Herbert Wittmann: Anton Sturm seine Kruzifixe und Kreuzgruppen

Transkript

1 Herbert Wittmann: Anton Sturm seine Kruzifixe und Kreuzgruppen 1. Vorgeschichte Im Sommer 2016 konnte das Museum der Stadt Füssen aus Mitteln der Endres- Stiftung zwei hervorragende Holzfiguren erwerben. Es handelt sich dabei um die ca. 70 cm großen Darstellungen von Maria und Johannes, beide noch mit der originalen Fassung versehen. Allem Anschein nach wurden sie ehemals als Assistenzfiguren für eine Kreuzgruppe geschaffen. Abb. 1: Pressetermin am 28. Juli 2016 im Kapitelsaal des ehemaligen Klosters St. Mang: (von links) Herbert Wittmann, Erster Bürgermeister Paul Iacob und Dr. Anton Englert vom Museum der Stadt Füssen. An der Herkunft der beiden Figuren aus der Füssener Sturm-Werkstatt kann nicht der geringste Zweifel bestehen. Mehr noch: Der hohen Qualität der Arbeit wegen darf von einer weitgehend eigenhändigen Arbeit des Meisters ausgegangen werden. Die beiden Figuren stimmen nämlich in allen wesentlichen Details mit archivalisch bezeugten Arbeiten von Anton Sturm überein, insbesondere auch mit den beiden Assistenzfiguren einer Kreuzigungsgruppe, die Sturm 1733 für das Refektorium der Benediktinerabtei Ottobeuren fertigte. Schon zuvor hatte Sturm ganz entsprechende,

2 aber deutlich kleinere und qualitativ etwas abfallende Figuren für den Hochaltar in Bernbeuren geliefert. Ob die Füssener Neuerwerbungen als Bozzetti (Modelle) für Ottobeuren dienten, lässt sich heute natürlich nicht mehr feststellen. Möglich wäre es jedenfalls. Denn auch für die Statuen im Kaisersaal musste Sturm Modelle liefern. 1 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Figuren irgendwo eigenständig als Teile einer Kreuzgruppe aufgestellt waren. Abb. 2: Vergleich der beiden Neuerwerbungen mit archivalisch für Anton Sturm bezeugten Arbeiten: links jeweils die Assistenzfiguren der Ottobeurer Kreuzgruppe von 1733, in der Mitte die Füssener Figuren und rechts die Figuren am Tabernakel der Pfarrkirche von Bernbeuren. Zu berücksichtigen ist die sehr unterschiedliche Größe der Figuren und deren nicht genau übereinstimmende Ausrichtung bei den Aufnahmen.

3 Für Füssen darf der Ankauf jedenfalls als Glücksfall bezeichnet werden. Denn im Besitz des Museums befindet sich bereits ein Kruzifix von Anton Sturm, ebenfalls eine ganz vortreffliche Arbeit des Meisters. Es passt in der Größe genau zu den beiden neuen Figuren und soll zusammen mit diesen im Kapitelsaal präsentiert werden. Als idealer Aufstellungsort steht dort eine bisher leere Altarmensa in unmittelbarer Nähe zum Mönchschor von St. Mang. Die Kreuzgruppe wird dem prächtigen Saal nicht nur zur zusätzlichen Zier gereichen, sondern ihn insgesamt, sozusagen als spiritueller Zielpunkt, auch deutlich aufwerten. Abb. 3: Zusammenstellung der beiden neu erworbenen Figuren mit einem bereits vorhandenen Sturm-Kruzifix zu einer neuen eindrucksvollen Kreuzgruppe.

4 Das oben geschilderte Ereignis hat mich dazu angeregt, Kreuze und Kreuzgruppen von Anton Sturm aus seinem umfangreichen Werk herauszulösen und eigens zu betrachten. Es handelt sich dabei also nicht um Neuentdeckungen, sondern um eine Zusammenfassung aus meinen eigenen Veröffentlichungen. Auch der Vergleich von sich entsprechenden Figuren eines Bildhauers ist sehr reizvoll und kann sogar zu neuen Erkenntnissen führen. Als weiterer Anlass für diesen Aufsatz darf das bevorstehende 260. Todesjahr von Anton Sturm gelten. Unser Füssener Bildhauer starb am 25. Oktober Die Kruzifixe von Anton Sturm Abb. 4: Museum der Stadt Füssen: charakteristischer Kopf eines Sturm-Kruzifixes.

