikation verbessert und das Verständnis der Berufsfelder Pflege, Hauswirtschaft und Küche/Gastronomie weiterentwickelt wird. Diese Veränderungen sollen auch die Attraktivität des Arbeitsplatzes Pflege steigern, damit die zukünftigen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel besser bewältigt werden können. 220

220 13. Handlungsempfehlungen aus dem PIA-Projekt zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten in Krankenhäusern Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Inhalt 1. Einführung 2. Ausgangslage 3. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten im Krankenhaus 4. Ausblick 5. Literatur 1. Einführung Die Anzahl älterer sowie hochaltriger Patientinnen und Patienten in den Akutkrankenhäusern in Deutschland steigt seit Jahren deutlich an. Einhergehend mit dieser Entwicklung nimmt der Anteil derjenigen Patient(inn)en, die unter Multimorbidität leiden deutlich zu. Dies betrifft auch die Zunahme dementiell erkrankter Menschen, die meist aufgrund somatischer Beschwerden akutstationär behandelt werden. Entgegen dieser Fakten sind jedoch die Strukturen, die Ablauforganisation wie auch die Qualifikationsprofile der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vielen Allgemeinkrankenhäusern nicht oder nur selten auf die Versorgung älterer an Demenz erkrankter Patient(inn)en mit ihren speziellen Bedürfnissen hin ausgerichtet. Gerade vor dem Hintergrund der Einführung des DRG-Abrechnungssystems, welches mit starken Bemühungen um mehr Effizienz, Straffung und Rationalisierung einhergeht, liegt der Fokus der Krankenhäuser auf der Behandlung von akuten Krankheiten. Demenz stellt meist eine sogenannte Nebendiagnose dar, dementsprechend sind die Krankenhäuser im heutigen Zustand kaum auf die Betreuung von Menschen mit Demenz eingestellt. Zwar ist das Thema Demenz in Deutschland innerhalb der letzten Jahre verstärkt in den Fokus gerückt, gleichzeitig existieren aber zur Thematik Demenz im Krankenhaus erst vereinzelte Forschungs- und Projektergebnisse. Auch im Rahmen des PIA- Projektes haben sich die Krankenhäuser mit der Verbesserung ihrer Versorgung von 221

221 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus älteren an Demenz erkrankten Menschen beschäftigt. Ziel des vorliegenden Artikels ist es, einen kurzen Überblick über die Problemstellung sowie einige Handlungsempfehlungen für Krankenhäuser zum Umgang mit demenzerkrankten Menschen zu geben. 2. Ausgangslage Insgesamt summieren sich die Krankenhausaufenthalte von Patientinnen und Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter im Jahr 2009 auf 7,7 Millionen. Von der Zunahme älterer Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern sind die verschiedenen Fachdisziplinen jedoch in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Insbesondere internistische sowie orthopädische bzw. unfallchirurgische Stationen verzeichnen neben der Geriatrie als spezialisierte Fachabteilung für ältere Patienten hohe Altersdurschnitte (Statistisches Bundesamt, 2011). Valide Aussagen zur Anzahl der Krankenhauspatienten mit Demenz existieren in Deutschland leider nicht, da nur in den seltensten Fällen die Diagnose Demenz den Grund für den Krankenhausaufenthalt darstellt. Schätzungen gehen aber davon aus, dass der Anteil demenzerkrankter Patientinnen und Patienten schon heute bereits zwischen 12 % und 15 % beträgt, mit steigender Tendenz (ISO 2005; Schlingensiepen, 2008). 3. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten im Krankenhaus Auch im Rahmen des PIA-Projektes stellte sich in den Gesprächen mit Mitarbeiter(inne)n in den Krankenhäusern schnell heraus, dass mit Blick auf das Ziel, den Krankenhausaufenthalt älterer Patienten zu verbessern, nicht das Alter der Patienten entscheidend ist, sondern vielmehr der Faktor Demenz. Ein Krankenhausaufenthalt als Patientin oder Patient ist bereits für jeden alltagskompetenten Menschen eine ungute Erfahrung. Nicht selten wird die Zeit als traumatisch erlebt, man fühlt sich ausgeliefert und hilflos. Für Patienten, die infolge einer Demenz sowieso schon große Schwierigkeiten haben, Abläufen zu folgen, Informationen zu verstehen und sich an Personen zu erinnern, stellt die Situation einer Krankenhausbehandlung eine noch größere Belastung in vielfacher Hinsicht dar. Es fehlt ihnen an Ruhe, einer Bezugsperson und einem routinierten festen Tagesablauf, in der Folge fühlen sie sich verunsichert und verängstigt, lehnen therapeutische Maßnahmen ab und neigen ggf. sogar zu herausfordernden Verhaltensweisen (Kleina & Wingenfeld, 2007). Neben den Ergebnissen vorhandener Forschungsprojekte (ebd.) haben auch die Interviews mit Pflegekräften, Ärzt(inn)en, Patient(inn)en und Angehörigen im PIA- Projekt einige Ergebnisse und Möglichkeiten aufgezeigt, um die Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus zu verbessern. Diese sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. 222

222 13. Zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten in Krankenhäusern 3.1 Räumliche Gestaltung Menschen mit Demenzerkrankungen haben große Probleme, sich in fremder Umgebung zurechtzufinden. Gerade die laute, hektische und unpersönliche Krankenhausumgebung stellt sie vor große Orientierungsprobleme und kann eine Ursache von unruhigem Verhalten und Wanderungstendenzen der Patientinnen und Patienten sein. In stationären Pflegeeinrichtungen existiert schon eine Reihe an Konzepten zur Optimierung der Raumgestaltung für dementiell erkrankte Bewohner. Eine Vorbildfunktion für die Umsetzung solcher Erkenntnisse auch im Krankenhaus nimmt das Malteser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln mit der Errichtung der Demenzstation Silvia 1 ein und auch das Kreiskrankenhaus Mechernich hat sich der Thematik im Rahmen des PIA-Projektes angenommen. Möglichkeiten und Ideen zur Verbesserung der räumlichen Gestaltung für dementiell erkrankte Patienten im Krankenhaus umfassen insbesondere folgende Bereiche: Eine helle und wohnliche Farbgestaltung sowohl auf den Fluren als auch in den Zimmern der Krankenhausstationen trägt in einem hohen Maße dazu bei, die fremde Umgebung für Menschen mit Demenz angenehmer zu machen und somit so weit wie möglich zu normalisieren. In diesem Zusammenhang spielt auch die wohnliche Gestaltung von Aufenthalts- und Sitzbereichen auf der Station eine Rolle. Einen Beitrag zur leichteren Orientierung der Patienten mit Demenz leisten farbliche Hervorhebung von Lichtschaltern, Türgriffen, Toilettendeckeln etc. beispielsweise mit einer roten Umrandung. Demgegenüber können Türen bzw. Ausgänge, die nicht für die Patienten zugänglich sein sollen, unauffällig gestaltet und ggf. mit Rollos verhängt oder mit akustischen Signalen versehen werden. 3.2 Beziehungsgestaltung Ich würde mir eine Person meines Vertrauens wünschen, die neben mir steht, unsichtbar, die mich leitet, die mich in Schutz nimmt. (GSP, 2008, S.34) Dieses Zitat eines Menschen mit Demenz deutet an, welche Bedürfnisse im Krankenhaus zu befriedigen wären. Berichte von Patient(inn)en zeigen, wie wichtig Pflegende für das Erleben des Krankenhausaufenthalts sind. Zuwendung, Schutz der Würde, individuelles Eingehen auf die subjektive Situation der Patient(inn)en, Koordination, Unterstützung bei der Integration gesundheitlicher Veränderung in das eigene Leben sind wesentliche Leistungen der Pflege. Und es sind insbesondere Patient(inn)en mit 1 _Silvia.htm. 223

223 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Demenz, die auf eine ruhige Atmosphäre angewiesen sind, auf Pflegende, die sich Zeit für Zuwendung nehmen, die Geduld dafür aufbringen, die Situation des Pflegebedürftigen zu verstehen und die Pflege dann entsprechend gestalten. Auch die aktuellen Ergebnisse aus Interviews im Rahmen des PIA-Projekts haben gezeigt, dass Pflegende im Krankenhaus sich dessen bewusst sind. Sie wissen, dass Pflegebedürftige mit Demenz auf besondere Zuwendung dringend angewiesen sind. In diesem Zusammenhang kommt der Beziehungsgestaltung zwischen Pflegekräften und Demenzpatienten eine hohe Bedeutung zu. Handlungsmöglichkeiten der Krankenhäuser beziehen sich hierbei insbesondere auf die Gestaltung des Pflegesystems auf den Stationen. Wenngleich es sich als schwierig gestaltet, Systeme der Bezugspflege bzw. des Primary Nursing in den deutschen Krankenhäusern zu etablieren, so haben diese dennoch Möglichkeiten, ein größtmögliches Maß an Patientenorientierung im Sinne langer Zuständigkeiten und Verantwortungen der Pflegekräfte für die gleichen Patienten auszubauen und somit einen Beitrag zur Beziehungsgestaltung zu leisten. 3.3 Tagesstrukturierung Neben der Kontinuität der pflegerischen Versorgung ist eine Gliederung des Tages während des Aufenthaltes im Krankenhaus für den/die demenzkranken Patient(inn)en bedeutend. Oftmals erweist sich die meiste Zeit im Krankenhaus als langweilig, einsam und eintönig, gepaart mit kurzfristigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen. Für Menschen mit Demenz ist jedoch eine klare Tagesstrukturierung mit getrennten Ruhe- und Aktivitätsphasen wichtig. Ein Ansatzpunkt für eine Tagesstrukturierung stellen beispielsweise sogenannte Hockergruppen, sprich Gymnastikkurse für diejenigen im Krankenhaus dar, die trotz ihrer Erkrankung mobil genug sind, daran teilnehmen zu können. Diese Bewegungsgruppen dienen der körperlichen wie auch geistigen Mobilisierung und Aktivierung der Patientinnen und Patienten und können einen Beitrag dazu leisten, im Rahmen des Krankenhausalltags eine klare Gliederung zu schaffen. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang betrifft zudem die Essenssituation während eines Krankenhausaufenthaltes. Im Rahmen diverser Studien konnte aufgezeigt werden, dass ältere und insbesondere an Demenz erkrankte Menschen während der Zeit im Krankenhaus schlecht essen und infolge dessen an Gewicht verlieren. 2 Anders als in der stationären Altenhilfe existieren im Krankenhaus nur selten Konzepte zu diesem Problem bzw. werden vor dem Hintergrund knapper pflegerischer Ressourcen nur in wenigen Fällen umgesetzt. Gerade bei denjenigen Patientinnen und Patienten, die noch selbstständig essen und trinken können, wird oftmals im Rahmen des Tablettsystems nicht kontrolliert, was und wie viel die/der Patient/in tatsächlich gegessen hat. In diesem Zusammenhang hat sich im Rahmen des PIA-Projektes die Einrichtung einer Mahlzeitengruppe als tagesstrukturierende Maßnahme bewährt, in 2 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Prof. Münchmeyer in diesem Buch. 224

224 13. Zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten in Krankenhäusern der eine Gruppe von Patienten für das Frühstück und Mittagsessen zusammenkommt und von einer festen Bezugsperson betreut werden. Dies bietet zum einen den Vorteil, dass die Atmosphäre und der soziale Kontakt in der Gruppe einen Beitrag dazu leisten, dass die Patienten die Essenssituation als ruhiger und normaler empfinden und dementsprechend wieder mehr essen, gleichzeitig kann durch die betreuende Pflegekraft die Nahrungsaufnahme dokumentiert werden. Im Falle des an PIAbeteiligten Kreiskrankenhauses Mechernich wurde die Mahlzeitengruppe zudem von einer älteren Pflegefachkraft betreut, wodurch auch ein altersgerechter Arbeitsplatz geschaffen wurde. 3.4 Einbeziehung der Angehörigen Angehörige werden im Krankenhaus noch immer häufig als Störfaktor, gelegentlich als nützliche Helfer angesehen. Die Beziehung zu ihnen ist nicht selten gespannt und konfliktreich, was für eine professionelle Unterstützung der Pflegebedürftigen kontraproduktiv ist. Nur vereinzelt werden Angehörige partnerschaftlich beteiligt, ihre Kompetenz bezüglich der Betreuung der Person mit Demenz anerkannt und ihr eigener Unterstützungsbedarf gesehen. Dies zu ändern würde allen Beteiligten helfen. So können Angehörige beispielsweise in die Versorgung der Patienten miteinbezogen werden, indem Sie den demenzerkrankten Patienten bei den Mahlzeiten unterstützen oder zu Untersuchung begleiten und somit ihre Rolle als Bezugsperson für den Patienten aufrecht erhalten. Ein Angehörigeninformationsblatt kann klare Auskünfte darüber enthalten, welche Unterstützung seitens der Angehörigen erwünscht ist und wie gleichzeitig ihre eigenen Wünsche nach Informationen und Beratung erfüllt werden können. 3.5 Qualifizierung der Mitarbeiter/innen Pflegende im Krankenhaus sind im Rahmen ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit kaum mit spezifischen Betreuungskonzepten für Menschen mit Demenz in Berührung gekommen. Empfohlen wird daher eine entsprechende Qualifizierung der Pflegenden, aber auch der Mitarbeiter aus anderen Berufen. Beispielsweise könnte die Validation auch im klinischen Umfeld prinzipiell hilfreich sein. Zu überlegen wäre die Weiterbildung einiger Mitarbeiterinnen in gerontopsychiatrischer Pflege. Ein interessanter und innovativer Ansatz könnte die Zusammenarbeit mit stationären Pflegeeinrichtungen sein. Ein Projekt des Instituts Arbeit und Technik hat vor einigen Jahren gezeigt, dass auch Krankenhäuser mit geriatrischen Fachabteilungen von dem Wissens- und Erfahrungsvorsprung der Pflegenden in Pflegeheimen stark profitieren könnten. Allerdings hilft Qualifizierung kaum, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht so entwickeln, dass neue Kenntnisse und Konzepte auch anwendbar sind. Qualifizierungsmaßnahmen müssen also immer von Anstrengungen der Organisationsentwicklung begleitet werden. 225

225 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus 3.6 Einrichtung von Schwerpunktstationen Neben relativ kurzfristig zu realisierenden Ansätzen könnten mittelfristig Krankenhausstationen entstehen, die die besonderen Bedarfe dieser schnell wachsenden Patientengruppe berücksichtigen. Dazu gehört die Qualifizierung der Mitarbeiter/innen der beteiligten Berufe ebenso wie eine räumliche und personelle Ausstattung, wie sie bisher in Kliniken so gut wie nie zu finden ist. Wichtig sind auch entsprechende Betreuungskonzepte, die tagesstrukturierende Elemente, die Möglichkeit des Roomingins für Angehörige u.v.a.m. einbeziehen. Statt Patient(inn)en nach medizinischen Fachdisziplinen zu sortieren, muss dem speziellen Bedarf von Menschen mit Demenz auch dadurch entsprochen werden, dass die medizinische Versorgung interdisziplinär organisiert wird, ähnlich wie es in der Pädiatrie seit langem üblich ist: Speziell qualifizierte Mitarbeiter/innen (Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, Pädiater usw.) kümmern sich in besonderen Bereichen um Patient(inn)en mit speziellen Bedürfnissen (kranke Kinder) und ziehen bei Bedarf Spezialisten anderer Bereiche, Abteilungen und Berufe (Chirurgen, Urologen usw.) hinzu. 4. Ausblick Trotz einer steigenden Anzahl von Patient(inn)en mit Demenzerkrankungen im Krankenhaus ist das Krankenhaussystem anders als die stationäre Altenhilfe bislang kaum auf den Umgang mit dieser Personengruppe vorbereitet. Vielfach lohnt sich aber auch für die Krankenhäuser ein Blick auf die vorhandenen Konzepte und Ideen aus den stationären Pflegeeinrichtungen, um den belastenden Krankenhausaufenthalt für ältere und an Demenz erkrankte Personen erträglicher zu gestalten. Im Rahmen des PIA-Projektes wurde deutlich, dass insbesondere in den Themenfeldern räumliche Gestaltung, Tagesstrukturierung und Beziehungsgestaltung auch für Krankenhäuser durchaus auch unter bestehenden Ressourcen Möglichkeiten bestehen, von der stationären Altenhilfe zu lernen und Ansätze beispielsweise durch eine bessere Farbgestaltung, Gymnastikgruppen oder einer Ausdehnung der Zuständigkeiten der Pflegekräfte für bestimmte Patienten auch im Krankenhaus zu adaptieren. 5. Literatur Angerhausen, S. (2008): Demenz - eine Nebendiagnose im Akutkrankenhaus oder mehr? Maßnahmen für eine bessere Versorgung demenzkranker Patienten im Krankenhaus. In: Zeitschrift für Gerontologische Geriatrie 41, S GSP Gemeinnützige Gesellschaft für soziale Projekte (Hrsg.) (2008): Projekt Blickwechsel Nebendiagnose Demenz, Projektbericht, Wuppertal. ISO Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.v. (2005): Gerontopsychiatrisch veränderte Menschen im Krankenhaus: Krisenerlebnis oder Chance? Dokumentation der Fachtagung im Rahmen des BMG-Modellprogramms zur Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger am 12. Oktober Saarbrücken. 226

226 13. Zum Umgang mit demenzerkrankten Patienten in Krankenhäusern Kleina, T. / Wingenfeld, K. (2007): Die Versorgung demenzkranker älterer Menschen im Krankenhaus. Veröffentlichungsreihe des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW). Bielefeld. Schlingensiepen, I. (2008). Demenzkranke sind für Ärzte eine Problem-Klientel. Ärztezeitung, 15. April 2008.Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2011): Gesundheit im Alter. Wiesbaden. 227

227 228

228 14. Pflege bleibt ein aktuelles Thema in der Gesundheitsregion Aachen Ergebnisse und Perspektiven aus der Kooperation PIA Ideenzirkel Pflege Jennifer Faßbender, Dieter Begaß Inhalt 1. Einführung 2. Der Ideenzirkel Pflege 3. Ideenzirkel Pflege und Modellprojekt PIA 1. Einführung Die Situation ist ernst! Das belegen die Zahlen aus dem Landesbericht Gesundheitsberufe. In den Pflegeberufen herrscht massiver Personalmangel, jährlich fehlen rund 1200 Absolventen in der Alten-, Gesundheits- und Krankenpflege. Mit Blick auf eine stetig steigende Anzahl von Pflegebedürftigen, ist dies eine Situation, die in Besorgnis versetzt. Hier müssen Konzepte entwickelt werden, die sowohl den Pflegeberuf attraktiver machen als auch schlussendlich dem Versorgungsbedarf der Menschen gerecht werden. Akteure der Gesundheitsregion Aachen haben sich dieser Problemlage angenommen und gemeinsam an einem Konzept für eine Modellregion Pflege Gegen den Trend gearbeitet. Das Gesundheitswesen ist eine Jobmaschine. Rund eine Million Menschen arbeiten bereits in Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich und in Anbetracht der demografischen Entwicklung wird der Bedarf an gut ausgebildetem Pflegepersonal weiter massiv zunehmen. Besonders in der ambulanten Pflege wird in naher Zukunft ein Beschäftigungszuwachs erwartet. Gleichzeitig wachsen aber auch die Anforderungen an die Berufsbilder aus dem pflegerischen Segment, so dass sich Arbeitnehmer und Einrichtungen neuen Herausforderungen stellen müssen. Bereits heute kann der Bedarf an Pflegefachkräften nicht mehr gedeckt werden. Mit Blick auf die demografische Entwicklung wird sich diese Lücke nachhaltig vergrößern, wenn nicht versucht wird, dieser Entwicklung entgegen zu steuern. 229

229 Jennifer Faßbender, Dieter Begaß Hochrechnungen über die Bevölkerungsentwicklung in der Städteregion Aachen lassen einen moderaten Anstieg der Einwohnerzahl um 0,7 Prozent bis zum Jahr 2030 erwarten. Allerdings verschiebt sich der Anteil der Menschen die älter als 60 Jahre sind von knapp einem Viertel auf mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Diese demografische Verschiebung ist bekanntermaßen ein bundesweites Phänomen. Der Anteil über 80-Jähriger in der BRD liegt derzeit bei 3,6 Millionen Menschen und wird auf 10 Millionen Menschen im Jahr 2050 steigen. Dies bedeutet, dass sich die Anzahl hochaltriger pflegebedürftiger Menschen in Zukunft drastisch erhöhen wird. Parallel dazu ist eine Veränderung des Krankheitspanoramas zu erwarten. Hierzu zählt beispielsweise die deutliche Zunahme chronischer und insbesondere pflegeaufwendiger dementieller Erkrankungen. Dies führt zu einem massiven Veränderungsdruck im Gesundheitswesen, der im Hinblick auf die Veränderungen der Pflegebedarfe, der Bedürfnisse Pflegebedürftiger/Patienten und der Rahmenbedingungen sehr weit reichen wird. Die Region Aachen bestehend aus der Stadt und der StädteRegion Aachen sowie den Kreisen Düren, Heinsberg und Euskirchen mit insgesamt 46 Kommunen und rund 1,3 Million Menschen hat die besondere Herausforderung erkannt. Mit gezielten Handlungsansätzen wollen die Akteure aus Pflege und Wirtschaftsförderung gemeinsam und integriert gegen die wachsende Problemlage gegen den Trend angehen. 2. Der Ideenzirkel Pflege Anfang 2009 haben sich anlässlich des ersten städteregionalen Pflegekongresses Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit den besonderen Problemlagen und Herausforderungen der regionalen Pflegelandschaft auseinandersetzten. Initiiert von der Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen mit der StädteRegion Aachen, dem Universitätsklinikum, der Regionalagentur, der Katholischen Hochschule NRW, dem Luisenhospital und weiteren Akteuren der regionalen Gesundheitswirtschaft, hat sich eine dieser Arbeitsgruppen als Ideenzirkel dauerhaft etabliert und sich die Zukunft der Pflege- und Gesundheitsberufe zur Aufgabe gemacht. Ziel dieses weiter engagiert arbeitenden Ideenzirkels war und ist die Situation in der Region Aachen präziser zu analysieren und konkrete Handlungsansätze zu definieren. Die beteiligten Akteure des Ideenzirkels haben unter anderem ein Konzept entwickelt und ein Positionspapier unter dem Titel Modellregion Pflege - Gegen den Trend verfasst. 230

