Säge weg! Mittelkürzungen bedrohen AIDS-Arbeit in NRW Es gilt das gesprochene Wort

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Transkript:

P R E S S E - I N F O R M A T I O N Sprechzettel für Julia Ellen Schmalz, stellvertretende Landesvorsitzende der AIDS-Hilfe NRW, und Dirk Meyer, Landesgeschäftsführer, aus Anlass der Jahrespressekonferenz am 9. September 2002 Säge weg! Mittelkürzungen bedrohen AIDS-Arbeit in NRW Es gilt das gesprochene Wort Julia Ellen Schmalz Sehr geehrte Damen und Herren, die 14. Welt-AIDS-Konferenz in Barcelona im Juli diesen Jahres sowie die Bundespositivenversammlung in Bielefeld in der vergangenen Woche haben gezeigt, dass die HIV- und AIDS-Prävention immer noch das einzig erfolgversprechende Mittel gegen die Ausbreitung des Virus und der Immunschwächekrankheit AIDS ist. Auch wenn neue Medikamente die Therapie immer weiter optimieren, kann von einer Verharmlosung nur gewarnt werden. Obwohl mit den Kombinationstherapien große Erfolge in der Verbesserung der Lebensbedingungen von AIDS-Erkrankten erzielt werden konnten, besteht hier immer die Gefahr von Resistenzen, da das Virus sich verändert und widerstandsfähig gegen einzelne Medikamente wird. In Barcelona wurde eine US-amerikanische Studie vorgestellt, die erschreckende Zahlen zu HIV- Neuinfektionen bei schwulen Männern unter 30 Jahren nennt. Diese Nachricht deckt sich beispielsweise mit den Beobachtungen der AIDS-Hilfe Essen, bei der sich in den letzten vier Wochen elf junge Männer mit einer HIV-Neuinfektion gemeldet haben. Auffällig hierbei war, dass in der Vergangenheit noch nie in einem so kurzen Zeitraum so viele Erstkontakte vermerkt wurden die Neuinfektionsrate in Essen liegt bei etwa 40 pro Jahr zum anderen waren alle Betroffene schwule Männer unter bzw. um dreißig Jahre alt, der jüngste immerhin erst siebzehn. Mag es sich hier auch um ein zufälliges lokales Ereignis handeln, das sich statistisch nicht erhärten lässt, könnten aber die Prognosen von Experten zutreffen, dass der Anstieg von Lueserkrankungen Vorbote steigender HIV-Neuinfektionen seien. In der Tat sind in den letzten Monaten tatsächlich die Luesneuinfektionen dramatisch angestiegen. Das Robert-Koch-Institut in Berlin (RKI) kommt bei der Auswertung der Meldungen von Geschlechtskrankheiten zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Syphilisdiagnosen seit 2000 drastisch zugenommen hat; auch hier sind wiederum insbesondere schwule Männer betroffen. Dies zeigt sehr deutlich, dass wir mit der Prävention, insbesondere bei der Hauptbetroffenengruppe der schwulen Männer, aber auch im Frauen- und Drogenbereich, nicht nachlassen dürfen. Es besteht nach wie vor großer Bedarf an zielgruppenorientierter HIV-Prävention. Diese Erkenntnis steht im direkten Widerspruch zum Haushaltsentwurf 2003, den die nordrhein-westfälische Landesregierung in diesen Tagen in den Landtag einbringen wird. Wenn der geplante Etatansatz in der geplanten Weise verabschiedet wird, droht der Zusammenbruch zentralen Themenfelder der HIV- und AIDS-Prävention in NRW. Bevor Ihnen dies Herr Meyer konkreter erläutert, möchte ich Ihnen einige Stichpunkte zur Arbeit der AIDS-Hilfen unseres Landes erläutern. HIV und AIDS stellt an uns immer wieder neue Anforderungen. Seit der Gründung des Landesverbandes im Jahr 1986 haben sich die Bedarfe in der Prävention aber auch die Bedürfnisse der Menschen mit HIV und AIDS stark verändert. Um aktiv auf diese Veränderungen zuzugehen, hat die AIDS-Hilfe NRW im Jahr 2000 einen zweijährigen Leitbildprozess begonnen.

