Pressegespräch Neuausrichtung Siemens IT Solutions and Services Joe Kaeser, Finanzvorstand Siegfried Russwurm, Personalvorstand 18. März 2010 Es gilt das gesprochene Wort!
Auf unserer Jahrespressekonferenz im Dezember hatten wir angekündigt, dass wir die Siemens IT Solutions and Services (SIS) zum 1. Juli dieses Jahres rechtlich verselbständigen und auf die Erfordernisse und Besonderheiten des IT-Marktes ausrichten. In der Zwischenzeit wurde ein umfangreiches Konzept zur Weiterentwicklung der SIS erarbeitet. Heute haben wir dieses Konzept der Arbeitnehmerseite im Wirtschaftsausschuss vorgestellt und aufgezeigt, welchen weiteren Weg wir gehen wollen. Bevor wir Ihnen die einzelnen Aspekte dieses Konzepts näher erläutern, möchte ich noch drei Punkte vorweg schicken: Als Erstes möchte ich kurz auf das Leistungsspektrum der SIS eingehen und aufzeigen, was die Siemens IT-Sparte eigentlich macht und welchen Beitrag sie für Siemens leistet. Als zweiten Punkt werde ich das Marktumfeld skizzieren, in dem die SIS operiert. Drittens werde ich kurz darlegen, warum IT- und Softwarekompetenz attraktiv sind und für unser Unternehmen und die drei strategischen Sektoren Energy, Industry und Healthcare eine wesentliche Zukunftsbedeutung haben. SIS ist ein wichtiger Partner für die Sektoren der Zunächst also zum ersten Punkt, dem Leistungsangebot der Siemens IT Solutions and Services. Die SIS ist ein IT-Dienstleister und bietet seinen Kunden: Erstens, Beratungsleistungen zur Verbesserung der IT-Infrastruktur. Zweitens, die Umsetzung der Beratungsergebnisse, zum Beispiel die Integration unterschiedlicher IT-Systeme auf einer Plattform typischerweise ist das eine SAP-Plattform. Drittens betreibt die SIS im Auftrag des Kunden dessen eigene IT-Infrastruktur, das ist das so genannte IT-Outsourcing. Und viertens, und das ist ein Wettbewerbsvorteil sowohl für die SIS als auch für unsere Kunden, arbeitet die SIS sehr eng mit unseren Sektoren zusammen. Damit schwimmt die SIS sozusagen im Kielwasser der weltweit führenden Geschäfte unserer Sektoren. Sie bietet Kunden aus der Energie-, Industrie- oder Gesundheitsbranche in der Zusammenarbeit mit unseren Sektoren maßgeschneiderte IT-Lösungen. 2 / 8
Hinzu kommt die Rolle der SIS als der wichtigste IT-Dienstleister der. Die SIS hat im Geschäftsjahr 2009 gut ein Drittel ihres Umsatzes mit dem Kunden Siemens erwirtschaftet. Dabei stellt sich die SIS auch den Herausforderungen einer permanenten Preisanpassung: Zum Vorteil der hat die SIS in den vergangenen drei Jahren ihre Preise sukzessive gesenkt, und das bei gleichbleibend hoher Qualität! Marktumfeld der SIS wird sich deutlich aufhellen Ich komme zu meiner zweiten Vorbemerkung, dem Blick in das wirtschaftliche Umfeld der SIS. Den massiven Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise konnte sich auch die IT-Branche nicht entziehen. Im Vergleich zu Branchen wie dem Maschinenbau oder der Automobil-Industrie mit Volumeneinbrüchen von mehr als 40 Prozent war der Volumenrückgang in der IT-Branche, wie Sie hier sehen, nicht übermäßig groß. Spätestens für das kommende Kalenderjahr erwarten die Experten schon wieder deutliches Wachstum in der Größenordnung von fünf Prozent. Das Marktumfeld der SIS wird sich also aufhellen. In der Ertragsentwicklung zeigt sich allerdings, dass einige Wettbewerber bisher besser durch die Krise gekommen sind. Damit wird auch klar: Die IT-Branche insgesamt bietet gute Ertragschancen und hohes Kundenbindungspotenzial. In Phasen des Wachstums werden Marktanteile verteilt und damit die Umsätze der Zukunft. Es ist daher umso wichtiger, dass die SIS jetzt schnell und konsequent weiterentwickelt wird, damit sie von den Wachstumschancen der IT- und Software- Industrie profitieren kann. Die IT-Branche zeichnet sich einerseits durch einen sehr hohen Preisdruck, andererseits durch sehr kurze Innovationszyklen aus. In diesem Umfeld behauptet sich nur, wer sehr schnell und flexibel am Markt agiert und soliden Kundennutzen in seiner Branche schaffen kann. Die IT- und Software Kompetenz ist ein wichtiges Element für die Siemens-Sektoren. Ich gebe Ihnen drei Beispiele: 3 / 8
