- erschienen in Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Heft 2/2014, S. 62 ff. -
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- Louisa Schubert
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1 - erschienen in Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Heft 2/2014, S. 62 ff. - Störerhaftung für Datenschutzverstöße Dritter - Sperre durch DS-RL und DS-GVO? Reto Mantz * Soweit ersichtlich ist die Haftung für Datenschutzverstöße Dritter nach den Grundsätzen der Störerhaftung bisher kaum thematisiert worden. Mit einer Entscheidung des LG Potsdam auf der einen und des VG Schleswig auf der anderen Seite ist die Frage im Jahr 2013 in der Zivilund der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterschiedlich beurteilt worden. Der folgende Beitrag geht der Frage einer (zivilrechtlichen) Störerhaftung für die Datenschutzverstöße Dritter vor dem Hintergrund der EG-Datenschutzrichtlinie und der geplanten EU- Datenschutzgrundverordnung nach und beleuchtet die möglichen Folgen einer solchen Haftung für Internet Service Provider. I. Einleitung Die Störerhaftung für Inhalte und Handlungen Dritter ist seit einigen Jahren immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit Inhalten im Internet. Meist standen dabei aber Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten, des Namensrechts oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vordergrund. 1 Die Frage einer Störerhaftung für Daten schutzverstöße Dritter hingegen ist bisher in Rechtsprechung und Literatur eher stiefmütterlich behandelt worden. Die Entscheidungen des LG Potsdam 2 und des VG Schleswig 3 haben diese Frage nun aufgeworfen. In der Literatur wird jeweils ohne tiefergehende Begründung eine Störerhaftung für Datenschutzverstöße teils bejaht, 4 teils für die öffentlich-rechtliche Haftung als Zweckveranlasser verneint Urteil des LG Potsdam Das LG Potsdam hat mit Urteil vom den Admin-C einer Domain als Störer verurteilt. Dabei hat das LG (unstreitig) festgestellt, dass auf einer vom Beklagten als Admin- C betreuten Webseite personenbezogene Daten der Klägerin ohne deren Einwilligung veröffentlicht wurden, was einen Verstoß gegen 4 BDSG darstelle. Dies sei für den Beklagten als Rechtsanwalt und Admin-C leicht festzustellen gewesen. Der Beklagte habe einen adäquat-kausalen Beitrag zu der Verletzung der Rechte der Klägerin geleistet. Da er nach Aufforderung nicht die Löschung der Domain veranlasst habe, hafte er als Störer. * Dr. jur., Dipl.-Inf., Richter, Landgericht Frankfurt am Main 1 Vgl. nur BGH MMR 2009, 608 spickmich.de; OLG Hamburg MMR 2010, 141; Volkmann, K&R 2013, LG Potsdam MMR 2013, 662 m. Anm. Timm. 3 VG Schleswig ZD 2014, 51 m. krit. Anm. Karg; ebenso VG Schleswig, Urt. v A 218/11 und 8 A 14/12; das ULD hat hiergegen Berufung eingelegt, vgl. Pressemitteilung des ULD v , krit. Weichert, ZD 2014, 1. 4 Piltz, CR 2011, 657 (662); für ein an Notice-and-Takedown angelehntes Verfahren bei datenschutzwidrigen Praktiken bei Dienstleistern Weichert, ZD 2014, 2; offen Spindler, GRUR 2013, 996 (1003); Spindler, NJW- Beil. Heft 3/2012, 98 (101). 5 Voigt/Alich, NJW 2011, 3541 (3543).