Als Ergebnis ist im vergangenen Monat das neue Leitbild beschlossen worden, das Sie in der Pressemappe finden. Der Landesverband und seine Mitgliedsorganisationen werden in den kommenden Jahren ihre Arbeit an den dort benannten Zielen, Aufgaben und Perspektiven orientieren. Ihnen und unseren Kooperationspartnern ermöglicht das Leitbild einen klaren Blick auf das Profil und die Zukunft der AIDS-Hilfe NRW. Neben der Zielgruppennähe und dem Engagement ihrer Mitglieder muss die Arbeit der meisten unserer regionalen Mitgliedsorganisationen, zumal wenn sie angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, auf einer soliden Finanzierung basieren, die durch die jeweiligen Kommunen mit gewährleistet wird. Es zeigt sich aber, dass sich bei einigen Mitgliedsorganisationen Probleme eingestellt haben, die durch regionalen Besonderheiten hervorgerufen wurden. Der AIDS-Hilfe Ahlen im Kreis Warendorf teilte die Kommune mit, dass die finanzielle Unterstützung bereits im laufenden Jahr auf Null gestrichen wird. Die AIDS-Hilfe Gelsenkirchen arbeitete lange Jahre mit einer permanenten Unterfinanzierung. Da es dem Verein nicht gelungen ist, eine solide finanzielle Basis auf die Beine zu stellen, wird sie ihre Arbeit zum 31.12. einstellen müssen. Die AIDS-Hilfe Bonn verhandelt seit Wochen mit der Stadt über die weitere Förderung. Hier bestehen unterschiedliche fachliche Auffassungen über die Arbeit mit den Zielgruppen. Auch in der AIDS-Hilfe Dortmund besteht Unklarheit darüber, ob die Stadt ihre bisher vertraglich zugesicherten Zuschüsse im kommenden Jahr weiter leisten wird. Auch bei den Mitgliedsorganisationen, deren Förderung durch die Kommunen noch gewährleistet ist, muss das nicht so bleiben. Wir müssen die Vereine darauf aufmerksam machen, dass, wie die Beispiele zeigen, Kommunen nach mehrjähriger vertraglich vereinbarter Unterstützung nach Ablauf der Vertragsfrist immer wieder die gesamte Förderung der AIDS-Hilfe in Frage stellen. Nur durch gezielte Lobbygespräche und eine transparente Darstellung ihrer Arbeit können die örtlichen AIDS-Hilfen die Kommunen davon überzeugen, sich nicht aus der finanziellen Förderung der Arbeit für und mit Menschen mit HIV und AIDS zurückzuziehen. An dieser Stelle möchte ich auf die aktuellen Infektionszahlen hinweisen. Aufgrund des vorliegenden statistischen Materials zum 30. Juni diesen Jahres schätzt das Robert-Koch-Institut in Berlin die epidemiologische Situation folgendermaßen ein: Insgesamt haben sich in Nordrhein-Westfalen seit 1982 13 000 bis 14 000 Menschen mit HIV infiziert, bundesweit sind es 60 000. Davon sind etwa 4 000 bereits an den Folgen von AIDS gestorben (bundesweit ca. 19 000). In NRW leben daher zur Zeit bis zu 10 000 Menschen mit dem HI-Virus (bundesweit sind es über 40 000), davon sind etwa 1 100 Menschen an AIDS erkrankt (bundesweit 5 000). In den kommenden Jahren ist in Nordrhein-Westfalen voraussichtlich mit ca. 400 bis 450 neuen HIV-Infektionen (bundesweit etwa 2 000) und etwa 150 bis 170 weiteren AIDS-Kranken (bundesweit ca. 700) jährlich zu rechnen. Die Zahl der jährlich Versterbenden deckt sich in etwa mit der Zahl der Neuerkrankten. 87 Prozent der AIDS-Erkrankten sind nach wie vor Männer; 13 Prozent sind Frauen; rund 0,6 Prozent sind Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 14 Jahren. Bei den HIV-Neuinfektionen beträgt der Anteil der Männer etwa 75 Prozent, der Anteil der Frauen ca. 25 Prozent. Die Zahl der Menschen, die in unserem Land mit dem HI-Virus leben und aufgrund der Medikamente noch nicht an AIDS erkrankt sind, steigt, im vergangenen Jahr konkret etwa um 800. Mit dieser steigenden Zahl wächst aber auch die Zahl der Menschen, bei denen sich andere Menschen potentiell anstecken könnten. Der Erfolg der Kombinationstherapien darf daher auf keinem Fall eine Verringerung der Präventionsarbeit nach sich ziehen, im Gegenteil!

