Raubzug der Parteien: Wie die Fraktionen in deutschen Landtagen kassieren
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- Maike Lorentz
- vor 6 Jahren
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1 Panorama Nr. 733 vom Raubzug der Parteien: Wie die Fraktionen in deutschen Landtagen kassieren Anmoderation Anja Reschke: Politische Arbeit ist sicher oft anstrengend. Es wird gestritten, debattiert, man muss Kollegen der anderen Parteien Kompromisse abringen, mühsam. Da ist es sicher angenehm, wenn ein Thema einfach mal schnell entschieden wird. Ohne große Diskussionen. Dabei geht es um viel Geld. Insgesamt 186 Millionen Euro pro Jahr. Geld, das die Fraktionen vom Staat bekommen. Eigentlich mal gedacht für Büromaterial, wissenschaftliche Mitarbeiter und so. Aber inzwischen werden davon anscheinend eher haufenweise Experten oder üppige Feiern bezahlt. Jedenfalls sind diese Fraktionszuschüsse so nennt man diese Unterstützung aus Steuergeld in manchen Landtagen ohne erkennbaren Grund astromisch gestiegen. Im Saarland etwa um 24%, in Bayern um 40 und in Thüringen sogar um satte 47 Prozent. Ben Bolz und Matthias Deiß über den Raubzug der Fraktionen. Politische Arbeit kann so viel Freude machen. Die CDU Fraktion Thüringen hat in den alt ehrwürdigen Kaisersaal in Erfurt geladen. Geehrt werden verdiente Bürger des Landes. Das kann man sich schon mal was kosten lassen. O Töne Veranstaltungsgäste: Ganz tolles Ambiente. Sehr stilvoll und mit sehr hohem Niveau. Zumindest auch das Teuerste, was Erfurt zu bieten hat. Klar doch, denn Geld hat die CDU Fraktion in Thüringen offenbar immer noch mehr als genug. Steuergeld. Denn die Fraktionen können sich ihr Geld, die Fraktionszuschüsse, über den Haushalt selbst bewilligen. So kann die CDU auch dann noch rauschende Feste feiern, wenn sie eine Landtagswahl krachend verloren hat. Vor der Wahl in Thüringen kassierte die 45 köpfige CDU Fraktion monatlich Euro. Nach der Wahlniederlage mit nur noch 30 Abgeordneten sind es immer noch Euro. Fast dieselbe Summe. Funktioniert hat das mit einem simplen Trick. Man einigte sich einfach mit den anderen Fraktionen darauf, den Betrag pro Abgeordneten, den jede Fraktion bekommt, drastisch zu erhöhen. Das heißt, man hat eigentlich den Schlüssel so geändert, dass man gesagt hat: Wir müssen die Mittel ungefähr halten, deswegen passen wir ihn entsprechend an?
2 Volker Emde, CDU: Richtig. So könnte man es ausdrücken. Die ehemals doch so starke CDU Fraktion wollte eben nicht auf ihre vielen Angestellten und Referenten verzichten. Und die anderen Parteien waren gerne dabei. Auch deswegen stiegen im Haushalt die Zuschüsse an die Fraktionen von 5 auf fast 7,5 Millionen Euro. Annette Lehmann, CDU: Wir haben uns dazu verständigt, mit den anderen Fraktionen wie die Fraktionszuschüsse da ausgereicht werden. Und dazu gibt s eigentlich jetzt weiter nichts zu sagen. Doch: Nämlich, dass sie 15 Abgeordnete verloren haben und sich trotzdem die gleichen Zuschüsse genehmigen. Annette Lehmann, CDU: Also: Wie gesagt. Wir haben uns dazu mit den anderen Fraktionen verständigt. Klar, wer hat nicht gerne mehr Geld. Der Rechnungshofpräsident, obwohl auch Mitglied der CDU kann die saftige Erhöhung jedenfalls nicht so recht nachvollziehen. Hans Walter Sebastian Dette, Landesrechnungshof Thüringen: Auf den ersten Blick...fällt mir dazu jetzt keine Begründung ein. Das wird für mich Anlass sein, mir das besonders kritisch anzuschauen. Thüringen ist nicht das einzige Bundesland, wo die Rechnungshöfe etwas genauer hinschauen sollten, meint der Verfassungsrechtler von Arnim. Denn die Fraktionszuschüsse steigen nach Landtagswahlen immer wieder sprunghaft an. Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: Das beruht einmal darauf, dass neue Fraktionen ins Parlament kommen, zum andern aber auch darauf, dass die Regierungsfraktion, obwohl sie gewaltig an Mandaten verloren hat, dennoch ihren finanziellen Stand halten will und deswegen die Zuschüsse insgesamt steigen. So bekommt auch hier im Bayrischen Landtag die CSU Fraktion nach einer herben Wahlniederlage noch immer fast dasselbe Geld. Waren es vor der Wahl bei 124 Abgeordneten Euro, hat sie jetzt nur noch 92 Abgeordnete, aber immer noch Euro. Und die, die das beschlossen haben können sich noch nicht einmal daran erinnern.
