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1 Leseprobe aus: Die geheime Macht der Düfte von Robert Müller-Grünow. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten. Hier geht s zum Buch >> Die geheime Macht der Düfte

2 »ICH KANN DICH GUT RIECHEN«LIEBE UND PARTNERSCHAFT Die meisten Sprichwörter und Redewendungen, die sich um unseren Geruchssinn und unsere Nase drehen, beschreiben negative Aspekte menschlichen Zusammenlebens: Man hat die Nase gestrichen voll oder fällt auf selbige, es stinkt zum Himmel, man schnüffelt in fremden Angelegenheiten, man riecht etwas drei Meilen gegen Wind, man ist hochnäsig oder bindet jemandem etwas auf die Nase, die man auch rümpfen oder an der man einen herumführen kann, man ist stinkig irgendwie klingt das alles nicht richtig schön. Und dann gibt es noch eine Redewendung, die lautet:»ich kann dich nicht riechen«oder eben auch andersherum,»ich kann dich gut riechen«. Dahinter verbirgt sich viel mehr als nur eine Floskel. Die beiden Sätze beschreiben eine wesentliche Bedingung menschlicher Existenz: Liebe und Partnerschaft kann es nämlich nur dann geben, wenn wir unsere Auserwählte oder unseren Auserwählten riechen können, im wahrsten Sinne des Wortes. Was es bedeutet, keinen eigenen Geruch zu haben, und welch böse Folgen dies haben kann, beschreibt Patrick Süskind in seinem schon erwähnten Roman»Das Parfum«. Jean-Baptiste Grenouille, die Hauptfigur, verfügt über einen sehr guten Geruchssinn, besitzt 4 Die geheime Macht der Düfte

3 jedoch keinen Eigengeruch. Damit fehlt ihm ein Teil seiner Identität.»Er riecht überhaupt nicht«, bemerkt die Amme, als sie das Baby im Arm hält. Bald wird Grenouille selber gewahr, dass er keinen Eigengeruch besitzt. Diesen Zustand empfindet er als unerträglich. Im weiteren Verlauf der Geschichte tut er alles dafür, um sich selbst einen Geruch zu verschaffen. Er sucht nach einem Duft für sich, der die Menschen so betört, dass sie ihn lieben. Grenouille beginnt, den Geruch von anderen Menschen zu imitieren, und beobachtet die Reaktionen. Schnell wird ihm klar, dass Gerüche über Sympathie und Antipathie entscheiden. Grenouille, der Mann ohne Geruch, wird zum Mörder, weil er den Duft junger Frauen für das perfekte Parfüm braucht. Jemanden gut riechen können Schöne Augen, eine Superfigur und ein toller Charakter alles schön und gut, aber es reicht nicht aus. Am Ende bestimmt unser Körpergeruch unser Beziehungsglück. Wen wir besonders gut riechen können und wen nicht, das nimmt unsere Nase bereits beim ersten Aufeinandertreffen wahr und leitet die Informationen in Sekundenschnelle ans Gehirn weiter, wo die Auswertung stattfindet. Das Ergebnis ist sexuelles Begehren oder Sympathie. Oder auch Abneigung. Mehr als jeder siebte Deutsche 15,2 Prozent hat sich einer Umfrage zufolge schon einmal in jemanden hauptsächlich wegen ihres oder seines Duftes verliebt. Dass es von elementarer Bedeutung ist, wie ein Artgenosse gerochen wird, wissen wir seit langem aus dem Tierreich. So gibt der Urin eines Wolfes nicht nur Auskunft über sein Geschlecht, son- Die geheime Macht der Düfte 5

