Beratungsunterlage zu TOP 3 der 5. Sitzung Zusammenfassung des Kurzvortrags von Dr. Ulrich Wollenteit



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Transkript:

Geschäftsstelle Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe gemäß 3 Standortauswahlgesetz Beratungsunterlage zu TOP 3 der 5. Sitzung Zusammenfassung des Kurzvortrags von Dr. Ulrich Wollenteit 31. Oktober 2014

Rechtsanwälte Günther Postfach 130473 20104 Hamburg Michael Günther * Hans-Gerd Heidel * 1 Dr. Ulrich Wollenteit * 2 Martin Hack LL.M. (Stockholm) * 2 Clara Goldmann LL.M. (Sydney) * Dr. Michéle John * Dr. Dirk Legler LL.M. (Cape Town) * Dr. Roda Verheyen LL.M. (London) * Dr. Cathrin Zengerling LL.M. (Ann Arbor) 1 Fachanwalt für Familienrecht 2 Fachanwalt für Verwaltungsrecht * Partner der AG Hamburg PR 582 Postfach 130473 20104 Hamburg Mittelweg 150 20148 Hamburg Tel.: 040-278494-0 Fax: 040-278494-99 Email: post@rae-guenther.de www.rae-guenther.de Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit 31. Oktober 2014 14/0721V/H/st Sekretariat: Frau Stefanato Tel.: 040-278494-16 Kritische Anmerkungen zum Standortauswahlgesetz Stellungnahme im Rahmen Anhörung der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe des Deutschen Bundestages zur Evaluierung des StandAG am 3. November 2014 in Berlin Buslinie 109, Haltestelle Böttgerstraße Fern- und S-Bahnhof Dammtor Parkhaus Brodersweg Hamburger Sparkasse Commerzbank AG GLS Bank IBAN DE84 2005 0550 1022 2503 83 IBAN DE22 2008 0000 0400 0262 00 IBAN DE61 4306 0967 2033 2109 00 BIC HASPDEHHXXX BIC DRESDEFF200 BIC GENODEM1GLS

- 2 - I. Vorbemerkung 1. Auch wenn die Konstruktion des StandAG kritisch zu beurteilen ist, stellt eine ergebnisoffene Standortsuche der einzig sinnvolle Ausweg aus der Problemlage dar, welche der bisherige Blindflug der Kernkraftnutzung der bundesrepublikanischen Gesellschaft beschert hat. 2. Das jahrzehntelange Beharren auf dem Standort Gorleben hat in eine Sackgasse und Legitimationskrise geführt. Es ist deshalb richtig, dass bei der Endlagersuche verfahrensmäßig neue Wege beschritten werden sollen. Denn bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle geht es nicht um einen x-beliebigen Planungsvorgang. Der Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle kommt wegen der erdgeschichtlichen Dimension des Problems eine Sonderrolle zu. 3. Dennoch stellt das Standortauswahlgesetz in wesentlichen Punkten eine Fehlkonstruktion dar. Das StandAG installiert ein aufwendiges Verfahren ohne zureichende Kontrollchancen (II.). Ausreichender Rechtsschutz wird nicht gewährleistet (III.). Der Umgang mit Gorleben fällt nicht überzeugend aus (IV.). II. Legitimation durch Verfahren ohne Kontrollchancen nicht ausreichend 1. Konzepte, die sich auf Legitimation durch Verfahren gründen, setzen prinzipiell auf ein Modell der Konsensfindung und der Richtigkeitsgewähr, die aus der Einhaltung der Verfahrensregeln resultieren soll. Dies setzt voraus, dass die im Verfahren gewonnenen Ergebnisse möglichst ungeschmälert Verbindlichkeit erlangen und dass die Einhaltung der Spielregeln des Verfahrens auch kontrolliert werden können. Zudem hat sich ein solches Konzept nach den Maßgaben eines durch Gewaltenteilung, Rechtsschutzgarantien, Demokratieprinzip und Grundrechten geprägten Verfassungsstaats zu vollziehen, was zu weiteren Komplikationen führt. 2. Ein solches ehrgeiziges Konzept ist mit dem StandAG nicht überzeugend verwirklicht worden. Problematisch ist es etwa, auf Legitimität durch Verfahren zu setzen, den im Verfahren gewonnenen Ergebnissen jedoch keine Verbindlichkeit beizumessen. Die Pluralität der Kommission in dem vorbereitenden Verfahren soll die Konsensfähigkeit ihrer Vorschläge gewährleisten. Die von der Kommission in den vorbereitenden Verfahren entwickelten Vorschläge entfalten für den Bundestag und den Bundesrat sowie der Bundesregierung allerdings keine Verbindlichkeit. Können sie auch nicht, denn der Widerspruch resultiert zwangsläufig aus einem regulativem Ansatz, der Sachentscheidungen exzessiv auf die Ebene der Gesetzgebung verlagert.