Anfang diesen Jahres hatten profilierte Mediziner in der HIV-Therapie geäußert, die Therapie an sich sei derzeit der beste Präventionsansatz, da durch die gesenkte Viruslast die Menschen weniger infektiös seien. Wir widersprechen entschieden der Äußerung, Therapie sei derzeit die beste Prävention, vielmehr ist die Prävention nach wie vor»die beste Therapie«! Der Stellenwert der HIV-Prävention muss auch angesichts der Erfolge der Therapie beibehalten und verstärkt werden. Wir möchten in diesem Zusammenhang auf eine Reihe von Umständen im Umfeld von HIV und AIDS hinweisen, die unbedingt verändert werden müssen: Immer noch bekommen Menschen mit einer HIV-Infektion Probleme, wenn andere von ihrer Erkrankung erfahren. Für Menschen mit z.b. durch Krankheit - eingeschränktem Leistungsvermögen gibt es kaum Arbeitsplätze. Chronische Erkrankungen führen oft zum Verlust des Arbeitsplatzes. Chronisch kranke Menschen ohne Arbeit müssen dauerhaft von Sozialhilfe leben. Menschen mit HIV ist die Möglichkeit, private Zusatzversicherungen abzuschließen, versperrt. Viele Ärzte überweisen aus Unwissenheit Menschen mit HIV zu spät an Schwerpunktpraxen und behandeln sie falsch. Als Nebenwirkung der HIV-Medikation entstehen neue Krankheitsbilder, z.b. Lipodystrophie, die noch nicht als Krankheit anerkannt ist. Die ambulante pflegerische Versorgung für schwerst Pflegebedürftige ist absolut unzureichend. Auch wenn die Anzahl der von HIV und AIDS betroffenen Menschen in Deutschland erfreulicherweise nicht zuletzt durch unsere erfolgreiche Präventionsarbeit nur langsam steigt, verbietet es sich, AIDS zu banalisieren bzw. zu bagatellisieren. Die Verbesserung der gesundheitlichen Situation und die Lebensverlängerung vieler an AIDS Erkrankter durch die optimierte medizinische Behandelbarkeit bedeutet leider auch eine verschlechterte soziale und materielle Absicherung. Dies belegen die Anträge auf Hilfe in sozialen Notlagen, die bei der Deutschen AIDS-Stiftung in Bonn eingegangen sind. Im Jahr 2001 waren es 4 380 Einzelfallhilfeanträge, davon 834 aus Nordrhein-Westfalen. Bevor ich jetzt an unseren Landesgeschäftsführer übergebe, möchte ich noch kurz an unsere Pressekonferenz im vergangenen Jahr erinnern. Wir hatten an dieser Stelle darüber berichtet, dass sich die AIDS-Hilfe NRW verstärkt dem Thema Interkulturelle Arbeit widmen würde. Aktuell bearbeiten der Landesverband und seine Mitgliedsorganisationen über 20 Projekte in den Themenfeldern Interkulturelles, Migration und Internationales. Sie reichen vom Aufbau von Selbsthilfestrukturen für HIVpositive Migrantinnen und Migranten in der AIDS-Hilfe Duisburg / Kreis Wesel über zielgruppenspezifische Präventionsangebote für schwule Migranten muslimischer Herkunft in der AIDS-Hilfe Essen bis zu internationalen Kooperationen mit Organisationen in Südafrika in der AIDS-Hilfe Bonn und der AIDS-Hilfe Wuppertal. Darüber hinaus wurde in der Landesgeschäftsstelle ein Schwerpunkt für die zielgruppenübergreifenden Fragen der interkulturellen Arbeit eingerichtet, der die Vernetzung der interkulturellen Arbeitsansätze innerhalb des Verbandes und die Kooperationen des Landesverbandes mit Migrantenorganisationen vorantreiben wird. Die landesweite Veranstaltung zur Weiterentwicklung interkultureller Arbeitsansätze im Bereich»Schwule Prävention«, die wir für den Herbst geplant hatten, kann wegen der Haushaltssperre leider nicht stattfinden.

