Die Renaturierung von Flüssen Das Beispiel Isar
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- Frauke Haupt
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1 Die Renaturierung von Flüssen Das Beispiel Isar Johannes Kollmann Lehrstuhl für Renaturierungsökologie Technische Universität München 12. November 2016
2 Ökologische Bewertung der Renaturierung Grundsatzfragen
3 Notwendigkeit von Flussrenaturierungen Umweltprobleme Verunreinigung, Eutrophierung Urban-industrielle Umgestaltung Habitatfragmentierung Landnutzungsänderung Invasive Fremdarten Klimawandel Konsequenzen Abnahme der Biodiversität Beeinträchtigung von Ökosystemfunktionen Trivialisierung der Landschaft Öffentliche und private Kosten
4 Wasserhaushaltgesetz 1a, Abs.1 Die Gewässer sind als Bestandteil des Naturhaushaltes und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu sichern. Sie sind so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen und damit insgesamt eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet wird.
5 Vier Typen von Renaturierung 1) Wiederherstellung historisch-natürlicher Ökosysteme [Fichtenwald] 2) Wiederherstellung historisch-anthropogener Ökosysteme [Kalkflachmoor] 3) Herstellung neuartig-natürlicher Ökosysteme [Steinbruch] 4) Herstellung neuartig-anthropogener Ökosysteme [Fassadenbegrünung] Referenzsysteme, Indikatorprozesse, Zielarten?
6 Ökosystemfunktion (Nährstoffdynamik, Produktivität) Grundzüge der Renaturierung INTAKTES ÖKOSYSTEM Renaturierung Natürliche Wiederherstellung Ab- und Aufwertung von Ökosystemen Degradierung DEGRADIERTES ÖKOSYSTEM Ökosystemstruktur (Arten, Vegetationsformen)
7 Ökosystemfunktion (Nährstoffdynamik, Produktivität) Grundzüge der Renaturierung INTAKTES ÖKOSYSTEM Rekultivierung Renaturierung Regeneration Rekonstruktion Revitalisierung 1. Nm 2. vbv Praktisches Vorgehen DEGRADIERTES ÖKOSYSTEM Ökosystemstruktur (Arten, Vegetationsformen)
8 (van Andel & Aronson 2006) Flusseigenschaften und Renaturierungsbarrieren Ökosystemeigenschaften: Zusammensetzung Vertikale Struktur Horizontale Muster Heterogenität Funktion Dynamik Resilienz Erst unbelebter, dann belebter Teil des Flusses
9 Gegensätzliche Renaturierungsoptionen von Flüssen N H (A) Steigender Aufwand R R Isar in München N H H R (B) Angepasstes Leitbild Änderungen abiotischer u. biotischer Bedingungen Renaturierung Zeit R Referenzökosystem H Hybridökosystem N Neuartiges Ökosystem (Hermann, Kollmann et al. 2013)
10 (Zerbe & Wiegleb 2009) Kriterien einer gelungenen Renaturierung Eine gute Renaturierung sollte eine leitbildorientierte, quantifizierte Bewertung des Ausgangszustandes, eine wissenschaftlich begründete Planung und Begleitung sowie schließlich die Kontrolle des Erfolgs der Umgestaltungen beinhalten
11 Geschichte der Isarregulierung und -renaturierung 1808
12 1808
13 Notwendigkeit von Flussregulierung Isarhochwasser 2005 am Flauchersteg Isarhochwasser 1899: Die Prinzregentenbrücke gibt es nicht mehr
14 Gründe der Isarregulierung ab Ende des 18. Jahrhunderts Hochwasserschutz Isar als Wasserstraße: Flöße als Transportmittel für Lebensmittel, Baumaterial, Handelsgüter, Personentransport Energiegewinnung: Mühlen und später Elektrizitätswerke Wasserversorgung und Entsorgung für die Stadt Landgewinnung
15 Geschichte der Isarregulierung
16 Geschichte der Isarregulierung Die naturnahe Linienführung eines Isarkanals