4 dern auch über sein Alter und seine soziale Stellung im Rudel. Der Angstschweiß der Ratten warnt die Artgenossen, und rivalisierende Mäusemännchen liefern sich regelrechte Duftduelle. Sie alle sondern Pheromone ab, die ganz entscheidend auf die Artgenossen wirken. Aber auch beim Menschen ist das individuelle Duftprofil verantwortlich dafür, ob die Chemie zwischen zwei Artgenossen stimmt. Kein Mensch gleicht geruchsmäßig einem anderen. Wir haben sozusagen einen olfaktorischen Fingerabdruck, einen Urduft, der genetisch verankert ist. Auch wenn wir noch so viel duschen und baden, Parfüms, Deos und Bodylotions auftragen, oder wie auch immer wir uns ernähren, bleibt dieser Bestandteil des Körpergeruchs immer gleich. Die Gewebemerkmale, die den Körpergeruch einer Person prägen, sind im sogenannten Haupthistokompatibilitätskomplex gebündelt, MHC von engl. Major Histocompatibility Complex. Fast alle Zellen des Körpers, also auch die Riechzellen, sind wiederum mit solchen MHC-Molekülen verknüpft. Je unterschiedlicher dieses Gewebemerkmal ist, so die Erkenntnisse der Forscher, desto angenehmer empfinden zwei Menschen den Körpergeruch des jeweils anderen. Mit der Nase suchen wir zielsicher denjenigen Menschen aus, der sich genetisch so unterscheidet, dass die besten Voraussetzungen für die Zeugung gesunder Kinder gegeben sind. Heißt: Wenn eine Frau jemanden gut riechen kann, dann ist der Mann ein potenzieller Vater ihrer Kinder.»Jeder Mensch hat seinen eigenen Körpergeruch, der durch die Gene bestimmt wird, und Frauen auf Partnersuche bevorzugen Männer mit sehr unterschiedlichem Körpergeruch im Vergleich 6 Die geheime Macht der Düfte

5 zu ihrem eigenen, also mit großen genetischen Unterschieden«, sagt Professor Hatt. Zu diesem Ergebnis kamen auch Claudia Wedekind und Manfred Milinski von der Uni Bern, die 1995 untersuchten, inwieweit wir bei der Partnersuche durch unsere Nase geleitet werden. Dazu ließen sie Frauen an T-Shirts schnüffeln, die Männer über mehrere Tage getragen hatten. Das Ergebnis: Ihnen gefiel vor allem der Duft jener Männer, deren Duftprofile sich von ihren eigenen unterschieden. Evolutionsbiologisch ist das auch sinnvoll: Wenn sich bei der Paarung verschiedene Gene zu einem neuen, vielseitiger reagierenden Immunsystem vermischen, erhöht das die Fitness der Nachkommenschaft. Anders riechen durch die Pille Der Geruch führt also diejenigen zusammen, die sich gut riechen können und gut zueinander passen. Doch was, wenn die Präferenzen beim Riechen sich ändern? Während einer Schwangerschaft geben Frauen häufig an, ihren Partner»nicht mehr riechen zu können«. Plötzlich sind nicht mehr unähnliche Körperdüfte anziehend, sondern ähnliche. Dasselbe galt jahrzehntelang für Frauen, die die Pille nahmen, die ja eine Schwangerschaft hormonell vortäuscht. Die Geruchswahrnehmung der Frau wird durch das Hormonpräparat manipuliert. In diesem Zustand verändert sich die Libido und auch die Partnerpräferenz, das haben verschiedene Studien herausgefunden, die berühmteste wurde 2008 von Craig Roberts und seinem Forschungsteam an der Universität Liverpool durchgeführt. Vereinfacht gesagt, benötigt die Frau jetzt mehr den Die geheime Macht der Düfte 7

6 treuen Versorger als den Verführer und entscheidet sich so womöglich für den falschen Mann, wenn es um Sexualität und Fortpflanzung geht. Zu dieser Erkenntnis passt auch eine Studie der Florida State University aus dem Jahr Frauen, die ihre Ehemänner kennengelernt hatten, als sie die Pille nahmen, fanden diese weniger attraktiv, als sie die Einnahme beendeten, so der Schluss der Forscher. Dieses Problem mit der Anti-Baby-Pille ist mit der neuen Generation der Präparate allerdings verschwunden, wie Professor Hatt betont:»die alten Pillen hatten sehr hohe Konzentrationen, die sogar Scheinschwangerschaften erzeugten.«heute lässt sich davon ausgehen, dass die Einnahme der Pille keine Auswirkungen bei der Partnerwahl im beschriebenen Sinne mehr hat. T-Shirt-Partys und»smell Dating«Dass Frau und Mann sich gut riechen können, ist also entscheidend bei der Partnerwahl. Und da das Duftprofil auch an Textilien, die sehr gute Duftspeicher sind, hängen bleibt, hat sich eine besondere Form geselliger Dating-Zusammenkünfte entwickelt: die T-Shirt- oder auch Pheromon-Party. Jeder Teilnehmer schläft vor der Party drei Nächte lang im selben T-Shirt, das anschließend in einen Plastikbeutel gepackt und mit einer Nummer versehen wird. Auf der Pheromon-Party kann jeder Teilnehmer an den T-Shirts schnüffeln und die Nummer mit seinem Lieblingsduft notieren. Was tut man nicht alles für die Liebe Wenn der Duft gefällt, ist das zumindest keine schlechte Voraussetzung für eine perfekte Partnerwahl. 8 Die geheime Macht der Düfte