5 Gewiss sind in der Füssener Sturm-Werkstatt deutlich mehr Kruzifixe entstanden als die rund zwanzig, die mir bisher bekannt geworden sind. Denn der gekreuzigte Heiland gehörte stets, und natürlich auch in der Barockzeit, zu den am weitesten verbreiteten Bildern überhaupt: Kreuze gab es insbesondere in größerer Zahl in jeder Kirche, Kreuze standen an den Wegrändern und hingen bei uns sogar mehrfach in jedem Haus. Doch wäre es falsch, im Kruzifix einfach nur ein Massenprodukt zu sehen. Es gab Malern und Bildhauern vielmehr auch die Gelegenheit, ihr besonderes Können in der Darstellung eines weitgehend unbekleideten Körpers unter Beweis zu stellen. So entstanden in ein und derselben Werkstatt Kreuze von sehr unterschiedlicher Größe und auch, je nach Anspruch des Auftraggebers, von wechselnder Qualität. Selbstverständlich orientierte man sich dabei an den verfügbaren Vorbildern, versuchte aber wohl auch, einen unverwechselbaren eigenen Stil zu entwickeln (sonst wäre es ja unmöglich, die Arbeiten verschiedener Meister zu erkennen und sie diesen zuzuordnen). Erst durch den Vergleich möglichst vieler Kreuze eines Bildhauers lassen sich die typischen Merkmale herausfinden, welche den Meister bzw. seine Werkstatt kennzeichnen. Bei Anton Sturm sind es, um dies gleich vorwegzunehmen, die charakteristischen Köpfe, die ziemlich rasch auf seine Spur führen: Reduzierte Gesichtsflächen zugunsten von noch ausgeprägt-dominanteren Nasenbildungen, breiten, wülstigen nach vorn gezogenen Lippen. Backenknochen sind akzentuiert und verstärken einen hageren, herben, fast ausgezehrten Eindruck. 2 Den toten Christus kennzeichnet auf der rechten Seite des geneigten Kopfs eine auffällige Sturm-Locke. Typisch für Anton Sturm ist weiterhin die meist sehr flache Armhaltung mit mehr oder weniger stark ausgestreckten Fingern. Beim Buxheimer Kreuz verlaufen die Arme sogar nahezu waagerecht. Die Nägel durchdringen nicht die Handgelenke, sondern die Handflächen. Angeschnitzte Dornenkronen, wie sie z. B. Peter Heel bevorzugte, kommen bei Sturm-Kruzifixen nicht vor. Titulus und Schamtuch werden von Sturm variiert, bieten also keine Anhaltspunkte auf seine Hand. Allerdings weist das Schamtuch stets auf der rechten Seite Christi einen Knoten auf. Von zwei bisher bekannten Ausnahmen abgesehen, stellte der Füssener Bildhauer auch immer den toten Heiland am Kreuz dar. Drei-Nagel-Kreuze überwiegen bei ihm, aber es gibt auch einige Beispiele mit vier Nägeln. Eher nebensächlich, aber doch kennzeichnend ist die Ausbildung der Kniescheiben bei den Figuren Anton Sturms, auch bei den Kruzifixen: Sie weisen mittig eine flache spitz-ovale Vertiefung auf. Zum Thema Meister oder Werkstatt habe ich mich bereits ausführlich geäußert. 3 Ich verzichte hier deshalb auf eine erneute Abhandlung. 3. Werkverzeichnis (Kruzifixe) Die Auflistung erfolgt in der chronologischen Reihenfolge, soweit dies bei den oft unsicheren Datierungen überhaupt möglich ist. Nicht aufgeführt sind dabei die meist kleinen Kruzifixe der Nepomuk-Figuren aus der Sturm-Werkstatt. 1732, Buxheim, Pfarrkirche Unserer Lieben Frau, St. Peter und Paul Im Manuale Prioris pro annis 1732/33 (Archiv der Abtei Ottobeuren, Bestand Kartause Buxheim) erfahren wir Näheres über das Buxheimer Kreuz: Den 4. Februar zahle H. Sturm zu Füssen für 5 schuiges Crucifix 12 fl.

