Kartellrecht 2018 Ausgewählte Fragen Referat anlässlich der Generalversammlung der SAA Swiss Automotive Aftermarket, Brunnen 3. Mai 2018 Dominique GUEX, LL.M., Rechtsanwalt, Lausanne Lehrbeauftragter für Wettbewerbsrecht (HEG ARC Neuchâtel)
I. Einführung Dieses Gesetz bezweckt, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern (Art. 1 Kartellgesetz KG).
I. Einführung Schweiz: Kartellgesetz Verordnungen Mitteilungen der Weko Aber auch EU Gesetzgebung Art. 101, 102 AEUV Zahlreiche Regelurierungen und Richtlinien
I. Einführung Die drei Säulen des Kartellrechts: Wettbewerbsabreden Missbrauch von einer marktbeherrschenden Stellung Zusammenschlusskontrolle
I. Einführung Als marktbeherrschende Unternehmen gelten einzelne oder mehrere Unternehmen, die auf einem Markt als Anbieter oder Nachfrager in der Lage sind, sich von andern Marktteilnehmern (Mitbewerbern, Anbietern oder Nachfragern) in wesentlichem Umfang unabhängig zu verhalten (Art. 4 Abs. 2 KG) Marktbeherrschende Unternehmen verhalten sich unzulässig, wenn sie durch den Missbrauch ihrer Stellung auf dem Markt andere Unternehmen in der Aufnahme oder Ausübung des Wettbewerbs behindern oder die Marktgegenseite benachteiligen (Art. 7 Abs. 1 KG)
I. Einführung Zum Beispiel (Art. 7 Abs. 2 KG): Als solche Verhaltensweisen fallen insbesondere in Betracht: a. die Verweigerung von Geschäftsbeziehungen (z. B. die Liefer- oder Bezugssperre); b. die Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; c. die Erzwingung unangemessener Preise oder sonstiger unangemessener Geschäftsbedingungen; d. die gegen bestimmte Wettbewerber gerichtete Unterbietung von Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen; e. die Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung; f. die an den Abschluss von Verträgen gekoppelte Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen oder erbringen.
I. Einführung «Als Unternehmenszusammenschluss gilt: a. die Fusion von zwei oder mehr bisher voneinander unabhängigen Unternehmen; b. jeder Vorgang, wie namentlich der Erwerb einer Beteiligung oder der Abschluss eines Vertrages, durch den ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über ein oder mehrere bisher unabhängige Unternehmen oder Teile von solchen erlangen (Art. 4 Abs. 3KG)
I. Einführung Zusammenschlussvorhaben sind der Weko im Voraus zu melden jedoch nur wenn gewisse Umsatzschwellen von den Parteien erreicht werden (vgl. Art. 9 KG)
I. Einführung Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken (Art. 4 Abs. 1 KG)
I. Einführung Sogenannte «horizontale» Absprachen, sowie «vertikale» Absprachen sind im Visier des Gesetzgebers. «Harte» Absprachen Was ist das? Horizontale Preis-, Menge- oder Gebiet/Kunden absprache (vgl. Art. 5 Abs. 3 KG) Vertikale «Preisbindung der zweiten Hand», sowie sog. absoluter Gebietschutz (vgl. Art. 5 Abs. 4 KG)
I. Einführung Die Tätigkeiten und Entscheide der WEKO betrafen im vergangenen Jahr das gesamte Spektrum des Wettbewerbsrechts: Sanktionen wegen Submissionsabreden von Bauunternehmen, Preisbindung bei Rasenmährobotern, Preisabreden von Verzinkereien sowie wegen Missbrauch der Marktbeherrschung bei Postdienstleistungen und Kabelanschlüssen. Hinzu kamen vertiefte Zusammenschlusskontrollen zum Ticketing von Grossanlässen und zu Spitalleistungen (Weko, Pressmitteilung 17.04.18).
I. Einführung Direkte Sanktionen (Bussen) einige Beispiele in der letzten Jahren in der Schweiz: BMW (2012) CHF 156 Mio Swisscom (2009) CHF 186 Mio KMUs auch: z.b. Submissionsabreden in der Engadin -> CHF 7.5 Mio (26.04.2018)
I. Einführung und auf der EU Ebene:
I. Einführung Eine Busse is aber nicht die einzige Sanktion Zivil Schadenersätze? (CH eher selten, EU vielleicht, USA sicher) Image Schaden? Kosten? Strafrecht? Ausland (Effektenprinzip)?