230 14. Pflege bleibt ein aktuelles Thema in der Gesundheitsregion Aachen Um einen ganzheitlichen Ansatz zu entwickeln, der den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnet, umfasst das Konzept die Bereiche Qualifizierung, regionales Controlling und Management, Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit und Pflege trifft Wissenschaft. Vision ist, eine Modellregion Aachen zu schaffen, die für das Jahr 2020, trotz schwindender Ressourcen bei einem gleichzeitigen Anstieg von Pflegebedürftigkeit eine bedarfsgerechte Versorgung nachhaltig sicherstellt. Mit Fertigstellung des Positionspapiers haben sich zu den benannten Handlungsfeldern Arbeitskreise gebildet, um erste Maßnahmen und konkrete Projektideen für die Modellregion Pflege zu realisieren. So werden einzelne Bausteine verwirklicht, die die ersten Schritte auf dem Weg zur Modellregion ebnen werden. 3. Ideenzirkel Pflege und Modellprojekt PIA An die Erfahrungen aus dem Modellprojekt PIA - Pflegeinnovationen in der Gesundheitsregion Aachen, kann hier an verschiedenen Stellen angeknüpft werden. Mit dem Projekt PIA wurde unter anderem in der Region Aachen ein Modellfeld für die Entwicklung von Innovationen in der Pflege eingerichtet. Als ein Beispiel für die Verschränkung zwischen PIA und der Modellregion Pflege sei die Arbeitsgruppe Pflege trifft Wissenschaft, mit dem Ziel u.a. den Innovationsgrad in den Einrichtungen zu erhöhen, zu nennen. Eine weitere Arbeitsgruppe widmet sich dem Themenkreis Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Planungen aus dieser Arbeitsgruppe sind u.a. ein Berufsmarketing für Gesundheitsberufe in Aachen, um die durchaus vorhandenen attraktiven Seiten der Pflege- und Gesundheitsberufe in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Die Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt Qualifizierung arbeitet an der Fragestellung zu den Arbeitsfeldern und Einsatzmöglichkeiten von akademisch qualifiziertem Pflegepersonal mit Blick auf den Start des Modellstudiums an der KatHO. Förderprojekte: Teilweise können auch zusätzliche Ressourcen für die beschriebenen Handlungsansätze akquiriert werden. Aktuell arbeiten die beteiligten Akteure an verschiedenen Förderprojekten. Im Bereich von INTERREG IV A wird unter Federführung der Provinz Limburg ein Projektantrag befördert, um die Herausforderungen, Chancen und Potenziale des euregionalen Arbeitsmarktes zu nutzen. Darüber hinaus birgt der aktuelle Ziel 2 Wettbewerbsaufruf IuK & Gender Med.NRW die Möglichkeit für ein Projekt zur geschlechtergerechten Personal- und Organisationsentwicklung. Hier wird insbesondere durch die Zusammenarbeit mit MA&T an die PIA Ergebnisse aus den Dialogen zur Verbesserung von Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Pflegekräften angeknüpft. 231

231 Jennifer Faßbender, Dieter Begaß Weitere Informationen: Wenn Sie weitere Informationen oder eine Ausgabe des Positionspapiers Modellregion Pflege Gegen den Trend wünschen, so wenden Sie sich jederzeit gerne an Frau Jennifer Faßbender von der Wirtschaftsförderung der Stadt Aachen unter folgenden Kontaktdaten: Jennifer Faßbender Tel.: 0241 / jennifer.fassbender@mail.aachen.de 232

232 Teil C: Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 Beiträge von der PIA- Fachkonferenz und Gastbeiträge 15. Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 Die PIA-Fachkonferenz am Paul Fuchs-Frohnhofen Inhalt 1. Einführung 2. Zum Ablauf der Fachkonferenz 1. Einführung Am trafen sich in Stolberg-Venwegen (bei Aachen) 85 Fachkräfte und Expert/innen der Pflege aus Krankenhäusern, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen der Region Aachen, Düren, Heinsberg und Euskirchen, um über Stand und Perspektiven von Pflegearbeit und Pflegebildung im Zeitraum zu diskutieren. Diese Konferenz fand im Rahmen des PIA-Projektes statt. Ein Teil der Referate dieser Fachkonferenz findet sich in den folgenden Kapiteln dieses Buches. Kapitel 22 ergänzt diese Ausführungen um einen Beitrag von Jürgen Glaser u.a. zum Thematischen Initiativkreis Gesund pflegen im Rahmen der INQA-Initiative des BMAS. Die Folien zu den der Fachkonferenz gehaltenen Vorträgen können im Internet unter heruntergeladen werden. 2. Zum Ablauf der Fachkonferenz Pflegekräfte und Experten stellten auf der Fachkonferenz ihre Vorstellung für Arbeitsinhalte in der Pflege sowie Pflegebildung der Zukunft dar. Gemeinsam mit allen Teilnehmer/innen wurde eine Abschlussdeklaration Pflegearbeit und Pflegebildung 2020 erarbeitet (siehe Anhang). 233

233 Paul Fuchs-Frohnhofen Nach der Begrüßung und Einführung durch Günter Schabram, dem Dezernenten für Gesundheit und Soziales der Städteregion Aachen, erläuterte Dr. Paul Fuchs- Frohnhofen als Projektkoordinator von PIA die Ziele und Inhalte dieses Modellprojekts. Seine Ausführungen wurden ergänzt durch Dr. Gottfried Richenhagen, Leiter des Referates Arbeit und Gesundheit im damaligen MAGS NRW, der insbesondere auf die Heraus-forderungen hinwies, die auf die Arbeitswelt in NRW durch den demografischen Wandel zukommen. Auch in der Pflege stehen immer weniger junge Arbeitskräfte zur Verfügung, was bedeutet, dass die Arbeitsfähigkeit der älteren Beschäftigten erhalten und gepflegt werden muss. Daran schloss sich eine Gegenüberstellung aus der Praxis zum Thema Arbeitsinhalte und Arbeitsteilung in der Pflege heute und 2020 an, indem Bernd Bogert, St. Gereon Hückelhoven, Winfried Königs, Pflegedirektor Medizinisches Zentrum Würselen und Ayshe Schoelen, Pflegedienstleitung SHP Marienhospital Aachen, über ihre Erfahrungen und Zukunftsvisionen berichteten. Ein Gastvortrag von Gertrud Stöcker, Bundesvorstand des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe e. V. (DBfK) läutete den Nachmittag ein. Frau Stöcker befürwortete deutlich eine gemeinsame Ausbildung von Alten- und Gesundheits- und (Kinder)Krankenpflege sowie die systematische Weiterentwicklung der Pflegeausbildung auch auf Bachelor und Master-Niveau. Ihre Ausführungen wurden in der folgenden Arbeitsgruppe 1, die Thomas Kutschke von der Katholischen Bildungsstätte für Gesundheits- und Pflege-Berufe Mönchengladbach mit seinem Referat eröffnete, eifrig diskutiert. In drei weiteren Arbeitsgruppen, u.a. eingeleitet durch Referate von Manfred Borutta, Amt für Altenarbeit der Städteregion Aachen und Christoph Bräutigam und Sandra Dörpinghaus, IAT Gelsenkirchen, wurden Fragen des Managements in der Pflege, von Fach- und Leitungskarrieren sowie von neuen Formen der Personalgewinnung gestellt und diskutiert. Die Abschlussdiskussion ergab eine große Einigkeit aller Teilnehmer/innen und Referent/innen bzgl. der jetzt vorliegenden Abschlussdeklaration Pflegearbeit und Pflegebildung 2020, in der deutlich wird, dass gute Pflege eine bessere Stellenausstattung und innovative Aus- und Weiterbildungsformen braucht, die eine grundständige Ausbildung mit neuen Studienangeboten verbinden. 234

234 16. Förderung von Pflegearbeit und Pflegebildung in der Gesundheitsregion Aachen Günter Schabram Inhalt 1. Unterstützung einer guten Pflege als Aufgabe des Kreises Aachen 2. Die Städteregion Aachen knüpft an gute Erfahrungen an 3. Projektarbeit als wichtige Säule für die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsregion Aachen 1. Unterstützung einer guten Pflege als Aufgabe des Kreises Aachen Die Sicherstellung einer qualifizierten Pflege stellt heute und zukünftig eine gesellschaftlich zentrale Herausforderung dar. Es handelt sich also keineswegs nur um eine unter vielen Zukunftsaufgaben, mit der wir uns irgendwann mal befassen müssten und welche wir noch etwas aufschieben könnten. Vielmehr stellt die Betreuung pflegebedürftiger Menschen eine Gegenwartsaufgabe dar, die will sie zukunftsfähig sein gute Rahmenbedingungen benötigt. Zu diesen guten Rahmenbedingungen gehört nicht zuletzt eine bedarfsgerechte Qualifizierung von Pflegekräften und zwar quer über die Bereiche Ausbildung Fort- und Weiterbildung Studium Dem früheren Kreis Aachen ist diese Aufgabe seit langer Zeit ein wichtiges Anliegen. Seit 13 Jahren gibt es ein eigenständiges Amt für Altenarbeit, seit 15 Jahren eine Fort- und Weiterbildungseinrichtung für Pflegekräfte und mit dem Fachseminar für Altenpflege sogar schon seit 25 Jahren eine eigene Ausbildungsstätte. 235

235 Günter Schabram 2. Die Städteregion Aachen knüpft an gute Erfahrungen an Was dem Kreis Aachen stets wichtig war, hat für die zum 21. Oktober 2009 gegründete StädteRegion Aachen auch zukünftig eine hohe Relevanz. Die Relevanz dieser für die regionale Daseinsvorsorge so wichtigen Aufgabe möchte ich anhand einiger Punkte skizzieren. Ziel ist es, den Pflegebildungsstandort Würselen in den kommenden 5 Jahren entsprechend den zukünftigen fachlichen Erfordernissen ausbauen. Das heißt konkret, wir wollen die Ausbildungskapazität deutlich erhöhen, wir wollen eine generalistische bzw. integrative Ausbildung, die die beiden großen Pflegeberufe die Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege und die Altenpflege am Standort Würselen zusammenfasst, wir wollen kurzfristig die Fort- und Weiterbildung fachlich weiter ausbauen; und dies in Kooperation mit regionalen Partnern (z.b. im Bereich der Gerontopsychiatrie-Weiterbildung) und mit überregionalen Partnern (wie der Katholischen Hochschule NRW), wir setzen uns langfristig dafür ein, dass es einen Hochschulstandort Pflege auch in Aachen geben wird und wir werden grenzüberschreitend mit den Nachbarn in den Niederlanden und in Belgien auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. Das Amt für Altenarbeit hat hier bereits Kontakte geknüpft und erste Projekte werden über die Fort- und Weiterbildung bereits umgesetzt. 3. Projektarbeit als wichtige Säule für die Zukunftsfähigkeit der Gesundheitsregion Aachen Ein weiterer zentraler Arbeitsbereich des Amtes für Altenarbeit die Projektarbeit in der Pflege ist mit dem PIA-Projekt sehr eng verbunden. Das PIA-Projekt stellt bereits das zweite größere Projekt dar, dass wir gemeinsam mit der Würselener Unternehmensberatung MA&T (Dr. Paul Fuchs-Frohnhofen) betreiben; diesmal gemeinsam mit dem Institut Arbeit und Technik (Gelsenkirchen) als drittem Partner. Warum beteiligt sich das Amt für Altenarbeit der StädteRegion an derartigen Projekten? Hierfür gibt es verschiedene Gründe: Zum einen bieten Projekte den beteiligten Pflegeeinrichtungen (im PIA-Projekt sind es 10 Pflegeeinrichtungen und -dienste) und deren Mitarbeiter/innen die einmalige Chance, innovative Ideen in einem konkreten Feld und im Rahmen einer bestimmten 236

236 16. Förderung von Pflegearbeit und Pflegebildung in der Gesundheitsregion Aachen Zeit umzusetzen. Derartige Projekte bilden für die Pflegeeinrichtungen und für die Mitarbeiter/innen Lernfelder, um zukünftige Aufgaben besser bearbeiten zu können und sich neuen Herausforderungen adäquat stellen zu können. Zum anderen verbessern wir damit nachweisbar die Pflegequalität in der Region. Und es verwundert nicht, wenn es eine bundesweit anhaltende Anfrage zu den vom Amt für Altenarbeit durchgeführten Projekten der letzten Jahre gibt. Dies betrifft im Einzelnen die folgenden bereits abgeschlossenen bzw. noch laufenden Projekte zur Reduktion von freiheitsentziehenden Maßnahmen (Fixierungsfallgeschichten), zum Aufbau eines fachgerechten Qualitätsmanagement-Ansatzes in der Pflege demenziell veränderter Menschen (Demenz-Label) und zur Innovation in Pflegeeinrichtungen (PIA). Ziel dieser Projekte ist die strategische Verbesserung der fachlichen Qualität in der pflegerischen Arbeit. Die StädteRegion leistet damit bewusst auch einen aktiven Beitrag zur Steigerung der Wertschätzung und zur verbesserten öffentlichen Aufmerksamkeit pflegerischer Arbeit in unserer Gesellschaft. Sie entnehmen diesem kurzen Überblick, dass wir sehr um die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege bemüht sind. Wir erachten die Sicherstellung einer fachgerechten, guten Pflege als eine Aufgabe im Rahmen der kommunalen und regionalen Daseinsvorsorge, für die wir als Gebietskörperschaft mit nunmehr Einwohnern eine hohe Verantwortung übernehmen. Es sind aber nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, also die Pflegekräfte, die wir mit diesen Maßnahmen fördern wollen und die sich selbst während ihrer gesamten Berufszeit weiterqualifizieren müssen, um entsprechend dem jeweils aktuellen Stand der Pflegewissenschaft arbeiten zu können. Mehr und mehr richtet sich der Fokus im Hinblick auf Weiterbildungserfordernisse auch auf die gesamte Organisation (den Pflegeeinrichtungen und -diensten) und auf das Management. Denn wie die Berufsfeldstudie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Leitungskompetenz und Leitungsqualifikation in der Altenpflege 1 verdeutlicht, sind 46 Prozent der Heimleitungen der stationären Einrichtungen in Deutschland unterhalb der ohnehin eher geringen gesetzlichen Anforderungen quali- 1 Hoffmann, A./Dürrmann, P. (2006): Leitungskompetenz und Leitungsqualifikation in der stationären Altenpflege; Berufsfeldstudie für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bonn 237

237 Günter Schabram fiziert. Sie üben damit ihre verantwortungsvolle Tätigkeit lediglich auf der Basis von Ausnahmegenehmigungen (der jeweils zuständigen Heimaufsichtsbehörden) aus. Ein weiteres Thema betrifft die Akademisierung im Pflegeberuf. Mir ist bewusst, dass es hierzu politische Bedenken gibt. Diese basieren im Wesentlichen auf der Befürchtung, akademisierte Pflegekräfte würden im großen Stile der praktischen Pflege in den Einrichtungen dauerhaft verloren gehen. Ich teile diese Befürchtung angesichts eines Prozentsatzes derzeit von knapp einem Prozent (!) aller Pflegenden nicht. Im Gegenteil: Im EU-Vergleich hat unserer Gesellschaft hier noch einen erheblichen Nachholbedarf. Die Partner des PIA-Projekts leisten einen zukunftsweisenden Beitrag zur weiteren Diskussion dieser wichtigen Themen im Spannungsfeld zwischen Pflegearbeit und Pflegebildung. Indem sie das PIA-Projekt offen gestalten und mit der nötigen Transparenz versehen, die dem Themenfeld und der Aufgabe angemessen ist, verschaffen sie dem Projekt eine gute Basis in der StädteRegion. Es bleibt mir zu wünschen, dass diese offene Diskussionskultur, die zum Mitmachen einlädt, einen infizierenden Charakter entwickelt und wir dadurch gemeinsam in der StädteRegion für Pflegearbeit und für Pflegebildung zielorientiert streiten offen im Miteinander kritisch in der Auseinandersetzung. 238

238 17. Der Pflegeberuf im Wandel Gertrud Stöcker Inhalt 1. Zur heutigen Situation des Pflegeberufs 2. Das Konzept Pflegebildung offensiv des DBR 3. Ausblick 4. Literatur 1. Zur heutigen Situation des Pflegeberufs Mit dem für die PIA-Pflegefachkonferenz 2010 gewählten Thema Der Pflegeberuf im Wandel wird ein deutliches Signal gesetzt. Berufe erfüllen in unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft einen dauerhaften und unverzichtbaren Dienst. Verändern sich gesellschaftliche Gegebenheiten und Bedingungen, so ziehen diese die notwendigen Veränderungen der Berufe nach sich. Bezogen auf den Pflegeberuf können deutliche Profilveränderungen wahrgenommen werden, ausgelöst durch einen veränderten Versorgungsbedarf, aber auch durch Veränderungen des beruflichen Selbstverständnisses und immer engmaschiger gelenkt durch politische Richtungsentscheidungen. Dabei ist unerlässlich, in die Ausbildung, Praxis und Forschung der Pflege deutlich mehr zu investieren. Nur so ist die Versorgungsqualität zu optimieren. Forschungsbefunde zeigen, was eine gute Qualifikation leisten kann. Bildung und Qualifikation zahlen sich aus für zu pflegende Menschen und auch für die Pflegenden. Rückläufige Ausbildungszahlen, Abnahme von qualitativen Bewerbern, Reduzierung der Zulassungsvoraussetzung in die Pflegeausbildung, erhöhte Anforderungen an Pflegeleistungen bei gleichzeitigem Personalabbau und Schaffung von Schnellschussqualifizierungen auf der Helferebene zeichnen derzeit das Bild der Pflegeberufe. 239

239 Gertrud Stöcker 2. Das Konzept Pflegebildung offensiv des DBR Ausgehend von den Anforderungen und Begrenzungen pflegeberuflicher Bildung - im Spannungsfeld von Tradition und Entwicklung 1 - werde ich in diesem Text das Konzept Pflegebildung offensiv des Deutschen Bildungsrates für Pflegeberufe (DBR) erläutern. Der Pflegeberuf wurde vor ca. 100 Jahren als einer der wenigen Frauenberufe mit einer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung geregelt. Festgelegt wurden damals mit Wirkung bis in die heutige Zeit die grundsätzlichen Bildungsstrukturen. Das stellt bei der Orientierung am öffentlichen Bildungssystem einen Anachronismus dar. Eine Integration in das staatliche Bildungssystem, differenziert in das allgemeine und berufliche System, blieb der Pflege bisher prinzipiell verschlossen und weist bis heute als eine in sich abgeschlossene Qualifizierung den berufsbildenden Sonderstatus Pflege aus. Und das hat i.d.r. mangelnde Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit der Pflegebildungsstrukturen im Bildungssystem zur Konsequenz, nur in Ansätzen ist bis heute eine Integration in das öffentliche Bildungssystem erfolgt. Demzufolge sind auch die Weiterbildungsstrukturen sehr traditionell gehalten und unterliegen nur einer bedingten staatlichen Regelung. Berufsstrukturell folgte die Entwicklung des Pflegeberufs zum einen in funktionell spezialisierten Institutionen, wie z. B. Krankenhäusern oder Heimen, und zum anderen zu pflegenden Altersklientelen - verbunden mit der Konsequenz, dass zugleich mit der Erstausbildung eine Spezialisierung in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege einsetzte. Inhaltlich hat der Pflegeberuf einen Weg in seiner gesundheitspflegerischen Facette zurückgelegt, der in der überwiegenden Zeit gelenkt war von den Strukturen und Inhalten der Medizin, in den 80er Jahren kam die sozialpflegerische Ausrichtung für die Altenpflege hinzu. Zurzeit haben wir in Deutschland noch eine Dreiteilung in der beruflichen Qualifizierung zur Gesundheits- und Krankenpfleger/in, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in und Altenpfleger/in. Gemeinsam liegt dieser Dreiteilung des Pflegeberufs in die drei Berufsbilder heutzutage die Berufszulassung als Heilberuf zugrunde (BverfG 2002). Die Berechtigung für diese erläuterte Dreiteilung der pflegerischen Berufsbilder wird seit Jahren intensiv diskutiert und je nach Intention in Frage gestellt bzw. auf Traditionen verharrend eingefordert. Das immer wieder hervorgehobene Argument, dass das Alter der zu pflegenden Menschen spezifische Kompetenzen verlangt, ist zu unterstützen: Im Sinne von z.b. 1 Wer soll die Geschicke der Pflege in die Hand nehmen, wenn wir Pflegenden dies zum Wohl der zu Pflegenden nicht selbst tun (Agnes Karll). 240

240 17. Der Pflegeberuf im Wandel Nancy Roper umfasst Pflege die gesamte Lebensspanne bis hin zum Tod. Die Besonderheiten der Alters- und Alternsforschung und der Gerontopsychiatrie und Geriatrie sowie die Pflege des kranken Kindes unter Berücksichtigung der spezifischen Aspekte der Entwicklungspsychologie des Kindes sind selbstverständlich in weiteren Qualifikationen zu erwerben. In Konsequenz dazu müssen diese Argumente mit dem jeweiligen Lebenskontext Eingang finden in den Aufbau und die Gestaltung der Weiterbildungscurricula. Ein großer Wandel in der systemischen, strukturellen und inhaltlichen Entwicklung des Pflegeberufs kam und kommt unverändert mit der zunehmenden Akademisierung. Pflege hat Fuß gefasst im staatlichen Bildungssystem und den vertikalen Durchbruch in den Hochschulbereich erreicht. Es kristallisierten sich zunächst zwei Schwerpunkte in der Profilbildung der Studiengänge heraus: Pflegemanagement und Pflegepädagogik (KMK/GMK/ASMK, 1997). Grundständige pflegewissenschaftliche Studiengänge kamen zeitlich später hinzu. Diese drei Studiengangsprofile verlangen als Zugang die Studierbefähigung und eine pflegeberufliche Erstausbildung in der Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflege. Primärqualifizierende Pflegestudiengänge mit und ohne Berufszulassung werden jetzt zunehmend über sog. duale Studiengangskonzepte eingerichtet. Mit der Etablierung von Pflege an Hochschulen entwickelte sich die Pflegewissenschaft und -forschung: Pflege ist als Fach Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung und steht im Diskurs mit anderen Wissenschaften. Auseinandergesetzt wird sich zunehmend inhaltlich und methodisch mit dem Begriff Pflege und den Gegenstandsbereichen der Pflege. Für die Pflegepraxis geht es insbesondere um das Wissen und Können der Pflegenden, die Strukturen, in denen Pflegende dieses Wissen und Können in effektive Pflegehandlungen umsetzen sollen, und die Machtverhältnisse, die dies begünstigen oder behindern. Problemlagen der Pflege sind mit eigener Perspektive betrachtet, Handlungsmöglichkeiten und -grenzen werden neu wahrgenommen und mit den so aufbereiteten Ergebnissen erweitert sich pflegetherapeutisches Handeln durch theoretisch fundierte Konzepte 2 (Mikroebene). Zu verweisen ist auch auf entsprechende Expertisen zu alternativen Versorgungsformen, zum Qualitätsmanagement oder Case- und Care-Management 2 u.a. Expertenstandards Dekubitusprophylaxe, Entlassungsmanagement, Schmerzmanagement, Sturzprophylaxe, Förderung der Harnkontinenz in der Pflege sowie Pflege von Menschen mit chronischen Wunden einschl. Kommentierung und Literaturanalyse (2000, 2002, 2003, 2004, 2005, 2007), Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) (Hrsg.), Osnabrück. 241

241 Gertrud Stöcker (Mesoebene) und zu Fragen des Gesundheitswesens im Kontext gesellschaftlicher und gesetzlicher Rahmenbedingungen 3 (Makroebene). Zu dem verpflichten die Ausbildungsgesetze von 2003 und hier vor allem das Krankenpflegegesetz erstmalig die Pflegewissenschaft als Leitwissenschaft für den Beruf der Gesundheits- und Krankenpfleger/innen aus. Ziele und Inhalte der Weiterbildung profitieren ebenso und sind jetzt zunehmend geprägt von einer pflegewissenschaftlichen Struktur und nicht primär von einem medizinisch-ärztlichen Leitbild. Das sich daraus neuentwickelnde Pflege- und Pflegeprozessverständnis erweitert die berufliche Perspektive und positioniert die Pflege im Kontext anderer Professionen neu. Pflege verfügt zunehmend über eine eigene Wissensbasis, eigene Methoden und Konzepte und interpretiert ihrerseits auf dieser Basis die Ausführung der Sozialgesetze und beeinflusst die berufliche Realität. Gefordert ist eine wirksame Pflege, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Zunehmend ist die Perspektive der Pflegewissenschaft in politischen Gremien ebenso gefragt wie in von der Politik veranlassten Projekten. Die Kompetenzentwicklung in der Pflege und das Verharren in alten Strukturen stehen allerdings im Widerspruch zu einander. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Pflegepraxis. 242 Der Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis gelingt nur punktuell. Die Gründe liegen zum einen darin, dass die Pflegepraktiker nicht gewohnt sind mit wissenschaftlichen Ergebnissen zu arbeiten. Zugleich fehlt es in der Pflegepraxis an wissenschaftlicher Kompetenz, um angemessene Konzepte i.s. von Pflegebedarfen zu entwickeln und auszuführen. Zum anderen legt die grundsätzlich funktionale Struktur der Sozialrechte Pflege auf dem Niveau von Verrichtungen fest und setzt unverändert die traditionelle Systematik in Grund- und Behandlungspflege fort. Aufgrund daran geknüpfter Finanzierungsmodalitäten sieht sich kein Träger im Gesundheitswesen aufgefordert, den Pflegenden selbst zu verantwortende Handlungsspielräume zu eröffnen. Umso gravierender ist die weitere Konsequenz: Träger von Gesundheitseinrichtungen behindern somit mittelbar die beruflichen Entwicklungen. Qualifizierte Pflegekräfte mit Hochschulabschluss finden nur zögerlich eine Anstellung im unmittelbaren Patientenradius bzw. in der operativen Praxis der Gesundheitsversorgung. 3 u.a. Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumenten, Studie im Rahmen des Modellprogramms nach 8 Abs. 3 SGB XI im Auftrag der Spitzenverbände der Pflegekassen (2007), Universität Bielefeld, Institut für Pflegewissenschaft.