6 Zweifellos handelt es sich dabei um das Wandkreuz in der Buxheimer Pfarrkirche. Gemessen am üblichen Honorar des Bildhauers war der Buxheimer Kruzifixus recht preiswert: nur rund 2½ Gulden pro Schuh. Abb. 5: Alle charakteristischen Merkmale der Sturm-Kreuze zeigt exemplarisch der Kruzifixus in der Buxheimer Pfarrkirche. Um 1732 (?), Wängle (Tirol), Pfarrkirche zum hl. Martin Gesicht, Bart und Haare eines Kruzifixus in der Pfarrkirche von Wängle verraten rasch die Hand von Anton Sturm. Die etwas unsichere Datierung orientiert sich an der Einweihung der Kirche im Jahr 1732 und an der starken Ähnlichkeit mit dem Buxheimer Kruzifixus. 4

7 1733, Ottobeuren, Benediktinerabtei (Refektorium) Über das Kruzifix in der Ottobeurer Benediktinerabtei folgt eine ausführliche Schilderung im Kapitel über die Kreuzgruppen. Der Kruzifixus im Refektorium von Ottobeuren ist genau datiert und zeigt beispielhaft alle Merkmale der Sturm-Kruzifixe. Um 1740 (?), Bronnen (Markt Waal), Pfarrkirche St. Margareth Meine letzte Neuentdeckung einer Sturm-Arbeit war das Chorbogenkruzifix in der Pfarrkirche von Bronnen. 5 Es wird im Kurzinventar Kaufbeuren nicht erwähnt, obwohl es von guter Qualität ist. Allerdings wurde es ein wenig vernachlässigt: Die Dornenkrone ist dem gekreuzigten Heiland ins Gesicht gerutscht und verdeckt seine geschlossenen Augen. Wegen der weitgehenden Ähnlichkeit mit den Kruzifixen in Wald und im Museum der Stadt Füssen erscheint mir die gleiche Datierung sinnvoll. Um 1740 (?), Füssen, Museum der Stadt Füssen Hier handelt es sich um den in der Vorgeschichte erwähnten Kruzifixus, eine ganz hervorragende Arbeit des Meisters, die aus dem ehemaligen Kloster übernommen wurde. Leider fehlen die Kreuzbalken, und auch die Fassung wurde erneuert. An der Zuschreibung kann kein Zweifel bestehen. Wer sie zuerst ausgesprochen hat, ist mir nicht bekannt. Um 1740 (?), Sulzschneid (Stadt Marktoberdorf), Pfarrkirche St. Pankratius Das Vortragekreuz in der Sulzschneider Pfarrkirche wurde bereits von Michael Petzet dem Füssener Bildhauer zugeschrieben. 6 Die Datierung orientiert sich am Neubau der Kirche in den Jahren 1739/40. Um 1740 (?), Wald, Privatbesitz Der neu gefasste, qualitätvolle Kruzifixus war lange Zeit als Hauskreuz im Freien der Witterung ausgesetzt, stammt jedoch aus der Pfarrkirche von Wald. Kreuzbalken mit Titulus, Dornenkrone und Kreuznimbus fehlen. Die Zuschreibung an Anton Sturm geht auf Michael Petzet zurück. 7 Um 1740/50 (?), Lechbruck, Pfarrkirche Mariä Heimsuchung Sogar zwei Kruzifixe, die Anton Sturm zugeschrieben wurden, 8 befinden sich in der Lechbrucker Pfarrkirche. Der weit überlebensgroße Kruzifixus außen an der Chor-Ostwand wird von zwei Nazarenerfiguren zu einer Kreuzgruppe ergänzt. Eine genaue Datierung des Kreuzes ist nicht möglich. Petzet bezeichnete es schlicht und einfach als barock. 9 Der Kirchenführer von 1938 verrät mehr: Im Osten stimmungsvolle Anlage mit Missionskreuz (ehedem an der Giebelwand eines Lechbrucker Bauernhauses). Nach wie vor halte ich die von mir erstmals vorgeschlagene Herkunft des Kreuzes aus der Sturm-Werkstatt für zutreffend. Beim Kruzifix im Innenraum (an der Nordwand des Langhauses) darf die Hand Anton Sturms ebenfalls als sicher gelten. Es stammt aus der in der Säkularisation abgebrochenen Pfarrkirche von Steingaden, 10 in der sich auch noch weitere Figuren des Füssener Meisters befanden. Trotz derselben Herkunft aus Steingaden und passender Details kann diesem aber die zu kleine und qualitativ abfallende Schmerzensmutter unter dem Kreuz nicht bedenkenlos zugeschrieben werden. Abb. 6: Die neun bisher aufgeführten Sturm-Kruzifixe (siehe nächste Seite).

