Assessmentinstrumente für die Anwendung der ICF in der Suchttherapie



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Transkript:

Assessmentinstrumente für die Anwendung der ICF in der Suchttherapie Workshop auf der Fachkonferenz der DHS am 15. November 2011 Dipl.-Psych. Marcus Breuer psycholog. Psychotherapeut

Vorab eine Warnung: Dieser Vortrag ist subjektiv!

Komplexität der ICF

Bedeutung der ICF (1/2) Die ICF stellt ein Klassifikationssystem dar. Die ICF ist aber keine Krankheitstheorie.

Bedeutung der ICF (2/2) Insbesondere ermöglicht die ICF: das positive und negative Funktions-/Strukturbild das positive und negative Aktivitätenbild das positive und negative Teilhabebild einer Person vor dem Hintergrund möglicher Barrieren oder möglicher Förderfaktoren standardisiert zu dokumentieren.

Generelles Problem Unklarer bzw. problematischer Bezug zwischen ICD ICF Rehazielen Rehamaßnahmen

Konkrete ICF-bezogene Rehaziele bezogen auf die drei Ebenen der Beeinträchtigung (BAR, 2004) (1/3) 1. Rehabilitationsziele bezogen auf Körperfunktionen und Körperstrukturen (einschließlich psychischer Funktionen) > psychische Stabilisierung > Verminderung von negativen Affekten wie Depression und Angst > Verbesserung der Selbstwahrnehmung > Korrektur dysfunktionaler Kognitionsmuster > Reduzierung von körperlichen Krankheitssymptomen > Erkennen möglicher funktionaler Aspekte von Krankheitssymptomen > Verbesserung der eigenen Kompetenz im Management von Funktionsstörungen

Konkrete ICF-bezogene Rehaziele bezogen auf die drei Ebenen der Beeinträchtigung (BAR, 2004) (2/3) 2. Rehabilitationsziele bezogen auf Aktivität -> Beseitigung oder Verringerung der Einschränkung im alltäglichen Leben > Erweiterung des Verhaltensrepertoires > Verbesserung des Kommunikationsverhaltens > Aufbau sozialer Kompetenz > Verbesserung der Beziehungsfähigkeit > Erwerb von Problemlösungsfähigkeiten > Optimierung der Krankheitsbewältigung (Coping)

Konkrete ICF-bezogene Rehaziele bezogen auf die drei Ebenen der Beeinträchtigung (BAR, 2004) (3/3) 3. Rehabilitationsziele bezogen auf Teilhabe -> Beeinträchtigung der Teilnahme in einem Lebensbereich bzw. einer Lebenssituation Erhalt oder Verbesserung > der psychischen Unabhängigkeit > der physischen Unabhängigkeit > der Mobilität > der sozialen Integration/Reintegration > im Bereich der Beschäftigung > der wirtschaftlichen Eigenständigkeit

Auswirkungen der ICF in der Suchtrehabilitation (1/2) In der praktischen Handhabung erweist sich die ICF zumindest im Bereich der psychischen sowie der Sucht-Erkrankungen zunächst als sehr komplex.

Auswirkungen der ICF in der Suchtrehabilitation (2/2) Der Umfang der ICF ist einfach so groß (1454 Kategorien!), dass sich hierbei sehr vielfältige und sehr differenzierte Beschreibungsmöglichkeiten ergeben.

Ausweg Core Set? Versuch der Definition eines sog. Core-Sets für die Suchterkrankungen (was sind die spezifischen Fähigkeitseinschränkungen von Suchtkranken?). Es scheinen ca. 50-100 von insgesamt 1454 Kategorien der ICF relevant zu sein.