3 Johannes Hintersberger, CSU: Ich kann das jetzt überhaupt nicht nachvollziehen diese Zahlen. Wenn Sie das festgestellt haben, wo haben Sie das festgestellt? Und dann schauen wir mal nach wo hier das liegt und auf welcher Grundlage - Da haben Sie mit drüber abgestimmt. Das ist ja im Haushalt 2009 abgestimmt worden. Johannes Hintersberger, CSU: Ja, dann denke ich auch mal, hat das auch seine Rechtmäßigkeit. Klaus Steiner, CSU: Ich sehe da keinen Zusammenhang, warum wir weniger Zuschüsse haben sollen. Aber wenn man 32 Mitglieder in der Fraktion weniger hat, müsste man ja eigentlich auch weniger Geld bekommen. Klaus Steiner, CSU: Nein denk ich nicht. Philipp Graf von und zu Lerchenfeld, CSU: Wir machen gute Arbeit und dann ist ganz in Ordnung so. Nein, man ist wahrlich ein Schelm, wenn man denkt, die CSU hätte Hintergedanken gehabt, als sie mit den anderen Parteien verhandelt hat. Können Sie nachvollziehen, dass man den Eindruck, dass die CSU nicht auf die Mittel, die sie vorher hatte verzichten wollte und deswegen auf die anderen Parteien zugegangen ist und gesagt hat Hier, Ihr kriegt auch mehr Geld? Renate Dodell, CSU: Das ist so nicht nachzuvollziehen. Aber es sind 5 Mio. mehr und alle haben mehr Geld. Renate Dodell, CSU: Das geht nicht von der CSU aus, wenn ich Ihnen das sagen darf, sondern es war Konsens aller Fraktionen im Landtag.
4 Wohl wahr. Schließlich haben ja alle gewonnen. Die SPD Euro. Und die erstarkten Grünen setzten einheitliche Regeln durch und bekamen Euro monatlich obendrauf. Also haben Sie sich gedacht, spielen wir lieber mit... Ulrike Gote, Die Grünen: Ja. Und kassieren auch die Euro? Ulrike Gote, Die Grünen: Ja, selbstverständlich. Klar. Klassischer Kompromiss. Ein merkwürdiger Kompromiss auf Kosten der Steuerzahler. In Bayern stiegen die Zuschüsse von 9,6 auf über 14, 3 Millionen Euro. Ein Plus von fast 40%. Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: Die Fraktionen entscheiden, wenn sie sich selbst Geld bewilligen, in eigener Sache, sie bedienen sich sozusagen selbst. Da ist Öffentlichkeit eigentlich die einzige wirksame Kontrolle. Sie brauchen das aber nur als einen von tausenden Titeln in den Haushalt einzustellen, da geht das dann leicht unter, so dass die öffentliche Kontrolle oft gar nicht funktioniert. Strikte Kontrollen gibt es nur bei den direkten Zahlungen an die Parteien, nach jahrelangem Streit. Der endete Tagesschau Das Bundesverfassungsgericht hat heute der Parteienfinanzierung durch den Staat enge Grenzen gezogen. Während die Parteienfinanzierung daraufhin gedeckelt wurde, konnten die Fraktionen die Zuschüsse fast ungehindert in die Höhe treiben. Das Ergebnis: Die Fraktionsgelder liegen mittlerweile mit 186 Millionen Euro deutlich über der Parteienfinanzierung mit 133 Millionen. Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: Die Fraktionsfinanzierung ist auch deswegen so gewaltig angestiegen, weil die Begrenzungen, die für die Parteienfinanzierungen gelten, bei ihr nicht vorhanden sind. Die Parteienfinanzierung muss durch formale Gesetzesänderung erfolgen. Das ist bei der Fraktionsfinanzierung nicht der Fall.
5 Die Lösung wäre einfach: Auch Fraktionszuschüsse gibt es nur noch per Gesetz. Ein Gesetz lässt sich kaum ohne Nachfragen erlassen. Die aber mag man in Bayern und Thüringen ja offensichtlich nicht so gerne. O-Töne: Ich sage Ihnen noch einmal, dass das einvernehmlich geregelt worden ist. Dazu gibt s eigentlich jetzt weiter nichts zu sagen. Ja, wo haben wir denn dann ein Problem? Haben Sie ein Problem? Welche Fraktion hat ein Problem? Bericht: Ben Bolz, Matthias Deiß Schnitt: Birgit Böttcher Abmod: Ja, mir ham a Problem, deshalb sendn mas ja. Wenn Sie einige Politiker aus unserem Beitrag nochmal in Gänze hören wollen oder mehr über Partei- und Fraktionszuschüsse erfahren möchten, dann schauen Sie doch ins Internet unter
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