2 Im Ergebnis weicht das Urteil wenn man von dem neuen Gesichtspunkt der Haftung für Datenschutzverstöße absieht nicht von der derzeitigen Rechtsprechung des BGH 6 und der Oberlandesgerichte zur Haftung des Admin-C ab Urteil des VG Schleswig Dem Urteil des VG Schleswig lag eine Anordnung der Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes Schleswig-Holstein (Unabhängiges Landesdatenschutzzentrum Schleswig-Holstein, ULD) zu Grunde, mit der ein Unternehmen zur Deaktivierung seiner Facebook-Fanpage verpflichtet worden war. 8 Dabei argumentierte das ULD, dass das Unternehmen verantwortliche Stelle im Sinne von 3 Abs. 7 BDSG für die auf der Fanpage anfallenden und durch Facebook rechtswidrig erhobenen und verarbeiteten Daten sei, bzw. dass das Unternehmen an der datenschutzwidrigen Praxis von Facebook mitwirke. Das VG befand zunächst, dass allein Facebook und nicht das Unternehmen verantwortliche Stelle sei. Darüber hinaus seien die Übertragung der Grundsätze der zivilrechtlichen Störerhaftung sowie die Anwendung der öffentlich-rechtlichen Störerhaftung nicht möglich, da die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit abschließend in 3 Abs. 7 BDSG und Art. 2 lit. d) der EG-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG (DSRL) geregelt sei. Zur Begründung hierfür führte das VG an, dass der EuGH zu Art. 7 DSRL festgestellt habe, dass dieser eine abschließende und erschöpfende Liste aller Fälle enthalte, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden könne. Daher sei die Einführung von schärferen oder liberaleren Grundsätzen durch nationales Recht ausgeschlossen. 9 II. Ausschluss der zivilrechtlichen Störerhaftung aufgrund Vollharmonisierung durch die DSRL? Das VG Schleswig stützt seine Ablehnung der Anwendung einer Störerhaftung allein darauf, dass die Verantwortlichkeit für Datenschutzverstöße in 3 Abs. 7 BDSG und Art. 2 lit. d) DSRL abschließend geregelt sei. 10 Im Hinblick auf diese Regelung geht das VG Schleswig dementsprechend von einer Vollharmonisierung des Datenschutzrechts durch die DSRL ohne Abweichungsmöglichkeit aus. Diese Auffassung ist jedoch fraglich. 1. Vollharmonisierung durch die DSRL und Gestaltungsspielräume Nach den Entscheidungen des EuGH enthält die DSRL eine Vollharmonisierung des europäischen Datenschutzrechts, 11 und nicht lediglich einen Mindeststandard. 12 Die DSRL bezweckt nach Erwägungsgrund 8, in allen Mitgliedsstaaten ein gleichwertiges Schutzniveau hinsichtlich der Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten herzustellen. 13 Generell können Richtlinien Möglichkeiten zur Abweichung für die Mitgliedsstaaten in Form von allgemeinen Rechtsbegriffen, Optionen, Ausnahmen und Regelungsaufträgen vorsehen. 14 Die Mitgliedsstaaten haben dementsprechend einen Gestaltungsspielraum, wenn ein solcher von der Richtlinie eingeräumt wird BGH MMR 2013, 487 dlg.de; BGH GRUR 2012, 304 Basler Haar-Kosmetik m. Anm. Spindler; Volkmann, K&R 2013, Zuletzt OLG Frankfurt, Urt. v W 39/13. 8 Näher zum Hintergrund Karg (o. Fn. 3). 9 EuGH NZA 2011, 1409 Rn. 30 f. ASNEF/FECEMD. 10 VG Schleswig, Urt. v A 37/13, BeckRS 2013, 57580; ebenso Voigt/Alich, NJW 2011, 3541 (3543). 11 EuGH RDV 2003, 231 = BeckRS 2004, Österreichischer Rundfunk u.a. 12 EuGH EuZW 2004, 245 Lindqvist. 13 EuGH EuZW 2009, 183 Huber. 14 Brühann, EuZW 2009, 639 (643). 15 Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, 1999, Einl. Rn. 13; Brühann, EuZW 2009, 639 (643); Wuermeling, NZA 2012, 368.