17 Fakten zur Isarrenaturierung Isar Plan Bauzeit: Kosten: 35 Mio Euro (7 Mio Altlasten u. Kampfmitteln) Träger: Land Bayern 55 % und Stadt München 45 % Umfang: 8 km Länge Ziele: -> Hochwassersicherung -> Herstellung von Naturnähe -> Verbesserung der ökologischen Qualität -> Angebot für Freizeit und Erholung
18 Technische Maßnahmen der Isarrenaturierungen Versteckte Dammsicherung durch Erdbetonwände bei Erhalt des Baumbestandes Einbau einer unterirdischen Turbine zur Elektrizitätsgewinnung mit Wasserkraft an der Praterinsel 2010
19 Luftbilder der Isarrenaturierung vorher nachher
20 Leitbild der Isarrenaturierung: Der Flaucher Hier lässt sich das ursprüngliche Bild der Isar noch erahnen: verzweigte Flussarme und ausgedehnte Kiesinseln mit hohem ökologischen und landschaftlich ästhetischem Wert. (Neues Leben für die Isar, Landeshauptstadt München, Baureferat, 2011)
21 Ökologische Bewertung der Renaturierung Gerinne- und Ufergestaltung
22 Historischer Stadtplan Münchens von Tobias Volckmar (1613) mit Stadtbächen Referenz: Alte Stiche, Karten und Luftbilder der Isar
23 Historischer Stadtplan Münchens von Tobias Volckmar (1613) mit Stadtbächen Der Pesenbach in der Isarvorstadt (1826) Referenz: Alte Stiche, Karten und Luftbilder der Isar
24 (Gurnell, Kollmann et al. 2000a,b, 2001) Referenz: Inseln und Totholz im Wildfluss Tagliamento Site A B C D E F G H Islands (%) Wood storage (t ha -1 ) Die meisten Flussrenaturierungen erfordert mehr Inseln und Totholz
25 Flussprofile der Regulierung und Renaturierung Regulierung Renaturierung
26 Tatsächliche Maßnahmen: Isarplan Ziele der Renaturierung Hochwasserschutz Erholungsmöglichkeiten Naturnähe Renaturierungsmaßnahmen Strömungslenkung mit Störsteinen Ausbildung von Kiesbänken und Inseln Flussbausteine zum Schutz der Kiesbänke Flache Kiesufer Steiler Ufer mit Rasensoden und Sitzsteinen Sohlschwellen als aufgelöste Rampen Flutmulden Deichertüchtigung
27 (Lüderitz 2009) Vergleich mit anderen Flussrenaturierungen Fallstudie: Ihle bei Magdeburg Ausgangszustand 1. Maßnahme Steiles Profil, stagnierendes Wasser Steiles Profil und grobes Substrat 2. Maßnahme 3. Maßnahme + Remäandrierung, Sohlschwellen + Weichholzpflanzung, Totholzeinbau Viele Renaturierungen erfordern ein iteratives Vorgehen
28 Empfehlungen: Gerinne- und Ufergestaltung (Isarplan) Hochwasserschutz gewährleisten (++) Ufersicherung garantieren (++) Uferprofile abflachen (+) Habitatvielfalt steigern (+) Natürliche (historische) Vorbilder anwenden (+ ) Geologisch passendes Gestein verbauen ( ) Gleichgewicht von Sedimentation und Erosion einstellen ( )
29 Ökologische Bewertung der Renaturierung Durchgängigkeit und Geschiebedynamik
30 (Vannote et al. 1980) River continuum Konzept und Durchgängigkeit
31 (Vannote et al. 1980) River continuum Konzept und Fragmentierung
32 Folgen der Unterbrechung des Fließgewässerkontinuums
33 Folgen der Unterbrechung des Fließgewässerkontinuums
34 Wiederherstellen der Durchwanderbarkeit Wissenschaftszentrum Weihenstephan
35 Wiederherstellen der Durchwanderbarkeit Wissenschaftszentrum Weihenstephan
36 Empfehlungen: Durchgängigkeit u. Geschiebedynamik Gute Wasserqualität erreichen (++) Längsdurchlässigkeit verbessern (+) Querdurchgängigkeit gewährleisten (+) Anbindung an Grundwasserströme (+ ) Für ausreichend Geschiebe sorgen ( )
37 Ökologische Bewertung der Renaturierung Spontane Vegetationsentwicklung