- 3-3. Diese Struktur wiederholt sich mehrfach in dem eigentlichen Auswahlverfahren. In aufwendigen Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung werden Vorschläge für die obertägige und untertägige Erkundung von Standorten erarbeitet. Das soll Legitimation stiften. Verbindlichkeit erzeugt aber letztlich nur die jeweilige Entscheidung des Bundestages durch Gesetz. Die gesetzgebenden Körperschaften werden viermal im Rahmen des Standortauswahlverfahrens um gesetzliche Entscheidungen bemüht, wobei drei der vier Entscheidungen als Standortentscheidungen Einzelfallcharakter haben. 4. Pointe und Novum des Findungsprozesses liegen in dem Ansatz, zum einen auf die Legitimationswirkung ausgefeilter Verfahren zu setzen und zum anderen, diese Wirkung durch eine Kaskade von Einzelfallgesetzgebung noch einmal verstärken zu wollen. Damit verabsolutiert die Konstruktion des StandAG den Aspekt der Legitimationsbeschaffung zu Lasten von Kontrollchancen. Das ist meines Erachtens kontraproduktiv, denn aufgrund der Konstruktion droht letztendlich auch der Wunsch nach einem Maximum an Legitimation zu scheitern. 5. Es gibt keine Möglichkeiten, nach dem Standortauswahlgesetz erfolgte Verfahrensfehler effektiv zu rügen. In üblichen Verwaltungsverfahren sind hierfür das Widerspruchsverfahren und die anschließende gerichtliche Kontrolle vorgesehen. Beides fällt hier aus (dazu unter III.). Dieser Befund ist gravierend, weil er evident das Konzept einer Legitimation durch Verfahren untergräbt. Ein Konzept, welches primär auf Verfahren setzt, ist unglaubwürdig, wenn die Nichteinhaltung der Regeln des Verfahrens ohne jedwede Konsequenzen bleibt. III. Unzureichender Rechtsschutz 1. Die Überwachung der Einhaltung der Spielregeln eines Verfahrens, bzw. von Gesetzen im Allgemeinen, ist im gewaltenteilenden Verfassungsstaat Aufgabe der Gerichte. Unter Geltung des Standortauswahlgesetzes sind die Rechtsschutzmöglichkeiten jedoch auf ein verfassungsrechtlich nicht mehr ausreichendes Niveau geschrumpft. Bedenken resultieren aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz, der Rechtsschutzgarantie in Artikel 19 Abs. 4 GG und aus den Grundrechten, insbesondere dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG). 2. Wenn man Standortentscheidungen durch ein Gesetz trifft, kann man dagegen nicht mehr vor einem Verwaltungsgericht klagen, obwohl eine parzellenscharfe Standortentscheidung unstreitig enteignende Vorwirkung hat. Es bleibt nur noch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts im Wege einer Verfassungsbeschwerde. Die dabei zum Tragen kommende Kontrolldichte ist im Vergleich zum verwaltungsgerichtlichen Rechts-

- 4 - schutz deutlich reduziert und beschränkt sich im Wesentlichen auf Grundrechtsverletzungen. Auf Verfahrensmängel wird nicht überprüft. Um es übertrieben pointiert auszudrücken: Mit dem Fallbeil des Einzelfallgesetzes wird nach jeder Standortentscheidung die Tür zugeschlagen, indem der Rechtsschutz abgeschnitten wird. 3. Die Frage, ob das Standortauswahlgesetz insoweit den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wird derzeit kontrovers diskutiert. Ich habe auf dem Atomrechtssymposium 2012 vor dem Hintergrund der maßgeblichen verfassungsgerichtlichen Leitentscheidung die Auffassung vertreten, dass mit dem Standortauswahlgesetz die Grenze des Zulässigen überschritten worden ist. Die sich an das Atomrechtssymposium anschließende Debatte ist meines Erachtens überwiegend durch Beiträge gekennzeichnet, die diese Auffassung bestätigen. 4. Das BVerfG hat in dem Beschluss zur Südumfahrung Stendal zwar erkannt, dass staatliche Planung nicht von vornherein eindeutig der Exekutive oder Legislative zugeordnet ist, zugleich aber die Relativierung des Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), die Schmälerung des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie die Hinnahme des Eingriffs in Art. 14 GG, der mit einer enteignenden Vorwirkung verbunden ist, an das Vorliegen guter bzw. triftiger Gründe gebunden. Im Kontext der Standortsuche für ein Endlager sind gute oder triftige Gründe im Sinne dieser Rechtsprechung für eine gesetzliche Standortfestlegung meines Erachtens nicht erkennbar. Auch Nachteile für das Allgemeinwohl beim Ausbleiben einer gesetzlichen Regelung sind nicht ersichtlich. Bei Beibehaltung der gegenwärtigen Konstruktion droht damit ein Scheitern des Gesetzes im Rahmen einer verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzung. 5. Die in der Schlussphase noch in 17 Abs. 4 StandAG eingefügte Regelung, wonach das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung vor Übermittlung des Auswahlvorschlags für die untertägige Erkundung durch Bescheid feststellt, dass das bisherige Standortauswahlverfahren nach den Anforderungen und Kriterien des StandAG durchgeführt wurde und der Auswahlvorschlag diesen Anforderungen und Kriterien entspricht, hat das Rechtsschutzdefizit nicht beseitigt. Zum einen geht es eben nur um eine von drei Standortentscheidungen, die im Auswahlverfahren durch Gesetz getroffen werden sollen. Weiter ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Bundestag nicht verbindlich. Schließlich wird Rechtsschutz nur in Bezug auf die Materien eröffnet, die vom Umweltrechtsbehelfsgesetz erfasst sind. Es geht deshalb nur um die Beachtung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung sowie von spezifisch umweltrechtlichen Vorschriften. 6. Verantwortlich für das Rechtsschutzdefizit ist die Verlagerung von Entscheidungen mit typisch administrativem Gehalt auf die gesetzgebenden Körperschaften. Mehr Kontrollchancen wären eröffnet, wenn die Standortentscheidungen als Verwaltungsentscheidun-