3 Vor diesem Hintergrund ist dementsprechend zu prüfen, ob (1) die DSRL in Bezug auf die Verantwortlichkeit für Datenschutzverstöße den Mitgliedsstaaten einen Gestaltungsspielraum einräumt, und (2) die zivilrechtliche Störerhaftung als Teil dieses Gestaltungsspielraumes anzusehen ist. 2. Abschließende Regelung der Verantwortlichkeit in der DSRL... Weder VG Schleswig noch LG Potsdam haben diese Frage in Bezug auf die Verantwortlichkeit näher geprüft. Stattdessen hat das VG Schleswig die Schlussfolgerungen des EuGH zu Art. 7 DSRL 16 unmittelbar auf den ihm vorliegenden Fall übertragen und ist von einer erschöpfenden und abschließenden Regelung der Verantwortlichkeit in Art. 2 lit. d) DSRL ausgegangen. Für dieses Ergebnis spricht, dass die DSRL eine umfassende Harmonisierung bezweckt, die auf der einen Seite ein hohes Schutzniveau, auf der anderen Seite aber den freien Verkehr von Daten im Binnenmarkt regelt. 17 Zusätzlich definiert Art. 2 lit. d) DSRL den Begriff des für die Verarbeitung Verantwortlichen als denjenigen, der allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. 18 Dieser Begriff des für die Verarbeitung Verantwortlichen ist zentral für die DSRL. Er wird in den weiteren Regelungen der Richtlinie aufgegriffen. So richtet sich insbesondere die in Art. 23 DSRL geregelte Schadensersatzhaftung allein gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen. Art. 2 lit. d) DSRL dient daher der Bestimmung des Normadressaten. 19 Zusätzlich grenzt die DSRL den für die Verarbeitung Verantwortlichen in Art. 2 lit. f) DSRL ausdrücklich vom Dritten ab. Der Dritte steht dabei außerhalb. 20 Auch das BDSG folgt dieser Konzeption. In 3 Abs. 7 BDSG definiert es die verantwortliche Stelle, in 3 Abs. 8 S. 2 BDSG den Dritten. Der Schadensersatzanspruch in 7 BDSG richtet sich ebenfalls nur gegen die verantwortliche Stelle. Hieraus könnte man auf eine abschließende Regelung schließen oder zivilrechtliche Störerhaftung als Ausübung des durch die DSRL ermöglichten Gestaltungsspielsraums Allerdings ist die Regelung der Verantwortlichkeit für Datenschutzverstöße nicht so eng geregelt wie die Rechtfertigungsgründe der Verarbeitung von Daten in Art. 7 DSRL, auf die das VG Schleswig abgestellt hat. a. Art. 2 lit. d) DSRL nur Definition des Normadressaten Zum einen enthält Art. 2 lit. d) DSRL lediglich die Definition des für die Verarbeitung Verantwortlichen. Die hieran geknüpften Rechtsfolgen der Verantwortlichkeit, nämlich Pflichten, Haftung, Sanktionen etc. werden nicht durch Art. 2 lit. d) DSRL, sondern allein durch die nachfolgenden Regelungen festgelegt. Art. 2 lit. d) DSRL bestimmt für sich also trotz seiner zentralen Bedeutung lediglich den Normadressaten, wobei hier die hohe Bedeutung dieser Bestimmung nicht relativiert werden soll. 21 Zusätzlich ist schon Art. 2 lit. d) DSRL keinesfalls vollständig abschließend, sondern beinhaltet in S. 2 eine Möglichkeit zur 16 EuGH NZA 2011, 1409 Rn. 30 f. ASNEF/FECEMD. 17 EuGH EuZW 2004, 245 Rn. 96 Lindqvist. 18 Eingehend dazu Art. 29-Gruppe, WP 169, S. 5 ff. 19 Vgl. Erwägungsgrund 25; Art. 29-Gruppe, WP 169, S. 6 f.; Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, Syst. B Rn. 66, 3 BDSG Rn Vgl. Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, 3 BDSG Rn Vgl. dazu Art. 29-Gruppe, WP 169, S. 5 ff.