8 Buxheim Wängle/Tirol Ottobeuren (Refektorium) Bronnen Füssen (Museum) Sulzschneid Wald Lechbruck (außen) Lechbruck (innen)

9 Um 1745, Ebenhofen, Pfarrkirche St. Peter und Paul Neuerdings befindet sich der fast lebensgroße Kruzifixus am äußeren Chorabschluss im Osten der Kirche. Zuvor war er an der äußeren Schiffssüdwand noch mehr dem Wetter ausgesetzt als am jetzigen Platz. Darunter hat vor allem die Fassung gelitten. Petzet datierte das Kreuz ins mittlere 18. Jahrhundert und fand es der Werkstatt des Füssener Bildhauers Anton Sturm nahestehend. Die Zuschreibung trifft zweifellos zu, meine etwas genauere Datierung orientiert sich am sehr ähnlichen Kruzifix in Altstädten. 11 Um 1745, Bernbeuren, Marktplatz 8 Am Ostgiebel des Bernbeurer Bürgerhauses hängt der lebensgroße Kruzifixus an einem neubarocken Holzkreuz von Der vorzüglich geschnitzte, mächtige Korpus zeigt alle stilistischen Merkmale des Füssener Bildhauers Anton Sturm. Allerdings wurden drei abgebrochene Finger der rechten Hand falsch ergänzt. Das Kruzifix soll von einem abgegangenen Kalvarienberg stammen. 12 Um 1745 (?), Bernbeuren, Hof 1 Auf dieses typische Sturm-Kruzifix, ein Hauskreuz, machte mich Johann Waibl aus Dattenried aufmerksam. Von ihm übernahm ich auch die Zuschreibung an Anton Sturm. 13 Bei der vergoldeten Dornenkrone handelt es sich um eine spätere Zutat. 1745/46, Altstädten, Pfarrkirche St. Peter und Paul Ursprünglich ist der Altstädtener Kruzifixus wohl als Gegenstück zur Kanzel entstanden, die wiederum archivalisch für Anton Sturm belegt ist. 14 Er befand sich lange Zeit in der Ölbergkapelle und ist heute, als Missions Kreuz 1855, durch eine unpassende Neufassung entstellt. Um 1745/48, Steingaden, ehemalige Prämonstratenser-Abteikirche und Pfarrkirche St. Johannes d. T. Der Kruzifixus des Gnadenstuhls in der Steingadener Pfarrkirche weicht in mehrfacher Hinsicht von den anderen besprochenen Kreuzen ab: Sturm hat den Gekreuzigten als Cristo vivo, d. h. lebenden Christus, dargestellt. Auch sind seine Arme steil aufgerichtet, und die Finger sind gekrümmt. Eine erste Zuschreibung an Anton Sturm soll Prälat Dr. Satzger ausgesprochen haben. 15 Im Ausstellungskatalog von 1990 werden Gnadenstuhl und Kanzel jedoch als archivalisch gesicherte Werke (mit der von mir übernommenen Datierung) aufgeführt. 16 Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass es sich bei Sturms Steingadener Arbeiten um absolute Meisterwerke handelt (?), Lengenwang, Haus Nr. 17 Auf das Lengenwanger Hauskruzifix bin ich erst sehr spät aufmerksam geworden. 18 Es trägt am unteren Kreuzende die Datierung 1747, soll jedoch früher oben mit 1766 bezeichnet gewesen sein. 19 Maria und Johannes als ehemalige Assistenzfiguren sind gestohlen worden. Sie hatten aber, im Gegensatz zum Kruzifixus, mit Sicherheit nichts mit Anton Sturm zu tun. 20 Insbesondere das Gesicht des gekreuzigten Heilands verweist auf eine Herkunft der Figur aus der Sturm- Werkstatt. Die untypischen Arme sind, wie es scheint, ebenso wie die Nimbus- Strahlen und der Titulus irgendwann erneuert worden. Insgesamt muss die Zuschreibung als eher unsicher gelten.