242 17. Der Pflegeberuf im Wandel Die derzeitige deutsche Bildungsdebatte im Kontext der europäischen Einflüsse machte es notwendig, neu über die zukünftige Ausrichtung der Pflegebildung und ihre Ansiedlung im bundesdeutschen Bildungssystem nachzudenken. Diese Debatte bietet der Profession Pflege in Deutschland die Chance, an dieser allgemeinen Neuorientierung teilzuhaben und gemeinsam mit anderen Berufen die Anpassung an europäische Bildungsnormen zu schaffen. Diesem Auftrag hat sich der Deutsche Bildungsrat für Pflegeberufe (DBR) 2006 mit seinem Konzept Pflegebildung offensiv gestellt. Erfreulicherweise sieht auch der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP den Reformbedarf der pflegeberuflichen Qualifizierung. In der laufenden Legislaturperiode sollen die Pflegeberufe in der Ausbildung modernisiert, zusammengeführt und gesetzlich neu geregelt werden (Koalitionsvertrag 17. Legislaturperiode, S. 92). Vorbild für diese Weiterentwicklung der Pflegeausbildung sollte das Konzept des Deutschen Bildungsrates für Pflegeberufe (DBR) Pflegebildung offensiv von 2007 und die weiteren Veröffentlichungen des DBR von 2008/2009 sein. Der DBR bestärkt in seinem Bildungskonzept erneut die Zusammenführung der Ausbildungen der Gesundheits- und Kranken- bzw. Kinderkrankenpfleger/innen und Altenpfleger/innen und die Ansiedlung an Hochschulen. Im Bereich der Erstausbildung und der Fort- und Weiterbildung sind EU-Standards und -Prinzipien (Bologna- Prozess, Kopenhagen Erklärung; Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR) 4 ) anzuwenden. Dadurch wird das volle Potenzial der Pflege den Menschen verfügbar gemacht und das Gesundheits- und Sozialsystem hätte ideale Ressourcen. Die Anforderungen an die professionelle Pflege werden komplexer. Immer älter werdende Menschen mit oft mehreren Erkrankungen gleichzeitig und der sich weiter verschärfende Kostendruck im Gesundheitswesen sind dafür wichtige Gründe. Pflege orientiert sich heute nicht mehr vorrangig an der Kompensation krankheitsbedingter Einschränkungen, sondern stellt die Förderung der Gesundheit des einzelnen Menschen und seine Begleitung und Beratung in den Mittelpunkt. 4 Im Vordergrund des europäischen Qualifikationsrahmens steht, was ein Mensch kann, also die Kompetenzen und Fähigkeiten, die er erworben hat und nicht ausschließlich die formelle Ausbildung. Hinter dem Begriff Qualifikationsrahmen verbirgt sich ein aus acht Kategorien bestehender Katalog, der allgemeine, berufliche und hochschulische Bildung europaweit vergleichbar machen soll. Berücksichtigt werden auch die über Erfahrungen und Praxisexpertise gewonnenen Kompetenzen. Der Qualifikationsrahmen umfasst somit die gesamte Persönlichkeitsbildung im Prozess des Lebenslangen Lernens. 243

243 Gertrud Stöcker Abb. 1: Das Konzept Pflegebildung offensiv des DBR Der DBR ist sich bewusst, die bisherige Ausbildung in Sekundarstufe II weiterzuentwickeln und dass es einen mittel- bis langfristigen Übergang vom heutigen System zum Hochschulbereich geben wird. Die Zweistufigkeit der Studiengänge (Bachelor/Master) wird Auswirkungen auf die unterhalb der Hochschule befindlichen Bildungsebenen haben. Berufliche Erstausbildungen sind künftig europäisch normiert und kompatibel an vergleichbaren Kompetenzen auszurichten. Masterprogramme verändern die traditionellen Weiterbildungsstrukturen. Masterabschlüsse werden die bis dato selbstverständlichen Weiterbildungen mit ihren Programmen belegen bzw. der bisherigen Ebene der Weiterbildungen zum Teil den Boden entziehen und neue Programme entwickeln und anbieten. Der DBR rät, die bisherigen Weiterbildungsstrukturen umzugestalten und den neuen Anforderungen und Qualifikationsmöglichkeiten anzupassen. Weiterqualifizierungen bauen auf einer berufsqualifizierenden Erstausbildung Pflege auf, die zugleich die Voraussetzung zur Berufszulassung nach geltendem Recht schafft. Erstausbildung und Weiterqualifizierung sind in ihrer Konstruktion eng aufeinander abzustimmen. Nur so wird der Kern professionellen Handelns bestimmt, der Bezug zur Pflegewissenschaft gewährleistet. Bei einer Weiterqualifizierung mit klinischer Ausrichtung empfiehlt sich eine spezifische, aber auch dynamische und flexible Studienstruktur: Die Module sollen in Grundmodule und Spezialisierungsmodule eingeteilt werden und jeweils folgende Inhaltskomplexe aufweisen: Klinisches Wissen, Steuerungswissen und For- 244

244 17. Der Pflegeberuf im Wandel schungs-wissen. Diese Studienstruktur ermöglicht den Bildungsanbietern die Kombination von verschiedenen Mastern auf der Grundmodulebene, während die Spezialisierung in den so genannten Spezialisierungs-Modulen den arbeitsfeld- und zielgruppenspezifischen Anforderungen folgt. In allen Modulen sind auch relevante Aspekte der Professionsgrundlagen, z.b. im Hinblick auf Ethik, Gegenstand. Weiterhin ist es aus Sicht des DBR zwingend notwendig, dass alle Bildungsangebote in ihrer Konstruktion modularisiert sind, die Lernergebnisse gemäß den Kompetenzstufen des EQR festgelegt werden (Outcome-Orientierung), die Lernergebnisse über formal 5, non-formal 6 und informell 7 erworbenes Wissen und Können Anrechnung finden und eine vorgegebene Modulanzahl, -größe und -kombination zu einem definierten und nach Akkreditierung auch zu einem staatlich anerkannten Abschluss führen. Ein klinisch ausgerichteter Masterstudiengang würde sich z. B. mit einer definierten klinischen Expertise, bezogen auf eine Klientengruppe, mit der Erforschung bzw. den Forschungsgrundlagen des Fachbereichs und mit der Steuerung (Management) des Handlungsfeldes befassen. Diese konsekutiven, klinisch orientierten, auf ein Arbeitsfeld und/oder eine Zielgruppe bezogenen Master-Angebote befähigen zur Gestaltung einer Advanced Nursing Practice (ANP). Die Absolventen sind im Anschluss an internationale Standards als Advanced Nurse Practioner zu bezeichnen. Die fachliche Spezialisierung ist zu ersehen über das Diploma Supplement (DS). Dringend erforderlich ist auch eine Harmonisierung der Assistentenqualifikationen. Durch den Wechsel der Zuständigkeit für die Krankenpflegehelferausbildung an die Länder ist hier eine unübersichtliche Vielfalt von geregelten und ungeregelten Ausbildungen entstanden. GMK und KMK sind gefordert, hier einen Rahmen zu schaffen, der es ermöglicht, Qualifikationsebenen zu identifizieren (welche Ausbildungen sind vergleichbar), schon um den Absolventen innerdeutsche Mobilität zu ermöglichen und den Arbeitgebern eine Einschätzung der Einsatzmöglichkeiten zu erlauben. Grundsätzlich ist zu fordern, dass jegliche Ausbildung Durchlässigkeit im Bildungssystem ermöglichen muss. Durch eine Modularisierung von Erstausbildung und Fortund Weiterbildung mit der Möglichkeit des Erwerbs von Credit Points und deren Anrechenbarkeit, würde ein qualitativer Quantensprung für mehr Flexibilität von Be- 5 organisierter, strukturierter Kontext; zielgerichtet; mit Zertifikat (Schule, Ausbildung, Hochschule, Weiterbildung) 6 eingebettet in planvolle Tätigkeiten; intentional; ohne Zertifikat 7 nicht organisiert oder strukturiert, z. B. am Arbeitsplatz, im Alltag oder Freizeit 245

245 Gertrud Stöcker rufskarrieren und eine rasche Anpassung an sich ändernde Versorgungsbedarfe erreicht. Für den Berufsweg bedeutet das: Eine horizontale Vielfalt nach Neigungen und Angeboten sowie eine vertikale Entwicklung mit Blick auf Karriere und Spezialisierung. Eine so ausgerichtete flexible Qualifizierung in der Pflege verändert das Berufsbild Pflege in all seinen Facetten. Die Professionalisierung erfährt eine zentrale Steuerung und die Statusveränderung des gesamten Berufsstandes wird auf eine neue Ebene gelenkt. Der Prozess der persönlichen Identifikation mit dem Beruf gelingt, das kollektive Selbstbewusstsein der Pflegenden wächst. Die berufliche Solidarität sprengt Systemgrenzen, die berufsspezifischen Divergenzen zwischen den verschiedenen pflegerischen Versorgungsstrukturen lösen sich auf. Das Berufsfeld Pflege als dann eigenständige und anerkannte Fachdisziplin im Gesundheits- und Sozialwesen ist durchsetzungsfähig, und die professionell Pflegenden werden ernstzunehmende Partner in der Gesundheits- und Sozialpolitik sein. 3. Ausblick Über den Prozess der pflegeberuflichen Bildung ist sichergestellt, dass künftige Werte und Ziele des Berufes implementiert werden. Pflegende sind so gerüstet. Sie verfügen so auf unterschiedlichen Niveaus über eine differenzierte Sach-, Fach- und Systemkenntnis, um anstehende Pflegebedarfe kompetent und sachkundig anzugehen, Spezialisierungen weisen eine hohe Kompetenz aus. Pflegende verfügen auf unterschiedlichen Niveaus über eine differenzierte Sach-, Fach- und Systemkenntnis, um anstehende Pflegebedarfe kompetent und sachkundig anzugehen, Spezialisierungen weisen eine hohe Kompetenz aus. Dementsprechend ungeregelt ist jedoch nach wie vor die Entsprechung ein der professionellen Pflege zugebilligten fachlicher und rechtlicher Handlungsspielraum. In der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte geht es nun darum, den veränderten Versorgungsnotwendigkeiten mit neuen Strukturen und Zuständigkeiten für die Gesundheits- resp. Heilberufe zu begegnen. Es geht hier nicht um ein Mehr an unterschiedlichen oder neu zu schaffenden Berufen, sondern um eine Differenzierung der vorhandenen Berufe. Und es gilt, dieses Gefüge unterschiedlicher Qualifikationen hin zu einem konsiliarischen und kollegialem Verhältnis in horizontaler Verantwortung zu entwickeln. Aus pflegepolitischer Perspektive heißt das, dass es nicht prioritär nach dem bekannten Prinzip gehen kann, unter dem Scheinargument Pflege aufzuwerten und darüber einen anderen Berufsstand zu entlasten (wie rückblickend ausreichend und immer wieder seit den 70er Jahren zu belegen ist), in dem z.b. ärztliche Tätigkeiten aus dem eigenen Berufsstand ausgegliedert und an die Pflege als ausschließlich arztersetzende Dienstleistung delegiert werden. Pflege verliert so ihren Professionsanspruch und Pflegende werden über die Delegation beliebig ersetzbar sein. 246

246 17. Der Pflegeberuf im Wandel 4. Literatur BverfG (Bundesverfassungsgericht) (2002): Feststellung zum Beruf des Altenpflegers als Heilberuf gemäss Art. 74 GG sowie zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäss Art. 72 GG, Urteil BVG 1/10 v DBR (Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe - Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen e.v. (ADS), Bundesausschuss der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe e. V. (BA), Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.v. (DBfK) (2006): Pflegebildung - offensiv, Elvesier Verlag, München DBR (Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe - Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen e.v. (ADS), Bundesausschuss der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe e. V. (BA), Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.v. (DBfK), Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz () (2009): Pflegebildung offensiv Weiterqualifizierung, Berlin KMK (Kultusministerkonferenz der Länder), GMK (Gesundheitsministerkonferenz der Länder), ASMK (Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder) (1997): Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe Studiengänge im Tätigkeitsfeld Gesundheitswesen, Bonn Stöcker, G. (Hrsg.) (2002): Bildung und Pflege - eine berufs- und bildungspolitische Standortbestimmung - Bundesausschuss der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberufe e.v. (BA), Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover Stöcker, G. (2005): Ausbildung der Pflegeberufe in Deutschland, in Landenberger, M., Stöcker, G., Filkins, J., Them, C. u.a. (Hrsg.), Ausbildung der Pflegeberufe in Europa - Vergleichende Analyse und Vorbilder für eine Weiterentwicklung in Deutschland, Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover Stöcker, G. (2008): Der Pflegeberuf im Wandel, in Hofmann, Reschauer, Stößel (Hrsg.) Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst, Band 21, FFAS Postfach 5171, Freiburg, S ) WHO (Weltgesundheitsorganisation), Regionalbüro Europa (2000): Bericht über die 2. WHO- Gesundheitsministerkonferenz, München, Pflege- und Hebammenwesen in Europa, Kopenhagen, EUR/1/ , Anhang I, S

247 248

248 18. Pflegefacharbeit 2020 neue Ausbildungsinhalte und ein generalisiertes Ausbildungskonzept für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege Thomas Kutschke Inhalt 1. Herausforderungen für den Pflegesektor in den kommenden Jahren 2. Empfehlungen für die Entwicklung innovativer Ausbildungskonzepte 3. Zentrale Forderungen zur Entwicklung der Pflegbildung bis Literatur 1. Herausforderungen für den Pflegesektor in den kommenden Jahren Der Pflegesektor steht insbesondere in den Bereichen Pflegebildung, Personalentwicklung und Rekrutierung von Berufsangehörigen vor großen Herausforderungen. Wie eine Untersuchung des MAGS NRW aus dem Jahre 2009 belegt, ist mit einer Zunahme der Pflegebedürftigkeit bis 2020 von 34% zu rechnen. Diese Steigerung ist gepaart mit einer zunehmenden Komplexität der Pflegebedürftigkeit, die sich durch die Multimorbidität der zu Pflegenden erklärt. Hierbei ist eine geänderte Definition von Pflegebedürftigkeit noch nicht berücksichtigt. 249

249 Thomas Kutschke Pflegebedürftige in NRW: 2008: : (+9,8 %) 2015: (+23 %) 2020: (+34 %) 2025: (+45,9 %) Geänderter Pflegebegriff (Demenz) kann die Zahlenmenge noch zusätzlich erhöhen Abb. 1: Pflegebedürftige in NRW bis 2025 (Quelle: MAGS, 2009) Nach Angaben der Landesberichterstattung Gesundheitsberufe NRW von 2010 liegt ein Fachkräftemangel im Bereich der Altenpflege bereits vor, da besonders zahlreiche nach SGB III geförderte Ausbildungsplätze abgebaut wurden. In der Gesundheitsund Krankenpflege deutet sich ebenfalls ein Mangel an. Vor dem demografischen Wandel ist zudem mit einem Rückgang der Bewerberzahlen zu rechnen. Zurzeit haben die Pflegeberufe offensichtlich nicht die Attraktivität, um die benötigten Menschen für das Tätigkeitsfeld zu gewinnen Personalbedarf - insgesamt Personalbedarf - ambulant Personalbedarf - stationär Abb. 2: Personalbedarf in der Pflege in Deutschland bis 2050 (Quelle: Raffelhüschen, 2008) Die von Raffelhüschen ermittelten Zahlen zeigen einen Bedarf von zusätzlich rund Pflegekräften bis zum Jahr 2020 in Deutschland. Um diese Entwicklung aufzufangen, muss die Anzahl der Ausbildungsplätze um rund 30 % gesteigert werden. 250

250 18. Pflegefacharbeit 2020 neue Ausbildungsinhalte und ein generalisiertes Ausbildungskonzept Dies bedeutet in der Konsequenz, die Notwendigkeit die Pflegeausbildungen stringent zu reformieren. Die Zahlen von Raffelhüschen für Deutschland korrelieren deutlich mit den Berechnungen des MAGS für NRW. Zurzeit werden die Weichen für die zukünftige Pflegeausbildung neu gestellt. Um einen Blick in die Zukunft zu werfen, ist es hilfreich, sich anzuschauen, welche Erkenntnisse aus den aktuellen Modellprojekten der letzten Jahre vorliegen. Hierzu gibt es die Metastudie Pflegebildung in Bewegung, die zentrale Erkenntnisse zur Pflegeausbildung aus verschiedenen Einzelstudien übersichtlich darstellt: Fragmentierung mit Ansätzen zur Integration Die Pflegeausbildungen sind fragmentiert in die drei Ausbildungszweige: Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Altenpflege. Durch das Bundesaltenpflegegesetz von 2003 gibt es erstmals eine einheitliche Ausbildung innerhalb der Altenpflege. Die früheren länderspezifischen Ausbildungen wurden zusammengeführt. Ebenso liegt eine Integration von Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege durch das Krankenpflegegesetz von 2004 vor. Verberuflichung mit Ansätzen zur Professionalisierung Pflegewissenschaft und Gesundheitsorientierung ist in den Ausbildungsgesetzen verankert. Lernfeld- und Kompetenzorientierung ist zugrunde gelegt und Modellprojekte eröffnen Gemeinsamkeiten/Durchlässigkeiten zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Traditionelle Strukturen mit Ansätzen zur Modernisierung Die Schullandschaft in den Pflegeberufen ist geprägt von vielen kleinen Schulen (v.a. in der Altenpflege). Jedoch ist eine Tendenz zur Fusionierung zu verzeichnen. Besonders in den alten Bundesländern überwiegen zurzeit noch traditionell qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer das Bild, jedoch nimmt auch hier die Anzahl von akademisch qualifizierten Lehrern zu. Die Ausbildungsstrukturen orientieren sich stark an stationärer Versorgung mit einer Tendenz zur Öffnung in den ambulanten Sektor. 2. Empfehlungen für die Entwicklung innovativer Ausbildungskonzepte Daraus leiten sich zentrale Empfehlungen ab, die für die Entwicklung innovativer Ausbildungskonzepte maßgeblich sind. Diese Empfehlungen liefern auf der einen Seite Schulleitern und auf der anderen Seite den politischen Entscheidungsträgern wichtige Hinweise, in welcher Art sie die eigene Schule bzw. das Pflegebildungssystem weiterentwickeln sollten. 251

251 Thomas Kutschke Zentrale Empfehlungen aus den Modellvorhaben: Integration der Pflegeausbildungen Systematisierung von Curriculumprozessen Umfassender Pflegebegriff und neue Lernorte Kooperationen entwickeln Pflegeausbildung in Bewegung (Weidner 2008) Abb. 3: Empfehlungen aus den Modellvorhaben zur Pflegeausbildung Integration der Pflegeausbildungen Das Modellprojekt Pflegeausbildung in Bewegung schlägt eine integrierte Pflegeausbildung mit generalistischer Ausrichtung vor. Hierbei soll die Ausbildungsdauer von 3 Jahren beibehalten werden und ein einheitlicher Berufsabschluss angestrebt werden. Die theoretische Ausbildung soll dabei vollständig integriert werden, eine Differenzierung erfolgt durch Schwerpunktsetzung in der praktischen Ausbildung. Differenzierung in der praktischen Ausbildung Abb. 4: Differenzierung in der integrierten Pflegeausbildung 252

252 18. Pflegefacharbeit 2020 neue Ausbildungsinhalte und ein generalisiertes Ausbildungskonzept Kooperationen entwickeln Kooperationen zwischen bisherigen Altenpflegefachseminaren und Kranken- und Kinderkrankenpflegeschulen mit der Zielsetzung zur Entwicklung von allgemeinen Pflegeschulen oder Pflegebildungszentren sind konsequente Schlussfolgerungen aus der Zusammenführung der Berufsausbildungen. Hierbei soll insbesondere die praktische Ausbildung aufgewertet werden. 3. Zentrale Forderungen zur Entwicklung der Pflegbildung bis 2020 Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und aus den Empfehlungen von Pflegeausbildung in Bewegung stellen sich folgende Forderungen zur Entwicklung der Pflegebildung bis 2020: Zentrale Forderungen zur Entwicklung der Pflegebildung bis 2020: 1) Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes 2) Zusammenführung der verschiedenen Pflegeberufe 3) Ausbau der akademischen Qualifizierung Autonomie des Heilberufes Pflege 4) Beibehaltung einer attraktiven Ausbildungsvergütung 5) Qualifizierung auf verschiedenen Niveaustufen mit horizontaler und vertikaler Durchlässigkeit Abb. 5: Forderungen zur Pflegebildung Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes Die zunehmende Professionalisierung der Pflegeberufe muss vorrangiges Ziel der Entwicklung der Pflegeberufe sein. Pflegende müssen Kompetenzzuwachs und Aufstiegsmöglichkeiten bekommen, um mit anderen Berufen um Nachwuchs konkurrieren zu können. Weiterhin ist es erforderlich breitere Bevölkerungsgruppen für eine Pflegeausbildung zu gewinnen. Kurzfristig muss eine angemessene Personalausstattung in Einrichtungen der Altenhilfe und Krankenhäusern angestrebt werden. Die unverhältnismäßig hohe Quote von Teilzeitkräften in den Pflegeberufen muss gesenkt werden. Zusammenführung der verschiedenen Pflegeberufe Die sektorale Begrenzung von Pflege muss überwunden werden. Der Wechsel zwischen den verschiedenen Pflegearbeitsfeldern muss ermöglicht werden. Erst eine einheitliche oder generalistische Pflegeausbildung verbessert die Wahlmöglichkeiten des zukünftigen Berufsfeldes. Hierbei ermöglichen Vertiefungsphasen während der praktischen Ausbildung Schwerpunktbildungen. 253

