Ein Stück Weltall in Basler Mausefallen
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- Brigitte Brodbeck
- vor 6 Jahren
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1 Ein Stück Weltall in Basler Mausefallen Auf der Spur exotischer Moleküle Die Keller in seinem Institut hat er voller Fallen. In ihnen sitzen nicht Mäuse, sondern Ionen. Zum Beispiel von Fussballmolekülen. Deren Fingerabdrücke in Spektren will John P. Maier, Ordinarius für Physikalische Chemie, analysieren und ist darin mit seinem Team weltweit führend. Die EU honoriert es mit einem Beitrag von drei Millionen Franken des Europäischen Forschungsrates, einem «ERC Advanced Investigator Grant». 28
2 Wenn wir nachts in den klaren Himmel schauen, sehen wir tausend Sterne blinken. Noch viel mehr davon lassen sich mit Teleskopen der Erde oder im All erfassen. Das Licht, das wir sehen, ist Tausende oder gar Millionen von Jahren unterwegs gewesen. Hat fast leeren und allenfalls mit Wasserstoff und Helium besiedelten Raum durchquert. Und ist doch ab und zu auf ein selteneres Molekül getroffen. Zum Beispiel auf eine bei einer Supernova-Explosion entstandene Kohlenstoffkette oder auf ein wie ein Fussball aussehendes, aus sechzig Kohlenstoffatomen gebautes Fulleren. Den Zusammenstoss bezahlen diese Moleküle ab und zu mit einem ausgeschlagenen Elektron. Das fehlt ihnen dann, macht sie zu geladenen Ionen. All dies bei einer Temperatur von zehn Grad über dem absoluten Nullpunkt, mehr als Eiseskälte. Der Lichtstrahl reist weiter. Doch auch er trägt jetzt eine Zahnlücke mit sich. In seinem Spektrum fehlen Lichtwellen bestimmter Frequenzen. Nur weiss man längst noch nicht, welche Moleküle für welche Lücken oder Absorptionen verantwortlich sind. Ein Mangel, den John P. Maier bald verschwinden lassen will. Mit finanziellem Schub vom Schweizerischen Nationalfonds und neu einem Dreimillionen-Beitrag des Europäischen Forschungsrates, einem «ERC Advanced Investigator Grant». «Wir interessieren uns seit zwanzig Jahren für solche exotischen Moleküle im Weltall», sagt John P. Maier, «und wir haben zu ihrer Erforschung neue Methoden und völlig neue Instrumente entwickelt.» Vier Kellerräume des Physikalisch-Chemischen Instituts an der Klingelbergstrasse sind denn auch mit Geräten, Lasern und Messgeräten gefüllt. Herz einer dieser Anlagen ist die Ionenfalle. In sie werden die zu untersuchenden Moleküle gelockt. «Unser Käse ist die elektrische Spannung.» Sind die Moleküle mal drin, werden sie mithilfe elektromagnetischer Felder festgehalten und sozusagen auf Kissen aus tiefstgekühlten Heliumatomen beruhigt, bis sie sich ausgetobt haben und möglichst wenig mehr vibrieren und rotieren. Denn je weniger sie sich bewegen, desto weniger nehmen sie auch Schaden. Wichtig für die Messungen. Ist alles bereit, wird den gefangenen Molekülen mit UV-Licht ein Elektron weggeputzt. Die entstandenen Ionen 29 < Prof. Dr. John Paul Maier, Philosophisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Departement Chemie
3 werden dann mit Licht aus Lasern beschossen. «Wir zwingen sie so, Licht zu absorbieren», sagt Maier. Dies schafft einen Zustand wie im Weltraum. Zwar sind dort im schier unendlich weiten und ebenso leeren Raum die Exoten so dünn verteilt, dass sie selbst pro Jahr durchschnittlich gerade einmal mit einem anderen Molekül oder Atom, meist Wasserstoff oder Helium, kollidieren. Aber das Licht legt derart riesige Distanzen zurück, dass sich am Schluss die äusserst seltenen Treffen doch addieren. «Erstaunlicherweise ist das, was wir in unseren Apparaten haben, ziemlich vergleichbar mit dem, was draussen läuft.» Kurze Distanzen zwar, dafür mehr Moleküle. Multipliziert ergibt es das gleiche Resultat. In den Jahren, in denen die Instrumente und Strategien laufend verbessert wurden, sind dem in Oxford als Physikochemiker ausgebildeten Engländer und seinem Team einige Hits gelungen. Vor sechs Jahren konnte das Spektrum von C3, einem Molekül aus drei Kohlenstoffatomen, identifiziert werden. Maiers Team ist auf der richtigen Spur. Moleküle aus verketteten Kohlenstoffatomen sind es wahrscheinlich, die rätselhafte spektrale «Bänder» im empfangenen Sternlichtspektrum verursachen. Zum ersten Mal vor hundert Jahren beobachtet, sind es inzwischen rund 300 solcher Bänder geworden. Sie alle suchen einen Täter, die Kohlenstoffverbindungen sind die Hauptverdächtigen. Der C3-Fund belegte, dass dieser Verdacht handfest ist. All diese Moleküle sind in Sternexplosionen entstanden. «Wir sind alle aus Sternenstaub», lacht Maier, der mit seinem international zusammengesetzten 15-köpfigen Team auf dem Gebiet der Spektroskopie und Labor-Astrophysik zu den weltweit führenden Gruppen zählt und mit verschiedensten Methoden bereits die Spektren von über hundert geladenen Molekülen identifiziert hat. Dass die dann auch im Weltall vorkommen, wurde jeweils in Zusammenarbeit mit Astronomen, etwa in Kanada, verifiziert. «Wir sind immer generös unterstützt worden», sagt John P. Maier. «Dass wir jetzt den EU-Grant bekommen, hat auch damit zu tun, dass der Schweizerische Nationalfonds und die Universität Basel uns den Aufbau der Techniken ermöglicht haben und er- 30
4 möglichen.» Das Geld von der EU erlaube ihm jetzt, fünf Jahre «narrenfrei» zu forschen. Maiers Expertise und seine mit neuen Techniken in der Labor- Astrochemie erfassten Daten interessieren nicht nur die Astronomen. Sie sind auch gesucht, weil sie helfen, chemische Reaktionen auf der Erde zu verstehen. Martin Hicklin Dieser Artikel wurde am in der Basler Zeitung publiziert. Redaktion für den Jahresbericht: Beat Münch 31
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