II. Zur Entwicklung ethischer Argumentationsfiguren. Von Homer bis Habermas
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- Marielies Brodbeck
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1 II. Zur Entwicklung ethischer Argumentationsfiguren Von Homer bis Habermas
2 Von Homer zu Platon Homer (8.Jh.): Handeln als Inszenierung der Götter! Soziale Anerkennung als Moral! Wider den Athletenkult! Vom Mythos zum Logos! Soziale Geltung vs. gerechtfertigte Geltung! Die Polis als Lebensform und ihre Auflösung Xenophanes (6.Jh.): Kritik am Anthropomorphismus
3 Platons Suche nach dem Guten Leben Das Übliche und das Richtige! Die Figur des Sokrates! Die Ideenlehre! Der gute Staat und der gute Mensch
4 Sokrates Lebensdaten: ! Öffentliches Auftreten in Athen als Führer von Gesprächen! Die Frage, wie zu leben sei! Prinzip des Dialogs! Rolle der Sophistik! Kein Werk, Quellenlage: Platons frühe Dialoge
5 Quellen:! Charmides : Besonnenheit! Protagoras : politische Tüchtigkeit! Thrasymachos : Gerechtigkeit! Laches : Tapferkeit! Prinzip des Dialogs:! Das ungeprüfte Leben ist nicht wert, gelebt zu werden! Das Wissen des Nichtwissens! Die sokratische Ironie! Die was -Frage: Beispiel Laches : Wesen der Tapferkeit; aporetisches Ende!! Die Hebammenkunst! Tugend als Wissen
6 Platon Lebensdaten: v. Chr.! Schüler des Sokrates: Schock des Todes und die Suche nach Gewißheit! Ca. 387 Gründung der Akademie! Vergebliche Versuche in der Politik (Dionysius I u. II auf Sizilien)! Etwa 30 Dialoge, in denen fast immer Sokrates auftritt
7 Das Höhlengleichnis (Politeia, 7. Buch)! Die Höhle und die Schatten! Der Aufstieg! Die Gewöhnung ans Licht! Die Letztbegründung! Die Rückkehr! Der Hohn der Höhlenbewohner! Idee und Erscheinung: das unsichtbare Wirkliche! Die Idee des Wahren, Schönen und Guten
8 Platons Elitismus! Die Analogie von Mikro- und Makrokosmos! Kosmos-Staat-Individuum! Gerechtigkeit nicht als Gleichheit, sondern als Ordnung der Teile eines Ganzen! Die vier Kardinaltugenden (Schaubild)
9 Die Kardinaltugenden 28
10 Aristoteles
11 Leben und Werk! Was ist menschliches Handeln?! Das gute Leben und das oberste Gut (Kritik an Platons Theorie des Guten)! Was sind Tugenden?! Die Mesotes-Lehre (Lehre vom richtigen Maß)! Gerechtigkeit als zentrale Tugend! Klugheit und Erfahrung: die Phronesis! Die höchste Lebensform! Eine Theorie des objektiven Glücks
12 ! Leben und Werk v. Chr.! 20 Jahre lang Mitglied der platonischen Akademie! 342 Erzieher Alexanders des Großen! 335 Gründung einer Schule: Peripatos! Hintergrund: Zerfall der Polis! Suche nach dem Begrifflich-Universalen nicht über (Platon), sondern in der konkreten Wirklichkeit! Zentraler Text: Die Nikomachische Ethik
13 Zur Methode des Aristoteles! Ausgang von den tatsächlichen moralischen Überzeugungen seiner Gesellschaft! Systematisierung und Kritik: was bewährt sich?! Abschied von der absoluten Gewißheit: EN 1094 b 23-28! Die Struktur des Handelns: EN 1094a, ff.! Verfolgung von Gütern (Zielen)! Das Gute als dasjenige, wonach alles strebt! Zwei Arten von Zielen:! Herstellen (poiesis), das auf ein Werk zielt (ergon) zielt! Handeln (praxis), das seinen Zweck in sich selbst trägt