I. Einführung Die sog. «Bonusregelung»: Wenn das Unternehmen an der Aufdeckung und der Beseitigung der Wettbewerbsbeschränkung mitwirkt, kann auf eine Belastung ganz oder teilweise verzichtet werden (Art. 49a Abs. 2 KG). = Whistleblowing??
I. Einführung Mehr als 100 Hausdurchsuchungen in 10 Jahren (Weko, 14. April 2016)!! Die letzten: Elektrizitätsunternehmen Genf (Februar 2018) Fahrlehrerverband Oberwallis (März 2018)
II. Auf Mitglieder Ebene Wo sind die Risiken? Vertikale Absprachen sicher! Horizontale Absprachen vielleicht? Strenge Rechtsprechung seit 2016 für «harte» - horizontale und vertikale Absprachen, abgesehen vom Marktanteil / Grösse («Gaba» Entscheid des Bger)!
II. Auf Mitglieder Ebene Vertikalabreden haben ein besonderes Interesse gefunden, u. a. weil: - Sie sind (fast) überall zu finden (Organisation einer Vertriebskette)! - Sie sind oft durch Gründe der volkswirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt. - Aber können auch negative Effekte auf dem Wettbewerb haben (inkl. sog. «Hochpreisinsel Schweiz») -> darum fallen sie auch unter die Luppe der Weko. Zwei Bekanntmachungen der Weko!
II. Auf Mitglieder Ebene «Harte» Vertikalabreden Beispiele : Ein Hersteller verpflichtet oder streng empfiehlt seine Abnehmer (direkt oder indirekt), die von ihm gelieferte Ware nur zu dem von ihm festgelegten Preis (oder mindest-preis) weiter zu veräußern. Ein Hersteller weist einem Händler/Vertriebspartner ein Gebiet zu und schließt gleichzeitig (direkt oder indirekt) sog. passive Verkäufe in dieses durch gebietsfremde Vertriebspartner aus. Achtung! Vermutung der Beseitigung des Wettbewerbs (Art. 5 Abs. 4 KG) + Busse (Art. 49a Abs. 1 KG) wenn nicht durch Effizienzgründen gerechtfertigt / kompensiert!
II. Auf Mitglieder Ebene Andere Vertikalabreden Beispiele: Selektiv Vertriebssystemen Exklusiv Vertriebssystemen Max. Verkaufspreise Franchising MFN clauses Usw Keine Vermutung und keine Busse Effekten müssen im Einzelfall und mit der Hilfe der Weko Bekanntmachungen sorgfältig geprüft:
II. Auf Mitglieder Ebene Qualitativ erhebliche Abrede (Art. 12 b.-e. Vert-Bek)? Z.B. Beschränkungen des aktiven oder passiven Verkaufs and Endverbraucher (ausserhalb von einem exkl. System), Beschränkungen von Querlieferungen, gewisse Wettbewerbsverbote, Einschränkungen von Mehrmakrenvertrieb in selektiven Vertriebssystemen, gewisse exkl. Vertriebssystemen, Wenn nein: Keines Unternehmen mit > 30% MA? -> i.d.r. OK! Keines Unternehmen mit > 15% MA? -> i.d.r. OK! (in beiden Fällen soweit keine kumulative Auswirkungen)
II. Auf Mitglieder Ebene Wenn ja : Ist die Abrede quantitativ erheblich? Aktueller Wettbewerb / MA? (intra-brand and interbrand) Rechtfertigung durch Effizienzgründen? Z.B. Schutz von Investitionen, Sicherung der Qualität, Kampf gegen das «free-riding», Vermeidung eines doppelten Preisaufschlages, Übertragung von Know- How,
II. Auf Mitglieder Ebene Was mit den E-Commerce / online Vertrieb Beschränkungen? - Möglicherweise eine harte Abrede (Einfluss auf Preise/Rabattpolitik, technische Massnahmen um passiv Verkäufe zu verhindern) - Fast immer mindestens eine qualitativ erhebliche Beinträchtigung des Wettbewerbs
II. Auf Mitglieder Ebene Besonderheiten im Kraftfahrzeugsektor: - Ad hoc Weko-Bekanntmachung (auch bei der EU)! - Kann für gewisse Mitglieder relevant sein: Vertrieb von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge, Erbringung von Instandsetzungs- und Wartungsdienstleistungen - Auch sog. «Unabhängige Marktteilnehmer», u.a. auch «Hersteller von Wekrstattausrüstungen oder Werkzeugen» (Art. 7 KFZ-Bek) sind betroffen :
