Ein Blick über die Grenzen: Wie schrumpfen unsere Nachbarn?

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Transkript:

Ein Blick über die Grenzen: Wie schrumpfen unsere Nachbarn? Rückbau Umbau Neubau? Siedlungsentwicklungspolitik vor demografischen Herausforderungen Dr. Hansjörg Bucher, Bonn hansjoerg.bucher@bbr.bund.de Wesseling am 26. Januar 2011 26. Januar 2011 Konrad-Adenauer-Stiftung

6 Mia. 1999 26. Januar 2011 Konrad-Adenauer-Stiftung Die Bevölkerung der Welt wächst, und zwar noch mehrere Jahrzehnte und bis auf über neun Milliarden. Schrumpfen ist die Sache der Industrienationen. Diese Entwicklung ist jung, erfordert neue Konzepte der Anpassung. Aus der Sicht der weniger entwickelten Länder sind diese Herausforderungen ein Luxusproblem. Global gesehen ist eine Bevölkerungsabnahme eher positiv zu bewerten. Die inneren Proportionen der Bevölkerung bereiten gleichwohl Probleme.

Die räumliche Spaltung der Dynamik geht mitten durch Europa. Die meisten Länder haben ein großräumiges Gefälle, jedoch selten sehr stark. Die Bevölkerungsdynamik hängt oft mit der Siedlungsstruktur und mit der Wirtschaftsdynamik zusammen. Die stärksten Abnahmen verzeichneten bisher die osteuropäischen Länder, obwohl dort der demographische Wandel relativ spät ausgelöst wurde.

Langfristig werden alle Regionen Europas Bevölkerung verlieren, allein der Zeitpunkt des Wechsels von Wachstum zu Schrumpfung bleibt offen. In der jüngeren Vergangenheit und der näheren Zukunft wechseln wenige Regionen. Nach 2030 wird eine neue demographische Welle bei vielen Regionen zu Schrumpfung führen, weil die Sterbeüberschüsse dann nicht mehr durch Zuwanderung kompensiert werden.

Viele Regionen hatten noch doppeltes Wachstum (rot). Bei etlichen wird ein Teil der Wanderungsgewinne von den Sterbeüberschüssen aufgezehrt (gelb). In wenigen Regionen sind die Sterbeüberschüsse schon so stark, dass sie von Wanderungsgewinnen nicht mehr kompensiert werden können (hellgrün). Vorwiegend in Osteuropa liegen Regionen mit zweifacher Ursache der Schrumpfung (blau).

Bis 2030 wird es immer weniger Regionen mit Geburtenüberschüssen geben, bei vielen ist das Wachstum nur noch importiert. Der Anteil jener Regionen wächst, die Bevölkerungsabnahmen trotz Zuwanderung verzeichnen. Wanderungsverluste konzentrieren auf den östlichen Teil Europas.

Die Bevölkerungsdynamik zieht sich in den Süden zurück in die bevorzugten Zuwanderungsgebiete mit zugleich ökonomischer Stärke. Die Schrumpfung weitet sich von Osten her aus, der Beitrag der natürlichen Komponente (Sterbeüberschüsse) 26. Januar gewinnt 2011 erheblich Konrad-Adenauer-Stiftung an Bedeutung.

Immigration to EU 27 by origin, 2008* 26. Januar 2011 Konrad-Adenauer-Stiftung

Die Fertilität ganz Europas liegt mehr oder weniger unterhalb des Bestandserhaltungsniveaus. Die Sterbeüberschüsse wachsen exponentiell und werden immer seltener durch Wanderungsgewinne kompensiert, die Bevölkerung nimmt ab. Sozialpolitische Maßnahmen auf nationaler Ebene können diesen Prozess verlangsamen, nicht aber beseitigen. Unabänderliche Folge ist die Veränderung im inneren Aufbau der Bevölkerungen.

demographischer Wandel ist ein weltweites Phänomen Das Fertilitätsniveau in Europa 2,0 TFR 2006 1,5 1,0 0,5 0,0 26. Januar 2011 Konrad-Adenauer-Stiftung 10 Kinder je Frau Island Frankreich Irland Norwegen Schweden Finnland UK Niederlande EU 27 Schweiz Österreich Griechenland Spanien Kroatien Portugal Italien Ungarn Tschechien Deutschland Rumänien Litauen Polen Slowakei Die Voraussetzungen für den demographischen Wandel liegen in ganz Europa vor. Die Intensität und der Beginn unterscheiden sich aber.

Sinkende Fertilität ist ein weltweiter Trend, allerdings unterschiedlich weit fortgeschritten. Ausnahme bilden die Regionen Afrikas südlich der Sahara. Auch besteht eine Beziehung zwischen dem Entwicklungsstand eines Landes und seinem Fertilitätsniveau. Das Bevölkerungswachstum findet in den Entwicklungsländern statt und erzeugt einen Zuwanderungsdruck auf die Länder im Norden.

Die letzten beiden Jahrzehnte waren bereits geprägt von einem sinkenden Anteil der Jugendlichen. Der Rückgang erfolgt in Wellen. In West-D. ist dieser Prozess besonders weit fortgeschritten. Die zeitweilige Stabilität ist altersstrukturbedingt, weil im betrachteten Zeitraum die Kinder der Baby Boom Generation diese Altersgruppe dominierten und dadurch eine demographische Welle in der anderen Richtung erzeugten.

Europa ist ein alternder Kontinent, wie der größte Teil der Welt auch. Der Anteil der Hochbetagten steigt an, wobei Deutschland noch nicht einmal an der Spitze der Länder steht. Ein Langzeit- Maximum wird dann erreicht, wenn die Baby Boomer diese Altersgruppe stellen werden. In vielen Ländern wird dies in den 2040er Jahren eintreten. Da deren Kindergeneration erheblich kleiner sein wird, dünnen sich die sozialen Netze aus, die einen Großteil der Altenpflege in Familien leisten.

Durch die Alterung verschieben sich die Proportionen zwischen den Generationen, hier: zwischen den Hochbetagten und deren Kindergeneration. Für die Pflege in der Familie gilt: es wird weniger potentielle Betreuer geben. Auch der höhere Anteil kinderloser Frauen und die stärkere Mobilität der Kinder in früheren Perioden erschweren die Rahmenbedingungen für häusliche Betreuung.

Wer ist alt, wer ist jung? Die Regionen in Europa zeigen eine gewisse Streubreite, Im Vergleich zu den nordafrikanischen Anrainerstaaten ist die Alterung weit fortgeschritten. Wichtigste Ursache ist die geringere Zahl der Jugendlichen. Sie erfährt regionale Akzentuierungen durch Wanderungen. Die Zunahme der Lebenserwartung verstärkt diesen Trend lediglich (Ausnahme Russland).

Wer altert schneller, wer altert langsamer? Die Dynamik der künftigen Alterung macht beides zugleich: Verringerung und Vergrößerung regionaler Unterschiede. Bereits alte Regionen altern weiterhin rasch oder verharren auf hohem Niveau. Bisher junge Länder treten in den Alterungsprozess ein. Der wellenförmige Verlauf dieser Entwicklung erschwert die Interpretation einer kartographischen Momentaufnahme.

Rückbau Umbau Neubau? Siedlungsentwicklungspolitik vor demografischen Herausforderungen Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 26. Januar 2011 Konrad-Adenauer-Stiftung 17