4 Öffnung der Definition. Danach können, wenn Zwecke und Mittel der Verarbeitung in einzelstaatlichen oder gemeinschaftlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt sind, Modifikationen des Verantwortlichen auf einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Ebene vorgenommen werden. Art. 2 lit. d) DSRL ist daher schon von der Konzeption her nicht so eng wie Art. 7 DSRL, so dass für die Annahme einer abschließenden Regelung eine eingehende Prüfung durch das VG Schleswig notwendig gewesen wäre. b. Haftungsregelungen in Art. 23, 24 DSRL Schwerwiegender ist, dass Art. 2 lit. d) DSRL die tatsächliche Verantwortlichkeit im Sinne einer Haftung für Datenschutzverstöße gerade nicht regelt. Bestimmungen hierzu finden sich vielmehr in Art. 23, 24 DSRL. Dabei enthält Art. 23 DSRL einen Anspruch des Betroffenen gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen auf Schadensersatz für eine rechtswidrige Verarbeitung. Art. 24 DSRL wiederum erteilt den Mitgliedsstaaten einen Regelungsauftrag. Ihnen wird auferlegt, geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung der vollen Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie und Sanktionen bei Verstößen festzulegen. Über den Schadensersatzanspruch in Art. 23 DSRL hinaus ist daher den Mitgliedsstaaten ein weiter Spielraum eröffnet. Welche Form der Sanktionen sie wählen, bleibt ihnen unter Berücksichtigung des effet utile-grundsatzes weitgehend offen. 22 Erwägungsgrund 55 sieht dabei vor, dass Sanktionen jede Person treffen, die die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie nicht einhält. Schon Erwägungsgrund 55 öffnet daher einen Spielraum der über die Definition des Art. 2 lit. d) DSRL hinausgeht, der insbesondere auch Personen umfasst, die nicht selbst für die Verarbeitung verantwortlich i.s.v. Art. 2 lit. d) DSRL sind. 23 c. Richtlinienkonforme Gestaltung der datenschutzrechtlichen Strafvorschriften ( 43, 44 BDSG) In diesem Licht sind auch die Strafvorschriften der 43, 44 BDSG zu sehen, die richtlinienkonform Sanktionen nach Art. 24 DSRL umsetzen. Folgt man hingegen der Argumentation des VG Schleswig, dass die Haftungsfrage in Art. 2 lit. d) DSRL abschließend geregelt sei, wären 43, 44 BDSG überschießende Regelungen, da sie nicht nur die verantwortliche Stelle, sondern z.b. bei juristischen Personen als verantwortliche Stelle die für die verantwortliche Stelle Handelnden in die Haftung nehmen. Dies ist vor dem Hintergrund von Erwägungsgrund 55 und des Regelungsauftrages des Art. 24 DSRL aber geradezu zwingend. Darüber hinaus treffen 43, 44 BDSG nicht allein die verantwortliche Stelle bzw. für diese handelnde Personen. 24 Vielmehr ist an Straftaten nach 43, 44 BDSG eine Teilnahme möglich, also Anstiftung und Beihilfe nach 26, 27 StGB. 25 Dabei ist es nicht erforderlich, dass Anstifter oder Beihelfer gleichzeitig als verantwortliche Stellen i.s.v. 3 Abs. 7 BDSG und Art. 2 lit. d) DSRL anzusehen sind. Es ist vielmehr der typische Fall, dass Teilnehmer Dritte i.s.v. Art. 2 lit. f) DSRL bzw. 3 Abs. 8 S. 2 BDSG sein werden. Unter Berücksichtigung der Zielvorgabe eines hohen Schutzniveaus ist es aber sachgerecht, diejenigen mit in die Haftung zu nehmen, die zwar nicht selbst über Mittel und Zweck der Verarbeitung von Daten entscheiden und damit weder nach Art. 2 lit. d) DSRL noch nach 3 Abs. 7 BDSG verantwortlich sind, aber trotzdem erheblichen Einfluss auf die datenschutzwidrige Verarbeitung von Daten haben. d. 7 BDSG als deliktischer Anspruch 22 Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, 1999, Art. 24 Rn Vgl. auch Ehmann/Helfrich, EG-Datenschutzrichtlinie, 1999, Art. 24 Rn Vgl. zur Zuweisung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Art. 29-Gruppe, WP 169, S. 20 f. 25 Mit anschaulichem Beispiel Art. 29-Gruppe, WP 169, S. 21; vgl. auch Schild, MMR 2008, Heft 7, XII (XIII); Barton, RDV 2010, 19; Barton, RDV 2010, 247.