II. Auf Mitglieder Ebene Als qualitative schwerwiegende Beeinträchtigungen des Wettbewerbs sind zu beachten: [ ] g. die Beschränkung der Möglichkeit eines Herstellers von Ersatzteilen, Instandsetzungsgeräten, Diagnoseoder Ausrüstungsgegenständen, diese Waren an Mitglieder eines Vertriebssystems, unabhängige Marktteilnehmer oder an Endverbraucher zu verkaufen. (Art. 16 g KFZ- Bek)
Auf Mitglieder Ebene Abreden zwischen Kraftfahrzeuganbietern und Mitgliedern eines Vertriebssystems, die den Zugang von unabhängigen Marktteilnehmern zu den für die Instandsetzung und Wartung von Kraftfahrzeugen oder für Umweltschutzmassnahmen erforderlichen technischen Informationen, Diagnosegeräte sowie anderen Geräten und Werkzeugen nebst einschlägiger Software oder die fachlichen Unterweisungen verweigern, sind als qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigungen des Wettbewerbs zu betrachten (Art. 17 KFZ-Bek)
II. Auf Mitglieder Ebene Eine konkrete Frage: "Viele SAA-Mitglieder haben Hersteller, welche sie exklusiv in der Schweiz vertreiben. Ist dies zulässig seitens der Aussteller? Das hängt sehr viel ab von den konkreten Umständen, aber generell gelten die folgenden Prinzipien:
II. Auf Mitglieder Ebene Werden als qualitativ schwerwiegend betrachtet Abrede die zum Gegenstand haben [ ], eine Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die ein an der Vereinbarung beteiligter Abnehmer (vorbehältlich einer etwaigen Beschränkung in Bezug auf den Ort seiner Niederlassung) Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf (Art. 12 Abs. 2 b. Vert-Bek) Jedoch liegt eine qualitativ schwerwiegende Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht für Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschliesslich einem anderen Händler zugewiesen hat, vorausgesetzt dass Passivverkäufe uneingeschränkt möglich sind (Art. 12 Abs. 2 b i. Vert-Bek) Darum ist man generell der Meinung, das Exklusivvertrieb zulässig ist. Aber Vorsicht hier: Gewisse Kombinationen von Exklusivvertrieb auf einer Ebene (z.b. Grosshandelstufe) und Selektivvertrieb auf einer anderen Ebene (z.b. Detailhandelstufe) könnten auch als problematisch gesehen werden (vgl. Art. 12 Abs. 2 c Vert-Bek).
III. Auf Verband Ebene Adam Smith, Reichtum der Nationen(1776) : «Il est rare que des gens du même métier se trouvent réunis, fût-ce pour quelque partie de plaisir ou pour se distraire, sans que la conversation ne finisse par quelque conspiration contre le public, ou par quelque machination pour faire hausser les prix.»
III. Auf Verband Ebene Entscheide der GV Entscheide / Empfehlungen / Weisungen des Vorstands Können sehr schnell horizontale Wettbewerbsabrede darstellen!
III. Auf Verband Ebene Sehr viele pro-kompetitive Tätigkeiten, z.b. : Ausbildung (inkl. KG compliance!, Lehrlinge, usw.) Zusammenarbeit mit den Behörden Know-how Austausch Normalisierung Selbstregulierung Informationsaustausch? Einkaufszentrale
III. Auf Verband Ebene Aber leider (immer noch) auch anti-kompetitive Verhaltensweise, z.b. : Preisabsprachen / Preisempfehlungen Gebietabsprachen Aber auch «unsaubere» Informationsaustäusche über sensitive Daten (e.g. Preise ) Selbsregulierung als «Ausrede» für ein wettbewerbsausschliessendes Verhalten («Preiskrieg ist nicht fair»)
III. Auf Verband Ebene Ausschluss (oder nicht Annahme) eines Mietglieds? Kriterien: Sachliche Kriterien in Einklang mit dem Zweck des Verbandes Keine Diskrimination Gleichbehandlung Transparentes Verfahren, Recht auf Anhörung, Beschwerderecht
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit Fragen? Dominique Guex Bourgeois Avocats SA Av. de Montbenon 2 Postfach 5475 1002 Lausanne 021/321.45.45 dominique.guex@bourgeoisavocats.com www.bourgeoisavocats.com