7 Auch bei der professionellen Partnersuche im Internet wird mittlerweile auf den Geruch gesetzt. Der Werbespruch einer App namens»smell Dating«heißt:»Vertraue Dir selbst, Deine Nase kennt Dich.«Singles, die teilnehmen, erhalten per Post ein T-Shirt. Das sollen sie dann drei Tage und drei Nächte tragen. Deos sind tabu, weil sie den körpereigenen Geruch verfälschen. Danach schicken die Kandidaten das T-Shirt zurück und bekommen im Gegenzug zehn getragene Kleidungsstücke von anderen Teilnehmern. Jetzt heißt es schnüffeln und die Probe auswählen, die am verführerischsten ist. Entscheiden sich zwei Teilnehmer für das T-Shirt des jeweils anderen, gibt die Agentur die Telefonnummer raus. Alles Weitere müssen die Kandidaten regeln Welcher Geruch zieht mich an? Welcher Geruch tatsächlich anziehend auf einen wirkt, ist individuell sehr unterschiedlich. Im Auftrag des Deo-Herstellers Axe wurde untersucht, welcher männliche Duft»die Frauen provoziert«, wie es in einem Axe-Werbeslogan heißt. Dafür wurde nach den Duftpräferenzen von weiblichen Jugendlichen in zehn US-Großstädten gefragt. Heraus kamen sehr unterschiedliche regionale Duftvorlieben: In New York stand man auf Kaffeeduft, in Philadelphia auf den Duft frischer Wäsche, Chicago Vanille, Minneapolis geschnittener Rasen, Atlanta Kirsche, Dallas Kamin/Rauch, Houston Barbecue, Phoenix Eukalyptus, Los Angeles Lavendel, San Diego Sonnencreme. Gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Strategy One fand Axe heraus, dass mehr als die Hälfte der Befragten kein Date mit einem Mann ein- Die geheime Macht der Düfte 9

8 gehen würden, dessen Geruch sie an ihren Vater erinnert. Zwei Drittel der jungen Frauen gaben an, sie würden am liebsten ein Date mit jemandem vereinbaren, der für sie gut riecht. Jede Zweite gestand, ein Kleidungsstück des Freundes zu bewahren, um seinen Geruch bei sich zu haben, 58 Prozent der Befragten würden in einem Kleidungsstück des Freundes schlafen, und 60 Prozent erinnerten sich nach Trennung an das Parfüm ihres Ex. Das Duftrad nach Michael Edwards zeigt die Duftfamilien und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.

9 Jungbrunnen Grapefruit? Dr. Alan Hirsch von der Smell and Taste Foundation in Chicago, der regelmäßig durch medienwirksame Duftstudien auf sich aufmerksam macht, will herausgefunden haben, dass der Duft von Grapefruit Frauen jünger erscheinen lässt. Seinen Probanden, die 2005 an einer Studie teilnahmen, wurden Fotos von Models gezeigt, deren Alter sie schätzen sollten. Dabei trugen die Testpersonen parfümierte Atemmasken. Unter Einfluss des Duftes von Pink Grapefruit lagen die Schätzungen im Durchschnitt um drei Jahre unter dem tatsächlichen Alter der Models, die männlichen Probanden verschätzen sich sogar um sechs Jahre zugunsten der Damen auf den Bildern. Bei anderen Düften, mit denen man die Atemmasken beträufelte, unter anderem Lavendel und Spearmint, kam es zu weniger Fehleinschätzungen. Ob nun ein Parfüm mit Pampelmusenanteilen seine Trägerin tatsächlich jugendlicher wirken lässt, sei dahingestellt. Tränen lügen nicht Was Männer sexuell abtörnt, ist offenbar der Geruch weiblicher Tränen. Das zumindest fanden die Wissenschaftler des Weizmann Institute of Science im israelischen Rechovot heraus. Dieser Geruch, so heißt es, lasse den Testosteronspiegel von Männern sinken. Hierdurch werde wohl die Empathie erhöht, nicht aber das sexuelle Verlangen. Für die Studie brachte man weibliche Testpersonen durch traurige oder romantische Filme zum Weinen und sammelte die Tränenflüssigkeit ein. Dann ließen die Forscher männliche Freiwillige an den Proben dieser Tränen und an Proben Die geheime Macht der Düfte 11