5 Weiter ist bezüglich der deutschen Umsetzung in der datenschutzrechtlichen Literatur anerkannt, dass 7 BDSG als ein klassischer deliktischer Anspruch anzusehen ist, auf den die allgemeinen Regeln des Deliktsrechts Anwendung finden. 26 Dementsprechend ist gemäß 830 Abs. 2 BGB auch bei einer Haftung nach 7 BDSG eine Teilnahme möglich. Zusätzlich lässt 7 BDSG andere Anspruchsgrundlagen unberührt. 27 So kann der Betroffene seinen Anspruch grundsätzlich auch auf 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die datenschutzwidrige Verarbeitung stützen, soweit dieser Anspruch nicht durch 7 BDSG verdrängt wird. 28 Insbesondere können Ansprüche unbeschadet von 7 BDSG auch gegen die Beschäftigten der verantwortlichen Stelle oder den Beauftragten für Datenschutz bei der verantwortlichen Stelle gerichtet werden. 29 Im Gegensatz zur Formulierung von Art. 23 DSRL und 7 BDSG steht den Betroffenen auch ein Unterlassungsanspruch zu, der auf 1004 BGB oder 823 BGB gestützt werden kann. 30 Die Haftungsregelungen in 43, 44 BDSG und 823, 1004 BGB stellen sich daher anders als wohl nach Auffassung VG Schleswig nicht als überschießende Regelungen einer erschöpfenden und abschließenden Verantwortlichkeitsbestimmung dar, sondern sind Ausfluss des Regelungsauftrages in Art. 24 DSRL bzw. Ergänzungen des in Art. 23 DSRL geregelten Anspruchs. e. Zivilrechtliche Störerhaftung keine Ausweitung nach Art. 2 lit. d) DSRL In dieses Konzept lässt sich auch die zivilrechtliche Störerhaftung als Form der adäquatkausalen Mitwirkung an einer datenschutzwidrigen Verarbeitung der verantwortlichen Stelle einordnen. In Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 10 der DSRL dient sie der Gewährleistung eines hohen Datenschutzniveaus. Die mittelbare Störerhaftung grenzt die Haftung des für die Verarbeitung Verantwortlichen weder ein, noch weitet sie sie aus Gegen die verantwortliche Stelle selbst kann ein Anspruch auf Unterlassen ohnehin geltend gemacht werden. Sie ist von einer Störerhaftung eines mitwirkenden Dritten daher nicht betroffen. Der mittelbare Störer wird im Übrigen auch nicht zum Schadensersatz wie nach Art. 23 DSRL oder 7 BDSG herangezogen, sondern lediglich zur Unterlassung verpflichtet. 4. Ergebnis Im Ergebnis mag die DSRL möglicherweise unter Berücksichtigung der Öffnung in Art. 2 lit. d) S. 2 DSRL die Definition der verantwortlichen Stelle abschließend regeln. Haftung und Verantwortlichkeit für Datenschutzverstöße erfasst sie jedoch weder abschließend noch erschöpfend. Die DSRL steht daher einer mittelbaren zivilrechtlichen Störerhaftung aufgrund der adäquat-kausalen Mitwirkung an Datenschutzverstößen Dritter nicht entgegen. Die zivilrechtliche Störerhaftung stellt sich vielmehr als ein Element eines umfassenden Haftungsgefüges dar, das im Sinne einer effektiven Umsetzung mit der DSRL vereinbar ist. 26 BT-Drs. 14/4329, S. 56; BT-Drs. 5793, S. 92; BR-Drs. 461/00, S. 6; Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, 7 BDSG Rn. 70; Simitis-Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, 7 Rn Plath-Becker, BDSG, 2013, 7 Rn. 25; Simitis-Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, 7 Rn. 33, Simitis-Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, 7 Rn Simitis-Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, 7 Rn. 54, Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, 7 BDSG Rn. 69; Simitis-Simitis, BDSG, 7. Aufl. 2011, 7 Rn. 35 unter Hinweis auf BAG NJW 2009, 1990 (1996) und m.w.n.