Sie alle kennen die aktuelle Diskussion um die weltweite Erneuerung und Modernisierung der Energieverteilungsnetze. Die intelligenten Stromnetze der Zukunft, die so genannten Smart Grids, werden sicherstellen, dass elektrischer Strom an jedem Punkt des Netzes sowohl entnommen als auch eingespeist und abgerechnet werden kann. In den Zukunftsfeldern Smart Consumption und Smart Metering, also die verbrauchsoptimierte Energieverwendung und -abrechnung, ist die SIS sehr stark in Italien und insgesamt Marktführer in Europa. Damit die Smart Grids aber wirklich intelligent sind, brauchen wir vor allem eine deutliche Verbesserung der IT-Steuerung. Hier ergeben sich für die SIS in enger Zusammenarbeit mit dem Sektor Energy attraktive Wachstumsmöglichkeiten. So entwickelt der Sektor Energy zusammen mit der SIS, sozusagen aus einer Hand, die Software für die Verteilnetze und die IT-Lösungen für die Energieabrechnung beim Endverbraucher. Die Vision der so genannten Echtzeit-Fabrik ist die nächste große Stufe industrieller Produktivitätssteigerung. Der Weg, um diese Vision Realität werden zu lassen, ist eine Verknüpfung von zwei bisher getrennten Software-Welten. Die eine Welt ist die sogenannte Product-Lifecycle-Management (PLM)-Welt, also sämtliche Daten, die von der Entwicklung bis hin zur Produktion von Gütern notwendig sind. Die andere Welt ist die betriebswirtschaftliche SAP-Welt, also beispielsweise sämtliche Kundenund Lieferantendaten, das gesamte kaufmännische Controlling, die Buchführung und so weiter. Diese beiden Welten zu verschmelzen, sodass zu jedem beliebigen Zeitpunkt die vollständige Transparenz über das Unternehmen von der Entwicklung über die Produktion bis zur strategischen Planung des Unternehmens herrscht, das ist ein Mammutprojekt, an dem unser Industrie-Sektor gemeinsam mit der SIS arbeitet. Dabei bewegen sich der Industrie-Sektor von der PLM-Seite und die SIS von der SAP-Seite aufeinander zu. Am Ende geht es auch hier darum, eine durchgängige Gesamtlösung aus einer Hand zu schaffen und dadurch die Effizienz der Geschäftsprozesse und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden zu steigern. 4 / 8
Das Thema Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist ja ein Dauerbrenner. Ein Aspekt, der in der Diskussion kaum auftaucht, ist das Kostensenkungspotenzial, das sich durch eine Steigerung der Prozesseffizienz im Gesundheitswesen ergibt. Nach wie vor werden viele Untersuchungen doppelt durchgeführt, weil es keine Möglichkeit eines integrierten Datenaustausches gibt. Nach wie vor sind klinische Abläufe ebenso zeitintensiv wie teuer: Wenn man weiß, dass teilweise heute noch Excel- Listen das modernste IT-Tool für OP-Belegungspläne sind, dann ist klar, dass Krankenhauspersonal nicht optimal eingesetzt werden kann. Insgesamt lassen sich laut Gardner Group im Gesundheitswesen mit durchgängigen IT-Lösungen Effizienzpotenziale von bis zu 20 Prozent heben! Um solche durchgängigen Lösungen zu schaffen, ist die Zusammenarbeit zwischen unserem Sektor Healthcare und der SIS ideal. Der Sektor bringt das innerklinische Know-how und die IT- Kompetenz mit. Die SIS ist in der Lage, die unterschiedlichen Spieler im Gesundheitswesen effizient zu vernetzen: Also Patienten, Kliniken, Ärzte und Krankenkassen. Der Vorteil ist auch hier eine aufeinander abgestimmte und kosteneffiziente IT-Lösung aus einer Hand! An den Beispielen wird deutlich: Grundsätzlich ist die SIS in einem attraktiven Markt tätig. Jetzt geht es darum, die Weichen auf nachhaltig profitables Wachstum zu stellen. Auf diese Aufgabe konzentrieren wir uns jetzt, wir werden die SIS wieder flottmachen! Und damit komme ich jetzt zu den konkreten Maßnahmen, mit denen wir die SIS nachhaltig auf ein solides Fundament stellen wollen. Siemens-IT-Geschäft wird strukturgerecht weiterentwickelt Wir werden die Strukturen und die Organisation der SIS nach dem gleichen Rezept verbessern, wie wir das auch bei der insgesamt gemacht haben. Dieses Rezept lautet: Reduktion der Komplexität und Fokussierung der Organisation. Konkret heißt das, wir werden erstens die bisher sieben Geschäftseinheiten in den zwei Säulen IT-Outsourcing und IT-Lösungen zusammenfassen, die durch den weltweiten Vertrieb der SIS unterstützt werden. 5 / 8