253 Thomas Kutschke Ausbau der akademischen Qualifizierung Legt man eine Erhöhung der derzeit rund 500 Studienplätze in NRW auf zugrunde, dauert es 45 Jahre bis eine Quote von 10% akademischen Pflegekräften erreicht wird. Daher sind bis 2020 mindestens Studienplätze für Pflegewissenschaft einzurichten. Autonomie des Heilberufes Pflege Der Status als Heilberuf unterscheidet die Pflege von vielen anderen Berufen. Heilberufe sind beispielsweise durch Bundesgesetze reglementiert, da sie dem Schutz der Bevölkerung dienen. Sie haben eine Autonomie in ihrem Handlungsfeld und bilden daher u. a. ihren Berufsnachwuchs selber aus. Eine Verkammerung der Pflege bietet der Bevölkerung eine verlässliche und transparente Kontrolle der Pflege und Pflegequalität. Diese Forderungen sind elementar für die Weiterentwicklung der Pflegeberufe. Beibehaltung einer praktischen Ausbildung mit Ausbildungsvergütung Die zunehmende Akademisierung lässt hoffen, dass das Berufsfeld Pflege für (Fach)Abiturienten eine Bildungsalternative bedeutet. Die praxisnahe berufliche Ausbildung mit einer Ausbildungsvergütung macht das Berufsfeld interessant für finanziell Schwächere und Migranten mit mittlerem Bildungsabschluss. Qualifizierung auf verschiedenen Niveaustufen - horizontale und vertikale Durchlässigkeit Um den hohen Bedarf an Pflegekräften decken zu können, muss das Berufsfeld auf vielfältigen Qualifikationsstufen eine Pflegetätigkeit ermöglichen. Die unterschiedlichen Niveaustufen müssen durch horizontale und vertikale Durchlässigkeit gekennzeichnet sein, damit die in der Pflege Tätigen Aufstiegsmöglichkeiten haben und somit das Berufsbild an Anziehungskraft gewinnt (bereits jetzt stehen die Pflegestudiengänge interessierten Pflegekräften auch ohne Abitur offen). Zusammenfassend ist eine moderne, gestufte Pflegebildung auf Basis der Pflegewissenschaft zu fordern. Sie umfasst eine akademische Qualifizierung genauso, wie eine generalistische dreijährige Ausbildung mit hohem Praxisbezug und Ausbildungsvergütung. 4. Literatur Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW (2010): Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein-Westfalen 2010 Raffelhüschen B. (2008): Pflege 2030 Einflussfaktoren auf die demografische Entwicklung in der Pflege. Vortrag Hauptstadtkongress, Berlin 2008 Weidner, F., Klaes, L. u.a. (2008): Pflegeausbildung in Bewegung Schlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung; Bericht für das BMFSFJ, Berlin 254

254 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Ralf Marleaux Inhalt 1. Einführung zum Hintergrund der Forderung nach einer evidenzbasierten Pflege 2. Wie kommt evidenzbasiertes Wissen zur Anwendung in der Praxis? 3. Eine Konkretisierung des Begriffs Evidenzbasierte Pflege 4. Lernprozesse für eine Evidenzbasierte Pflege 5. Und wie kommt das Neue in die Organisation? 6. Literatur 1. Einführung zum Hintergrund der Forderung nach einer evidenzbasierten Pflege Bedingt durch den gesellschaftlichen Strukturwandel und gesundheitspolitische Reformen verändert und entwickelt sich das Gesundheitssystem in Deutschland weiter. Veränderte Bedingungen und Anforderungen lösen Unsicherheiten aus und veranlassen die Menschen nach Antworten auf immer neue Fragestellungen zu suchen. In der modernen Gesellschaft wird zunehmend gefordert, dass Informationen und Lösungsvorschläge zur Bewältigung eines Problems wissenschaftlich begründet und überprüfbar sind (vgl. Bonß, 2002). Diese Forderung impliziert, dass die in Rede stehende Rationalisierung von Veränderungsprozessen sich nicht in einem bloßen Informationswachstum erschöpft, sondern mit wissenschaftlichen Methoden systematisiert und in bestehende Wissensbestände integriert wird. Unter anderem durch veränderte Wertorientierungen und gesellschaftliche Statuszuweisungen wurde seit Anfang der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Verwissenschaftlichung als Strukturmerkmal moderner Gesellschaften in Europa befördert (ebd.). 255

255 Ralf Marleaux Erst zu Beginn der neunziger Jahre nahm dieser Trend in Deutschland im Zuge der Auseinandersetzung mit der Akademisierung der Pflegeberufe und der Entwicklung von Pflegewissenschaft zur eigenständigen Disziplin sichtbar Einzug in den Gegenstandsbereich der professionellen Pflege. Mit der Etablierung von pflegewissenschaftlichen Studiengängen an Fachhochschulen und Hochschulen wurden erste Schritte auf dem Weg zur Professionalisierung der Pflegeberufe unternommen, u.a. mit dem Ziel einer wissenschaftlichen Fundierung pflegespezifischer Wissensbestände (vgl. Schaeffer, 2002; Bartholomeyczik, 2002). Das durch Pflegeforschung generierte wissenschaftliche Wissen und die Fülle der Publikationen nehmen seitdem stetig zu und sind einem schnellen Wandel unterworfen (vgl. Bögemann-Großheim, 2004). Das Wissen steht den Praktikern zunächst in Form von Daten und Informationen zur Verfügung. Diese Daten und Informationen müssen einerseits hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz überprüft werden und bedürfen, um für die Praxis nützlich zu sein, der Transformation in Wissen, welches im Gegensatz zu Information stets personengebunden und handlungsorientiert ist (vgl. Rüstmann & Thommen, 2002). Orientiert am Konzept der Evidence Based Medicine (EBM) wurde in den 1990er Jahren das Konzept Evidence Based Nursing (EBN 1 ) entwickelt. Ein Ziel dieses Konzeptes ist es, systematisierte (pflege-)wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren, um eine wissenschaftlich fundierte, individuelle und patientenorientierte Pflege zu gewährleisten. Gleichzeitig soll die Varianz pflegerischen Handelns reduziert, die Qualität und Wirtschaftlichkeit pflegerischer Leistungen erhöht sowie Über-, Unter- und Fehlversorgungen reduziert werden. Auf der Basis der nachfolgenden Definition von EBM, welche auf David Sackett und Kollegen zurückgeht, wurde auch das EBN- Konzept inhaltlich bestimmt: Evidence-based medicine is the conscientious, explicit and judicious use of current best evidence in making decisions about the care of individual patients. The practice of evidence-based medicine means integrating individual clinical expertise with the best available external evidence from systematic research (zit. Sackett et al., 1996, S. 71). Im Jahre 1998 wurde diese Definition von Heynes et al. um den Aspekt der Patientenbedürfnisse erweitert (vgl. Gross, 2004). Mit anderen Worten und übertragen auf den Wirkungsbereich der Pflege ist es das zentrale Anliegen von EBN, das aktuell verfügbare beste wissenschaftliche Wissen aus systematischer, empirischer Forschung (externe Evidenz) bewusst, explizit und vernünftig mit der klinischen Erfahrung und dem theoretischen Wissen der Pflegen- 1 Zur besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf dieses Textes die Abkürzung EBN für das Konzept Evidence Based Nusing verwendet. 256

256 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege den (interne Evidenz) in der konkreten Versorgung individueller Patienten unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen zu integrieren (vgl. Grypdonck, 2004). Dieses Anliegen erscheint angesichts der in Pflegeleitbildern vielfältig vorzufindenden Formulierungen selbstverständlich, wenn dort beispielsweise von einer auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung praktizierten Pflege die Rede ist. Untersuchungen zeigen jedoch, dass traditionell ausgebildete und berufserfahrene Pflegende, obwohl sie über komplexes Erfahrungswissen verfügen, oft nicht in der Lage sind, theoriegeleitete Bezüge zur Begründung der Pflegepraxis herzustellen o- der Forschungsergebnisse, soweit vorhanden, situationsorientiert aufzugreifen und in Handeln zu übertragen (vgl. Käppeli, 1999). Eine daraus resultierende Gefahr ist, dass auch da Sicherheit suggeriert wird, wo in Wirklichkeit keine besteht (vgl. Behrens, 2004). Vor diesem Hintergrund geht dieser Beitrag der Frage nach, ob und wie die Integration der Methoden und Instrumente des EBN-Konzeptes in Lernprozesse traditionell ausgebildeter und berufserfahrener Pflegender einen Beitrag zur wissenschaftlichen Fundierung und zu professionalisiertem Pflegehandeln leisten kann. Wissen - vor allem wissenschaftliches Wissen - wird zunehmend als wertvolle Human-Ressource für Innovationen zur Erstellung von Dienstleistungen im Wettbewerb von Organisationen und Gesellschaften wahrgenommen (vgl. Spinner, 1994). Deshalb soll unter dem Gesichtspunkt des organisationalen Lernens die Frage geklärt werden, welche strukturellen Bedingungen im Krankenhaus individuelles Lernen und die Implementierung pflegewissenschaftlicher Erkenntnis in Praxishandeln unter Anwendung des EBN-Konzeptes fördern oder hemmen können. Im Anschluss wird zunächst auf der Basis der vorliegenden Literatur zusammenfassend dargelegt, was unter dem Begriff der wissenschaftlichen Evidenz zu verstehen ist und welche Konsequenzen sich daraus für die Bewertung und Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse aus quantitativen und qualitativen Erkenntnisquellen ergeben. Davon ausgehend wird die Problemlösungsstrategie des EBN-Konzeptes, von einer konkreten und praxisrelevanten Fragestellung bis hin zur Evaluation, in den einzelnen Schritten dargelegt und erläutert. 2. Wie kommt evidenzbasiertes Wissen zur Anwendung in der Praxis? Für die Implementierung des Konzeptes in die Pflegepraxis sind seitens der Pflegenden auf individueller Ebene berufliche Kompetenzen vorauszusetzen. Gleichzeitig sind auch jedoch organisationale, kompetenzfördernde Voraussetzungen zu schaffen. Die Lernfähigkeit der Organisation Krankenhaus beginnt bei jedem einzelnen Mitarbeiter. In der Fachdiskussion mit Kolleginnen und Kollegen wird Lernen zum sozia- 257

257 Ralf Marleaux len Lernen in Teams, in denen Lernen vergemeinschaftet und neues Wissen generiert wird. Trends des gesellschaftlichen Wandels In den meisten westlichen Industrienationen vollzieht sich, wie auch in Deutschland, derzeit ein beschleunigter Wandel der gesellschaftlichen Sozialstruktur. Dieser Wandel erfolgt aus soziologischer Perspektive auf verschiedenen Ebenen: Auf der Makroebene der Gesellschaft, auf der Mesoebene der Institutionen, Organisationen und Gemeinschaften und letztlich auf der Mikroebene einzelner Personen. Die sich wechselseitig beeinflussenden Strukturveränderungen in den jeweiligen Bereichen und Ebenen der Gesellschaft werden als Modernisierung bezeichnet (vgl. Weymann, 1998, S. 14 f.). Zu den allgemeinen Trends der Modernisierung von Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften zählen u.a. die Technisierung von Arbeitsprozessen, die wachsende Komplexität von Wissensbeständen, eine verstärkte Wissenschaftsorientierung in einer Wissens- und Bildungsgesellschaft, Veränderungen der Bevölkerungsstruktur, Modifikationen des Wertesystems und eine stärkere Gewichtung der Ökonomie in Entscheidungsprozessen (vgl. Geißler, 2002, S. 436 ff; Zapf, 2003, S. 427 ff.). Wandlungsprozesse im Gesundheitswesen als Folge der demografischen und epidemiologischen Transition Trends des sozialen Wandels sind derzeit in Deutschland besonders in Organisationen des Gesundheitssystems spürbar und erzeugen hier einen erheblichen Innovationsdruck (Kälble & Reschauer, 2002; Moers, 2004; Schaeffer, 2002): Insbesondere in Krankenhäusern ermöglicht der zunehmende Einsatz moderner Medizintechnik und der ständige Zuwachs medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissens neue Diagnose- und Therapieformen. Immer mehr Patienten können in immer kürzerer Zeit behandelt werden. Dies führt zur Spezialisierung und Intensivierung pflegerischer Arbeit. Mit der demografischen Alterung der Bevölkerung, welche durch steigende Lebenserwartung bei gleichzeitig niedriger Geburtenrate begründet ist, hat sich das Krankheitsspektrum der zu versorgenden Patienten erheblich verändert. Krankheitsbilder mit oft chronischem Verlauf, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Stoffwechselerkrankungen und psychische Erkrankungen nehmen zu. Im Verlauf chronischer Erkrankungen sind regelmäßig Komplikationen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes zu verzeichnen. Daneben ist ein Anstieg altersspezifischer Krankheitsbilder sowie physischer und geistiger Fähigkeitsstörungen ohne Krankheitswert beobachtbar. Beide Entwicklungen gehen mit zunehmendem Hilfe-, Betreuungs- und Beratungsbedarf einher. 258

258 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Folgen der Globalisierung, wie Bevölkerungswanderungen und Liberalisierung der Arbeitsmärkte, erfordern eine zunehmende Mobilität. Hierdurch werden allgemeine Prozesse des sozialen Wandels wie Pluralisierung, Individualisierung und Singularisierung befördert. Kulturelle Traditionen und das tradierte geschlechtsspezifische Rollenverständnis werden zunehmend in Frage gestellt und haben sich bereits erheblich gewandelt. Diese Entwicklungen führen zu einer Lockerung sozialer Bezüge in allen gesellschaftlichen Ebenen und stehen in einer sich gegenseitig beeinflussenden Beziehung zum Wandel des Wertesystems, wodurch letztlich die Inanspruchnahme professioneller Hilfen zunimmt. Bezogen auf das Gesundheitssystem manifestiert sich der Wertewandel aber auch in einem veränderten Gesundheitsverständnis. Aus der Sicht der Pflegenden, wie auch vermehrt aus der Perspektive der Klienten/ Patienten, ist Gesundheit nicht gleichzusetzen mit der Abwesenheit von Krankheit. Vielmehr werden Gesundheit und Krankheit nicht als absolute, sondern als relative Zustände, die durch die Förderung der Gesundheitspotenziale in einer Balance zu halten sind, begriffen. Zunehmend wird der Gesundheitsbegriff als Umschreibung für das Ausmaß an Lebensqualität und die Möglichkeit zu selbstbestimmter Lebensführung verstanden. Entsprechend wandeln sich Rollenerwartungen und Rollenverhalten vieler Patienten weg vom fremdbestimmten Leistungsempfänger hin zum selbstverantwortlichen und informierten Nutzer von Gesundheitsdienstleistungen. Gemäß diesem Verständnis kann Pflege sich nicht ausschließlich auf versorgende Funktionen beschränken. Vielmehr treten unterstützende, beratende und befähigende Aufgaben im Rahmen von Gesundheitsförderung, Prävention, Akutversorgung und Rehabilitation hinzu. Veränderungen der Altersstruktur und des Krankheitsspektrums erfordern ein zunehmendes Engagement in der Palliation und Begleitung sterbender Patienten. Diese Entwicklungen stehen in einem diametralen Verhältnis zur Verfügbarkeit finanzieller, personeller und materieller Ressourcen im Gesundheitswesen. Der zunehmende Kostendruck im Gesundheitssystem führt zu Allokationsproblemen und erfordert Steigerungen der Effektivität und Effizienz von medizinischen und pflegerischen Gesundheitsdienstleistungen. Daher haben marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen und ökonomischer Wettbewerb neben einem erhöhten Anspruch an die Versorgungsqualität zunehmend Einzug in die Gesundheitsversorgung genommen. Mit Einführung der Diagnosis Related Groups Anfang 2004 und dem Angebot neuer Versorgungsformen wurde in den Kliniken ein grundlegender Strukturwandel eingeleitet, welcher alle dort Tätigen vor neue Herausforderungen stellt. Von diesen Veränderungen ist die Berufsgruppe der Pflegenden in besonderem Maße betroffen. Im Zuge des Wandlungsprozesses haben sich sowohl die Bedingungen und 259

259 Ralf Marleaux herkömmlichen Aufgabenstellungen als auch die Anforderungen an die Qualifikation der Pflege verändert (Kälble & Reschauer, 2002) Die traditionellen Ausbildungsinhalte für die berufliche Krankenpflege bezogen sich primär auf die Vermittlung von handlungsbezogenen Fertigkeiten und Kenntnissen, also auf die Klärung der Frage wie Pflegehandeln zu gestalten ist (vgl. Bögemann- Großheim, 2004). Was Pflege ist, welche Aufgaben dazu gehören oder gar, warum man in der Pflege mit welchen methodischen Ansätzen arbeitet, waren keine besonderen Fragen, weil der pflegerische Wirkungsraum weitgehend von den Vorstellungen und Verständnissen geprägt war, die andere Sachautoritäten und andere Wissensdisziplinen vorgaben (zit. Bögemann-Großheim, 2004, S. 100). Mit wachsendem gesellschaftlichem Problemlösungsbedarf erweist sich das tradierte Erfahrungswissen zur Bewältigung neuer Problemstellungen und zur Begründung pflegerischen Handelns zunehmend als ungeeignet oder zumindest als nicht ausreichend (ebd.). In Folge dessen setzten Professionalisierungsprozesse ein, welche einerseits systematisches, empirisch fundiertes Wissen erfordern (vgl. Bock-Rosenthal, 1999) und andererseits eine Neupositionierung der Pflege im gesellschaftlichen Kontext als notwendig erscheinen ließen. Zu unterscheiden sind verschiedene Wissenskomponenten einer Profession, welche sich zu einer praktischen Theorie ergänzen (ebd). Unter Berufung auf Daheim (1992) unterscheidet Dewe: [...] wissenschaftliches Wissen, verstanden als technisches Problemlösungswie auch als Deutungswissen; Berufswissen im Sinne von tradiertem Erfahrungs-wissen, aber auch im Sinne von kognitiven und normativen Regeln der Berufsausübung; schließlich gängiges Alltagswissen, das vor allem mit Blick auf die interaktiven Aspekte der täglichen Praxis von Bedeutung ist [...] (zit. Dewe, 2006, S. 28). Wie diese Wissensbestände zueinander in Beziehung stehen und in der berufspraktischen Situation zur Geltung kommen, darüber gibt diese Theorie keine explizite Erklärung (ebd.). Wissenschaftliches Wissen kann nicht einfach so in die Praxis implementiert werden und so zu professionellem Handeln führen. Professionalisiertes Handeln wird wesentlich verstanden als Hervorbringung einer Handlungsstruktur, die es ermöglicht, die in der Praxis auftretenden Handlungsprobleme aus der Distanz stellvertretend, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis zu reflektieren, und so die Komplexität eines Falles unter Berücksichtigung seiner persönlichen Autonomie und Einzigartigkeit zu verstehen (vgl. Oevermann, 1996). 260

260 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Professionalisiertes Handeln ist wesentlich der gesellschaftliche Ort der Vermittlung von Theorie und Praxis unter Bedingungen der verwissenschaftlichten Rationalität, d.h. der wissenschaftlich zu begründenden Problemlösung in der Praxis (zit. Oevermann, 1996, S. 84). Wissenschaftlichem Wissen wird in diesem Sinne die Funktion des Reflexionswissens zur fallrekonstruktiven Deutung bereits abgelaufener Handlungen unter Anwendung der objektiven Hermeneutik beigemessen. Es kann jedoch nach Auffassung Oevermanns nicht dazu dienen, das praktische Handeln unmittelbar anzuleiten (ebd.). Der hier zugeschriebenen Bedeutung und Funktion des wissenschaftlichen Wissens ist am ehesten zu folgen, weil Pflege nicht in der schlichten Anwendung von Regeln besteht, welche einer Theorie stringent abzuleiten wären. Vielmehr ist professionelle Pflege auf Interaktionen und Handlungen zwischen Betroffenem und Professionellem ausgerichtet und durch ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und analytischer Distanz geprägt (vgl. Travelbee, 1997). Aus der Individualität und der Spezifität eines Einzelfalles ergibt sich, dass Pflegehandeln nicht vollständig standardisiert, sondern stets auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden muss. Professionalität der Disziplin Pflege entsteht demnach, wenn zwei diametral zueinander stehende Prinzipien professionalisierten Handelns gleichzeitig wirksam werden: wissenschaftliche Kompetenz, definiert als die Fähigkeit, Theorien, Verfahren ihrer Konstruktion und Anwendung zu verstehen; hermeneutische Kompetenz, als die Fähigkeit, einen Fall in der Sprache des Falles, außerhalb deduktiver Theorieanwendung zu verstehen (vgl. Thiel et al., 2001). Entscheidungen und Handlungen sind durch wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen zu begründen. Die Fähigkeit zur verstehenden Rekonstruktion der subjektiven Betroffenheit und Einzigartigkeit des Falles unter Wahrung seiner Autonomie - bei gleichzeitig konstruktiver Einbindung systematischer Wissensbestände - ermöglicht professionelles Handeln (vgl. Thiel et al., 2001). Diese professionstheoretisch fundierte Argumentation findet ihre Analogie in der Novellierung der Berufsausbildungsgesetze für die Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und für die Altenpflege gleichermaßen. Durch die konkrete Beschreibung der Ausbildungsziele wurde indirekt eine Konkretisierung des professionellen Handlungsrahmens bzw. des gesellschaftlichen Auftrages an beruflich Pflegende vorgenommen. Dabei wird gefordert, dass die Ausbildung sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Erwerb beruflicher Kompetenzen zu orientieren hat. 261

261 Ralf Marleaux Trotz dieser berufs- und bildungspolitischen Entwicklungen bestehen weiterhin vielfältige Hemmnisse, die einem schnellen Fortschreiten auf dem Weg der Professionalisierung entgegenstehen. Der Theorie-Praxiskonflikt: Ausdruck der Divergenz von wissenschaftlichem Anspruch und einer als dequalifizierend wahrgenommenen Wirklichkeit Auch wenn die Ausbildungsbestimmungen für die berufliche Pflege modernisiert, und mit der Etablierung von Pflegestudiengängen eine Neupositionierung der Pflege als professioneller Dienstleistungsberuf in Deutschland eingeleitet wurde, sind traditionell ausgebildete Pflegende in der beruflichen Praxis derzeit weder hinreichend auf die neuen Aufgabenstellungen vorbereitet, noch finden sie aktuell Bedingungen vor, welche für eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Inhalten zur entsprechenden Fundierung des Pflegehandelns förderlich wären. Als Folge der Ökonomisierung und Rationierung im Gesundheitswesen ist eine fortschreitende Dequalifizierung in der Pflegepraxis beobachtbar (vgl. Schaeffer, 2002). Trotz höherer Arbeitsbelastung mit zunehmender fachlicher Beanspruchung haben sich die Partizipationsmöglichkeiten in Krankenhäusern nach Einschätzung Pflegender seit dem Jahr 2000 signifikant verschlechtert. Nur knapp ein Drittel der Teilnehmer einer im Jahr 2004 bundesweit durchgeführten repräsentativen Befragung hatte das Gefühl, dass Veränderungs- und Verbesserungsvorschläge in ihrer Einrichtung erwünscht waren. Auch die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und Abteilungen wurden als unbefriedigend eingeschätzt. Ebenso wurde eine Verschlechterung der gesellschaftlichen Stellung und Anerkennung des Pflegeberufes von den Befragten wahrgenommen. Insgesamt nahm die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden ab (vgl. DAK-BGW, 2005). Also stellt sich die Frage, wie wissenschaftliche Fundierung und Reflexion der Pflegepraxis trotz widriger Rahmenbedingungen und teilweise ablehnender Einstellungen seitens traditionell ausgebildeter Pflegender vorangebracht werden können. Die heute in der unmittelbaren Patientenbetreuung Tätigen repräsentieren den Teil der Berufsgruppe, welcher - nach altem Muster ausgebildet - die zukünftige Pflegepraxis gemäß einem erweiterten Aufgaben- und Selbstverständnis und durch wissenschaftlich reflektierte und reflektierende Handlungsweisen in den kommenden Jahren maßgeblich verantwortlich gestalten soll. Gleichzeitig prägt diese Berufsgruppe die Praxisbedingungen, unter denen Gesundheits- und Krankenpflegerinnen ausgebildet und ihre ersten beruflichen Erfahrungen sammeln werden. Darüber hinaus muss professionelle Pflege bereits heute, im Einklang mit der Sozialgesetzgebung, so gestaltet werden, dass sie zweckmäßig und nützlich ist, und dass der 262