38 (Hoppe, Kollmann et al. 2011) Untersuchung der Renaturierungseffekte Referenzgebiet: Kleine Isar Untersuchungsgebiet: Bauabschnitt 6 ( )
39 (Hoppe, Kollmann et al. 2011) Spontane Vegetationsentwicklung: Biodiversität Vegetationsstruktur: Diversitätsindex und Streuung Artenvielfalt: Diversitätsindex und Streuung Untersuchungsgebiet Kleine Isar
40 (Hoppe, Kollmann et al. 2011) Spontane Vegetationsentwicklung: Standortsindikation 10 L=Lichtzahl 10 T=Temperaturzahl 10 K=Kontinentalitätszahl L-PG L-KI 0 T-PG T-KI 0 K-PG K-KI F=Feuchtezahl F-PG F-KI R=Reaktionszahl R-PG R-KI N=Stickstoffzahl N-PG N-KI PG = Untersuchungsgebiet KI = Kleine Isar
41 Empfehlungen: Spontane Vegetationsentwicklung Nährstoffarme Standortverhältnisse schaffen (+ ) Eigendynamik fördern und tolerieren (+ ) Ausreichend offenen Boden zulassen (+ ) Optimale Pflegeeingriffe entwickeln ( ) Freizeitnutzung lenken ( )
42 Ökologische Bewertung der Renaturierung Eingebrachtes Pflanzenmaterial
43 (Ward, Kollmann et al. 1999) Pflanzengesellschaften naturnaher und gestörter Auen Tagliamento Isar Lech Inn Aktive Wiederansiedlung?
44 Negative Eigenschaften fremden Pflanzenmaterials (1) Samen mit fremden Arten verunreinigt (2) Fehlende Anpassung an lokale Umweltverhältnisse Geringe Etablierung der Zielarten, abweichende Artenzusammensetzung (3) Übermäßig erfolgreiche Genotypen (4) Veränderte synökologische Eigenschaften Unkrautprobleme (5) Genetische Unterschiede Genfluss Effekte innerhalb der Brachestreifen Assoziierte Organismen sind betroffen Effekte außerhalb der Brachestreifen Umweltbedingte und epistatische Fremdzuchtprobleme in lokalen Populationen (Kollmann & Keller 2001)
45 Keimrate Wissenschaftszentrum Weihenstephan (Keller & Kollmann 1999) Keimung verschiedener Saatgutherkünfte unter Schweizer Freilandverhältnissen ANOVA, Tukey-test: ***, P < 0.001; *, P < 0.05 Centaurea cyanus Cichorium intybus Daucus carota Leucanthemum vulgare Silene alba
46 Karte deutscher Herkunftsregionen und Produktionsräume
47 (Bucharova, Kollmann et al. 2016) Differenzierung von Grünlandarten in Deutschland ARR CEN DAU GAL HYP KNA LYC Größe Blütenanzahl Blühbeginn
48 Empfehlungen: Eingebrachtes Pflanzenmaterial Lokal passende Arten und Genotypen einsetzen (+?) Arten einbringen, die spontan nicht kommen ( ) Invasive Fremdarten zurückdrängen ( ) Gestaltete Vegetation an die Lebenszeit der Standorte anpassen ( ) Arten mit hohem funktionellen Wert auswählen ( )
49 Schlussfolgerungen Wissenschaftszentrum Weihenstephan
50 (Hoppeet al. 2011, Projekt TUM) Bewertung der Isar-Renaturierung in München
51 Wissenschaftszentrum Weihenstephan Gründe für den mäßigen Erfolg der Flussrenaturierung 1. Fehlen eines Gesamtkonzeptes und Leitbildes 2. Nur Teilabschnitte des Fließgewässers einbezogen 3. Maßnahme nur entlang eines schmalen Korridors 4. Oft nur dekorative Umgestaltung ohne Eigendynamik 5. Kein Erfolgsmonitoring
52 (Ertle et al. 2010) Umfrage zur Renaturierung der Isar und was meint die Bevölkerung?
53 (Ertle et al. 2010) Umfrage zur Renaturierung der Isar und was meint die Bevölkerung?
54 Prioritäten des weiteren Umgangs mit der Münchner Isar Eintiefung verhindern, für genügend Kies sorgen Durchgängigkeit weiter verbessern Zulassen von möglichst viel natürlicher Dynamik Passende Arten gezielt einbringen Erholungsdruck lokal reduzieren Geduld mit langsamen Prozessen
55 Danksagung Dr. Robyn Jackson (Cairns)
56 Fragen?
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