Chronischer Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe



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Transkript:

22 JAHRE im Dienste der Patienten Deutsche Schmerzliga e.v. Chronischer Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe 1. Was ist Schmerz? Seite 2 2. Wie viele Menschen sind betroffen? Seite 2 3. Wie steht es um die Versorgung der Schmerzpatienten? Seite 3 4. Das Problem der Medizinerausbildung Seite 4 5. Einige Daten zu den häufigsten Schmerzformen Seite 5 6. Informationen über die Deutsche Schmerzliga Seite 7 Ein Dossier der Deutschen Schmerzliga e.v. Stand: Januar 2013 PRESSESTELLE: Barbara Ritzert ProScience Communications Andechser Weg 17 82343 Pöcking Fon 08157 93 97-0 Fax 08157 93 97-97 ritzert@proscience-com.de GESCHÄFTSSTELLE: Deutsche Schmerzliga e.v. Adenauerallee 18 61440 Oberursel Fon:0700-375 375 375 Fax: 0700-375 375 38 www.schmerzliga.de Presse-Information

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Informationen der Deutschen Schmerzliga e.v. -2-1. Was ist Schmerz? Schmerz ist überlebenswichtig. Menschen mit einer angeborenen Unempfindlichkeit gegen Schmerz, die also keinen Schmerz empfinden können, sterben oft schon im Kindesalter. Sie bekommen kein Warnsignal, wenn sie sich bei einem Sturz die Knochen brechen. Schwerste Verletzungen lassen sie kalt. Eine Blinddarmentzündung kann daher für diese Menschen tödlich enden kein Schmerz informiert sie über die Gefahr. Dies beweist: Schmerz ist ein Schützer und Warner einerseits. Andererseits: Schmerz kann das Leben zerstören. Er kann Fühlen, Denken und Handeln bestimmen, er kann die Lebensfreude, das Lachen und die Zuversicht nehmen. Er macht einsam und hilflos, wenn er nicht weichen will und chronisch geworden ist. Chronischer Schmerz ist ein Vernichter und Folterknecht. Die International Association for the Study of Pain (IASP) definiert Schmerz als ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird." CHRONISCHER SCHMERZ kann ebenfalls die Folge einer Gewebeschädigung sein, etwa bei chronischen Erkrankungen und Entzündungen (Rheuma, Krebs). Von chronischem Schmerz sprechen Fachleute dann, wenn der Schmerz seit mindestens drei bis sechs Monaten besteht und den betroffenen Patienten physisch (Mobilitätsverlust und Funktionseinschränkung), psychisch-kognitiv (Befindlichkeit, Stimmung und Denken) und sozial beeinträchtigt. Kompliziert werden die Zusammenhänge, weil Schmerz sich im Zentralnervensystem quasi einbrennen kann. Es entsteht das so genannte Schmerzgedächtnis. Das Nervensystem ist durch ständige Schmerzreize überempfindlich geworden und reagiert danach selbst auf harmlose Reize, etwa Berührungen, mit Schmerzsignalen. Die körpereigene Schmerzkontrolle, das Endorphin-System, kann das Geschehen nicht mehr ausreichend dämpfen und kontrollieren. Darum laufen Patienten mit chronischen Schmerzen oft von Arzt zu Arzt, ohne dass eine direkte Ursache der Pein diagnostizierbar ist. AKUTER SCHMERZ tritt beispielsweise bei einer Verletzung auf, ist die Folge eines Traumas, einer Operation, wird durch Krankheiten, Nervenschäden oder Entzündungen verursacht. Er ist ein wichtiger Warner: Er weist darauf hin, dass ein Organ geschädigt ist und geschont werden muss. Ist die Schädigung geheilt, verschwindet der Schmerz. 2. Wie viele Menschen sind betroffen? Bis heute gibt es in der Bundesrepublik keine epidemiologischen Studien, die wissenschaftlich gesicherte Aussagen über die Häufigkeit, Dauer und Intensität verschiede-

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Deutsche Schmerzliga e.v. 3 ner Schmerzsyndrome, deren Ursachen und Folgen ermöglichen. Solche differenzierten Statistiken, die Grundlage für die Bedarfsplanung in Forschung und Lehre und vor allem für die Versorgung von Schmerzpatienten sein müssten, wurden zwar bereits Mitte der 80er Jahre von Experten gefordert. Verfügbar sind sie indes bis heute SCHMERZ IN DEUTSCHLAND 12-15 Millionen Menschen leiden an länger andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen 4-5 Millionen sind stark beeinträchtigt nicht. Darum basieren alle Aussagen über die Häufigkeit chronischer Schmerzen in Deutschland bislang auf Studien in anderen westlichen Industrienationen und internationalen Analysen, die teilweise auch deutsche Untersuchungen berücksichtigen. Darüber hinaus gibt es Daten aus verschiedenen demoskopischen Umfragen. Diese stimmen auch mit neuesten Analysen der IASP überein. Etwa 12 bis 15 Millionen Menschen in Deutschland, bis zu einem Viertel der Bevölkerung, leiden diesen Analysen und Umfragen zufolge unter chronischen, länger andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen. Ein Drittel dieser Patienten, etwa fünf Millionen, sind stark beeinträchtigt. Sie haben problematische Schmerzzuständen: Ihr Leiden hat sich verselbstständigt und gilt als eigenständige Schmerzkrankheit. Normale Ärzte stufen die Leiden dieser Patienten nicht selten als therapieresistent ein, obwohl auch ihre Qualen durch eine moderne Behandlung zumindest gelindert werden könnten. 3. Wie steht es um die Versorgung Der Schmerzpatienten? Nur für die flächendeckende Versorgung allein dieser besonders schwer betroffenen Kranken wären in Deutschland schätzungsweise mindestens 2000 schmerztherapeutische Einrichtungen notwendig, in denen Ärzte und Psychologen zusammenarbeiten. Doch die Realität sieht anders aus: Tatsächlich gibt es nur etwa 500-600 Spezialisten, die ausschließlich Schmerztherapie betreiben. In den nach Fachgebieten geordneten Leistungsverzeichnissen für gesetzlich Versicherte gibt es inzwischen schmerztherapeutische Leistungen. Allerdings sind nicht alle Methoden enthalten, die von Experten für Schmerztherapie ist inzwischen in den Leistungsverzeichnissen für Kassenpatienten enthalten sinnvoll erachtet werden. Allerdings führt die Honorierung dieser Leistungen sowie andere Rahmen bedingungen dazu, dass Schmerzpraxen nicht kostendeckend arbeiten können. Dies verhindert, dass sich Ärzte in diesem Gebiet speziallisieren und droht, die ohnehin

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Deutsche Schmerzliga e.v. 4 schon geringe Zahl der Zentren weiter zu senken. Untersuchungen zufolge dauert es im Schnitt zehn Jahre, bis Schmerzpatienten in die richtigen Hände kommen. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, weil sich in dieser Zeit Chronifizierungsprozesse abspielen, die durch eine frühzeitige Schmerz behandlung vermeidbar gewesen wären. Eine Erhebung an mehreren spezialisierten schmerztherapeutischen Zentren belegt, dass etwa ein Viertel der schwer betroffenen Patienten, die dort behandelt werden, aufgrund ihrer Anamnese als Suizid-gefährdet eingestuft werden müssen. Wie viele Menschen sich jährlich aufgrund unerträglicher Schmerzen in Deutschland tatsächlich das Leben nehmen, ist nicht bekannt. Wissenschaftliche Studien liegen dazu nicht vor. eine frühzeitige effiziente Behandlung akuter Schmerzen in vielen Fällen einer Chronifizierung vorbeugen, bzw. Patienten mit Chronfizierungsrisiken könnten zu Spezialisten überwiesen werden. Wegen der zum Teil erheblichen Kenntnis - lücken, die der Organisation des Medizinstudiums und der Weiterbildung anzulasten sind, können viele niedergelassene Ärzte ihre Rolle bei der Versorgung chronischer Schmerzpatienten jedoch nicht ausreichend ausfüllen. Zwar ist in das ärztliche Standessystem in den letzten Jahren Bewegung gekommen: Speziell ausgebildete Ärzte unterschiedlicher Fach richtungen können die Zusatz bezeichnung Spezielle Schmerz therapie erwerben. Dies hat der Deutsche Ärztetag bereits 1996 beschlossen. Doch viele Ärztekammern haben Ab 2016 müssen Medizinstudenten, die sich zum zweiten Staatsexamen anmelden, Leistungsnachweise auf dem Gebiet der Schmerzmedizin vorlegen. 4. Das Problem Mediziner- Ausbildung Die Mehrzahl der Patienten mit chronischen Schmerzen könnte theoretisch weitest gehend vom bestehenden ärztlichen System versorgt werden, wenn Ärzte ein ausreichendes Wissen über Schmerztherapie und Chronifizierungsrisiken hätten. Dann könnte den Beschluss des Ärztetages erst auf intensiven Druck hin und sehr zögerlich umgesetzt. Seit 2012 ist Schmerzmedizin endlich Pflichtfach im Medizinstudium. Ab 2016 müssen Medizinstudenten, die sich zum zweiten Staatsexamen anmelden, entsprechende Leistungsnachweise vorlegen. Ärzte, die als Schmerztherapeuten arbeiten wollen, müssen sich bislang nach Studium und Facharztausbildung durch

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Deutsche Schmerzliga e.v. 5 Eigeninitiative die erforderliche Fortbildung verschaffen. Um die Anerkennung als Algesiologe durch die Fachgesellschaften zu erhalten, müssen die Mediziner hohe Anforderungen erfüllen. Doch eine ausreichende flächendeckende Versorgung der besonders schwer betroffenen Patienten ist durch alle Bemühungen immer noch nicht gewährleistet. Um die Versorgung aller Patienten mit chronischen Schmerzen zu verbessern und die Entstehung chronischer Schmerzen durch eine korrekte Behandlung akuter Schmerzen zu verhindern, fordern die Experten ein gestuftes Versorgungskonzept. Haus- und Fachärzte mit einer Basisausbildung in Schmerztherapie sollten akute Schmerzen und Schmerzen, bei denen eine Chronifizierung droht oder beginnt, kompetent behandeln können. Eine solche Basisqualifikation sollte als berufsbegleitende Ausbildung von Haus- und Fachärzten erworben werden. Für die Behandlung von chronischen Schmerzen und Schmerzkrankheiten, die sich einem Fachgebiet zuordnen lassen und von diesem gelöst werden können, sollte die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerz - therapie beibehalten werden. Um Patienten mit problematischen Schmerzzuständen zu behandeln, ist nach Meinung der Experten die Schaffung einer entsprechenden Facharzt- Ausbildung und damit die Etablierung des Faches Schmerzmedizin als eine eigenständige medizinische Fachdisziplinen erforderlich. Anfang 2012 wurde die Approbationsordnung für Ärzte geändert. Ab 2016 ist Schmerztherapie Pflicht- und Prüfungsfach im Medizinstudium. 5. Einige Daten zu den häufigsten Schmerzformen: KOPFSCHMERZ In der erwachsenen Bevölkerung leiden 9 bis 13 Prozent der Frauen und zwei bis vier Prozent der Männer an Migräne Bis zu 25 % der erwachsenen Bevölkerung leiden an gelegentlichen Spannungs - kopfschmerzen (mindestens 1 x pro Monat) 3 % der erwachsenen Bevölkerung leiden an chronischen Spannungskopfschmerzen (also täglich, bzw. fast täglich) Bereits im Vorschulalter klagen annähernd 20 Prozent der Kinder über gelegentliche Kopfschmerzen. Bis zum 12. Lebensjahr haben 90% der Kinder Kopfschmerz - erfahrungen, bei 60% davon handelt es sich um Spannungskopfschmerz, bei 12% um Migräne. RÜCKENSCHMERZ Bei Umfragen geben 40 Prozent der Erwachsenen an, gerade Rückenschmerzen zu haben, 62 Prozent der Frauen und 56 Prozent der Männer berichteten im Rahmen des Gesundheitssurveys im Jahr 1998 über Beschwerden im vergangenen Jahr. Etwa zehn Prozent der Rückenschmerz- Patienten sind dauerhaft beeinträchtigt, fünf Prozent haben besonders problematische

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Deutsche Schmerzliga e.v. 6 Krankheitsverläufe. Studien zufolge verursachen zehn Prozent der Patienten 90 Prozent der Gesamtkosten. Bei Rückenschmerzen gehen 60 Prozent der Betroffenen in den vorzeitigen Ruhestand, wenn sie länger als sechs Monate krankgeschrieben wurden. Nach einer einjährigen Arbeitsunfähigkeit erhöht sich dieser Anteil sogar auf 85 Prozent. Gut zwei Drittel aller erwachsenen Deutschen leiden innerhalb von zwölf Monaten mindestens einmal an Rü - ckenschmerzen. Dadurch entstehen volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 1322 Euro pro Patient und Jahr. 46 Prozent der Kosten fallen für die Behandlung an; 54 Prozent sind indirekte Kosten für Arbeitsausfall und Rente. Für die gesamte Bevölkerung zwischen 18 und 75 Jahren summiert sich das auf knapp 49 Milliarden Euro, rund 2,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandproduktes. Diese gewaltigen Zahlen veröffentlichte eine Gruppe von Gesundheitsökonomen um Chris tina Wenig von der Universität München kürzlich im EUROPEAN JOURNAL OF PAIN. Basis der Hochrechnungen ist eine schriftliche Befragung von 9267 Personen in fünf westdeutschen Regionen im Jahr 2007. TUMORSCHMERZ Etwa 70 bis 80 Prozent der Krebspatienten haben im Verlauf ihrer Erkrankung und nicht nur in der Spätphase Schmerzen. Jährlich erkranken in Deutschland mehr als 200.000 Menschen an einem Tumorleiden. RHEUMATOIDE ARTHRITIS Schätzungsweise 800.000 Menschen in Deutschland sind an rheumatoider Arthritis erkrankt. Etwa 80% der Betroffenen leiden unter chronischen Schmerzen. GELENK- SCHMERZEN/ARTHROSEN Ältere Menschen leiden häufiger unter einer Arthrose, als jüngere Menschen. Bei den über 70jährigen finden sich bei über 80 Prozent degenerative Gelenkveränderungen. Bei den 20jährigen sind es nur etwa 4 Prozent. VERSORGUNG MIT STARKEN SCHMERZMITTELN Die jährlich in Deutschland verordnete Morphinmenge reicht trotz aller Fortschritte in den letzten Jahren immer noch nicht aus, um alle Patienten, die starke Schmerzmittel benötigen, sachgerecht zu behandeln. Dies belegt der Morphinverbrauch im internationalen Vergleich. Morphinverbrauch (KG/ Mio. Einwohner) im internationalen Vergleich (2004): Dänemark: 63,0 Österreich: 116,0 Kanada: 64,0 Niederlande: 35,6 USA: 47,8 Groß Britannien: 18,5 Schweiz: 27,2 Deutschland: 16,0 SCHMERZTHERAPIE IST KOMPLEX. Die Behandlung chronischer Schmerz syn - drome ruht nicht nur auf einer Säule, etwa auf Medikamenten und das einzige Allheilmittel gegen alle Schmerzen gibt es ebenfalls nicht.

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Deutsche Schmerzliga e.v. 7 Vielmehr passen Experten ihre Therapie der jeweiligen Schmerzform an. Nervenschmerzen beispielsweise werden zumeist mit anderen Medikamenten behandelt als Tumor- oder Gelenkschmerzen. Auch die wichtige, nicht-medikamentöse Säule der Behandlung variiert von Schmerzart zu Schmerzart. Eine moderne Behandlung integriert verschiedene Therapiestrategien und muss interdisziplinär erfolgen. Neben verschiedenen Medikamenten nicht nur Schmerzmitteln und verschiedenen anderen Medikamenten kommen psychologische Behandlungsformen (etwa Stress- und Schmerzbewältigungstraining, Biofeedback, Hypnotherapie) und Bewegungstherapie hinzu, ebenso weitere Maßnahmen wie Akupunktur oder die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Wichtig ist vor allem die Eigenaktivität der Patienten, etwa in Selbsthilfegruppen. Über die Deutsche Schmerzliga e.v. Die Deutsche Schmerzliga ist eine gemeinnützige und unabhängige Selbsthilfe - organisation für Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden. Sie wurde 1990 von Patienten, Ärzten und Experten aus Gesundheitswesen, Forschung und Wirtschaft gegründet. Sie hat mittlerweile über 5000 Mitglieder. Mehr als 100 regionale Selbsthilfe - gruppen arbeiten unter ihrem Dach zusammen. Ehrenpräsidentin ist die Internistin, Buchautorin und Fernsehmoderatorin Dr. med. Marianne Koch. Der Schmerztherapeut und Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Priv. Doz. Dr. med. Michael A. Überall aus Nürnberg ist seit April 2012 Präsident der Patientenorganisation. Weitere Vorstandsmitglieder sind: Rita Aßfalg, Leiterin von zwei Schmerz-Selbsthilfegruppen im Raum Bodensee-Oberschwaben in Ravensburg und Friedrichshafen sowie 1. Vorsitzende des Selbsthilfenetzwerkes im Landkreis Ravensburg, Birgitta Gibson, Dietzenbach, Gründungsmitglied der Deutschen Schmerzliga und Leiterin einer Selbsthilfegruppe in Frankfurt/Main, Harry Kletzko, Mitglied der Ethikkommission des Zentralverbandes der Physiotherapeuten Deutschlands, Diez, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, Dr. Gerhard H.H. Müller-Schwefe, Göppingen sowie Susanne Wüste, Leiterin der Selbsthilfegruppe "Schmerz und Hoffnung" in Lindlar.

Schmerz: Daten, Fakten, Hintergründe Deutsche Schmerzliga e.v. 8 Die Deutsche Schmerzliga hat zum Ziel, die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen zu verbessern. Sie setzt sich in der Öffentlichkeit für eine flächendekkende Versorgung und angemessene Behand lung der betroffenen Patienten ein und fördert die Selbsthilfe. Gesellschaft für Schmerztherapie e.v., ebenso mit allen anderen Organisationen und Institutionen national und international, die sich für eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten einsetzen. Sie ist Mitglied in der»koalition gegen den Schmerz«. Die Deutsche Schmerzliga sorgt für eine bessere Information der Patienten über ihr Leiden sowie über moderne Präventions- und Therapiemöglichkeiten Die Deutsche Schmerzliga unterstützt die Gründung regionaler Selbsthilfegruppen Ihren Mitgliedern bietet die Schmerzliga eine persönliche medizinische Beratung sowie Listen von Gutachtern Die Deutsche Schmerzliga ist Mitveranstalter des jährlich stattfindenden Deutschen Schmerztages in Frankfurt. Die Deutsche Schmerzliga informiert über spezialisierte therapeutische Einrichtungen Die Deutsche Schmerzliga fördert die öffentlichen Aufmerksamkeit und mehr Wissen in Gesellschaft und bei den politisch Verantwortlichen über chronische Schmerzen und über die Probleme schmerzkranker Menschen Darüber hinaus organisiert sie zahlreiche regionale Veranstaltungen, um Patienten und deren Angehörige zu informieren. Pro Jahr beantwortet das Team der Geschäftsstelle über 20.000 telefonische und schriftliche Anfragen von Patienten, Angehörigen und Einrichtungen des Gesundheitswesens. Die Deutsche Schmerzliga informiert mit ihrem Magazin NOVA, dem»schmerztelegramm«sowie einem elektronischen Newsletter über neueste Erkenntnisse der Schmerzforschung und bietet Patienten Rat und Hilfe Die Deutsche Schmerzliga bietet eine umfangreiche Website Die Deutsche Schmerzliga kooperiert mit Ärzteorganisationen, z.b. der Deutschen Die Deutsche Schmerzliga ist Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte. Kontakt: Deutsche Schmerzliga e.v. Adenauerallee 18 61 440 Oberursel Tel.. 0700/375 375 375 Fax: 0700/375 375 38 info@schmerzliga.de www.schmerzliga.de