262 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Gesundheitszustand der Patienten durch begründete pflegerische Arbeit nachweislich wirksam beeinflusst wird (vgl. Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.v., 2001, S. 15). Um auf diese Problemstellung angemessen reagieren zu können, werden reliable, valide und relevante Daten darüber benötigt, was Pflege tatsächlich tut, um den Pflegebedürfnissen der Patienten zu genügen. (zit. Evers, 2000, S. 134). Inwieweit die Bereitschaft traditionell ausgebildeter Pflegender zur nachhaltigen und handlungswirksamen Auseinandersetzung mit pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen gegeben sein wird, hängt vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen maßgeblich davon ab, ob es gelingt eine Dequalifizierung der Praxis durch Akademische Pflege zu vermeiden intuitives Wissen und Erfahrungswissen als unverzichtbares und erforderliches Wissen zu betrachten, welches um wissenschaftliches Regelwissen bereichert wird, wissenschaftliche Erkenntnisse tatsächlich dazu beitragen zu lassen, professionalisiertes Handeln positiv zu entwickeln, um so konkrete Probleme zu lösen und Fragestellungen beantworten zu können sowie die Verbesserung der Versorgungsqualität herbeizuführen, geeignete Methoden zur Erschließung und Einordnung dieses Wissens zur Verfügung zu stellen. 3. Eine Konkretisierung des Begriffs Evidenzbasierte Pflege Was verstehen wir konkret unter Evidenzbasierung in der Pflege? Nach Thiel et al. wird das Konzept evidenzbasierter Pflege mit dem Versprechen importiert, Pflege zu professionalisieren und zu emanzipieren (zit. Thiel et al., 2001, S. 267). Das Deutsche Cochrane Zentrum übersetzt den Therminus Evidence-Based direkt mit Evidenz basiert. Unmittelbar aus dem Englischen übersetzt steht Evidenced Based Nursing also für Pflege, die auf dem basiert, was wissenschaftlich bewiesen ist (vgl. Schloemer, 2000, S.47). Würde man dieser Definition folgen, so käme wissenschaftlichem Wissen eine normative Funktion für pflegerisches Handeln zu. Dies würde einer Professionalisierung im Sinne einer handlungstheoretischen Orientierung widersprechen. Mit der von Schlömer genannten Definition ist jedoch nur der Teilaspekt der externen Evidenz erfasst. Das EBN-Konzept integriert aber in einem erweiterten Verständnis drei Aspekte in klinischen Entscheidungen: persönliche klinische Erfahrung, 263

263 Ralf Marleaux Präferenzen der Patienten und die beste verfügbare externe Evidenz (vgl. Thiel et al., 2001). Evidence Based Nursing kann die Pflegenden zu einer wissenschaftlich reflektierten Handlungsweise führen und als praxisorientierter Ansatz die professionelle Gestaltung von Pflege unterstützen. Die von Oevermann geforderte Verknüpfung von wissenschaftlichem Wissen und hermeneutischem Fallverstehen findet ihre Entsprechung in der Forderung des EBN- Konzeptes, konkrete Pflegeprobleme zu lösen, indem die Präferenzen individueller Patienten, mit der externen Evidenz und der klinischen Erfahrung Pflegender integriert werden. Wissenschaftlichem Wissen kommt auch hier keine normative sondern eine reflexive Funktion zu. Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass Evidence Based Nursing international und auch in Deutschland innerhalb kurzer Zeit eine enorme Aufmerksamkeit erlangt hat (Gross, 2004; Reif, 2005). Sowohl das theoretische Interesse im pflegewissenschaftlichen Diskurs, als auch Initiativen zur praktischen Umsetzung dieses Konzeptes in Versorgungseinrichtungen nehmen stetig zu (vgl. Reif, 2005). 4. Lernprozesse für eine Evidenzbasierte Pflege In den nachfolgenden Ausführungen gilt es zu klären, wie erfahrene Pflegende befähigt werden können, individuelle Lernprozesse an Inhalten und Vorgehensweisen des EBN-Konzeptes auszurichten und die mit anerkannten wissenschaftlichen Methoden erworbenen Erkenntnisse der Pflegewissenschaft und anderer Bezugswissenschaften in Praxishandeln zu integrieren. Hierzu müssen sie über das grundlegende Wissen und über Erfahrungen zu einem relevanten Thema ebenso verfügen, wie über die Fähigkeit Informationen zu gewinnen, diese kritisch zu unterscheiden und logisch auszuwerten. Zuletzt müssen sie die gewonnene Erkenntnis kontextbezogen anwenden und den Erfolg ihrer Handlung evaluieren können. Pflegende werden auf eine evidenzbasierte Praxis vorbereitet, indem sie lernen, Forschungsprozesse zu verstehen und das kritische Urteilsvermögen zu entwickeln, das sie in die Lage versetzt, die Praxis kritisch zu reflektieren. Darüber hinaus müssen sie die Stichhaltigkeit und den Wert von Forschungsergebnissen für eine veränderte Praxis in einem konkreten Kontext handlungsführend einschätzen können (vgl. LoBiondo-Wood, 2005). 264

264 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Der Problemlösungsprozess des EBN-Konzeptes Zur Identifizierung evidenzbasierter Wissensbestände wird eine Methodik angewandt, die es ermöglicht, eine auf eine konkrete Problemstellung abgestimmte Frage zu formulieren, relevante externe Evidenzquellen zur Beantwortung dieser Frage zu identifizieren, zu bewerten und anhand eines geregelten Vorgehens hinsichtlich der Anwendbarkeit zu prüfen (vgl. Behrens u. Langer, 2004). Nachfolgend werden die einzelnen Schritte des Problemlösungsprozesses, welche als didaktisches Teilkonzept des EBN-Konzeptes (vgl. Panfil, 2004a) betrachtet werden können, näher erläutert. In den folgenden Abschnitten wird beschrieben wie eine klinisch relevante Frage formuliert wird, welche beantwortbar ist, wie man nach der besten externen Evidenz sucht, wie man diese Evidenz kritisch bezüglich Validität und klinischer Relevanz bewertet, wie man diese Evidenz tatsächlich in der klinischen Arbeit anwendet, wie man als EBN- Anwender die eigene Leistung beurteilt. 4.1 Formulieren einer spezifischen und relevanten Frage In der Regel geht es im ersten Schritt des Konzeptes um die Identifikation eines Praxisproblems und die Formulierung einer relevanten und beantwortbaren Frage (vgl. Behrens & Langer, 2004). Nach Cullen et al. kann das EBN-Konzept aber auch dann zur Anwendung kommen, wenn die Praxis mit neuem Wissen, welches mit einem Praxisproblem in Verbindung gebracht werden kann, konfrontiert wird (vgl. Cullen et al., 2004). Titler spricht in diesem Zusammenhang von wissenszentrierten Auslösern (vgl. Titler, 2005). In diesem Fall geht es darum, die Evidenz dieses Wissens zu überprüfen. Die Frage muss möglichst präzise gestellt werden, um die Chance zu eröffnen, das jeweils vorliegende Vorverständnis zu widerlegen oder zu prüfen. Es ist weiterhin zu klären, welche Art von Daten und Informationen gewünscht wird (vgl. Behrens & Langer, 2004). Fragestellungen können sich auf vielfältige Interessenbereiche pflegerischer Arbeit richten: Effektivität pflegerischer Interventionen Überprüfung der Aussagefähigkeit von Diagnosetests und pflegerischen Assessmentinstrumenten Prognose Risikoabschätzung Kosteneffektivität pflegerischer Maßnahmen 265

265 Ralf Marleaux Verständnis, Bedeutung von Krankheit für Patienten Erfahrungen und Verhalten der Patienten Generell enthalten gut formulierte klinische Fragen zur Wirkung von Interventionen, für deren Beantwortung überwiegend Daten aus quantitativen Studien gesucht werden, folgende vier Elemente (PIKE- Schema/ engl. PICO- Schema): Patient bzw. das Problem Intervention Kontrollintervention (Comparison) Ergebnismaß/ Zielgröße (Outcome) (vgl. Behrens & Langer, 2004). Bei Fragestellungen, welche sich auf Umstände, Bedingungen und Erfahrungen beziehen, welche z.b. im Zusammenhang mit dem Krankheitserleben stehen, werden überwiegend qualitative Studien zur Beantwortung beitragen. Nicht jedes Pflegehandeln kann und soll evidenzbasiert sein. Wiederkehrende klinische Probleme, für die bisher keine geeignete Lösung gefunden werden konnte, oder neue Problemstellungen, welche sich aus veränderten Anforderungen ergeben und zu deren Bearbeitung bisher keine speziellen Erkenntnisse zur Verfügung stehen, können Anwendungsgebiete für EBN sein. In Anlehnung an Titler werden folgende Auswahlkriterien vorgeschlagen: 1. Die Priorität dieses Themas für Patienten, die Pflege und die Einrichtung (Häufigkeit des Auftretens, Größe des Problems, hohe Kosten), 2. Wahrscheinlichkeit, dass ein verändertes Vorgehen die Qualität der Pflege verbessert, die Aufenthaltsdauer der Patienten verkürzt, Kosten reduziert oder die Patientenzufriedenheit erhöht, 3. Verfügbarkeit von Daten (vgl. Titler, 2005). 4.2 Literaturrecherche Nachdem die Fragestellung möglichst konkret definiert ist, geht es um die Suche nach den besten, verfügbaren, externen Evidenzquellen zur Beantwortung der konkreten Frage. Die Literaturrecherche erfolgt systematisch unter Berücksichtigung aller Informationsquellen. Hierzu zählen Datenbankrecherchen ebenso wie verfügbare Fachbücher und Fachzeitschriften sowie Expertenmeinungen. Das Internet bietet vielfältige Recherchemöglichkeiten in Suchmaschinen, Mailinglisten, Newsgroups und Datenbanken, deren Vorstellung im Einzelnen den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Zu empfehlen ist allerdings die primäre Recherche in Datenbanken. Bei der Recherche nach verfügbaren Forschungsarbeiten bieten Daten- 266

266 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege banken einen schnellen Überblick. Sie sind auf einzelne Fachgebiete oder thematische Schwerpunkte spezialisiert. Recherchen können je nach Datenbank kostenpflichtig sein. Die bedeutendsten Datenbanken für medizinische und pflegerische Fragestellungen sind Medline, Pubmed, NLM Gateway, DIMDI, CINAHL, und Cochrane Library (vgl. Behrens & Langer, 2004). 4.3 Kritische Beurteilung der aufgefundenen Literatur Der Prozess der kritischen Würdigung der Evidenz wird auch als Critical Appraisal bezeichnet (vgl. Schlömer, 2000, S. 48). Ziel des Critical Appraisal ist es, den Wert von wissenschaftlichen Studien zu beurteilen. Die Beurteilung der Güte einer Forschungsarbeit, ihrer Glaubwürdigkeit und der Nutzbarkeit der gefundenen Ergebnisse hinsichtlich der Fragestellung setzt gute Kenntnisse über wissenschaftliche Methoden voraus. Für die Beurteilung quantitativer und qualitativer Forschungsarbeiten gelten unterschiedliche Gütekriterien Gütekriterien zur Beurteilung quantitativer Studien Zur Beurteilung quantitativer Forschungsarbeiten gilt es zu prüfen, ob die Ausgangslage und die der Forschungsarbeit zugrunde liegende Problemstellung klar abgegrenzt sind. Ferner ist zu kontrollieren, ob Forschungsfragen und Hypothesen hinreichend konkret formuliert, und ob abhängige und unabhängige Variablen klar definiert sowie ihre Beziehung zueinander dargestellt sind. Darüber hinaus sollte erläutert sein, vor welchem theoretischen Hintergrund die Arbeit erstellt wurde und welche Methoden und Instrumente z.b. zur Stichprobenauswahl, zur Untersuchungs- und Kontrollgruppenbildung und zur Datengewinnung Anwendung fanden. Insbesondere ist zu beachten, ob die Objektivität durch die gewählten Methoden eingehalten, und ob Instrumente zur Datenerhebung auf Reliabilität und Validität getestet wurden. Für die Beurteilung der Datenauswertung ist es relevant zu prüfen, mit welchen deskriptiven und analytischen statistischen Berechnungsmethoden gearbeitet wurde, und ob die Ergebnisse vollständig dargelegt sind. Bei der Darstellung der Ergebnisse sollte eine klare Trennung der Ergebnisdarstellung von der Interpretation, und der Bezug zum theoretischen Rahmen nachgewiesen sein. Abschließend ist zu prüfen, welche Bedeutung die Ergebnisse bzw. Empfehlungen für die Praxis haben. Dabei ist einerseits zu klären, wie stark die ermittelten Effekte einer Intervention sind, andererseits ist zu klären, ob das Setting, in dem die Untersuchung durchgeführt wurde, dem eigenen entspricht (vgl. Kleibel & Mayer, 2005). Durch die Beurteilung nach den dargestellten Kriterien werden eine Bewertung der Arbeit und deren Zuordnung zu den Evidenzhierarchieebenen für quantitative Studien möglich Hierarchie der Evidenz quantitativer Studien Das Ausmaß, in dem externe Validität erreicht wird, bestimmt die Rangfolge der quantitativen Studiendesigns im Verhältnis zueinander. Diese Rangfolge variiert in 267

267 Ralf Marleaux der Literatur, jedoch herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Metaanalysen und randomisierte Kontrollstudien bei Interventionen und therapeutischen Maßnahmen diese Rangfolge anführen, und dass Expertenmeinungen an letzter Stelle der Hierarchie stehen. Die klinische Relevanz der Studienergebnisse kann allerdings mit den Evidenzhierarchien nicht eingeschätzt werden (vgl. Kunz et al., 2000). Die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung in Deutschland empfiehlt folgende hierarchische Evidenzgraduierung zur Bewertung quantitativer Forschungsergebnisse (vgl. Ollenschläger et al., 2002). Evidenz- Grad I a I b Evidenz aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien Evidenz aufgrund mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie II a II b III Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne Randomisierung Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten, quasi-experimentellen Studie Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller deskriptiver Studien (z.b. Vergleichsstudien, Korrelationsstudien, Fallkontrollstudien) IV Evidenz aufgrund von Berichten/Meinungen von Expertenkreisen, Konsensus-Konferenzen und/oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten Tab. 1: Evidenzgraduierung nach der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ) 4.4 Gütekriterien zur Beurteilung qualitativer Studien Auch für die Beurteilung qualitativer Forschungsergebnisse gelten Qualitätsmaßstäbe, denen eine Studie standhalten muss. Auch hier ist zunächst zu klären, ob die Ziele der Untersuchung und die Forschungsfragen eindeutig und verständlich formuliert wurden. Im theoretischen Teil muss das zu untersuchende Phänomen umfassend und klar beschrieben sein. Im empirischen Teil sollte dargelegt sein, wie die Auswahl der Teilnehmer-/innen und die Stichprobenauswahl erfolgte. Die Methoden zur Datenermittlung und die Begründung für deren Auswahl sowie deren Eignung zur Untersuchung des Phänomens müssen schlüssig erläutert sein. Ferner ist zu prüfen, ob die eingesetzten Strategien zur Datenanalyse nachvollziehbar beschrieben und die Er- 268

268 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege gebnisdarstellung logisch und das betreffende Phänomen ausreichend erläutert wurden. In der abschließenden Beurteilung ist zu schlussfolgern, welchen Beitrag die Arbeit zur Theorie- und Konzeptentwicklung über das betreffende Phänomen leistet bzw. welche Bedeutung das Konzept für die Praxis hat (ebd.). Die Qualität von Metaanalysen ergibt sich aus der Genauigkeit der Selektionskriterien, mit denen Studien in die Analyse einbezogen oder ausgeschlossen werden (ebd.). Auf der Grundlage der Bewertung und Synthese der Forschungsergebnisse können Empfehlungen für die Praxis formuliert werden. Nach der Bewertung und Synthetisierung der Ergebnisse ist zu entscheiden, ob die Ergebnisse zur Lösung eines Praxisproblems herangezogen und angewendet werden sollen. 4.5 Umsetzung der gesammelten und beurteilten Studienergebnisse in die Praxis Das Auffinden eines qualitativ hochwertigen und scheinbar brauchbaren Forschungsergebnisses allein bedeutet noch nicht, dass dieses Wissen auch handlungswirksam auf die Praxis bezogen wird. Neuerungen können nicht getrennt von den Erfahrungen der Pflegenden, den Bedingungen einer Organisation, aber eben insbesondere auch nicht entkoppelt von den Bedürfnissen und Überzeugungen der Patienten eingeführt werden. In diesem Schritt gilt es zum einen, die gewonnen Erkenntnisse auf das definierte Problem individueller Patienten anzuwenden und zum anderen jene Schritte zu veranlassen, die zur systematischen Umsetzung eines Veränderungsvorhabens in der Organisation Krankenhaus erforderlich sind. Zunächst gilt es zu beurteilen, inwiefern die Rechercheergebnisse auf den Patienten übertragbar sind. Wie bereits an anderer Stelle erörtert, geht es in diesem Schritt darum, das neu gewonnene wissenschaftliche Regelwissen mit dem vorhandenen Erfahrungswissen in der hermeneutischen Fallarbeit zu integrieren (vgl. Thiel, 2001). Ob und in welcher Weise die reflexive Fallbetrachtung vor dem Hintergrund des neu erworbenen externen wissenschaftlichen Wissens zu verändertem Handeln führt, bleibt immer eine Einzelfallentscheidung. Diese ist allerdings wiederum durch das beste verfügbare Wissen (externe Evidenz, interne Evidenz und Erwartungen, Wertvorstellungen, Einstellungen der Patienten) zu begründen. 5. Und wie kommt das Neue in die Organisation? Der Weg zur Einführung einer Neuerung in Organisationen kann nach Dobbins et al. in fünf Phasen dargestellt werden: Wissenserwerb, Überzeugung, Entscheidung, Implementierung und Bestätigung (vgl. Dobbins et al., 2005). 269

269 Ralf Marleaux Wissenserwerb In der Phase des Wissenserwerbs, welche dem eigentlichen Schritt der Umsetzung bereits vorangegangen ist, wurde die beste verfügbare externe Evidenz ermittelt. Überzeugung Von der Sinnhaftigkeit einer beabsichtigten Implementierung müssen aber auch Patienten und andere Entscheidungsträger innerhalb des Krankenhauses überzeugt werden. Es ist einerseits zu prüfen, ob die Veränderung mit den Bedürfnissen und Präferenzen der Patienten im Einklang steht. Andererseits muss ein Änderungsvorhaben auch innerhalb der Organisation konsentiert werden, da hierdurch eventuell bisherige Prozessabläufe verändert, Mitarbeiter fortgebildet oder neue Materialien beschafft werden müssen (vgl. Behrens & Langer, 2004). Gleichzeitig muss sich die beabsichtigte Innovation in die Unternehmensstrategieund Philosophie einfügen. Dieser Aspekt ist für die erfolgreiche Umsetzung von besonderer Bedeutung (Schlömer, 2000). Der organisationale Rahmen, in dem eine Veränderung stattfinden soll, bestimmt, neben Eigenschaften des Innovationsvorhabens selbst, den gegebenen Umweltbedingungen und den Kompetenzen und Motivationen der Mitarbeiter, maßgeblich den Erfolg. Organisationen mit flachen Hierarchieebenen, dezentralen Entscheidungsebenen und offener Kommunikationskultur verfügen über eine wesentliche Voraussetzung zur Initiierung und Durchführung von Innovationen. Ein derartiges Klima fördert eine evidenzbasierte Handlungskultur. Die Unterstützung durch das Management und die Verfügbarkeit angemessener Ressourcen sind wesentliche Voraussetzungen, neue Erkenntnisse in künftiges Handeln einfließen zu lassen (vgl. Dobbins et al., 2005). Auch die Eigenschaften des Innovationsvorhabens nehmen Einfluss auf dessen Umsetzbarkeit. Vorteile gegenüber bisherigem Vorgehen müssen zumindest erwartet werden, um einen eventuellen zusätzlichen Ressourceneinsatz rechtfertigen zu können. Innovationen, die weniger komplex sind, die erprobt werden können und die kontrollierbar sind, können leichter an die Praxis adaptiert werden. Umweltbedingte Aspekte wie beispielsweise gesundheitspolitische Rahmenbedingungen oder eben auch berufs- und bildungspolitische Entwicklungen nehmen Einfluss auf die Umsetzung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse (ebd.). Wissenschaftliches Verständnis, Methodensicherheit und eine positive Einstellung bezüglich der Relevanz von Pflegeforschung für die Entwicklung der Praxis sind individuelle Voraussetzungen der Pflegenden und anderer Berufsgruppen des Krankenhauses zur erfolgreichen Implementierung des Innovationsvorhabens. Wie aus den vorangegangenen Ausführungen ersichtlich ist, kann die Anwendung des EBN-Konzeptes nur im engen Zusammenwirken verschiedener Akteure geschehen. 270

270 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Entscheidung Sofern ein Konsens zwischen allen beteiligten Entscheidungsträgern erzielt werden kann, ist eine gemeinsame Entscheidung über die Durchführung des Veränderungsvorhabens zu treffen. Die Entscheidung umfasst nicht nur, dass ein Veränderungsvorhaben durchgeführt werden soll: Gegenstand der Entscheidung ist auch, welche Ressourcen bereitgestellt werden sollen, wie die Abläufe organisiert werden, welche vorbereitenden Maßnahmen zu treffen und welche Abteilungen und Personen an der Umsetzung zu beteiligen sind (Cullen et al., 2004). Implementierung Für die Implementierung von Forschungsergebnissen in die Praxis gibt es zwischenzeitlich mehrere Modelle. Eine Strategie zur Implementierung der Ergebnisse der Literaturrecherche ist die Entwicklung von Leitlinien, die durch die Methode von Evidence Based Nursing gestützt sind. Diese können allen Pflegenden innerhalb des Krankenhauses als Orientierung bereitgestellt werden. Diese Leitlinien gelten als allgemeinverbindlich und sollen in der Regel befolgt werden, lassen jedoch individuelle Handlungsspielräume offen, die im begründeten Falle ein Abweichen zulassen. An der Erarbeitung interner Handlungsempfehlungen sollten sowohl Pflegepraktiker als auch wissenschaftlich qualifizierte Pflegekräfte beteiligt sein. So ist zu gewährleisten, dass gleichermaßen wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Lösungen erarbeitet werden. Behrens und Langer beurteilen Modelle, die auf Leitlinien, Standards, Weiterbildung und Qualitätsaudits setzen, differenziert. Ein Nachteil der Implementierung von Leitlinien ist darin zu sehen, dass die Gefahr einer unreflektierten Anwendung, unter Vernachlässigung der individuellen Situation der Patienten, besteht (vgl. Behrens & Langer, 2004). Laut Kitson et al. hängt die erfolgreiche Implementierung von Forschungsergebnissen in die Praxis vom Zusammenspiel dreier Schlüsselelemente ab: Stärke der Evidenz, Organisationaler Kontext oder Umwelt, in welche das Forschungsergebnis eingeführt werden soll, Methoden, welche den Implementierungsprozess unterstützen (vgl. Kitson et al., 1998). Die höchste Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Implementierung besteht lt. Kitson et al., wenn die Evidenz hoch ist, wenn seitens der Organisation förderliche Bedingungen geboten werden, und wenn angemessene Begleitung, Beratung und Unterstützung durch Supervisoren o.ä. gewährleistet ist (ebd.) Auch MacGuire schlägt vor, Änderungsvorhaben durch Organisationsentwicklungsprozesse zu begleiten, und weniger auf der personalen Ebene anzusetzen (vgl. MacGuire, 1989). 271