Assessments

Generelle Probleme bei der Anwendung der ICF (1/2) Bisher gibt es kaum gute Assessmentinstrumente für die ICF innerhalb der Suchtrehabilitation unklarer zeitlicher Bezug (Beobachtungszeitraum) für das Assessment (in der Sucht besonders problematisch wg. intoxikiert vs. abstinent) generelle Problematik von Ratings (Reliabilität, Validität) insbesondere Problematik der Inter-Rater-Reliabilität große Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung

Generelle Probleme bei der Anwendung der ICF (2/2) Es gibt zu wenig anwendungsbezogene Forschungsaktivitäten Personenbezogene Kontextfaktoren fehlen bisher in der ICF Es gibt bisher keine Operationalisierung der Schweregrade in der ICF Kontextfaktoren sind nur schwer sinnvoll (oder gar standardisiert) zu erfassen Die Bezugsgruppe Suchtmittelabhängige ist sehr heterogen (z.b. 18-jähriger Drogenabhängiger vs. 55-jähriger Alkoholiker)

ICF-Instrumente in der Sucht ICF-AT 50 Psych (Nosper, 2006) Mini-ICF-APP (Linden, Baron & Muschalla, 2009) MATE-ICN (Buchholz, Rist, Küfner & Kraus, 2009) ICF-PsychA&P (Bruett, Schulz, Koch & Andreas, 2010) ICF Rehaziele bei Drogenabhängigkeit ICF - RPK Fragebogen (RPK-BAG, 2005) WHODAS-II (WHO)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (1/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (2/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (3/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (4/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (5/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (6/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (7/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (8/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (9/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht (10/10)

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht Zusammenfassung (1/2) Einige Items, die in den verschiedenen Assessmentinstrumenten erfasst werden, sind im bisherigen Core-Set nicht enthalten, z.b.: b130 Angemessener Umgang mit Rückfall und Rückfallgefährdung d1166 Lesen (Erfassen und Interpretation von Texten) d170 Schreiben d510 sich waschen d520 seinen Körper pflegen d570 auf die Gesundheit achten

Vergleich Assessmentinstrumente - ICF Core Set Sucht Zusammenfassung (2/2) Umgekehrt werden einige (wenige) Items des Core-Sets in keinem der aktuell existierenden Assessments erfasst, z.b.: b210 Funktionen des Sehens (Sehsinn) d550 Essen d560 Trinken s550 Struktur der Bauchspeicheldrüse s560 Struktur der Leber

Kurzvorstellung einiger ICF-Instrumente

ICF-AT 50 Psych (1/3) Mit dem ICF-AT 50 Psych (Nosper, 2006) erschien erstmals ein handhabbar erscheinendes Rating-Instrument für die Erfassung potentieller Einschränkungen in den Fähigkeiten von Patienten. Mit Hilfe eines Fragebogens werden hierbei Items abgefragt, die wiederum Einschränkungen in 6 Domänen der ICF abbilden (sollen).

ICF-AT 50 Psych (2/3) In einem einfachen Fragebogen werden anhand von 50 Items Selbsteinschätzungen zur Beeinträchtigung der Fähigkeiten von Aktivitäten und Teilhabe in verschiedenen relevanten Bereichen erfasst bzw. abgefragt. Die von uns selbst verfasste Fremdrating-Version des ICF AT-Psych dreht die entsprechenden Formulierungen einfach um, indem sie diese auf den jeweiligen Patienten bezieht. Die Fremd-Einschätzung erfolgte durch den jeweiligen Bezugstherapeuten.

ICF-AT 50 Psych (3/3) Die 6 identifizierten Faktoren des ICF AT-50 Psych lauten: Faktor 1: Anforderungen erfüllen Faktor 2: Soziale Beziehungen und Aktivitäten Faktor 3: Verbale Kompetenz Faktor 4: Fitness und Wohlbefinden Faktor 5: Nähe in Beziehungen Faktor 6: Soziale Rücksichtnahme

Ergebnisse einer eigenen Untersuchung (Breuer & Roth, 2008): In der vorliegenden empirischen Untersuchung wurden im Sommer/Herbst 2008 28 Patienten einer stationären Rehabilitationseinrichtung (Suchtfachklinik) sowie 17 Patienten einer stationären Adaptionseinrichtung (medizinische Rehabilitation für Suchtkranke, Phase II) im Hinblick auf Einschränkungen ihrer Fähigkeiten untersucht bzw. befragt. Ergänzend hierzu wurden in einem zweiten Schritt bei allen dieser Patienten auch die therapeutische Fremdeinschätzung dieser Einschränkungen der Fähigkeiten (Fremdrating durch den jeweiligen Bezugstherapeuten) erfasst.