14 Die Struktur des Handelns! Vielzahl der Handlungsziele! Hierarchie unter ihnen! Höchstes Ziel des Handelns: Eudaimonia (Standardübersetzung: Glückseligkeit, besser: das gute Leben)! Die drei Lebensformen, in denen das Gute realisiert werden soll:! Leben der Lust (Hedonismus)! Öffentliches Leben im Dienst der Polis! Philosophische oder betrachtende Lebensform
15 Das Gute als Praxisform Fragestellung: was macht eine Sache gut! Grundgedanke: Realisierung des gattungsspezifischen Könnens! Suche nach dem Guten für uns, nicht an sich! Platonkritik: Nutzlosigkeit einer theoretischen Erkenntnis des Guten! Differenz zwischen know how und knowing that.! Rolle der äußeren Glücksgüter: EN 1099b
16 Im Fokus: Haltungen Im Blickpunkt: nicht die einzelne Handlung, sondern die feste Grundhaltung (hexis)! Tugenden als bewußt kultivierte Handlungsdispositionen! Dianoetische (Verstandes-) und ethische Tugenden: Erlernen vs. Praktizieren! Zentral: Regelung der Affekte: Angemessenheit und Unangemessenheit! Affekte moralisch neutral; erst durch reflektierende Bewertung und Entscheidung moralisch qualifiziert
17 Die Mesotes -Lehre Mitte nicht Mittelmäßigkeit, sondern Höchstform eines Könnens! Vermeidung des Zuviel und des Zuwenig! Ausnahmen: in sich schlechte Handlungen: Schadenfreude, Mord! Nicht rechnerische, sondern persönliche Mitte: Ermittlung durch Einbeziehung des gegenteiligen Schlechten! Beispiel: Umgang mit Geld (zwei relative Mitten!)
18 Verfehlung der Mitte durch ein Zuviel Tugend der Mitte Verfehlung der Mitte durch ein! Zuwenig Tollkühnheit Mut Feigheit Stumpfsinn Mäßigkeit Zuchtlosigkeit Verschwendung <Freigebigkeit! Sparsamkeit> Geiz Schmeichelei Freundlichkeit Streitsucht
19 Gerechtigkeit Zentrale Rolle: die anderen Tugenden (Tapferkeit, Besonnenheit, Großherzigkeit etc.) sind persönliche Exzellenzformen, die Gerechtigkeit aber ist innerlich sozial! Gerecht ist, wer an sozialen Gütern (Geld, Anerkennung etc.) nicht mehr und nicht weniger fordert, als ihm zusteht! Das Zustehende als das Angemessene: nicht arithmetische Gleichheit, sondern: jeder nach seinem Verdienst bzw. seinen Fähigkeiten! Proportionalitätsanalogie: A:B C:D! Z.B: 8 Arbeitsstd. (A):80 EUR (B) 10 Std. (C): 100 EUR (D)
20 Klugheit und Weisheit Klugheit, bezogen auf das menschliche Gute: praktische Vernunft! Weisheit: Thales von Milet!! Für die Praxis ist die Kenntnis des Einzelnen entscheidend:! Das Geflügelfleisch und die Mittelmeerdiät! Klugheit als in der Zeit reifende Frucht des Nachdenkens über Erfahrung: die Jugend kann nicht klug sein: EN 1142a ff.
21 Ein objektiver Glücksbegriff Eudaimonia als Tätigkeit gemäß dem eigentümlichen Vermögen des Menschen! Vorrang der betrachtenden (philosophischen) Lebensform:! Sie ist maximal autark! Sie entspricht dem Göttlichen im Menschen Sie ist die wertmäßig Höchste! Sie bietet die reinsten Genüsse!