- 5 - gen ausgestaltet wären. Die bisherige Konstruktion sollte aufgegeben und die Standortentscheidungen auf Verwaltungsebene heruntergezont werden. IV. Kein überzeugender Umgang mit dem Standort Gorleben 1. Der Gesetzgeber hat sich im Standortauswahlgesetz mit 29 StandAG dafür entschieden, Gorleben als sog. bestehenden Erkundungsort weiter im Standortauswahlverfahren zu belassen. Das war meines Erachtens eine Fehlentscheidung. Dem Standortauswahlprozess würde es gut tun, wenn man Gorleben von vornherein ausschließen würde. 2. Es ist in der Vergangenheit behauptet worden, dass der Ausschluss von Gorleben aus dem Standortauswahlverfahren rechtlich angreifbar wäre. Das ist unzutreffend. Die Entscheidung, ob Gorleben in das Auswahlverfahren einbezogen oder ausgeschieden wird, ist eine politische, die der Gesetzgeber im Rahmen der ihm zukommenden Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative in die eine oder andere Richtung entscheiden kann. 3. Dass sich der Anspruch des Gesetzes, den nach wissenschaftlichen Kriterien bestgeeigneten Standort zu finden, mit dem apriorischen Ausschluss von Gorleben nicht völlig vereinbar ist, ist nicht zu verkennen. Dieser Widerspruch ist auszuhalten. Gorleben zählt zu den Altlasten einer jahrelangen verfehlten Politik, die gerade durch das Standortauswahlgesetz überwunden werden soll. Dass aufgrund der verfahrenen Situation, die durch den nicht sachgerechten Umgang mit Gorleben entstanden ist, eine saubere Lösung, die allen Ansprüchen an Konsistenz gerecht wird, nur schwer möglich erscheint, stellt keinen Grund dar, Gorleben im Verfahren zu belassen. Vielmehr spricht nach meiner Auffassung Überwiegendes dafür, Gorleben aus dem Standortauswahlverfahren auszuschließen. 4. Die polarisierte Debatte um die Frage der Endlagerung hat sich inzwischen seit fast 40 Jahren ausschließlich um Gorleben gedreht. Die Auswahl des Standorts erfolgte nicht in einem transparenten Verfahren anhand nachvollziehbarer, vorher festgelegter Kriterien. Gorleben ist in dem Standortauswahlverfahren der einzige Standort, der durch zahlreiche Vorfestlegungen belastet ist, nämlich einer weit fortgeschrittenen bergrechtlichen Erkundung, sowie der Errichtung nahe gelegener nuklearspezifischer Anlagen (Zwischenlager, Pilotkonditionierungsanlage) und einer Veränderungssperre. Zwar versucht das Gesetz mit der Regelung in 29 Abs. 1 S. 4 den Umstand, dass bereits Infrastruktur für die Erkundung am Standort vorhanden ist, auszublenden. Die juristischen Auseinandersetzungen um den Rahmenbetriebsplan von 1983 sowie die GorlebenVSP von 2005 zeigen aber eindrucksvoll, dass der halbherzige Umgang mit Gorleben immer wieder zu einem wenig glaubwürdigen Eiertanz führt. Legitimation durch Verfahren ist in Be-