Im Lösungsgeschäft werden wir die Entwicklung von Branchenlösungen gemeinsam mit unseren Sektoren vorantreiben. Es gibt kein IT-Unternehmen auf der Welt, das auf so viel Branchen-Know-how bauen kann, wie die IT-Sparte von Siemens! Durch die weltweit führenden Marktpositionen unserer Sektoren Energy, Industry und Healthcare hat die SIS beste Voraussetzungen für integrierte Branchenlösungen und IT-Outsourcing als Komplettlösung für unsere Kunden! Bei der internationalen Aufstellung des Geschäfts werden wir uns auf die Kernmärkte konzentrieren, in denen wir heute bereits stark sind und in denen wir die besten Wachstumschancen haben. Dies wird vornehmlich in Europa, in Nord- und Südamerika und in Asien sein. Die bislang 47 operativen SIS-Einheiten in unseren Regionalgesellschaften werden wir um rund ein Viertel straffen. Zur Belebung des Wachstums werden wir zusätzliche Mittel bereitstellen. Insgesamt werden wir bis 2012 mehr als 500 Millionen Euro in die SIS investieren! Dabei werden wir sowohl in den Kompetenzaufbau bei unseren Mitarbeitern als auch in innovative IT-Branchenlösungen der Sektoren investieren. Gleichzeitig prüfen wir explizit, wo wir die SIS durch selektive Akquisitionen stärken können. Die Zusammenarbeit beim Betrieb der konzernübergreifenden IT-Infrastruktur bleibt selbstverständlich ebenfalls erhalten und ist damit ein weiteres stabilisierendes Element in der Weiterentwicklung der SIS. Damit unterstreichen wir auch das klare Bekenntnis der, das Siemens-IT-Geschäft nachhaltig auf einem profitablen Wachstumskurs zu führen und ihm alle Möglichkeiten der unternehmerischen Weiterentwicklung einzuräumen. Soweit die Erläuterungen zu unserem Konzept zur Stärkung der SIS. Das Potenzial ist beachtlich, die Marktmöglichkeiten sind attraktiv; durch die Kombination von IT- Infrastruktur und Software-Kompetenz in seinen Sektoren und bei der SIS, verfügt Siemens über ein herausragendes Wettbewerbsmerkmal. Allerdings heißt Neuausrichtung auch Strukturveränderung, die wir sowohl verantwortungsvoll als auch konsequent und zügig adressieren und umsetzen müssen. 6 / 8
Notwendige Kapazitätsanpassungen erfolgen möglichst sozialverträglich Wir müssen die SIS-Organisation dem gesunkenen Geschäftsvolumen anpassen. In den vergangenen zwei Jahren sind die Umsätze in dem Geschäft um 13 Prozent zurückgegangen. Und wir müssen sowohl die Effektivität als auch die Effizienz der SIS steigern. Die Konsequenz, die in diesem personalintensiven Geschäft daraus zwangsläufig folgt, ist eine Reduktion der Arbeitsplätze. Daher werden wir die weltweite Anzahl von rund 35.000 Stellen um rund 15 Prozent reduzieren. An den deutschen Standorten sollen insgesamt ca. 2.000 Stellen wegfallen. Dabei konzentrieren wir uns im Zuge der neuen 2-Säulen-Strategie der SIS zunächst auf die Verschlankung der Verwaltung sowie auf die Aufgabe von Randaktivitäten im Portfolio. Schwerpunkte des Stellenabbaus in werden die großen SIS- Standorte München und Paderborn sowie der Großraum Nürnberg/Erlangen sein. Insgesamt wird sich die notwendige Restrukturierung in Folge des Volumenrückgangs und der inhaltlichen Veränderungen auf alle Regionen verteilen, ohne dass wir die wichtige Flächenpräsenz der SIS aufgeben. Den Stellenabbau werden wir so sozialverträglich wie möglich gestalten. Dabei schöpfen wir selbstverständlich das gesamte Instrumentarium im Unternehmen aus. Das heißt: Befristete Arbeitsverhältnisse werden nicht verlängert. Wir werden attraktive Konditionen für einen vorgezogenen Eintritt in den Ruhestand anbieten. Wo immer es möglich ist, suchen wir eine einvernehmliche Lösung zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Und, um eine Frage gleich vorab zu beantworten: Betriebsbedingte Kündigungen können nur das allerletzte Mittel sein. Wir beginnen nun die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern. In der Vergangenheit haben wir schon häufiger unter Beweis gestellt, dass wir notwendige Maßnahmen konsequent angehen und zu tragfähigen Lösungen kommen jedoch immer im konstruktiven Dialog mit den Betriebsräten. 7 / 8
Wir gehen davon aus, dass die SIS zu Beginn des neuen Geschäftsjahres als eigenständiges IT-Unternehmen an den Start geht und sich zügig die bestehenden Geschäftspotenziale erschließt. Unsere Position ist klar: Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten sind definiert und nur ein konsequentes Umsetzen der Pläne sorgt für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und sichert langfristig Arbeitsplätze. 8 / 8