10 Abb. 7: Gnadenstuhl in der Steingadener Pfarrkirche mit einem außergewöhnlichen Kruzifix.

11 Um 1750 (?), Obergermaringen, Pfarrkirche St. Michael Das große, sehr dekorative Kreuz wurde bei der letzten Renovierung in den Chorbogen gehängt. Während die Zuschreibung des Kruzifixus an Anton Sturm als sicher gelten darf, 21 gibt es für dessen Datierung kaum Anhaltspunkte. Vielleicht wurde das Kruzifix anlässlich einer Kirchenerneuerung 1751 angeschafft. 22 Die geschnitzte vergoldete Dornenkrone ist jedenfalls nicht original. Vermutlich sind auch weitere Details (Schamtuch, Finger) ergänzt bzw. erneuert worden. Um 1750 (?), Roßhaupten, Pfarrkirche St. Andreas Ein zeitweise verwahrtes Vortragekreuz in der Pfarrkirche von Roßhaupten wurde bereits von Rosamaria Brandl als mutmaßliches Spätwerk aus der Sturmwerkstatt erkannt. Sie nannte die Arbeit qualitätvoll und sprach von einer lebhaften Oberflächenbehandlung. Michael Petzet übernahm die Zuschreibung, aber auch die Bedenken. 23 Ich kann mich beiden nur anschließen. Um 1750 (?), Rückholz, Pfarrkirche St. Georg Beim Kruzifixus in der Rückholzer Pfarrkirche handelt es sich um einen Viernageltyp und um die zweite bisher bekannte Darstellung des lebenden Christus am Kreuz von Anton Sturm. 24 Petzet datierte das qualitätvolle Kruzifix in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. 25 Zu meiner Neuzuschreibung von 1995 stehe ich auch noch heute. Um 1750 (?), Füssen, Franziskanerkloster Bei diesem exzellenten Viernagel-Kruzifixus bereitet die Zuschreibung an Anton Sturm keine Schwierigkeiten, wohl aber die Datierung. Im Ausstellungskatalog von 1990 wird um 1730 vorgeschlagen. Petzet dagegen datierte den großen Kruzifixus ins mittlere 18. Jahrhundert. Für die spätere Entstehungszeit sprechen die nun sichtlich weicheren Falten des Schamtuchs und der vergleichsweise kleine Kopf des Heilands. 26 Abb. 8: Neun weitere Kruzifixe von Anton Sturm (siehe nächste Seite).

12 Ebenhofen Bernbeuren (Hof 1) Bernbeuren (Marktplatz 8) Altstädten Obergermaringen Lengenwang Rückholz Roßhaupten Füssen (Franziskanerkloster)

13 4. Werkverzeichnis (Kreuzigungsgruppen) 1722, Ottobeuren, Benediktinerabtei Maria, Johannes und Maria Magdalena als Assistenzfiguren eines älteren Kruzifixes (dieses stammt nicht von Sturm) im östlichen Flurvorplatz des Refektoriums. Die vollrund gearbeiteten, nahezu lebensgroßen Figuren weisen eine moderne polychrome Fassung auf. Nach einem Vermerk des Abts Rupert II. Ness von Ottobeuren in seinem Tagebuch wurden die ungefassten Figuren am 20. März 1722 in Ottobeuren abgeliefert. Der Abt schrieb: Von Herrn Antoni Sturm aus Füssen habe drei Statuen anfertigen lassen, als Maria, Johannes und Magdalena, welche ante Crucifixum vor dem Refektorium kommen sollen. Sie sind wohl gemacht und kosten 100 fl. Werden allhier weiss gefasst auf Alabasterart. 27 Der sehr hohe Preis (rund 6 fl pro Schuh) erklärt sich vor allem daraus, dass auch die Rückseiten der frei aufgestellten Figuren sorgfältig ausgearbeitet werden mussten. Er zeigt jedoch auch die große Wertschätzung, deren sich der Füssener Meister erfreuen durfte. Abb. 9: Benediktinerabtei Ottobeuren, Kreuzgruppe im Vorplatz des Refektoriums, Maria Magdalena in zweierlei Ansicht. Die Figur ist rundum bearbeitet.

14 Abb. 10: Benediktinerabtei Ottobeuren, Kreuzgruppe im Vorplatz des Refektoriums. Die drei Assistenzfiguren sind von Anton Sturm (1722), das ältere Kruzifix nicht.

15 1724, Breitenwang (Tirol), Auferstehungskirche Bei der Breitenwanger Pietà-Gruppe handelt es sich natürlich um keine Kreuzgruppe im eigentlichen Sinn, auch wenn die Aufstellung eng damit verwandt erscheint. Statt eines Kruzifixes bildet hier ein Vesperbild die beherrschende Mitte. Damit rückt jedoch auch Maria mit dem toten Christus ins Zentrum. An ihrer Stelle, links vom Betrachter aus gesehen, steht nun in einer Nische Johannes, rechts in einer weiteren Nische Maria Magdalena. Durch Einträge in den Kirchenrechnungen wissen wir über die Breitenwanger Figuren näher Bescheid: Am 12. Juli 1724 wurde das schmerzhafte Mueter gotes Bildt von Fiessen herein gefieret. Spätere Eintragungen nennen Anton Sturm namentlich. 28 Abb. 11: Auferstehungskirche in Breitenwang: Pietà-Gruppe. Weil die Figuren weit auseinander stehen, wurden sie als Collage zusammengefügt. Um 1725, Reutte (Tirol), Pfarrkirche St. Anna In der Pfarrkirche von Reutte wiederholen Maria und Johannes einer Kreuzgruppe seitenverkehrt und gespiegelt fast wörtlich die Wiedergabe der Breitenwanger Assistenzfiguren. Das zugehörige Kruzifix stammt mit Sicherheit nicht von Anton Sturm. Es konnte von Josef Mair als Werk des Imster Bildhauers Balthasar Jais identifiziert werden. 29

16 Abb. 12: In der Mitte die Kreuzgruppe in der Reuttener Pfarrkirche St. Anna (Kruzifix von Balthasar Jais), links und rechts die Breitenwanger Assistenzfiguren. 1731/1733, Bernbeuren, Pfarrkirche Tabernakelplastik: In den drei Nischen des Tabernakels Kruzifixus mit Maria Magdalena in der Mitte, seitlich Maria und Johannes, vollrund ausgeführt, weiß und golden gefasst, die seitlichen Assistenzfiguren 48 cm hoch. Am 19. Januar 1731 wurde mit Herrn Antoni Sturm, Bildhauer zu Füssen nebst des Meisters Paul Pfeiffer, Schreiner allhier ein Akkord über den Hochaltar abgeschlossen, demzufolge Sturm alle Statuen, Engels Köpf, Cieraten samt aller Bildhauerarbeit... innerhalb von zwei Jahren herstellen sollte. 30 Auch wenn der Altar mehrfach verändert wurde, so lässt sich die Kreuzgruppe am Tabernakel doch eindeutig als archivalisch bezeugtes Werk aus der Sturm-Werkstatt identifizieren. Maria und Johannes stimmen weitgehend mit den beiden für das Füssener Museum erworbenen Figuren überein.

17 Abb. 13: Bernbeuren, Pfarrkirche: Kreuzgruppe am Tabernakel, um , Ottobeuren, Benediktinerabtei Kreuzigungsgruppe (Kruzifixus mit Maria und Johannes), weiß und golden gefasst, im Refektorium. Im Tagebuch des Abts finden wir dazu am 15. März 1733 Folgendes vermerkt: Herr Anton Sturm, Bildhauer von Füssen, bringt in das Refectorium einen lebensgroßen Crucifixus mit Maria und Johannes, gefasst, für 130 fl. Am 1. März 1734 musste der Abt jedoch berichten: Endlich sind die Ornamente in das Refektorium von dem Schreiner und Maler fertig geworden, also dass man solche hat können aufrichten cum Crucifixo Salvatore, welcher sehr schön steht. Beim Aufrichten des Crucifixus hat sich gezeigt, dass die beiden von dem Bildhauer gemachten Statuen Maria und Johannes die Malereien zu sehr verdecken würden, daher selbe amoviert werden, um sie anderwärts zu applizieren.