22 Ein objektiver Glücksbegriff In der Gegenwart: Dominanz der subjektiven Befindlichkeit: glücklich ist, wer sich glücklich fühlt (WYSIWYG-Prinzip)! Moderner Individualismus der Antike fremd! Bei Aristoteles: objektive Glücksbedingungen: Zusammenspiel von wesensgemäßem Handeln und äußeren Glücksgütern
23 Die hellenistische Ethik Hellenismus: die Jahrhunderte nach dem Tod Alexanders des Großen (323 v. Chr.): Auflösung der Polis, Machtkämpfe der Nachfolger des Alexander, Prägung der römischen Kultur durch die Griechen! Sozialethik tritt in den Hintergrund: instabile soziale Verhältnisse! Privatisierung des Glücks! Glück als Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit! Glück als Bewußtseinszustand, der auf die Erreichung aller selbstgesetzten Zwecke folgt! Affektkontrolle zentral: Ataraxie (Epikur) bzw. Apathie (Stoa) als Autarkie
24 Hellenistische Ethik! Prinzip der Zweckökonomie:! Damit wir können, was wir wollen, müssen wir wollen, was wir können! Oberste Glücksregel : Entwickle nur solche Bedürfnisse, die du jederzeit befriedigen kannst, setze dir nur solche Zwecke, deren Verwirklichung außer Zweifel steht.! Indifferentismus in Bezug auf alles andere! Drei Hauptschulen: Epikur, Stoa und Skepsis (Pyrrho)
25 Die Stoa Gründung der Schule um 300 v. Chr. durch Zenon von Kition! Schule in einer Säulenhalle, daher Stoa! Radikalismus der Bedürfnislosigkeit
26 Die Stoa Bestehen der Schule über fünf Jahrhunderte! Wichtige Vertreter:! Zenon! Chrysipp! Panaitios! Seneca! Epiktet! Marc Aurel
27 Die Stoa Das höchste Gut:!! Einstimmig leben : Übereinstimmung von Wollen und Können! Vernünftige Einsicht als nicht nur notwendige, sondern hinreichende Bedingung der Glückseligkeit! Die Handlungstheorie:
28 Die Struktur der Handlung Vorstellung (Sahnetorte) Trieb (Appetit und/oder Hunger) Zustimmung ( das gönn ich mir / hier sag ich nein ) Handlung (Verzehr/Verzicht)
29 Die Stoa Die Affekte:! Affekt als übersteigerter Trieb! Ursache: falsche Zustimmung der Vernunft aufgrund eines falschen Werturteils (Kognitivismus)! Ziel: völlige Ausrottung der Affekte! Tugendlehre:! Tugenden nicht an sich, sondern instrumentell nützlich! Tugend als aufrechte Vernunft, als Vernunft, die nichts Unverfügbares als ein Gut beurteilt! Inhaltlich Übernahme der platonischen Tugenden: Tapferkeit, Besonnenheit, Weisheit, Gerechtigkeit
30 Die Stoa Güter, Übel und Adiaphora! Tugend als einziges Gut, Laster als einziges Übel, alles übrige ist gleichgültig (adiaphoron)! Das Gleichgültige als alles,was aus dem Bereich des durch Handeln sicher Erreichbaren herausfällt, z.b. Lust! Triebe sind Adiaphora, der Weise läßt sie geschehen, denn ohne Einwirkung der Vernunft steigern sie sich niemals zum Affekt
31 Die Stoa naturgemäß leben (Kleanthes)! Kein Wille zur Veränderung der Realität; innere Einstellung entscheidend! Radikale Entwertung der objektiven und intersubjektiven Realität gegenüber dem Bewusstsein:! Epiktet: Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen über die Dinge! Das Ideal des stoischen Weisen
32 Epikur Epikuros: ! Gründung einer Schule um 310: der Garten! Straffe Lehrorganisation, Auswendiglernen der Kernsätze! Mischung aus Philosoph, Therapeut und Guru! Desinteresse an Bildung! Hedonismus ; Vorwurf: Schweinephilosophie! Lehrbriefe: Brief an Menoikeus
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