271 Ralf Marleaux Bestätigung/ Evaluation Wesentlich für die nachhaltige Evidenzbasierung pflegerischer Praxis ist, dass die Erfolge der Arbeit hinsichtlich des intendierten Ergebnisses, aber auch bezüglich der angestrebten Strukturen und Prozesse genau beobachtet und bewertet werden. Einerseits wird durch diese Handlungsweise deutlich, dass immer wieder Adaptionen an veränderte Arbeitssituationen notwendig sind. Andererseits fördert die Bestätigung eingetretener Erfolge die Bereitschaft, die pflegerische Praxis immer wieder neu vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zu reflektieren. Das EBN-Konzept greift die didaktischen Prinzipien der Problem- und Handlungsorientierung des Lernens und Arbeitens auf (vgl. Schlömer, 2000; Brinker- Meyendriesch, 2003). Diese Prinzipien sind neben der Wissenschaftsorientierung auch Grundlage der modernen Pflegepädagogik im Rahmen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ziel des Lernprozesses ist es, Lernende zur Bewältigung von immer neuen und anders gelagerten Problemsituationen im Arbeitsalltag zu befähigen. Zur Bewältigung anspruchsvoller Pflegesituationen und -probleme hilfsbedürftiger Menschen bedarf es professioneller Pflege. Diese ist durch ein zielgerichtetes, strukturiertes, geplantes und reflexives Vorgehen in unterschiedlichen und komplexen Situationen gekennzeichnet. Hierzu verfügen Pflegende über Kompetenzen, welche nach Erpenbeck und Heyse durch Wissen und Erfahrung fundiert, durch Werte gebildet und getragen, als Fähigkeit angelegt und durch Willen verwirklicht werden (vgl. Erpenbeck & Heyse, 1999, S. 162 f.). 6. Literatur Bartholomeyczik S. (2002). Zum Stand der Akademisierung der Pflegeausbildung in Deutschland. Editorial. Pflege, 15(6), S Behrens J., Langer G. (2004): Evidence-based Nursing. Vertrauensbildende Entzauberung der Wissenschaft. Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle. Bögemann-Großheim E. (2004): Zum Verhältnis von Akademisierung, Professionalisierung und Ausbildung im Kontext der Weiterentwicklung pflegerischer Berufskompetenz in Deutschland. In: Pflege & Gesellschaft, 9. Jahrgang, 3/2004, S Bock-Rosenthal E. [Hrsg.] (1999): Professionalisierung zwischen Praxis und Politik. Der Modellstudiengang Pflegemanagement an der Fachhochschule Münster. Verlag Hans Huber, Bern. Bonß W. (2002): Riskantes Wissen? Zur Rolle der Wissenschaft in der Risikogesellschaft. In: Heinrich Böll Stiftung (Hrsg.): Gut zu Wissen Links zur Wissensgesellschaft. Verlag Westfälisches Dampfboot und Heinrich Böll Stiftung, Münster, S Brinker-Meyendriesch E. (2003): Evidenzbasierung: Wissen, Handeln und Lernen in der Pflege. In: Pflege 2003, 16, S Cullen L., Titler M.G. (2004): Promoting Evidence-Based Practice: An Internship for Staff Nurses. In: Worldviews on Evidence- Based Nursing, Fourth Quarter 2004, S

272 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege DAK-BGW (2005): Gesundheitsreport Stationäre Krankenpflege. Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Pflegenden in Einrichtungen der stationären Krankenpflege in Deutschland vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Gesundheitssystems. Hamburg. Deutscher Pflegerat e.v. (2004): Rahmen-Berufsordnung für professionell Pflegende. Download am Dewe B., Frechhoff W., Scherr A., Stüwe G. (2001): Professionelles soziales Handeln. Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis. Juventa Verlag, Weinheim und München. Dewe B. (2006): Professionsverständnisse - eine berufssoziologische Betrachtung. In: Pundt J. (Hrsg.): Professionalisierung im Gesundheitswesen. Positionen - Potenziale - Perspektiven. Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern, S Dobbins M., Ciliska D., Estabrooks C., Hayward S. (2005): Changing Nursing Practice in an Organization. In: DiCenso A., Guyatt G., Ciliska D. (Hrsg.): Evidence-Based Nursing. A Guide to Clinical Practice. Elsevier Mosby, St. Louis, MO 63146/ USA, S Evers Georges C.M. (2000): Klinische Pflegeforschung. Eine neue Qualitätssicherung für Pflege und Patient. In: Pflege, Vol.13, S Geißler R. (2002): Die Sozialstruktur Deutschlands. Gesellschaftliche Entwicklungstrends vor und nach der Vereinigung. 3. Auflage, Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, S. 436ff. Gross D. (2004): Evidence Based Nursing der umfassende Begriff. In: Pflege; 2004, Nr.17, S Grypdonck M. (2004): Eine kritische Bewertung von Forschungsmethoden zur Herstellung von Evidenz in der Pflege. In: Pflege und Gesellschaft, 19. Jahrgang 2/2004, S International Council of Nursing: The ICN definition of nursing. Download am Kälble K., Reschauer, G. (2002): Wandel der Berufsbilder und Qualifikations-anforderungen in den Gesundheitsberufen. In: Public Health Forum 10, Heft 34, S Käppeli S. (1999): Was für eine Wissenschaft braucht die Pflege? In: Pflege 1999, Vol. 12, S Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.v. (Hrsg.) (2001): Pflegequalität und Pflegeleistungen I. Entwicklung und Erprobung eines Modells zur Planung und Darstellung von Pflegequalität und Pflegeleistungen. Download am Kitson A., Harvey G., McCormack B. (1998): Enabling the implementation of evidence based practice: A conceptual framework. In: Quality in Health Care, 7: S Kleibel V., Mayer H. (2005): Literaturrecherche für Gesundheitsberufe. Fakultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien. Kunz R., Ollenschläger G., Raspe H., Jonitz G., Kolkmann F.W. (2000): Lehrbuch evidenzbasierte Medizin in Klinik und Praxis. Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln. LoBiondo-Wood G., Haber J. (2005 a): Die Rolle der Forschung in der Pflege. In: LoBiondo-Wood G., Haber J. (Hrsg.): Pflegeforschung. Methoden, Bewertung, Anwendung, 2. Auflage. Übersetzung aus dem Amerikanischen von Andreas Nohl. Elsevier GmbH, Urban und Fischer Verlag, München. S LoBiondo-Wood G., Haber J. (2005 b): Reliabilität und Validität. In: LoBiondo-Wood G., Haber J. (Hrsg.): Pflegeforschung. Methoden, Bewertung, Anwendung, 2. Auflage. Übersetzung aus dem 273

273 Ralf Marleaux Amerikanischen von Andreas Nohl. Elsevier GmbH, Urban und Fischer Verlag, München. S MacGuire J. M. (1989): Putting nursing research findings into practice: resarch utilization as an aspect of the management of change. In: Journal of Advanced Nursing 53 (1), S Moers M. (2004): Anforderungs- und Berufsprofil der Pflege im Wandel. In: Doris Schaeffer, Martin Moers, Rolf Rosenbrock (Hrsg.): Public Health und Pflege. Edition sigma, Berlin, S Oevermann U. (1996): Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns. In: Combe A., Helsper W. (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns. Suhrkamp Verlag, Frankfurt, S Ollenschläger G., Berenbeck Chr., Löw A., Stobrawa F., Kolkmann FW (2002): Nationales Programm für Versorgungsleitlinien bei der Bundesärztekammer Methodenreport. In: zärztl. Fortbild.Qual.sich.(ZaeFQ). 96, S Panfil E.-M. (2004): Quantitative Methoden Grundlagen für komplexes Handeln? In: Pflege & Gesellschaft, 9. Jahrgang 2/2004, S Reif K. (2005): Zahlen - Daten - Fakten. Communicating the evidence. In: PrinterNet, Ausgabe 9/2005. S Rüstmann M., Thommen J.P. (2002): Wissensmanagement. In: Thommen J.P. (Hrsg.). Management und Organisation. Konzepte, Instrumente, Umsetzung. Wirtschaft und Management, Bd. 5., Versus Verlag, Zürich. Sackett D.L., Rosenberg W.M., Gray J.A., Haynes R.B., Richardson W.S. (1996): Evidence based medicine: what it is and what it isn't. BMJ. 1996; 312: Schaeffer D., Bartholomeyczik S. (1999): Vakuum füllen. Pflegewissenschaft und -forschung in Deutschland. In: Mabuse, Heft 117/ 1999, S Schaeffer D. (2002 a). Pflegeforschung: aktuelle Entwicklungstendenzen und Herausforderungen. Pflege und Gesellschaft, 7(3), S Schaeffer D. (2002 b). Geschichte und Entwicklungsstand qualitativer Gesundheits- und Pflegeforschung im deutschsprachigen Raum. In: Schaeffer D., Müller-Mundt G. (Hrsg.) Qualitative Gesundheits- und Pflegeforschung, Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle. S Schlömer G. (1999): RCTs und systematic reviews in der Pflegeliteratur: Ein Vergleich zwischen deutscher und internationaler Pflegeforschung. In: Pflege 1999, Vol. 12, S Schlömer G. (2000): Evidence-based nursing. Eine Methode für die Pflege? In: Pflege 2000, Vol. 13, S Spinner H. (1994): Die Wissensordnung. Ein Leitkonzept für die dritte Grundord-nung des Informationszeitalters. Leske + Budrich, Opladen. Thiel V., Steger K.U., Josten C., Schemmer E.(2001) : Evidence-based Nursing Missing Link zwischen Forschung und Praxis. In : Pflege 2001, Vol. 14. S Tippelt R., Edelmann D. (2003): Curriculumentwicklung und -beurteilung in Pflege- und Gesundheitsberufen. In: Falk J., Kerres A. (Hrsg.): Didaktik und Methodik der Pflegepädagogik. Handbuch für innovatives Lehren im Gesundheits- und Sozialbereich. Juventa Verlag, Weinheim, München. Titler MG. (2005): Forschungsanwendung in der Praxis. In: LoBiondo-Wood G., Haber J. (Hrsg.): Pflegeforschung. Methoden, Bewertung, Anwendung, 2. Auflage. Übersetzung aus dem Amerikanischen von Andreas Nohl. Elsevier GmbH, Urban und Fischer Verlag, München, S

274 19. Evidenzbasierte Pflege als Motor für Innovation und Professionalität in der Pflege Travelbee J. (1997): Interpersonale Aspekte der Pflege. In: Schaeffer D., Moers M., Steppe H., Meleis A. ( Hrsg.): Pflegetheorien. Beispiele aus den USA. Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen Toronto, Seattle. Weymann,, A. (1998): Sozialer Wandel. Theorien zur Dynamik der modernen Gesellschaft Juventa Verlag, Weinheim/München. Zapf W. (2003): Sozialer Wandel. In: Schäfers B. (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. 8. Auflage, Leske + Budrich, Opladen. 275

275 276

276 20. Die Zukunft der stationären Altenpflege: Perspektiven nur mit abgesenkten Fachkraftquoten? Bernd Bogert Inhalt 1. Eingangsthese zur Senkung der Fachkraftquote 2. Welche Qualifikationen kommen tatsächlich in der alltäglichen Arbeit der Altenpflege zur Anwendung? 3. Fazit 1. Eingangsthese zur Senkung der Fachkraftquote These: Die Fachkraftquote von 50% muss abgesenkt werden, damit wir auch zukünftig eine angemessene Pflege leisten können. Die Zahl von 2,13 Millionen pflegebedürftigen Menschen (im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes) im Jahr 2005 wird auf 2,91 Millionen im Jahr 2020 steigen. Vor diesem Hintergrund ist mit einem zusätzlichen Bedarf von ca Pflegefachkräften bis 2020 zu rechnen. Bis 2020 müssen im günstigsten Fall weitere ausgeschiedene Pflegefachkräfte ersetzt werden. Die Kapitalreserve der Pflegeversicherung dürfte bei konstanten Pflege- und Erwerbsquoten bis etwa 2020 aufgebraucht sein. Etliche Heime sind bereits jetzt nicht in der Lage die Fachkraftquote von 50 % zu erfüllen. Trotz Absenkung der Zugangsvoraussetzung für die Ausbildung ist die Neigung junger Menschen, einen Altenpflegeberuf zu ergreifen, gering. Es besteht ein Mangel an Lehrern für Pflegeberufe. Die Zukunft der Pflege wird maßgeblich von quantitativen und qualitativen Einflüssen bestimmt. Auf der einen Seite die Kundenseite : höhere Lebenserwartung, individuelle Lebensgestaltung (das Alter ist bunt und nicht mehr grau), relativ wie absolut höhere Zahlen pflegebedürftiger Menschen, Stagnierung des familialen Hilfepotentials, Zunahme der Demenz und der Multimorbidität und in der Breite weniger verfügbare finanzielle Mittel. Auf der Anbieterseite : fehlender beruflicher Nach- 277

277 Bernd Bogert wuchs, fehlende Aufstiegschancen für Pflegefachkräfte, geringe Verweildauer der jüngeren Mitarbeiter, schlechtes Image der Institution Heim, steigender Anteil älterer und kranker Mitarbeiter, fehlende Pflegefachkräfte, zunehmende Reglementierung der Arbeitsbedingungen, Intensivierung des Verbraucherschutzes, komplexer werdende pflegerische Aufgabenstellungen, Verknappung der finanziellen Ressourcen, Zunahme des Wettbewerbes. Kurz formuliert, immer mehr pflegebedürftige Menschen müssen durch immer weniger Menschen finanziell und personal besser qualitativ unterstützt werden und das in Institutionen, welche ein negatives Image haben. Schon jetzt wird ein Fachkräftemangel für alle Branchen prognostiziert. Um dem drohenden Fachkräftemangel in der Pflege zu begegnen, fordert der Arbeitgeberverband Pflege eine Greencard für Pflegefachkräfte aus nichteuropäischen Ländern. Das wird allerdings nicht funktionieren, weil diejenigen, die z.b. in der Ukraine oder Russland eine (zumeist akademische) Pflegeausbildung absolviert haben, in solche Länder gehen, die bessere Arbeits- und finanzielle Bedingungen anbieten, wie z.b. die Schweiz, Skandinavien, USA, Australien. Denn auch dort herrscht ein massiver Mangel an Pflegefachkräften. Abgesehen davon werden die Pflegefachkräfte auch in ihren eigenen Ländern dringend gebraucht. Um die Qualität der Pflege zu sichern, fordern Berufsverbände den Fachkräfteanteil auf 80% zu erhöhen. Auch das sichert nicht die Qualität der Pflege auf Dauer, da die steigenden, bzw. geänderten Anforderungen an Pflegekräfte bereits jetzt häufig zu einer Überforderung führen, da sie in der Ausbildung nicht ausreichend vorbereitet wurden. Man muss sich nur die von den Pflegekassen veröffentlichen Pflegenoten ansehen. Abgesehen davon, dass dieser hohe Fachkräfteanteil nicht zu rekrutieren wäre und auch durch fehlende Lehrer für Pflegeberufe überhaupt nicht auszubilden wäre, bleibt die Frage nach der Finanzierung dieser zusätzlichen Pflegefachkräfte völlig offen. Ich gehe nicht davon aus, dass im Bereich der Altenpflege zusätzliche Mittel fließen werden. Das Gegenteil wird eher der Fall sein. Wie kann also der absehbare Fachkräftemangel gedeckt werden, die Pflegequalität erhöht werden, bei gleich hohen finanziellen Mitteln, und wie kann der Pflegeberuf attraktiver für Neueinsteiger gestaltet werden? Ich sehe folgende Lösung: 1. Absenkung der Fachkraftquote auf 30%. 2. Akademisierung und Zusammenführung der Ausbildungen Altenpflege und Gesundheitspflege 278

278 20. Die Zukunft der stationären Altenpflege: Perspektiven nur mit abgesenkten Fachkraftquoten? 3. Verpflichtende 1-jährige Qualifizierung zum Gesundheitsassistenten (vergleichbar: Alten/Krankenpflegehelfer) für alle sonstigen pflegerischen Mitarbeiter 2. Welche Qualifikationen kommen tatsächlich in der alltäglichen Arbeit der Altenpflege zur Anwendung? Es ist an der Zeit, die gebetsmühlenartigen Forderungen nach mehr qualifizierten Mitarbeitern zu hinterfragen. Denn der Einsatz von mind. 50% Pflegefachkräften alleine bewirkt noch keine angemessene Qualität in der Versorgung von hilfebedürftigen Menschen. Durch diese Forderung und durch die Begrenzung der finanziellen Mittel wird letztlich verhindert, dass sich Altenpflege professionalisiert. Aber genau dies wird notwendig sein, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Die St. Gereon Altenhilfe hat das Institut für sozialpolitische und gerontologische Studien aus Berlin kurz: ISGOS im Jahr 2009 beauftragt, zu dokumentieren, welche Pflegetätigkeiten über einen Zeitraum von 14 Tagen auftreten. Des Weiteren wurde ISGOS beauftragt, zu analysieren, welche qualitative personelle Voraussetzung für die jeweilige Tätigkeit erforderlich war. Am Beispiel einer Bewohnerin in der Pflegestufe II, schwerste Demenz, soll der Tagesablauf dargestellt und die jeweilig ausgeführten Leistungen mit Zeitaufwand aufgeführt werden. Der Anteil an Pflegefachkräften lag bei ca. 70%. Festgehalten wurden die Zeiten von Frau X mit der Pflegestufe 2 in der Frühschicht, der Spätschicht und der Nachtschicht. Zusammen ergeben sich 208 Minuten. Davon sind 192 Minuten den grundpflegerischen Leistungen zuzuordnen, die auch durch Pflegehilfskräfte, die den Kenntnisstand des 1. Ausbildungsjahres in der Altenpflege haben, erledigt werden können. 279

279 Bernd Bogert Der Durchschnitt an Pflegeleistungen bei Frau X lag im Erhebungszeitraum über die 14 Messtage bei 196 Minuten täglich. Tab. 1: Tätigkeiten und benötigte Qualifikationen in der Altenpflege 280

280 20. Die Zukunft der stationären Altenpflege: Perspektiven nur mit abgesenkten Fachkraftquoten? Abb. 1: Vergleich eines Tagesverlaufs mit den Mittelwerten über 14 Tagen Die Grafik soll verdeutlichen, dass der oben dargestellte Tagesverlauf annähernd identisch mit den durchschnittlich über 14 Tagen erhobenen Werten ist. Die Zeitkontrolle wurde in einer Normalstation (Einzelzimmer) erhoben. Bezogen auf fachpflegerische Leistungen verteilen sich die Pflegezeiten zu 81,2% auf Leistungen, die inhaltlich im ersten Ausbildungsjahr der Altenpflegeausbildung vermittelt werden. Mit 12,5% der Leistungen sind Auszubildende im zweiten Ausbildungsjahr befasst und nur 6,3% aller Tätigkeiten sind Gegenstand der Ausbildung im dritten Ausbildungsjahr einer Altenpflegerin. Weitere Untersuchungen haben bestätigt, dass ca % aller anfallenden pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege zuzuordnen sind, die nicht durch Pflegefachkräfte durchgeführt werden müssen. 3. Fazit: Wir leisten uns im Moment den großen Luxus, dass Pflegefachkräfte zu 80% Leistungen erbringen, für die sie überqualifiziert sind und die weniger qualifizierte pflegerische Mitarbeiter kostengünstiger erbringen könnten. Aus der Sicht der Mitarbeiter sollten erlernte Fähigkeiten der ausgeübten Tätigkeit entsprechen nicht unterfordern oder überfordern. Grundsätzlich sind Pflegefach- 281

281 Bernd Bogert kräfte zurzeit von den Tätigkeiten, die sie überwiegend täglich ausführen müssen her absolut unterfordert und damit überbezahlt. Diejenigen, die überfordert sind, sollten sich fortbilden bzw. einen anderen Beruf anstreben. Das täglich zu leistende Arbeitspensum überfordert allerdings die Pflegefachkräfte weil der Aufwand an Organisation, Planung und Dokumentation permanent steigt, ohne dass hierfür an anderer Stelle Entlastung stattfindet. Das Ziel für viele Pflegefachkräfte: nahe beim Menschen zu sein, ist nicht mehr möglich. Die Arbeitsverdichtung und die daraus resultierende unbefriedigende Arbeitssituation auf der einen Seite und das Ausüben von Tätigkeiten, die unterfordern, führen letztlich dazu, dass insbesondere jüngere Mitarbeiter den Beruf aufgeben und die meisten Pflegefachkräfte mit ihrem Arbeitsalltag unzufrieden sind. Dabei könnten ca. 80% der Tätigkeiten einer Fachpflegekraft an Pflegehelfer problemlos delegiert werden. Die Pflegefachkraft könnte sich dann primär der Steuerung von Pflegeprozessen widmen, komplexe pflegerische Aufgaben und leitende, organisatorische, überwachende und moderierende Tätigkeiten übernehmen. Hieraus ergeben sich wiederum in der Folge neue Aufgabenfelder und die wiederum machen weitere Qualifizierungen bis hin zu einem Studium notwendig. Die Forderung nach einer Durchlässigkeit der Ausbildung in Richtung Studium wird den Pflegeberuf attraktiver machen und für Schulabgänger mit Hochschulreife interessant sein, die einen akademischen Grad anstreben mit entsprechenden Arbeitsinhalten und Verdienstmöglichkeiten. Die Personalkosten für eine Pflegehilfskraft sind ca / Jahr geringer als für eine Pflegefachkraft. Bei einer Reduzierung des Fachkräfteanteils bei gleichem Budget, könnten die weniger Pflegefachkräfte angemessen und damit höher vergütet werden und es könnten mehr Pflegehilfskräfte eingestellt werden, sodass insgesamt mehr pflegende Hände zur Verfügung stehen würden. Dass die Fachkraftquote ohne Qualitätsverlust abgesenkt werden kann, zeigt uns Dänemark. Dort sind jeder Krankenschwester 4 5 Helferinnen bzw. Assistenten zugeordnet. Dies entspricht nach unserer Definition einem Fachkräfteanteil von ca. 20%. Auf Anfrage stellen wir gerne die Untersuchungsergebnisse von ISGOS komplett zur Verfügung. Dazu bitte eine an: bernd.bogert@st-gereon.info 282

282 21. Personalgewinnung und -sicherung: Pflege als knappes Gut Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Inhalt 1. Einführung 2. Die Beschäftigungsentwicklung in der Pflege 3. Herausforderungen und Handlungsfelder 4. Ausblick 5. Literatur 1. Einführung PersonalGEWINNUNG! Der Titel weist auf eine drastische Veränderung hin: Es geht beim Thema Personal nicht mehr um die Senkung von Personalkosten und Personalabbau, wie in den Krankenhäusern über viele Jahre praktiziert. Auch ist es nicht mehr selbstverständlich, alle Planstellen in Pflegeeinrichtungen besetzt zu haben. Pflegende werden knapp. Bereits heute gilt, dass die Ressource professionelle Pflege zunehmend als wertvoll erkannt wird und Pflegende Fachleute sind, die für eine Mitarbeit in der jeweiligen Einrichtung gewonnen werden müssen. Der Beitrag beginnt mit einem Überblick über die Entwicklung der Personalzahlen in den vergangenen Jahren und verweist dann auf die anstehenden Herausforderungen und Handlungsfelder. 2. Die Entwicklung der Personalzahlen in der Pflege Betrachtet man die Personalzahlen von Pflegenden mit Berufsausbildung, also Gesundheits- und (Kinder)Krankenpfleger/innen, Altenpfleger/innen sowie Krankenpflegehelfer/innen und Altenpflegehelfer/innen in Krankenhäusern, stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen, dann stößt man auf eine deutliche Steigerung in den vergangenen zehn Jahren. Der Eindruck eines Fachkräftemangels entsteht zunächst nicht. Wie so häufig trügt aber auch hier der erste Eindruck. Die Lage muss differenziert betrachtet werden. So ist beispielsweise die Entwicklung in den Krankenhäusern von der in Pflegeeinrichtungen zu unterscheiden. In Krankenhäusern ist zwischen 283