- 6 - zug auf Gorleben nicht mehr zu erreichen, weil das bisherige Verfahren von Anfang an schief gelaufen ist und sich dieses Trauerspiel bis in die jüngste Zeit fortsetzt. 5. Hinzukommt die Beeinträchtigung des Auswahlverfahrens durch die Erkenntnisse zu Gorleben, die sich nicht ohne weiteres ausblenden lassen, etwa wenn es um die Festlegung von Auswahlkriterien geht. Die Wirkmächtigkeit dieser Schere im Kopf darf keinesfalls unterschätzt werden. Sie droht das gesamte Verfahren von Anfang an zu kontaminieren. Es ist eine Illusion zu glauben, dass dieser Effekt durch einen Federstrich des Gesetzgebers, wie dies mit 29 Abs. 1 Satz 4 StandAG versucht worden ist, unterbunden werden kann. 6. Die Erwartung, dass der Standortauswahlprozess ergebnisoffen erfolgen kann, wenn Gorleben im Verfahren bleibt, ist auch wegen der unvermeidlichen personellen Kontinuitäten wenig plausibel. Viele Akteure, die auf Seiten der Wissenschaft und in Behörden an der Verfestigung des Standorts Gorleben in der Vergangenheit mitgewirkt haben, werden auch zukünftig in den Prozess der Standortauswahl eingebunden bleiben. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Akteure in Bezug auf Gorleben ihre Haltung im Sinne von Ergebnisoffenheit ändern werden. Ein Tanker, der seit 40 Jahren immer nur in eine Richtung gefahren ist, lässt sich nicht ohne weiteres umsteuern. Gespräche mit Beteiligten dieses Prozesses bestätigen dies. Die Industrie (E.ON und RWE) soll laut Presseberichten juristische Schritte gegen das Endlagerauswahlgesetz vorbereiten. Begründung: Es bestehe keine Notwendigkeit, eine Alternative zu dem erforschten Endlager in Gorleben zu suchen. 7. Ähnlich verhält es sich auch auf der anderen Seite: Es besteht m.e. ein erkennbarer Zusammenhang zwischen der zögerlichen Bereitschaft der Verbände, sich an der Kommissionarbeit zu beteiligen, und dem Umgang des Gesetzes mit dem Standort Gorleben. Die Regelungen des Gesetzes vermochten offenbar nicht glaubhaft die Erwartung zu wecken, dass sich der Tanker doch noch an einem anderen Ort als Gorleben anlegen könnte. Zum Ausdruck kommt dies etwa in der polemischen Bezeichnung des StandAG als Gorlebenfindungsgesetz. Genährt wird diese Sorge dadurch, dass das Gesetz zu bedeutenden Fragen vage bleibt. Besonders bedauerlich ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass des Gesetz zu der Frage, wie viele Standorte untertägig erkundet und ob dabei unterschiedliche Gesteinsformationen einbezogen werden sollen, eine Antwort schuldig geblieben ist. 8. Auch die juristischen Auseinandersetzungen um den Rahmenbetriebsplan von 1983 und die GorlebenVSP von 2005 nach Verabschiedung des StandAG haben die Widersprüchlichkeit aufgezeigt, die aus der Beibehaltung von Gorleben resultieren. Einerseits soll Gorleben wie jeder andere in Betracht kommende Standort gemäß nach dem Standortauswahlgesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfah-

- 7 - ren einbezogen werden. Andererseits unterliegt Gorleben immer noch einem Sonderstatus, etwa weil Gorleben als einziger Ort schon heute mit einer Veränderungssperre belastet ist, die es an sich nach den Vorgaben des 9g AtG gar nicht mehr geben dürfte. 9. Mangelnde Glaubwürdigkeit in anderen Bereichen ist ebenfalls geeignet, den Glauben an eine seriöse Exekution des Standortsuchprozesses zu zerstören. Das StandAG hat sich klar und eindeutig in 1 Abs. 1 StandAG für eine nationale Entsorgungslösung entschieden. Trotz dieser Festlegung verhandelt die Bundesrepublik derzeit über die Verbringung von abgebrannten Kernbrennstoffen aus dem Versuchskernkraftwerk Jülich in eine Wiederaufbereitungsanlage in die USA. Unterlagen aus den USA legen sogar nahe, dass dabei auch die in Ahaus lagernden Kernbrennstoffe aus Hamm-Üntrop einbezogen werden sollen. So verspielt man jedwede Glaubwürdigkeit. Wenig vertrauenserweckend ist auch der Umgang mit dem Versprechen, keine Castorbehälter mehr in das Zwischenlager Gorleben verbringen zu wollen. Bis heute fehlt dafür jedwedes Konzept. Der Erfolg des Standortauswahlverfahrens wird auch davon abhängen, dass die Glaubhaftigkeit des Prozesses dauerhaft erhalten bleibt. Hamburg, den 31.10.2014 Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit