Die Entwicklung einer Aufgabenkultur
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- Gitta Böhme
- vor 6 Jahren
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1 AUSBLICK SINUS Hessen Die Entwicklung einer Aufgabenkultur Eine Aufgabe für die Fachgruppe Aufgaben werden inzwischen von vielen Lehrpersonen in den Naturwissenschaften als sinnvolles Mittel zur methodischen Umgestaltung des Unterrichts betrachtet, ebenso als praktikable Möglichkeit zur kognitiven Aktivierung der Lernenden. Die Zahl der leicht zugänglichen Aufgaben ist allerdings noch begrenzt, so dass die Lehrpersonen selbst als Aufgabenentwickler gefordert sind. Nicht nur um diese Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, empfiehlt es sich, dieses Projekt zu einem Schwerpunkt der Arbeit in der Fachgruppe zu machen. Die gemeinsame Arbeit an einem solchen Vorhaben bietet die Gelegenheit, sich über Unterrichtsziele, Erfahrungen mit methodischen Ansätzen sowie Erfolg und Misserfolg bei diesen Bemühungen auszutauschen. Hinzu kommt, dass der kollegiale Austausch auch das eigene Verständnis von möglicher Aufgabenwirksamkeit und praktischer Aufgabenkonstruktion vertieft: An welchen Stellen ist die Konstruktion einer Aufgabe sinnvoll? Welche Ziele sollen verfolgt werden, inhaltlich oder über den konkreten Inhalt hinaus? Welche Aufgabenformate kommen für welche Zwecke und Inhalte in Frage? Welche Kompetenzen können mit einem bestimmten Ausgabentypus gefordert und gefördert werden? Wie organisiere ich Unterricht mit und um Aufgaben? Wie werte ich die Ergebnisse aus und wie melde ich die Ergebnisse an die Lernenden zurück? Wie kann ich mit Aufgaben Leistungsunterschieden begegnen? Gibt es Aufgaben, die mir bei der Diagnose von Lernschwierigkeiten helfen können? Außerdem federt der Rückhalt in der Fachschaft auch mögliche anfängliche Probleme beim vermehrten Einsatz von Aufgaben im Unterricht ab, fachlich, didaktisch und auch emotional. Aus dem gleichen Grund stellen die laufenden Projekte von SINUS-Transfer die kollegiale Kooperation ganz in den Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit Aufgaben kann in der Fachgruppe auf höchst unterschiedliche Weise erfolgen, sollte aber immer wieder auf die konkrete Ebene der Aufgabenentwicklung zurückfinden. Zum Einstieg eignen sich (neben den Aufgaben in diesem Heft) recht gut auch die veröffentlichten Aufgaben der PISA-Untersuchungen aus dem Bereich "naturwissenschaftliche Grundbildung". Vergleicht man die Aufgaben, wird deutlich, wodurch sich Testaufgaben von Lernaufgaben unterscheiden. Hilfreich für die Klärung der unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien aber auch der Gemeinsamkeiten, ist die hessische Broschüre "PISA macht Schule" (HKM 2006). PISA-Aufgaben lassen sich auch zu Lernaufgaben umarbeiten: Dazu reicht es oft, die Vielfalt der im jeweiligen Aufgabenkontext entfalteten Fragen drastisch zu reduzieren und ggf. durch Hilfen einer auf Lernen fokussierten Bearbeitung zugänglich zu machen. Eine Alternative zum Einstieg bietet der gemeinsame Aufgaben-Check (Stäudel 2003). Mittels eines einfachen Instruments, der Analysenspinne (auch Zielscheiben-Verfahren genannt) (Abb. 1). kann der bisherige Einsatz von Aufgaben im Unterricht einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dieser Ansatz gibt dann Auskunft darüber, ob Aufgaben z. B. vorwiegend zum Üben eingesetzt werden oder zur Erarbeitung, inwieweit sie die sachbezogene Kommunikation herausfordern oder die Kooperation in Kleingruppen fördern. Es können auch andere Koordinatensysteme für diese Analyse verabredet werden, z. B. welche Dimensionen naturwissenschaftlichen Arbeitens durch die eingesetzten Aufgaben besonders angesprochen werden - und wo noch Entwicklungsbedarf Fri edrich Ve rlag
2 1_ 5 :"_.:' (Vor- )Wissen ordnen Lern erfolg rückmelden/diagnose Wissen erarbeiten Kommunikation fördern/ Verba lisieren Üben /Si cherheit gewinnen Koo peration herausfordern Problem lösen Ergeb n isse/ Aussagen bewerten 1: Mit Hilfe der Analysenspinne Aufgaben prüfen sein könnte (Stäudel 2004). Das Ergebnis dieser Analyse kann dann die Strukturierung der weiteren Arbeit in der Fachgruppe unterstützen. Fortgeschrittene Fachgruppen können sich an die Veränderung bekannter Aufgaben machen. Oft reicht es aus, eine Aufgabe aus dem Schulbuch oder einer fachdidaktischen Zeitschrift gegen den Strich zu lesen und die Fragestellung zu verändern. Dazu kann man sich am Beispiel des system atisch en Vorgehens der Mathematik orientieren (Biermann/ Wiegand/Blum 2003), oder auf Exempel aus der Chemie zurückgreife n (Kasten 1). Ganz allgemein verweist dieses Vorgehen auf eine Variation des Bekannten. Im Zentrum der Aufgabe stehen dann z. B. die Formulierung der Problemstellung oder der Lösungsweg (Wißner 2004) (Abb. 2). Als besonders produktiv hat sich Ausarbeitung von Aufgaben mit gestuften Hilfen herausgestellt (vgl. S. 61 ; HKM 2006). Bei der Konstruktion von Aufgabe und Hilfen wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie der vermutete Problemlösungsprozess bei den Lernenden aussehen könnte, welches Vorwissen vorausge setzt wird und wie es aktiviert w erden könnt-e, ebenso welche lernstrategischen Hilfen in der einen oder anderen Situation hilfreich sein könnten. Diese Auseinandersetzung führt un- Lösungsweg.. Geräteauswahl Versuchsaufbau Versuchsbedingungen 2: Eine Aufgabe gliedert sich in verschiedene Teile Friedrich Verlag 1149
3 Der Rutherfordsche Streuversuch Wie fundamental eine Aufgabe verändert wird, wenn sie sozusagen vom Ende her entwickelt wird, zeigt Wißner am Beispiel des historischen Rutherfordschen Streuversuchs. (a) abgelen (X-Teilchen schirm (b) I : \: :Versuchsaufbau (a) und mögliche Beugungsmuster (b) Die Aufgabe für Schülerinnen und Schüler besteht darin, ausgehend von der Tatsache, dass die Atome der Goldfolie einen sehr kleinen massereichen Kern besitzen, zu entscheiden und argumentativ zu untermauern, welches der angebotenen Beugungsmuster Rutherford vermutlich gefunden hat. mittelbar zu einem Austausch über Lernziele und Lernwege im Kollegium und festigt die Basis für weitere die Unterrichtsinnovation. Die entwickelten Aufgaben können im Anschluss von verschiedenen Lehrkräften in unterschiedlichen Klassen erprobt und optimiert werden. Mittelfristig kann eine Fachschaft so einen Pool von Aufgaben anlegen: orientiert an zentralen Inhalten des Fachs, sortiert danach, ob das Ordnen, das Erarbeiten, das Vertiefen oder das Problemlösen im Vordergrund steht. Neben der Fachgruppe, die ein breites Forum für Entwicklung von Aufgaben und der Rückmeldung von Erfahrungen bietet (Erley-Vonberg/Sauer 2004). empfiehlt sich besonders die Arbeit im Tandem. Zwei Lehrkräfte mit ähnlicher Stundenverteilung können in Kooperation auch größere Elemente ihres Unterrichts gemeinsam planen und gegenseitig begleiten (Fischler 2006). Im Kleinen kann so vorangebracht werden, was allseits gefordert wird: eine entwickelte Aufgabenkultur. Literatur Biermann, M./Wiegand, B./Blum, W.: Nicht "irgendwie", sondern gezielt. Aufgaben verändern. In: Friedrich lahresheft XXI, 2003, S Erley-Vonberg, U./Sauer, H.-G.: Kollegiale Kooperation. In: Lernchancen 42, 2004, S Fischler, H. (Hrsg.): Unterricht überdenken - Unterricht entwickeln. UP 92,2006. Hessisches Kultusministerium/IQ (Hrsg.): PISA macht Schule. Konzeptionen und Praxis beispiele zur neuen Aufgabenkultur. Wiesbaden 2006, Kapitel 4 und 5. Stäudel, L.: Die Spinnennetz-Methode. Analyse naturwissenschaftlicher Arbeitsformen im Unterricht. In: Duit, R. u. a. (Hrsg.): Naturwissenschaftliches Arbeiten. Unterricht und Material 5-10, 2004, S. 9. Stäudel, L: Der Aufgabencheck. Überprüfen Sie Ihre "Aufgabenkultur". In: Ball, H. u. a. (Hrsg.): Aufgaben. Lernen fördern - Selbstständigkeit entwickeln. Friedrich lahresheft XXI, 2003, S Wißner, 0.: Das Öffnen von Aufgaben. Strategien und Beispiele. In: ue 82/83, 2004, S Internet-Tipps de/programm/ue berblick/leitlinien.html -kiel.delindex.html 150 I Friedrich Verlag
4 Hrsg. Harald Gropengießer Dietmar HöUecke Telsehe Nielsen Lutz Stäudel ORIENTIERUNG GEWINNEN WISSEN ERARBEITEN SieHE HElli ERLANGEN Mit Aufgaben lernen UNTERRICHT UND MATERIAL 5-10
5 IMPRESSUM Harald Gropengießer, Dietmar Höttecke, Telsehe Nielsen, Lutz Stäudel Mit Aufgaben lernen Unterricht und Materia l Auflage 2006 Erhard Friedrich Verlag GmbH, Seelze Redaktion Stefanie Krawczyk Realisation Sabine Duffens Friedrich Medien-Gestaltung Verlag Erhard Friedrich Verlag GmbH Im Brande 17, Seelze Druck Jütte-Messedruck Leipzig GmbH, Printed in Germany Vertrieb Friedrich Leserservice Postfach , Seelze Telefon Te lefax 0511/ lese rservi ce@friedrich-verlag.de Bestell-Nr Beiträge sind urheberrechtlieh geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die als Material bezeichneten Unterrichtsmittel dürfen bis zu Klasse n- bzw. Kursstärke vervielfältigt werden. Besuchen Sie uns im Internet unter
6 Inhalt HARALD GROPENGIESSER Mit Aufgaben lernen Eine Einführung 4 1. ORIENTIERUNG GEWINNEN 12 PETRA HOPPE Wer ist der Täter? Biologie/Chemie/ Naturwissenschaftliche Fragen definieren Physik Klasse 14 Mir geht ein Licht auf Naturwissenschaft und Technik im Alltag erkennen Physik Klasse 18 Eine anziehende Wirkung Phänomene ordnen Phänomengrenzen erkennen Physik Klasse 22 LUTZ STÄUDEL Ein Blick durch die chemische Brille Orientierung gewinnen in einem neuen Feld Chemie ab Klasse 5 26 SINUS Hessen Mineralwasser ist gesund?! Informationen kritisch prüfen Chemie Klasse WISSEN ERARBEITEN 34 TANJA RIEMEIER Grenzflächenvergrößerung Naturwissenschaftliche Prinzipien zum Erklären nutzen Biologie Klasse 36 TANJA RIEMEIER Zerkleinert und doch größer Ein naturwissenschaftliches Prinzip erfahren Biologie Klasse 41 GUNTHER SACK Die Ursache einer rätselhaften Krankheit Empirische Belege zur Entscheidung nutzen Biologie ab Klasse 9 44 TELSCHE NIELSEN Die Balance des Geldes Eine Gesetzmäßigkeit formulieren Physik Klasse 48 Technik, die begeistert! Struktur-Funktions-Beziehungen erkennen Physik Klasse 51 LUTZ STÄUDEL Die Spannungsreihe der Metalle Ordnungssysteme (re-)konstruieren Chemie Klasse 56 LUTZ STÄUDEL, GUDRUN FRANKE-BRAUN, SIBYLLE HESSE Wasser marsch! Naturwissenschaftliches Wissen verknüpfen Chemie Klasse 61
7 3. SICHERHEIT ERLANGEN 66 ULRIKE ANGERSBACH UND JORGE GROSS Auf den Puls gefühlt Experimentelle Ergebnisse präsentieren Biologie 9. Klasse 68 JÖRG ZABEL Die unsichtbare Abwehr Wissen narrativ und naturwissenschaftlich darstellen Biologie Klasse 74 TELSCHE NIELSEN Auf die Plätze, fertig, los! Darstellungsebenen wechseln Physik Klasse 81 Vom Messen in Maßen Den Umgang mit der Fachsprache trainieren Physik Klasse 86 UND FREDERIK HEISE Die Raketen-Start-Maschine Systeme beschreiben und beurteilen Physik Klasse 92 SINUS NATURWISSENSCHAFTEN (BAYERN UND HESSEN) Säuren Laugen Salze Reaktionsgleichungen aufstellen Chemie Klasse PROBLEME LÖSEN 104 KAI NIEBERT UND HARALD GROPENGIESSER Ein haariges Problem Einen Untersuchungsplan entwickeln Biologie Klasse 106 BIRGIT GIFFHORN Zungenrollen: Erbgang beim Menschen Hypothesen überprüfen Biologie Klasse 110 FREDERIK HEISE UND Schwimmen oder sinken? Mit Fachbegriffen arbeiten Physik Klasse 116 TELSCHE NIELSEN UND LUTZ STÄUDEL Überleben auf der Eisscholle? Ein Phänomen modellhaft erschließen Physik Klasse 120 Mit dem Fahrrad unterwegs Einen Versuch entwickeln Physik Klasse 124 LUTZ STÄUDEL (SINUS HESSEN) Physik/Chemie Eiskonfekt Klasse Ein Phänomen aufklären auch Oberstufe 128 SINUS HESSEN Weiße Pulver Ordnungssysteme (re-)konstruieren Chemie Klasse 134 SCHÜLERTIPPS TELSCHE NIELSEN Aufgaben strategisch lösen Schülertipps zum Aufgabenlösen 141 AUSBLICK SINUS HESSEN Die Entwicklung einer Aufgabenkultur Eine Aufgabe für die Fachgruppe 148
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