283 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus 1999 und 2009 ein Rückgang um etwa 2,8 % zu verzeichnen, bei den Helferqualifikationen wesentlich mehr. Dieser Personalabbau darf nicht als Folge eines sinkenden Bedarfs - etwa im Kontext der Umstellung auf das diagnosebezogene Vergütungssystem - missverstanden werden. Im Gegenteil sind die Arbeitsanforderungen in den Kliniken stetig angestiegen. Der Stellenabbau im Pflegedienst der Krankenhäuser erfolgte zur Kostensenkung bzw. zur Kompensation von Kostensteigerungen in anderen Bereichen, insbesondere zum Ausbau des ärztlichen Dienstes (Simon, 2008). In starkem Gegensatz hierzu zeigen sich in den Pflegeheimen und den ambulanten Pflegediensten im selben Zeitraum deutliche Steigerungen der Personalzahlen in einer Größenordnung von rund 40 %. In den stationären Einrichtungen fällt auf, dass besonders die Pflegefachkräfte stark nachgefragt werden, während die Steigerung bei den Helferqualifikationen deutlich bescheidener ausfällt. Das Wachstum ist durch die Koppelung der Personalmenge an die Zahl der Bewohner und das Ausmaß ihrer Pflegebedürftigkeit begründet. Hier findet sich also im Gegensatz zu Krankenhäusern, für die keine verbindlichen Verfahren zur Personalbedarfsermittlung in der Pflege gelten, eine Personalausstattung mit Bezug zum Bedarf. In der Summe ist die Entwicklung der Personalzahlen in der Pflege also positiv. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass nicht nur die Entwicklung in den Krankenhäusern trotz gestiegener Anforderungen negativ ist, sondern auch die Teilzeitquote der Beschäftigten in der Vergangenheit stark angestiegen ist: Von 1999 bis 2009 sank der Anteil der Vollzeitbeschäftigten in den Krankenhäusern von 66 % auf 54 % und in den Pflegeheimen von 63 % auf 47 % (Statistisches Bundesamt). Hinter den steigenden Personalzahlen verbirgt sich also zum Teil eine Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse. In Vollzeitäquivalente umgerechnet fällt der Anstieg deutlich bescheidener aus. Hinzu kommt: Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/innen in der Pflege ist stark angestiegen. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Gesundheitsund Krankenpfleger/innen der Altersgruppe 50+ hat sich zwischen 1999 und 2009 von 12,2 % auf 23,9 % beinahe verdoppelt (IAB, 2010). In den meisten Einrichtungen werden größere Teile der Mitarbeiterschaft in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden. Auch die Betrachtung der Arbeitsmarktzahlen stimmt wenig optimistisch: Seit einigen Jahren sinkt die Zahl der Arbeitslosen in Pflegeberufen, gleichzeitig ist die Zahl der gemeldeten offenen Stellen vor allem für Fachkräfte stark angestiegen. Dies zeigt, dass die Nachfrage nach qualifizierten Pflegekräften wächst, der Arbeitsmarkt ist praktisch ausgeschöpft. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausbildungszahlen in den Pflegeberufen trotz dieses steigenden Bedarfs stagnieren. Berücksichtigt man die allgemeine demografische Entwicklung in Deutschland, wird es zunehmend schwieriger werden, ausreichend Nachwuchs zu gewinnen. 284

284 22. Personalgewinnung und sicherung: Pflege als knappes Gut Ob man diese Situation bereits heute mit dem Etikett Pflegenotstand versehen möchte oder nicht, in jedem Fall muss konstatiert werden, dass in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern eine stark angespannte Situation herrscht. Sie ist von hoher Arbeitsbelastung, hohen Krankenständen und regional unterschiedlich ausgeprägt von einem Mangel an Fachkräften gekennzeichnet. Diese Tatsachen sind ausführlich belegt und in der Praxis erlebbar. 3. Herausforderungen und Handlungsfelder Es ist keine gewagte These, dass wir heute erst eine Andeutung der Schwierigkeiten in der Pflege erleben, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf uns zukommen wird. Dies liegt, wie vielfach beschrieben, vor allem an der demografischen Entwicklung, der sich die Gesellschaft ausgesetzt sieht. Für die pflegerische Versorgung sind dabei zwei Aspekte entscheidend. Erstens steigt der Bedarf an pflegerischer Unterstützung aller Voraussicht nach weiter spürbar an. Das Ausmaß dieses Anstiegs wird unterschiedlich prognostiziert. Nach dem Status-Quo-Szenarium (konstante Pflegequoten, keine Berücksichtigung medizinisch-technischen Fortschritts oder innovativer Versorgungskonzepte) ist im Jahr 2030 mit 3,27 Millionen Pflegebedürftigen nach der Definition des Pflegeversicherungsgesetzes zu rechnen (zum Vergleich: 2009 waren es 2,37 Millionen). Unter der Annahme sinkender Pflegequoten wären es 2030 etwa 3,0 Millionen Pflegebedürftige (Statistisches Bundesamt). In beiden Fällen wird sich der Bedarf an qualifizierter Pflege somit aller Voraussicht nach kurz- und längerfristig stark erhöhen. Demgegenüber verknappt sich zweitens das personelle Potenzial der Pflege. Bis 2025 wird sich die Arbeitsmarktsituation für viele Branchen massiv verschärfen: Es wird eine Erhöhung der Nachfrage nach Arbeitskräften erwartet, während das Erwerbspersonenpotenzial stark abnehmen wird (Schnur & Zika, 2007). Für die Pflege ergibt sich ein harter Wettbewerb um geeignete Mitarbeiter/innen. Daher sind Ausbildung, Personalbeschaffung und Sicherung der Arbeitsfähigkeit älter werdender Belegschaften entscheidend (vgl. Freiling, 2010), wenn die Versorgung der Bevölkerung mit qualifizierter Pflege gewährleistet werden soll. Diese Lage erfordert ein systematisches Handeln auf zwei Ebenen: Einerseits müssen die Kliniken und Pflegeeinrichtungen auf betrieblicher Ebene ihre Anstrengungen verstärken, ausreichend viele qualifizierte Pflegende für sich zu gewinnen und an sich zu binden. Andererseits reicht es nicht aus, wenn die Einrichtungen sich gegenseitig Konkurrenz machen, denn letztlich geht es um die flächendeckende Versorgung mit professioneller Pflege. Daher müssen auch Anstrengungen auf gesellschaftlicher und politischer Ebene unternommen werden. Häufig wird die Pflege genannt, wenn es um die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus dem Ausland geht. Die Anwerbung ausländischer Pflegefachpersonen wird als Mittel zur Bewältigung des Pflegenotstands angeführt. Prinzipiell ist bei anerkanntem Berufsabschluss eine Beschäftigung ausländischer Pflegender dann un- 285

285 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus problematisch, wenn die fachliche Qualifikation mit guter sprachlicher und kultureller Kompetenz gekoppelt ist. Diese erforderliche Kombination findet sich allerdings nicht in großer Zahl. Es kommt hinzu, dass der Mangel an qualifizierten Pflegenden ein weltweites Phänomen ist, die infrage kommenden Fachkräfte also auch in ihren Heimatländern, insbesondere in armen Weltregionen, dringend gebraucht werden. Zudem ist Deutschland schon aus sprachlichen Gründen anderen Staaten gegenüber im Nachteil. Auf diesem Weg ist also keine große Entlastung zu erwarten. Vielversprechender erscheint die Forderung, mehr und besser auszubilden. Hier ist neben den einzelnen Trägern auch die Politik gefordert, fördernde Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein solcher Schritt ist die Einführung der Ausbildungsumlage, wie kürzlich in Nordrhein-Westfalen beschlossen, um Wettbewerbsnachteile in Gestalt höherer Kosten und damit Preise für ausbildende Pflegeeinrichtungen zu beseitigen oder die Förderung des dritten Umschulungsjahres in der Altenpflege-Ausbildung, wie aktuell vom Bundesrat gebilligt. Weitere Schritte, wie die Schaffung berufsqualifizierender Studienangebote oder die Zusammenführung der bisherigen Pflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Altenpflege) zu einem allgemeinen Pflegeberuf, können zu einer Verbesserung beitragen. Vor allem aber muss es darum gehen, Pflege für solche Bevölkerungsgruppen attraktiv zu machen, die bisher wenig vertreten sind. Für den männlichen Nachwuchs fällt der Zugang durch den Zivildienst, der bisher den Großteil der männlichen Berufsangehörigen in Kontakt mit der Pflege gebracht hat, künftig weg. Hier sind andere Wege zu suchen, um Männer für die Pflege zu gewinnen. Auch unter Schulabgänger(inne)n mit Hochschul- und Fachhochschulreife muss der Anteil vergrößert werden. Ein großes Problem bei der Erreichung solcher Ziele stellt das zwiespältige Berufsimage dar. Das Bild der Pflege ist nach wie vor geprägt von der Vorstellung, Pflege verlange eher weniger intellektuelle Fähigkeiten und sei daher nichts für kluge Köpfe, es sei denn, es geht um das Verständnis medizinischer Zusammenhänge. Wichtiger sei ein gutes Herz. Der Beruf gilt als physisch und psychisch anstrengend, nicht selten schmutzig und unterbezahlt und zudem als Sackgassenberuf. Es ist nicht verwunderlich, dass die Bewerber/innen nicht Schlange stehen. Hier ist es nicht mit Imagekampagnen der Politik oder von Berufsverbänden getan. Zwar verfügt Pflege als Beruf über hohes Ansehen, allerdings meist nur, wenn andere ihn ausüben (nach dem Motto: Toll, wie Sie diese Arbeit machen, aber für mich wäre das nichts ). Bei der Stärkung der beruflichen Ausbildung ist neben der Ausweitung der Kapazitäten insbesondere daran zu denken, dass Pflege bei Schüler/innen allgemeinbildender Schulen, die sich in der Phase der Berufsorientierung befinden, als out gilt. Nur ein geringer Prozentsatz der Schüler/innen denkt darüber nach, in die Pflege zu gehen, je höher das Schulniveau umso weniger. Im Gegensatz dazu würden 96,2 % (!) der Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege (1. Ausbildungsjahr) nach einer aktuellen Untersuchung in Norddeutschland diese Ausbildung wieder wählen 286

286 22. Personalgewinnung und sicherung: Pflege als knappes Gut (ipp, 2010). Hier handelt es sich also offensichtlich um ein Image- und Informationsproblem, das auch auf betrieblicher Ebene adressiert werden kann. Denkbar sind bspw. die systematische Information an Schulen, die Organisation des Informationsaustauschs zwischen Schülern an allgemeinbildenden Schulen und in der pflegerischen Berufsausbildung oder die verstärkte Einrichtung von Praktikumsplätzen sowie die intensivere Erschließung bisher fernerer Bewerbergruppen (Stichwort Boy s Day ). Insgesamt besteht hier großer Entwicklungsbedarf. Jede Pflegeeinrichtung und insbesondere auch jedes Krankenhaus ist gefordert, Pflege öffentlich sichtbar als wesentlichen Teil der Arbeit hervorzuheben. Nicht selten muss man nach den spärlichen Informationen über die Pflege auf den Internetseiten der Krankenhäuser suchen. Während die Namen von Chef- und Oberärzten an Informationstafeln im Eingangsbereich der Kliniken zu finden sind, fehlt teilweise sogar der Name der Pflegedirektor(inn)en. So bleibt Pflege und bleiben Pflegende unsichtbar. Die Außendarstellung der Pflege zur Imageaufwertung des Berufs ist in vielen Einrichtungen stark verbesserungswürdig. Neben der Verbesserung der Außendarstellung bedarf es der grundlegenden Entwicklung des Innenlebens, also der Arbeitsbedingungen im weitesten Sinn. Eine Selbstverständlichkeit sollten gesunde Arbeitsbedingungen sein, zumindest solche, die nicht krank machen. Dazu gehören Hebehilfen genauso wie regelmäßige Pausen u.v.a.m. Auch Supervisionsangebote finden sich viel zu selten. Beim Thema gesundheitsförderliche Arbeitsumgebung und betriebliche Prävention besteht deutlicher Entwicklungsbedarf. Pflegende sind je nach Einsatzort und Tätigkeitsfeld erheblichen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, die sie längerfristig häufig nicht kompensieren können. Präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen gehen dabei über den herkömmlichen Arbeitsschutz hinaus. Sie sollten altersunabhängig erfolgen, also nicht auf ältere Beschäftigte beschränkt werden, bei denen bereits körperliche oder psychische Schädigungen feststellbar sind. Die Optimierung der ergonomischen Gestaltung der Arbeitsumgebung kann Fehlhaltungen und Kraftanstrengungen während der Arbeit reduzieren. Hilfsmittel wie Patientenlifter oder andere Transferhilfen können die körperliche Belastung reduzieren und dazu beitragen, Berufs- oder Arbeitsunfähigkeit zu verhindern. Nicht wenige Hilfsmittel bleiben aber im Arbeitsalltag ungenutzt. Hier muss auf eine Änderung der betrieblichen Kultur hingewirkt werden, damit es selbstverständlich wird, vorhandene Hilfsmittel anzuwenden. Dennoch sind es weniger die physischen Belastungen, die für Pflegende im Vordergrund stehen, sondern psychische, insbesondere permanenter Zeitdruck, Unterbrechungen der Arbeitsprozesse, organisatorische Mängel, soziale Konflikte, übermäßige administratorische Aufgaben usw. (vgl. Braun et al., 2010; Braun & Müller, 2005). Diese Belastungen haben sich auch im Rahmen der Mitarbeiterbefragungen im PIA-Projekt als besonders wichtig herausgestellt. Hier müssen vor allem Maßnahmen der Organisationsentwicklung und der Verbesserung des Führungsverhaltens greifen. 287

287 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus Diese Aufgabe ist ungleich schwieriger zur bewältigen als die Anschaffung körperlich entlastender Hilfsmittel. Wertschätzung und individuelle Anerkennung der Mitarbeiter/innen geraten gerade in schwierigen Zeiten leicht aus dem Blick. Dabei ist ein wertschätzendes Führungsverhalten für die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit von großer Bedeutung (Fuchs- Frohnhofen et al., 2010; Hien, 2009). Ein Mangel an Wertschätzung führt vor allem bei Personen mit hoher Motivation und Identifikation mit dem Beruf und das ist bei Pflegenden in besonderem Maß der Fall zu negativen gesundheitlichen Auswirkungen (vgl. Schneider, 2010). Eine wertschätzende Haltung, die von der Leitung gelebt wird, kann einen entscheidenden Beitrag zur Aufrechterhaltung der Mitarbeitermotivation, der Identifikation mit dem Arbeitgeber und der Personalbindung leisten. Daneben ist insbesondere im Krankenhaus auch der wertschätzende Umgang in der täglichen Zusammenarbeit der Berufe entscheidend. Ein Gegeneinander von ärztlichem und pflegerischem Dienst stellt das hat sich im PIA-Projekt deutlich gezeigt eine wichtige Belastung für die Beteiligten dar. In vielen Arbeitsbereichen ist eine Entlastung der Pflege von eindeutig berufsfremden Aufgaben wie Reinigungsarbeiten, Materialtransport oder administrativen Tätigkeiten überfällig. Dies ermöglicht nicht nur die Schaffung neuer Arbeitsplätze auch für geringer qualifizierte Personen, vor allem ermöglicht es den Pflegenden, sich auf ihre eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Eine Ausweitung des Verantwortungsbereichs der Pflege insbesondere in Richtung auf Aufgaben, die derzeit von Ärztinnen und Ärzten ausgeführt werden und solchen der Prozesskoordination sowie Spezialaufgaben insbesondere in Krankenhäusern, kann dazu beitragen, Pflege vielfältiger und damit auch attraktiver zu gestalten und somit die Berufsperspektiven zu erweitern. In anderen Staaten finden sich brauchbare Beispiele hierfür. Entscheidend ist dabei allerdings, dass solche erweiterten Aufgaben pflegerisch definiert sind, also zu einem integrierten Teil pflegerischer Arbeit werden, statt als Assistenz oder Sonderfunktionen außerhalb der Pflege daher zu kommen. Ein wichtiger Hebel zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist die Personalentwicklung. Sie dient dazu, langfristig den Personalbedarf insbesondere in qualitativer Hinsicht zu sichern. Darunter versteht man wesentlich mehr als die häufig anzutreffende Fokussierung auf Fortbildungsangebote, was auch im englischen Begriff Human Resources Management zum Ausdruck kommt. Der Personalentwicklung im weiteren Sinne sind eine Vielzahl Instrumente zuzuordnen (Erstellung von Anforderungsprofilen und Stellenbeschreibungen, Personalsuche und -anwerbung, Einarbeitung neuer Mitarbeiter/innen, systematische quantitative und qualitative Personalplanung, Zielvereinbarungen, verschiedene Formen von Mitarbeitergesprächen, Mitarbeiterbeurteilung, Fort- und Weiterbildung, Mitarbeiterbindung in Familienphasen oder bei älteren Mitarbeiter/innen u.v.a.m). Maßnahmen und Konzepte sind seit langem bekannt. Entscheidend ist die tatsächliche Implementierung der Maßnahmen in 288

288 22. Personalgewinnung und sicherung: Pflege als knappes Gut der jeweiligen Einrichtung. Sie sollten nicht rein additiv angewendet werden sondern sind systematisch aufeinander zu beziehen und mit einer strategischen Organisationsentwicklung sowie auch Qualitätsentwicklung zu verbinden. Häufig ist die Personalentwicklung in der Pflege noch eher traditionell, defizitorientiert und personenbezogen ausgerichtet. Ihre strategische Bedeutung wird in vielen Einrichtungen noch nicht ausreichend erkannt. Als letzter Punkt soll hier die Vergütung angeführt werden. Es ist zu erwarten, dass ein Teil des Wettbewerbs der Branchen um qualifizierte Fachkräfte auf dem Feld der Bezahlung ausgetragen werden wird. Dies ist angesichts des Anteils der Personalkosten der Einrichtungen und der großen Zahl der Beschäftigten in der Pflege ein schwerwiegendes Problem. Die zu erwartende Personalnot wird dennoch auch in dieses Feld Bewegung bringen. In die Sicherung der knapper werdenden Ressource Pflegefachkräfte muss auch durch Verbesserung der Gehälter investiert werden. Die hohe Verantwortung für Menschen, die der professionellen Pflege immanent ist, wird sich auch in entsprechenden Gehältern niederschlagen müssen. Hier sind innovative Lösungen auf Einrichtungs-/Trägerebene ebenso gefragt wie Änderungen in den Vergütungsordnungen. Arbeitgeber werden sich zukünftig nicht mehr darauf verlassen können, dass Pflegende ihre verantwortungsvolle Arbeit nicht für Geld machen. 4. Ausblick Abschließend sei betont, dass die Bearbeitung der hier skizzierten Handlungsfelder und Herausforderungen zur Personalgewinnung und -sicherung in der professionellen Pflege nicht optional sondern zwingend erforderlich sind. Sowohl auf institutioneller als auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene bedarf es umfassender Anstrengungen zur Bewältigung der derzeit eintretenden und sich in den nächsten Jahren stark verschärfenden Mangelsituation. Nicht wenige Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen haben die Zeichen der Zeit erkannt und ergreifen die Initiative. Im Rahmen des PIA-Projekts sind beispielhaft einige Teilprojekte bearbeitet worden, die zu einer verbesserten Personalgewinnung und -sicherung beitragen können. Auch von politischer Seite sind gewisse Anstrengungen zur Verbesserung der Lage erkennbar. Dennoch herrscht der Eindruck vor, dass sowohl auf institutioneller Ebene als auch in der Politik die Bedrohung noch zu großen Teilen ausgeblendet wird. Es ist höchste Zeit für eine koordinierte und grundlegende Verbesserung der gesellschaftlichen Wertschätzung professionell Pflegender, ihrer Qualifizierung und der Bedingungen unter denen diese unverzichtbare Arbeit erbracht wird. 289

289 Christoph Bräutigam, Sandra Dörpinghaus 5. Literatur Braun, B., Buhr, P., Klinke, S., Müller, R., Rosenbrock, R. (2010): Pauschalpatienten, Kurzlieger und Draufzahler Auswirkungen der DRGs auf Versorgungsqualität und Arbeitsbedingungen im Krankenhaus. Verlag Hans Huber, Bern u.a.o. Braun, B., Müller, R. (2005): Arbeitsbelastung und Berufsausstieg bei Krankenschwestern. Pflege & Gesellschaft 10(3), Freiling, T. (2010): Älter werden in der Krankenhauspflege. Studienergebnisse zur Bedarfslage und zu den Handlungsoptionen einer demografiefesten Personalpolitik. Powerpoint-Präsentation vom in Stuttgart. _100927_Vortrag_Krankenhausstudie_TF_Stickdatei.pdf am ) Fuchs-Frohnhofen, P., Blass, K., Dunkel, W., Hinding, B., Keiser, S., Klatt, R., Zühlke-Robinet, K. (Hrsg.) (2010): Wertschätzung, Stolz und Professionalisierung in der Dienstleistungsarbeit Pflege. Tectum Verlag, Marburg Hien, W. (2009): Pflegen bis 67? Die gesundheitliche Situation älterer Pflegekräfte. Mabuse Verlag, Frankfurt am Main IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2010): Berufe im Spiegel der Statistik, Berufsordnung 853. ( am ) ipp - Institut für Public Health und Pflegeforschung (2010): Imagekampagne für Pflegeberufe auf der Grundlage empirisch gesicherter Daten. Einstellungen von Schüler/innen zur möglichen Ergreifung eines Pflegeberufes - Ergebnisbericht. Universität Bremen Schneider, J. (2010): Gute Führung in der Pflege. Handlungshilfe. 2. Auflage. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund Schnur, P., Zika, G. (2007): Die Grenzen der Expansion. In: IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Kurzbericht Nr. 26/2007 ( Simon, M. (2008): Personalabbau im Pflegedienst der Krankenhäuser. Huber Verlag, Bern 290

290 22. Neue Qualität der Arbeit in der Pflege Initiativen für eine zukunftsorientierte und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung Jürgen Glaser, Hanka Jarisch und Reimund Overhage Inhalt 1. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) 2. Der Initiativkreis Gesund Pflegen 3. Der Förderschwerpunkt Demografischer Wandel in der Pflege und die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) im Pflegebereich 1. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) Hintergrund von INQA Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) wurde im Jahr 2002 ins Leben gerufen. Bund, Länder, Sozialpartner, Sozialversicherungsträger, Stiftungen und Unternehmen arbeiten unter dem gemeinsamen INQA-Dach an praktischen Lösungsvorschlägen für eine sichere, gesunde und wettbewerbsfähige Arbeitswelt. INQA steht unter dem Motto Wertschöpfung durch Wertschätzung. Mit diesem Leitsatz wird betont, dass Wirtschaftlichkeit nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen kann und darf, sondern erst durch gesunde Mitarbeiter entstehen kann. Alle Partner von INQA tragen in ihrem Verantwortungsbereich dazu bei, gute Arbeitsbedingungen zum Wohl der Betriebe und Beschäftigten zu realisieren. Gesunde, qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die sich ein Unternehmen auch langfristig verlassen kann, sind ein entscheidender Standortvorteil für die Unternehmen wie auch für die gesamte Volkswirtschaft. Produktionsanlagen und -standorte sind heute weltweit austauschbar. In der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft sind die Menschen mit ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen zum wichtigen Standortfaktor geworden. Insofern ist es für die Unternehmen eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und dadurch die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern. Viele wissenschaftliche Studien unterstreichen: Unternehmen mit einer mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur sind auch ökonomisch erfolgreicher. 291