6 5. Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Haftung? Nach dem obigen Ergebnis ist die Verantwortlichkeit in der DSRL nicht so abschließend geregelt, dass die zivilrechtliche Störerhaftung ausgeschlossen wäre. Dennoch mag das Urteil des VG Schleswig, wenn auch nicht in der Begründung, so doch immerhin im Ergebnis richtig sein. Denn die Maßstäbe für hoheitliches Handeln können auch was die Verantwortlichkeit als Störer angeht strenger sein, als diejenigen zwischen Parteien (im Zivilprozess), die nicht im Über-/Unterordnungsverhältnis zueinander stehen. Eine solche Unterscheidung, ihre Gründe und Auswirkungen sind jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrages. III. Auswirkungen der geplanten Datenschutz-Grundverordnung? Die EU plant derzeit den Erlass einer Datenschutzgrundverordnung, bereits 2012 hat die EU- Kommission einen Entwurf (DSGVO-E) vorgelegt. 31 Im Oktober 2013 hat der zuständige EU-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) einen Entwurf zur Änderung der DSGVO-E 32 angenommen und die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union beschlossen. 33 Derzeit ist allerdings noch unklar, wann mit dem Erlass der Verordnung zu rechnen ist und welchen Wortlaut die Regelungen der Verordnung schlussendlich aufweisen werden. 1. Unmittelbare Geltung der Verordnung Anders als bei einer Richtlinie bedarf es nach Art. 288 Abs. 2 AEUV auf Seiten der Mitgliedsstaaten keines Umsetzungsaktes für Verordnungen. Verordnungen gelten unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten. Allerdings können auch Verordnungen Regelungsaufträge an die Mitgliedsstaaten enthalten, 34 die die Mitgliedsstaaten im Lichte der Verordnung erfüllen müssen. Soweit eine Verordnung nicht durch Maßnahmen des Unionsgesetzgebers abschließend konkretisiert worden ist, sind zudem auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Verordnung ergänzende Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zulässig. 35 Auch bei der DSGVO ist also zu prüfen, ob Mitgliedsstaaten ergänzende Regelungen vorsehen können. 2. Verantwortlichkeitsregelungen des DSGVO-E Beim Vergleich der DSRL mit dem DSGVO-E fällt auf, dass die für diesen Beitrag relevanten Bestimmungen der DSRL weitgehend wortgleich in den DSGVO-E übernommen wurden: Art. 4 Abs. 5 DSGVO-E enthält die Definition des für die Verarbeitung Verantwortlichen, Art. 77 DSGVO-E den Schadensersatzanspruch. Darüber hinaus enthält Art. 78 DSGVO-E mit leichten Änderungen in Struktur und Wortlaut einen Regelungsauftrag für Sanktionen und Maßnahmen. Art. 78 DSGVO-E fordert von den Mitgliedstaaten, Vorschriften für Sanktionen einzuführen, Verstöße gegen die Verordnung zu ahnden und dafür zu sorgen, dass die Vorschriften der DSGVO-E angewandt werden. 36 Art. 76 Abs. 5 DSGVO-E verpflichtet die Mitgliedsstaaten, Klagemöglichkeiten einschließlich einstweiliger Maßnahmen bereitzustellen, um mutmaßliche Rechtsverletzungen abzustellen und zu verhindern, dass den Betroffenen weiterer Schaden entsteht. Art Ursprungsentwurf: KOM(2012)11 v , dazu eingehend Hornung, in: Scholz/Funk, DGRI-Jahrbuch 2012, 2013, S. 1 ff. 32 Vorgeschlagene Änderungen abrufbar unter dazu Dehmel/Hullen, ZD 2013, 147; Eckardt/Kramer, DuD 2013, Dazu Rupp, MMR-Aktuell 2013, Calliess/Ruffert-Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 288 Rn. 21; Streinz-Schroeder, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 Rn. 61; jew. m.w.n 35 Streinz-Schroeder, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 Rn. 61 m.w.n. 36 KOM(2012)11 v , S. 17,