ICF-AT 50 Psych (Breuer & Roth, 2008) N = 45

ICF-AT 50 Psych (Breuer & Roth, 2008) N = 45

ICF-AT 50 Psych (Breuer & Roth, 2008)

ICF-AT 50 Psych (Breuer & Roth, 2008)

Ausblick / Fazit ICF-AT 50 Psych: Mit Hilfe des ICF-AT 50 Psych lassen sich Einschränkungen in der funktionalen Gesundheit von Patienten einfach und ökonomisch erfassen. Die gemachten Angaben (Selbstrating) unterscheiden sich z.t. erheblich vom Fremdrating durch die Therapeuten (Selbstüberschätzung der Patienten!). Dies scheint spezifisch für Suchtpatienten zu sein (persönliche Mitteilung, Nosper). Diese Unterschiede lassen sich therapeutisch nutzen (z.b. indem sie innerhalb der Behandlung zum Thema werden).

Offene Fragen / Probleme ICF-AT 50 Psych: Die gewählten Faktoren des ICF-AT 50 Psych sind sehr abstrakt und damit wenig aussagekräftig. Einige Items lassen sich im Fremdrating nur schwer beurteilen. Kontextfaktoren werden im ICF-AT 50 Psych nicht berücksichtigt. Es wird nicht das gesamte Core-Set abgebildet.

M. Linden, S. Baron & B. Muschalla (2009): Mini-ICF-APP Ein Kurzinstrument zur Fremdbeurteilung von Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen in Anlehnung an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) - also ein Experten-Fremdrating

Mini-ICF-APP Übersicht über die Rating-Dimensionen 1. Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen 2. Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben 3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit 4. Fachliche Kompetenz 5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit 6. Durchhaltefähigkeit 7. Selbstbehauptungsfähigkeit 8. Kontaktfähigkeit zu Dritten 9. Gruppenfähigkeit 10. Fähigkeit zu familiären bzw. intimen Beziehungen 11. Fähigkeit zur außerberuflichen Aktivitäten 12. Fähigkeit zur Selbstpflege 13. Wegefähigkeit

Mini-ICF-APP (1/3) 1. Anpassung an Regeln und Routinen Fähigkeit, sich an Regeln zu halten, Termine verabredungsgemäß wahrzunehmen und sich in Organisationsabläufe einzufügen. Dies beinhaltet bspw. die Erfüllung von täglichen Routineabläufen, Einhalten von Verabredungen, pünktliches Erscheinen 2. Planung und Strukturierung von Aufgaben Fähigkeit, den Tag und/oder anstehende Aufgaben zu planen und zu strukturieren, d.h. angemessene Zeit für Aktivitäten (Arbeit, Haushaltsführung, Erholung und andere Tages- und Freizeitaktivitäten) aufzuwenden, die Reihenfolge der Arbeitsabläufe sinnvoll zu strukturieren, diese wie geplant durchzuführen und zu beenden. 3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit Fähigkeit, sich im Verhalten, Denken und Erleben wechselnden Situationen anzupassen, d.h. inwieweit er in der Lage ist, je nach Situation unterschiedliche Verhaltensweisen zu zeigen. Dies kann Veränderungen in den Arbeitsanforderungen, kurzfristige Zeitveränderungen, räumliche Veränderungen, neue Sozialpartner oder auch die Übertragung neuer Aufgaben betreffen. 4. Anwendung fachlicher Kompetenzen Fähigkeit zur Anwendung fachlicher Kompetenzen, d.h. beruflich, ausbildungsspezifisch oder auf Grund der Lebenserfahrung. Fähigkeit, Fach- und Lebenswissen oder Kompetenzen gemäß den situativen Rollenerwartungen einzusetzen und unter Berücksichtigung des Lebenshintergrunds zumutbare inhaltliche und fachliche Anforderungen zu erfüllen 5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit Fähigkeit, kontextbezogen und nachvollziehbar Entscheidungen zu fällen oder Urteile abzugeben. Fähigkeit, Sachverhalte differenziert und kontextbezogen auffassen, daraus die angemessenen Schlussfolgerungen und Konsequenzen ziehen und dies in erforderliche Entscheidungen umsetzen zu können 6. Durchhaltefähigkeit Fähigkeit, hinreichend ausdauernd und während der üblicherweise erwarteten Zeit an einer Tätigkeit (im Beruf oder bei sonstigen Aufgaben) bleiben und ein durchgehendes Leistungsniveau aufrechterhalten zu können.

Mini-ICF-APP (2/3) 7. Selbstbehauptungsfähigkeit Fähigkeit, in sozialen Kontakten oder auch Konfliktsituationen ohne beeinträchtigende Befangenheit bestehen und für seine Überzeugungen einstehen zu können, ohne dabei soziale Normen zu verletzen. 8. Kontaktfähigkeit zu Dritten Fähigkeit, unmittelbare informelle soziale Kontakte mit anderen Menschen aufnehmen zu können, wie Begegnungen mit Kollegen, Nachbarn oder Bekannten und mit diesen angemessen interagieren zu können, wozu auch Rücksichtnahme, Wertschätzung des Gegenübers oder die Fähigkeit, Gespräche zu führen gehören. Dazu gehört die Fähigkeit des Probanden, unverbindlich kommunizieren zu können 9. Gruppenfähigkeit Fähigkeit, sich in Gruppen einfügen, die expliziten oder informellen Regeln der Gruppe durchschauen und sich darauf einstellen zu können. Die Beurteilung bezieht sich auf das Verhalten des Probanden in Gruppensituationen bzw. seine Fähigkeit zur öffentlichen Präsentation. Dazu gehören Kleingruppen wie das Arbeitsteam, der Verein oder Großgruppen wie die Firma, eine politische Gruppierung oder die Kirche 10. familiäre bzw. intime Beziehungen Fähigkeit, enge und ggfls. intime Beziehungen zu einem vertrauten Menschen oder in der Familie aufnehmen und aufrecht erhalten zu können. Beurteilt wird die Fähigkeit, enge emotionale Zuwendung zu geben und zu empfangen und mit den anderen Rollenerwartungen und dem beruflichen Umfeld befriedigend abzustimmen

Mini-ICF-APP (3/3) 11. Spontan-Aktivitäten Fähigkeit des Probanden, außerhalb beruflicher oder sozialer Pflichten Spontanverhalten zu initiieren, Freizeitaktivitäten wahrzunehmen und in seinen Alltag zu integrieren. Beurteilt werden Aktivitäten, bei denen der Proband selbst aktiv und initiativ werden muss und die nicht beispielsweise durch eine Berufsrolle aufgezwungen werden. Dazu gehören zum Einen Aktivitäten des täglichen Lebens wie häusliche Aktivitäten, z.b. die Beschaffung von Waren- und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, die Zubereitung von Mahlzeiten, die Pflege von Wohnung, Haus und Haushaltsgegenständen, die Versorgung von Pflanzen oder Haustieren. Dazu gehören des Weiteren kreative oder rekreative Aktivitäten, z.b. Hobbys, der Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Erholungsaktivitäten, Sport oder künstlerische Aktivitäten. Die Qualität und Quantität stehen in einem sich ergänzenden Verhältnis, jemand kann ein intensives Hobby haben, dem viel Zeit gewidmet wird oder sich vielen verschiedenen Dingen zuwenden 12. Selbstpflege Fähigkeit zur Selbstfürsorge und -pflege, also die Fähigkeit, sich zu waschen, Haut, Fuß- und Fingernägel, Haare und Zähne zu pflegen, sich sauber und der Situation, dem Anlass und der Jahreszeit entsprechend zu kleiden, die gesundheitlichen Bedürfnisse seines Körpers wahrzunehmen und darauf angemessen zu reagieren 13. Verkehrsfähigkeit Fähigkeit des Probanden, zu verschiedenen Orten zu gehen bzw. sich in verschiedene Situationen zu begeben und Transportmittel, wie Auto, Bus oder Flugzeug, zu benutzen. Beurteilt wird, ob der Proband ohne Probleme jeden verkehrsüblichen Platz aufsuchen und jedes verkehrsübliche Fortbewegungsmittel benutzen kann

Offene Fragen / Probleme Mini-ICF-APP: Die gewählten 13 Kategorien des Mini-ICF-APP sind recht weit gefasst Daher lassen sich die Kategorien z.t. nur schwer raten (Problem der Operationalisierung) Reines Fremdrating Einige Items lassen sich im Fremdrating nur schwer beurteilen. Kontextfaktoren werden nicht berücksichtigt hat insgesamt nur noch wenig mit ICF zu tun!

Unser eigenes ICF-Instrument 30 Items in 8 Bereichen Selbst- und Fremdrating

Eigenes ICF-Instrument (1/2) Anpassung an Regeln und Routinen Arbeitsanforderungen bewältigen Pflichten erfüllen Stress bewältigen Hinzulernen können Planung und Strukturierung von Aufgaben Handlungsplanung Problembewältigung Fertigstellung von Aufgaben Entscheidungen treffen Lösungen finden Verbale Kompetenz sich mit Worten gut ausdrücken Schreiben bzw. etwas schriftlich formulieren können sich etwas lesend aneignen und merken Soziale Beziehungen u. Aktivitäten Kontakte und Beziehungen herstellen Mit Menschen umgehen gesellig sein können Beziehungen pflegen

Eigenes ICF-Instrument (2/2) Nähe in Beziehungen Liebe, Sexualität und Körperkontakt zulassen In einer engen Beziehung leben Soziale Rücksichtnahme Auf andere Rücksicht nehmen soziale Regeln beachten sich beim Zusammenleben anpassen Fitness und Wohlbefinden sich sportlich betätigen Für körperliche Fitness sorgen Auf seine Gesundheit achten Für sein Wohlbefinden sorgen Ein Hobby ausüben sich um andere kümmern Fähigkeit zu selbständiger Versorgung und Lebensführung Tagesplanung und Alltagsstruktur Sauberkeit und Ordnung in der Wohnung Bewältigung von Problemen des Alltags

Offene Fragen / Probleme Eigenes Instrument Das Instrument ist bisher nicht validiert. Einige Items lassen sich im Fremdrating nur schwer beurteilen. Kontextfaktoren werden nicht berücksichtigt.

ICF - RPK Fragebogen (1/3)

ICF - RPK Fragebogen (2/3)

ICF - RPK Fragebogen (3/3)

ICF Rehaziele bei Drogenabhängigkeit (1/2)

ICF Rehaziele bei Drogenabhängigkeit (2/2)

Und wo bleiben die Kontextfaktoren???

Kontextfaktoren

Fazit 1 Die ICF ist und bleibt sehr komplex. Die existierenden Instrumente sind entweder ungenau oder sehr aufwendig. Die Kontextfaktoren der ICF werden bisher zu wenig berücksichtigt. Das Individuelle ist leicht flüchtig

Fazit 2 Praxisrelevanz? Lassen sich überhaupt konkrete klinische Entscheidungen aus ICF-Assessments ableiten?

Fazit 3 Es existieren bisher kaum wirklich gute Assessment-Instrumente. Die Instrumentenentwickler machen es sich zu leicht!

Hilfreiche Quellen & Vorgehensweisen Sich mit der ICF befassen (www.dimdi.de) Dimdi-Homepage (www.dimdi.de) ICF-Praxisleitfaden (www.bar-frankfurt.de) Verschiedene Assessmentinstrumente ausprobieren

Vielen Dank! Dipl.-Psych. Marcus Breuer psycholog. Psychotherapeut Klinikleitung Therapiezentrum Grafrath Adaptionshaus Kieferngarten Bahnhofstr. 61 Schlößlanger 1 82284 Grafrath 80939 München www.therapiezentrum-grafrath.de www.kieferngarten.de marcus.breuer@do-suchthilfe.de