18 Schließlich schrieb der Abt am 24. April 1734: die zwei Statuen Maria und Johannes Ev., welche in das Refektorium zu dem Kruzifix vermeint waren, sind in dem Capitul [= Kapitelsaal] neben dem Altar samt Postamenten gestellt und also wohl appliziert worden. Heute befindet sich die wiedervereinte Gruppe vor der weiß gestrichenen Wand des Refektoriums. 31 Auch bei dieser Gruppe überrascht die hohe Geldsumme, die bezahlt wurde. Allerdings waren die drei Figuren bereits gefasst. Maria und Johannes, hier ebenfalls lebensgroß, stimmen in allen wichtigen Einzelheiten mit den etwas früher entstandenen Kleinplastiken in Bernbeuren überein und damit natürlich auch mit den beiden Füssener Figuren. Abb. 14: Ottobeuren, Benediktinerabtei, Kreuzgruppe im Refektorium. Auch hier mussten die Figuren als Collage näher zusammengerückt werden.

19 Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur Brandl, Rosamaria: Anton Sturm ( ), Diss. MS, München Lipp, Richard: Die Auferstehungskirche in Breitenwang bei Reutte und ihre Künstler, in: Alt Füssen 1989, S Petzet, Kurzinventar Füssen Petzet, Kurzinventar Marktoberdorf Petzet, Kurzinventar Sonthofen Wittmann, Herbert: Bemerkungen zum Werk Anton Sturms, in: Alt Füssen 1995, S Wittmann, Herbert: Anton Sturm, der Füssener Bildhauer aus Faggen in Tirol ( ), Die Arbeiten des Füssener Meisters im Tiroler Außerfern, in: Extra Verren 2006, S Wittmann, Herbert: Anthoni Sturmb, Burger Vnd Bildhawer in Fiessen, in: Alt Füssen 2007, S Wittmann, Herbert: Bayrhoff Sturm Heel Hitzelberger. Ergänzungen zu den jeweiligen Werkverzeichnissen, in: Alt Füssen 2008, S Wittmann, Herbert: Neu entdeckt: Arbeiten von Anton Sturm, Peter Heel und Georg Bayrhoff, in: Rund um den Säuling (2012), S Wittmann, Herbert: Neu entdeckt: Drei Werke einheimischer Bildhauer und Maler, in: Rund um den Säuling (2015), S Abbildungsnachweis Abb. 1, Abb. 2 und 3 Mitte und Abb. 4 unten: Josef Mair, Elmen (Tirol) Abb. 8 unten rechts: Matthias Thalmair Alle anderen Abbildungen und sämtliche Collagen: Herbert Wittmann Anmerkungen 1 Brandl, S Nach Norbert Jocher, in: Anton Sturm, Katalog zur Ausstellung 1990, S Wittmann (2007), S Wittmann (2006), S Wittmann (2015), S Petzet, Kurzinventar Marktoberdorf, S Petzet, Kurzinventar Marktoberdorf, S Wittmann (2007), S. 40 und S Petzet, Kurzinventar Füssen, S Petzet, Kurzinventar Füssen, S Petzet, Kurzinventar Marktoberdorf, S. 64. Wittmann (2007), S Wittmann (2008), S Georg Paula, in: Denkmäler in Bayern, Landkreis Weilheim-Schongau, S. 37. Wittmann (2007), S Petzet, Inventar Sonthofen, S. 99. Wittmann (2007), S Wittmann (2012), S Petzet, Kurzinventar Marktoberdorf, S würde Sturm natürlich ausschließen. 17 Deutlich erkennbar auf einem noch vorhandenen Foto. 18 Brandl, S. 203.

20 19 Ausstellungskatalog 1990, S Siehe Wittmann (2007), S Wittmann (1995), S. 64 und Wittmann (2007), S Breuer, Kurzinventar Kaufbeuren, S Dort auch Kruzifixus, mittleres 18. Jh. 23 Wittmann (1995), S Petzet, Kurzinventar Füssen, S Brandl, S Petzet, Kurzinventar Füssen, S. 147: Vielleicht auch Frühwerk von Roman Anton Boos. 26 Wittmann (2007), S Übernommen von Brandl, S Lipp, S Ausführlicher Bericht bei Wittmann (2006), S. 27 bis Josef Mair und Herbert Wittmann: Die Bildhauerarbeiten der Imster Künstlerfamilie Witwer im Außerfern, in: Extra Verren 2013, S Siehe Wittmann (2007), S. 41. Brandl, S. 200 und S. 202, datierte den Bernbeurer Hochaltar in Unkenntnis des Akkords mit nach 1739 ein wenig zu spät. 31 Texte übernommen von Brandl, S. 181/182.