7 DSGVO sieht verwaltungsrechtliche Sanktionen der Aufsichtsbehörde vor, 37 die bisher dem nationalen Verwaltungsrecht der Mitgliedsstaaten oblagen. 3. Auswirkungen Die Regelungen in der DSGVO-E sind wie dargestellt denen der DSRL in weiten Teilen ähnlich. Dies gilt auch für die Systematik: Während Art. 4 Abs. 5 DSGVO-E die Definition des Verantwortlichen enthält, sind Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen in einem anderen Kapitel geregelt. Auch hier fällt auf, dass die Verordnung wie bereits die DSRL nur einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen regelt. Art. 76 Abs. 5 DSGVO-E hingegen sieht vor, das die Mitgliedsstaaten dennoch Rechtsschutz auch zum Abstellen mutmaßlicher Rechtsverletzungen zur Verfügung stellen müssen. Damit enthält die DSGVO-E zum ersten Mal wenn auch im Rahmen der Verfahrensvorschriften einen Hinweis auf die Möglichkeit des Betroffenen, Unterlassung der datenschutzwidrigen Verarbeitung zu verlangen. Aus alldem zeigt sich, dass auch im DSGVO-E die Rechte des Betroffenen nicht abschließend geregelt sind. Vielmehr sind Unterlassungsansprüche auf Basis von Art. 78 DSGVO-E nach nationalem Recht weiterhin möglich. Im Ergebnis sind daher durch die DSGVO keine Änderungen im Hinblick auf die oben diskutierten Ansprüche zu erwarten. Vielmehr lässt auch der DSGVO-E den Mitgliedsstaaten insoweit einen gewissen Spielraum. Auch im Lichte des DSGVO-E stellt die zivilrechtliche Störerhaftung lediglich eine Ergänzung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen dar. Er passt sich in das bestehende Haftungsgefüge ein und ist nicht durch eine abschließende Regelung in der DSGVO-E ausgeschlossen. IV. Rechtsfolgen Es stellt sich letztlich die Frage, ob die oben dargestellte Möglichkeit einer zivilrechtlichen Störerhaftung überhaupt erhebliche Auswirkungen haben wird. Dabei sind im Grundsatz Haftungskonstellationen insbesondere in Bezug auf Internet Service Provider denkbar, wie dies auch im Fall des LG Potsdam der Fall war. Allerdings greifen zugunsten von Internet Service Providern die Haftungsprivilegierungen der Art der E-Commerce-RL bzw TMG. Im Einzelfall dürfte daher eine Störerhaftung für die Datenschutzverstöße Dritter nur in Ausnahmefällen greifen. Es ist nämlich zu beachten, dass eine Haftung als Störer erst entsteht, wenn der potentielle Störer Kenntnis von einer konkreten und klaren Rechtsverletzung erlangt Problematisch kann dabei insbesondere das Merkmal der Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung sein. Bei Verletzungen des Urheberrechts oder auch des Persönlichkeitsrechts z.b. durch offenkundige Beleidigungen mag eine klare Rechtsverletzung für den potentiellen Störer auf Basis des Vortrags des Geschädigten meist noch relativ leicht nachzuvollziehen sein. Wird hingegen ein datenschutzrechtlicher Verstoß aufgrund der Verwendung von Daten ohne oder aufgrund einer unwirksamen Einwilligung gerügt, betrifft dies teils komplexe datenschutzrechtliche Fragestellungen. Zusätzlich hat der mittelbare Störer in der Regel keinen Einblick in die internen Prozesse und das Geschäft der jeweiligen verantwortlichen Stelle, so dass er nicht nachzuprüfen vermag, ob sich die verantwortliche Stelle auf eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung berufen kann, z.b. 37 S. dazu Erwägungsgrund 120 DSGVO-E. 38 BGH MMR 2013, 185 Alone in the Dark m. Anm. Hoeren; OLG Frankfurt, Urt. v W 39/13; Leistner, GRUR-Beil. Heft 1/2010, 1.
8 aufgrund einer wirksamen Einwilligung oder auf Basis von 28 BDSG. Eine klare Rechtsverletzung in diesem Sinne wird daher nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein. V. Fazit Nach der derzeitigen und soweit keine wesentlichen Änderungen der DSGVO gegenüber dem Entwurf beschlossen werden ist auch nach der künftigen Rechtslage auf der Basis der DSRL und der EU-Datenschutzgrundverordnung die zivilrechtliche Störerhaftung nicht ausgeschlossen. Insbesondere enthält die DSRL keine abschließende Regelung der Haftung für Datenschutzverstöße. Die Voraussetzungen der Störerhaftung müssen aber im Einzelfall konkret geprüft werden. Im Zusammenhang mit häufig nur schwer zu beantwortenden komplexen datenschutzrechtlichen Fragestellungen wird aus der Sicht des potentiellen Störers eine klare Rechtsverletzung der verantwortlichen Stelle nur selten vorliegen.
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