291 Jürgen Glaser, Hanka Jarisch und Reimund Overhage Ziele von INQA INQA ist eine Plattform für die Entwicklung, den Austausch und Transfer von Handlungswissen. Die Initiative weist Wege zu einer Arbeitsgestaltung, die auch ökonomisch nachhaltig ist und von den Beschäftigten positiv erlebt wird. INQA fördert unternehmensbezogene Projekte, transferiert das Wissen in die Betriebe und zeigt erfolgreiche Wege zur Umsetzung auf. Damit ist INQA auch ein Wissensspeicher und Multiplikator für das notwendige Know-how, das Unternehmen und Organisationen für anstehende Veränderungsprozesse benötigen. Die Partner von INQA haben sich für ihre gemeinsame Arbeit die folgenden Ziele gesetzt: Arbeit soll besser an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen angepasst werden, damit sie gesund bleiben und sich wohlfühlen. Gesundheit und Wohlbefinden sind die Voraussetzungen für Kreativität, Leistungsfähigkeit und Motivation und damit auch eine notwendige Bedingung für Wertschöpfung. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist hierfür auch eine stärkere Nutzung der Erfahrung älterer Arbeitnehmer notwendig. Dazu muss lebenslanges Lernen ebenso wie eine alternsgerechte Arbeitsgestaltung allseits geübte Praxis werden. Die Beschäftigten sollen das Rentenalter gesund erreichen können. Die arbeitenden Menschen sollen Beruf, Familie und Privatleben besser in Einklang bringen können. Bei der Gestaltung der Arbeit als Teil der betrieblichen Modernisierungsstrategien arbeiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer Hand in Hand. Sozialpartner, Bund und Länder, Sozialversicherungsträger, Stiftungen und nicht zuletzt wissenschaftliche Einrichtungen beraten und unterstützen in ihrer Verantwortung die Betriebe bei der Entwicklung und Umsetzung von Gestaltungslösungen. Hierbei soll eine Verständigung auf gemeinsame Ziele und eine breite Diskussion über die Zielerreichung erfolgen. Eine aktive und systematische Prävention in der Arbeitswelt soll dazu beitragen, die Kosten der Sozialversicherungssysteme zu senken. Erfolgsbilanz von INQA Mehr als Unternehmen jeder Größe sind in mittlerweile über 30 Experten- und Unternehmensnetzwerken organisiert und so in die Aktivitäten von INQA einbezogen. Das Internetportal der Initiative verzeichnet in einem Jahr mehr als Besuche mit über 1,7 Millionen Seitenaufrufen mit steigender Tendenz. Fast 200 Broschüren, Handlungsleitfäden und Multimedia-Produkte sind bisher von INQA herausgegeben worden. Sie kommunizieren das von INQA generierte Wissen. Viele dieser Produkte sind so erfolgreich, dass bereits mehrere Auflagen erschienen sind. Über Besuche verzeichnet etwa allein die INQA- Datenbank Gute Praxis jeden Monat. Sie enthält rund 330 Beispiele guter betrieblicher Praxis und deckt ein breites Themenfeld ab vom Gesundheitsschutz bis zur 292

292 22. Neue Qualität der Arbeit in der Pflege: Der INQA-TIK-Pflege Unternehmenskultur. Über 90 Projekte sind bundesweit mit Unternehmen der verschiedensten Branchen erfolgreich durchgeführt worden. Das gewonnene Wissen wurde aufbereitet und für andere Unternehmen nutzbar gemacht. Vertreter von INQA werden bundesweit regelmäßig als Referenten und Diskussionspartner zu Veranstaltungen aller Art eingeladen. INQA ist auch Partner bei dem renommierten Wettbewerb Deutschlands Beste Arbeitgeber. Thematische Initiativkreise in INQA Die wichtigsten Partner haben sich zur Steuerung der Aktivitäten in thematischen Initiativkreisen zusammengeschlossen. Die bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) angesiedelte INQA-Geschäftsstelle koordiniert die Initiative, ist Ansprechpartner für Interessierte und gestaltet die Prozesse mit. Jeder bringt etwas mit und jeder kann auch davon profitieren. Insgesamt sieben thematische Initiativkreise initiieren und konzipieren innovative Aktivitäten. Ihr Ziel ist es, das gewonnene Gestaltungswissen für die Praxis aufzubereiten und dort umzusetzen. Jeder einzelne Initiativkreis bildet eine Plattform für Erfahrungsträger, die am jeweiligen Thema interessiert sind. Gemeinsam sind sie ein tragfähiges Netzwerk für eine Neue Qualität der Arbeit. 2. Der Initiativkreis Gesund Pflegen Partner und Ziele des Initiativkreises Unter dem Dach der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) wurde am 8. Juni 2004 der Thematische Initiativkreis Gesund Pflegen in Dortmund gegründet. Dieser Initiativkreis bietet den Partnern eine zentrale Plattform für den gegenseitigen Informationsaustausch und für die gemeinsame Arbeit an wichtigen Themen im Bereich der Pflege. Die Partner des Initiativkreises kommen aus gesellschaftlich relevanten Einrichtungen und Institutionen. Dazu gehören Vertreter von Bundes- und Landesministerien, Berufsverbänden und Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, Unfallversicherungsträgern und der Gewerkschaft. Zudem arbeiten im Initiativkreis auch Vertreter von Einrichtungen des Gesundheitswesens, Pflegeund Arbeitswissenschaftler von verschiedenen Universitäten und in der Sozialwirtschaft tätige Unternehmensberater mit. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit steht der Transfer des vorhandenen Wissens über gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen in der Pflege in die Einrichtungen vor Ort. Das übergeordnete Ziel ist, die Gesundheit der Pflegekräfte zu erhalten und zu fördern. Angesichts des demografischen Wandels besteht ein weiteres Ziel darin, Jugendliche, Schulabsolventen und andere Bevölkerungsgruppen für den Beruf in der Pflege zu interessieren und zu gewinnen. Wichtige Wege um diese Ziele zu erreichen bestehen z.b. in der Bereitstellung von Handlungshilfen, in der Verbreitung guter Lösungen in der Pflege oder der Gründung "Regionaler 293

293 Jürgen Glaser, Hanka Jarisch und Reimund Overhage Netzwerke" in verschiedenen Regionen in Deutschland. In der interdisziplinären Zusammenarbeit entstehen wichtige Grundlagen für die Gestaltung einer gesunden Pflege. Die Informationen werden einem breiten Nutzerkreis, z.b. Trägerorganisationen, Einrichtungen der Pflege, Entscheidungsträgern und Pflegekräften zur Verfügung gestellt. Angebote und Aktivitäten des Initiativkreises Einige Angebote und Aktivitäten des Initiativkreises Gesund Pflegen sind in der Abbildung 1 dargestellt. Wissensplattform Wettbewerb Beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen INQA-Datenbank Gute Praxis Regionale Netzwerke INQA- Projektberichte und Broschüren Sammelmappe Handlungshilfen für eine gesunde Pflege Memorandum Handlungsfelder für eine gesunde Pflege Öffentlichkeitsarbeit, Kampagnen und Vieles mehr Abb. 1: Angebote und Aktivitäten des Initiativkreises Gesund Pflegen Die Wissensplattform beinhaltet vielfältige Informationen rund um das Thema Pflege. Neben aktuellen Mitteilungen zu Veranstaltungen, Projekten und Publikationen umfasst diese Plattform auch Zahlen und Fakten, gesetzliche Grundlagen und Hilfen rund um das Thema Pflege. Auf der Plattform sind auch die weiteren Angebote und Aktivitäten in strukturierter Form bereitgestellt. Hierzu zählt der Wettbewerb Beste Arbeitgeber im Gesundheitswesen. Aus dem Gesamtwettbewerb Beste Arbeitgeber Deutschlands hervorgegangen, wird diese Branchenbenchmarkstudie seit dem Jahr 2007 vom Great Place to Work Institute Deutschland durchgeführt. Anliegen dieses Wettbewerbs, der von INQA und dem Initiativkreis begleitet wird, ist die Überprüfung und Weiterentwicklung einer mitarbeiterorientierten Arbeitsplatzkultur in den Gesundheitseinrichtungen. Aus den Teil- 294

294 22. Neue Qualität der Arbeit in der Pflege: Der INQA-TIK-Pflege nehmern des Wettbewerbs wird eine Liste der 25 besten Arbeitgeber im Gesundheitswesen ermittelt. Die Gewinner werden in den Kategorien Groß-, mittelständische und Kleinunternehmen öffentlichkeitswirksam ausgezeichnet. In der INQA-Datenbank Gute Praxis finden sich derzeit 44 Praxisbeispiele für den Bereich der Pflege. Diese Beispiele zeigen, wie Einrichtungen innovative Lösungen für betriebliche Herausforderungen entwickelt und erfolgreich umgesetzt haben. Die Beispiele in der Datenbank sind nach Regionen sortiert und nennen Ansprechpartner in der jeweiligen Einrichtung. Im Austausch mit der Einrichtung können vergleichbare Lösungen in andere Einrichtungen übernommen oder betriebsgerecht angepasst werden. Dies soll auch der Vernetzung unter den Einrichtungen in einer Region dienen. Der Etablierung von regionalen Netzwerken wird auch in der Arbeit des Initiativkreises Gesund Pflegen eine wichtige Bedeutung zugemessen. Die großen Herausforderungen der Pflegebranche, wie etwa der Fachkräftemangel in Pflegeeinrichtungen, können meist nur gemeinschaftlich mit anderen Partnern der Region (z.b. Arbeitsvermittlung, Schulen, Kommunen, andere Einrichtungen) bewältigt werden. Vor allem für kleine Einrichtungen und Träger ist es heute kaum mehr möglich diesen Herausforderungen standzuhalten bzw. mit neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Ein exemplarisches Netzwerk für die Pflege hat sich im Kreis Aachen etabliert. Weitere regionale Netzwerke sind mit Unterstützung des Initiativkreises im Aufbau. Inzwischen liegen zahlreiche Projektberichte und Broschüren vor, die kostenlos oder kostengünstig über die Plattform bezogen werden können. Hier handelt es sich beispielsweise um Handlungshilfen zur Reduktion von Zeitdruck, für eine gute Führung oder zum ergonomischen Patientenhandling in der Pflege. Ergänzt werden diese Schriften durch die Sammelmappe Handlungshilfen für eine gesunde Pflege. Die Sammelmappe umfasst beispielsweise einen Leitfaden für Personalgespräche oder für einen gesunden Wiedereinstieg in den Pflegeberuf, ein Instrument zur Umsetzung von gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltungsmaßnahmen, ein Formular zur systematischen Beschwerdeerfassung und ein Beispiel für eine gute Dienstplangestaltung. Das Selbstverständnis des Initiativkreises Gesund Pflegen wurde in dem Memorandum Für eine neue Qualität der Arbeit in der Pflege beschrieben. Die Schrift enthält Leitgedanken für eine Gesunde Pflege. Basierend auf dem in der Pflege etablierten Strukturmodell der Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) werden anhand von neun Handlungsfeldern Implikationen des AEDL- Modell für eine Umsetzung einer gesunden Pflege für die Pflegenden formuliert. Darüber hinaus unterstützt der Initiativkreis Gesund Pflegen in vielerlei Hinsicht die Öffentlichkeitsarbeit. Ein Beispiel ist die Wanderausstellung PflegeFIT. Die Aus- 295

295 Jürgen Glaser, Hanka Jarisch und Reimund Overhage stellung ist bundesweit bereits in vielen Einrichtungen gezeigt worden. Ziel der ca. 50 m 2 großen Ausstellung ist die Förderung einer Pflege, in der die Beschäftigten die vielfältigen Belastungen ihres Berufes durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Individualität gesund bewältigen können. Die Ausstellung kann von Einrichtungen entliehen werden, etwa um Gesundheitstage zu ergänzen, Tagungen zu flankieren oder Werbeveranstaltungen in der eigenen Region professionell zu gestalten. Neben diesen und anderen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen werben Mitglieder des Initiativkreises regelmäßig bei Kongressen und Tagungen als INQA-Botschafter und mit Fachvorträgen für eine Gesunde Pflege. 3. Der Förderschwerpunkt Demografischer Wandel in der Pflege und die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) im Pflegebereich Modellprogramm und Förderschwerpunkt Eine weitere Unterstützung für eine zukunftsorientierte und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung in der Pflege bietet das Modellprogramm zur Bekämpfung arbeitsbedingter Erkrankungen. Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) werden seit 1993 in diesem Programm Fördergelder für Modellvorhaben zur Verfügung gestellt. INQA und das Modellprogramm stehen in einem regelmäßigen Austausch. Im Mittelpunkt des aktuellen Förderschwerpunktes I Demografischer Wandel in der Pflege stehen der Erhalt und die Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit von Pflegekräften unter besonderer Berücksichtigung der gegenwärtigen und zu erwartenden demografischen Entwicklungen. Bei steigender Lebenserwartung und einer zunehmenden Zahl kranker und pflegebedürftiger Menschen wird von den Pflegekräften und vom Gesundheits- und Pflegesystem zukünftig noch mehr Leistung gefordert. Dieser Entwicklung steht jedoch ein rückläufiges und alterndes Erwerbspersonenpotenzial und somit eine geringere Anzahl durchschnittlich älterer Pflegekräfte gegenüber. Ausgangspunkt des Förderschwerpunkts war eine im Frühjahr 2009 erstellte Machbarkeitsstudie. Ausgehend von Erkenntnissen zur Beschäftigungssituation der Pflegekräfte und unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes zum Thema Pflege, Alter und demografischer Wandel wurde in dieser Machbarkeitsstudie auf zahlreiche Handlungs- und Gestaltungsbedarfe hingewiesen. Vor allem mangelt es an praxistauglichen und systematischen Herangehensweisen der konkreten Umsetzung entsprechender Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen. Im Förderschwerpunkt werden solche praxisorientierten Ansätze entwickelt und erprobt. Den Einrichtungen sollen systematische Konzepte an die Hand gegeben werden, die mehrere der in der Machbarkeitsstudie definierten Handlungsfelder aufgreifen und sowohl verhältnis- als auch verhaltensorientierte Konzepte berücksichtigen. Diese Konzepte sollen dauerhaft in den Einrichtungen implementiert werden. Auf diesem Wege soll dazu beigetragen werden, die Attraktivität des Pflegeberufes zu verbes- 296

296 22. Neue Qualität der Arbeit in der Pflege: Der INQA-TIK-Pflege sern, Fachkräfte an die Einrichtungen bzw. den Beruf zu binden und den Wiedereinstieg in die Pflege zu erleichtern. Im Ergebnis des Förderschwerpunktes werden auch praxisorientierte Handlungsanleitungen erarbeitet, die Pflegeeinrichtungen und Pflegekräfte über den demografischen Wandel und die damit verbundenen Risiken und Möglichkeiten informieren, ihnen praxisgerechte Konzepte und Herangehensweisen vorstellen und sie zur Umsetzung betrieblicher Maßnahmen im eigenen Betrieb motivieren. Seit Jahresende 2009 und bis Jahresende 2012 werden im Förderschwerpunkt Demografischer Wandel in der Pflege die folgenden drei Modellvorhaben gefördert: Demos Demenz Organisation Selbstpflege Demenz Support Stuttgart ggmbh - demogap Demografiefeste Arbeitsplätze in der Pflege Technische Universität Dresden - BidA Balance in der Altenpflege Evangelisch-Lutherisches Diakoniewerk Neuendettelsau K.d.Ö.R. Mitglieder des Initiativkreises Gesund Pflegen wirken im Beirat dieser geförderten Projekte mit. Zudem berichten die Projekte regelmäßig bei Tagungen des Initiativkreises über den Stand ihrer Arbeit. Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie in der Pflege Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) wurde auf Anregung der Europäischen Union gegründet, um in einem koordinierten und abgestimmten Vorgehen zwischen maßgeblichen gesetzlichen Akteuren des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Deutschland die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen präventiv ausgerichteten und systematisch wahrgenommenen Arbeitsschutz zu verbessern und zu fördern. Die GDA wird von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern gemeinsam getragen. Seit Oktober 2010 stellt die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) Pflegeeinrichtungen aus ganz Deutschland ein Selbstbewertungsinstrument zur Verfügung: Über das Internetportal lassen sich anhand von Leitfragen potenzielle Gefährdungen in der Pflegeeinrichtung ermitteln und zugeordnete Maßnahmen erkennen. In den ersten sechs Monaten nutzten bereits mehr als 900 Betriebe die Möglichkeit, per Online-Selbstbewertung ihren Arbeitsschutz zu überprüfen. Ein Benchmark ermöglicht den Unternehmen die Einschätzung der eigenen Position in der Branche. Mit überschaubarem Aufwand analysieren Betriebe anhand eines Fragenkatalogs die individuelle Situation ihres Betriebs und können mögliche Risiken etwa in Bezug auf Rückenerkrankungen in Verbindung mit psychischen Belastungen identifizieren. Ba- 297

297 Jürgen Glaser, Hanka Jarisch und Reimund Overhage sierend auf dieser Analyse erhalten die Anwender gezielte Unterstützungsangebote. Eine Toolbox bietet Informationen und praxisnahe Unterstützung zum betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz. INQA war an der Entwicklung beteiligt und lieferte etwa konkretes Material für das Onlineportal, z.b. praktische Handlungshilfen, Broschüren und Beispiele guter Praxis im Pflegealltag. 298

298 299

299 300

300 Autor(inn)enverzeichnis a.) Autor(inn)en aus dem PIA Projektteam Hanna Aengenvoort MA&T Sell und Partner GmbH Karl-Carstens-Str Würselen Claudia Bessin M.Sc. (A&O Psychologie) MA&T Sell und Partner GmbH Karl-Carstens-Str Würselen claudia.bessin@mat-gmbh.de Manfred Borutta Pflegewissenschaftler (MScN) Dipl.-Pflegewirt Amt für Altenarbeit der StädteRegion Aachen Mauerfeldchen Würselen manfred.borutta@staedteregion-aachen.de Christoph Bräutigam Diplom-Pflegewissenschaftler und Krankenpfleger Institut Arbeit und Technik Gelsenkirchen Munscheidstraße Gelsenkirchen Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität braeutigam@iat.eu 301

301 Autor(inn)enverzeichnis Sandra Dörpinghaus Institut Arbeit und Technik Gelsenkirchen Munscheidstraße Gelsenkirchen Forschungsschwerpunkt Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität Dr. Paul Fuchs-Frohnhofen MA&T Sell und Partner GmbH Karl-Carstens-Str Würselen Ulrike Lenzen Dipl.-Verwaltungswirtin Amt für Altenarbeit der StädteRegion Aachen Mauerfeldchen Würselen 302

302 Autor(inn)enverzeichnis b.) weitere Autor(inn)en Dieter Begaß Fachbereich Wirtschaftsförderung/ Europäische Angelegenheiten Fachbereichsleiter Aureliusstr Aachen dieter.begass@mail.aachen.de Bernd Bogert Geschäftsführer St. Gereon Seniorendienste Klosterberg Hückelhoven bernd.bogert@st-gereon.info Elke Breidenbach Leitung Regionalagentur Aachen Dennewartstraße Aachen breidenbach@regionalagentur-aachen.de Josif Cvetkovski Pflegedienstleitung Papst-Johannes-Stift Trautnerstraße Aachen pjs.cvetkovski@t-online.de Michael Deilmann Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW (MAIS) Fürstenwall Düsseldorf michael.deilmann@mais.nrw.de 303

303 Autor(inn)enverzeichnis Jennifer Faßbender Fachbereich Wirtschaftsförderung/ Unternehmensförderung Gesundheitswirtschaft Aureliusstraße Aachen Jennifer.Fassbender@mail.aachen.de Frank Finke Weiterbildungsberatung der Industrie- und Handelskammer Aachen Theaterstraße Aachen frank.finke@aachen.ihk.de Tatjana Finkelberg Leitung Tagespflege Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius GmbH Klosterstraße Würselen tatjana.finkelberg@antonius-wuerselen.de PD Dr. phil. habil. Jürgen Glaser, Dipl.-Psych. Vertretungsprofessur für Arbeits- und Organisationspsychologie Fachbereich Psychologie, Universität Konstanz Postfach Konstanz juergen.glaser@uni-konstanz.de Dr. med. Rudolf Harlacher Medizinisches Zentrum StädteRegion Aachen ggmbh Chefarzt Klinik für Geriatrie Mauerfeldchen Würselen rudolf.harlacher@mz.ac.de 304

304 Autor(inn)enverzeichnis Manfred Herrmann Geschäftsführer Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH St.-Elisabeth-Str Mechernich Hanka Jarisch Dipl. Psychologin Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Proschhübelstr Dresden jarisch.hanka@baua.bund.de Judith Kettler Dr. oec.-troph. Ernährungsberatung und Coaching Praxis für Kopf und Bauch Forstheiderstr Herzogenrath Winfried Königs Pflegedirektor Medizinisches Zentrum der Städteregion Aachen Mauerfeldchen Würselen winfried.koenigs@mz-ac.de Thomas Kutschke Geschäftsführer Kath. Bildungsstätte für Gesundheits- und Pflegeberufe GmbH Viersener Str Mönchengladbach Thomas.Kutschke@kbs-pflege.de 305

305 Autor(inn)enverzeichnis Dr. Michael Münchmeyer Chefarzt Medizinische Klinik: Akutgeriatrie / Frührehabilitation / Tagesklinik Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH Leitender Arzt der Brabender Klinik, Geriatrische Rehabilitation, Geriatrisches Zentrum Zülpich GmbH Michael.Muenchmeyer@t-online.de Ralf Marleaux Pflegedirektor Katholische Stiftung Marienhospital Aachen Zeise Aachen ralf.marleaux@marienhospital.de Reimund Overhage Referatsleiter Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) Villemomblerstr Bonn Reimund.Overhage@bmas.bund.de Gerd Palm Stellvertretender Geschäftsführer St. Gereon Seniorendienste Hauptverwaltung Haus Berg Klosterberg Hückelhoven gerd.palm@st-gereon.info Günter Schabram Sozial- und Gesundheitsdezernent der StädteRegion Aachen Zollernstraße Aachen guenter.schabram@staedteregion-aachen.de 306

306 Autor(inn)enverzeichnis Georg Schenkelberg Pflegedienstleitung für die ambulante Pflege der fauna e.v. Stolberger Straße Aachen Veronika Schönhofer-Nellessen Leitung Servicestelle Hospizarbeit/ Geschäftsführung Palliatives Netzwerk für die Region Aachen e.v. Adalbertsteinweg Aachen Astrid Siemens Lehrkraft für Kranken- und Altenpflege Geschäftsführerin der VISITAITS GmbH Häuslichen Kranken- und Altenpflege Kamper Straße Aachen Gertrud Stöcker Stellvertr. Präsidentin im DBfK-Bundesvorstand Am Rosenhaag Grevenbroich gertrud.stoecker@t-online.de Markus Thur Pflegedirektor Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH St.-Elisabeth-Str Mechernich markus.thur@kkhm.de 307

307 Autor(inn)enverzeichnis Christian Weimer Verwaltungsleiter Senioren- und Pflegezentrum St. Antonius ggmbh Klosterstr. 30, Würselen 308

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