Dirk Meyer Meine Damen und Herren, der in dieser Woche vom Finanzminister in den Landtag eingebrachte Haushaltsentwurf für das Jahr 2003 sieht Einsparungen bei Förderprogrammen in Höhe von etwa 470 Mio. vor. Zur Orientierung: der Anteil des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit (MFJFG) macht etwa 4% vom Gesamtetat des Landes aus. Das zu erbringende Einsparvolumen des MFJFG beträgt dagegen 12% (!) und im Bereich AIDS sollen 16% (!!) eingespart werden. Dabei verändert sich der Etatansatz»AIDS«mit etwa 3,75 Mio. formal gesehen von 2002 auf 2003 nicht. Aus dem Etat muss allerdings als zusätzliche Ausgabe die Einzahlung in die so genannte»hiv-stiftung«auf Bundesebene zugunsten der Opfer des Bluter-AIDS-Skandals, das heißt durch verseuchte Präparate und Bluttransfusionen Infizierte, in Höhe von 600 000 erfolgen. Diese 600 000 werden auch 2004 und 2005 den Etat belasten. Daher sollen 600 000 in anderen Bereichen aus laufenden Förderungen gekürzt werden, was einem Kürzungsvolumen von 16% entspricht. Darüber hinaus erfolgt im Drogenetat zusätzlich eine Kürzung um 200 000 für den Bereich»AIDS & Drogen«. Vergleicht man den Etatansatz»AIDS«von 3,75 Mio. mit dem aus dem Jahr 1997, der umgerechnet etwa 6,06 Mio. enthielt, können wir von einer Kürzung des Etatansatzes von knapp 40% (exakt 38%) innerhalb von fünf Jahren sprechen. Und das bei steigenden Anforderungen. Für die AIDS-Arbeit in Nordrhein-Westfalen bedeuten diese Kürzungen konkret: Die Förderung von vier Fachstellen in der Mobilen Psychosozialen Betreuung und von fünf Fachstellen im Bereich Streetwork soll vollständig eingestellt werden. Dies beträfe in unserem Verband die AIDS- Hilfe Bonn, die AIDS-Hilfe Düsseldorf gleich doppelt, die AIDS-Hilfe Duisburg / Kreis Wesel und das Stricherprojekt Looks in Köln, deren Arbeit jedoch weit über die Region hinaus greift. Die Förderung in diesen Bereichen belief sich bisher auf bis zu 22 000 je Stelle. Die Förderung der Zielgruppenprävention soll um 370 000 gekürzt werden. Statt 690 000 stehen 2003 nur noch 320 000 zur Verfügung, was einer Kürzung um 55% entspricht. Das bedeutet, dass eine Reihe von Maßnahmen akut gefährdet sind. Wiederum sind die Regionen Düsseldorf und Köln und das Ruhrgebiet besonders betroffen. Die beispielhafte Präventionskampagne»Herzenslust«für schwule Männer müsste erheblich eingeschränkt werden. Im Etatansatz»Drogen und Sucht«sind folgende Kürzungen vorgesehen: Das Landesprogramm»Drogen und AIDS«wird eingestellt. Dies beinhaltet die anteilige Förderung von zwölf Fachstellen in der Drogenhilfe. Auf diese Weise sollen 200 000 eingespart werden. Die Förderung der Drogenselbsthilfe soll von 640 000 auf 440 000 reduziert werden. Insbesondere die Förderung regionaler Projekte, zum Beispiel in Düsseldorf, Duisburg, Dortmund und Köln, sollen von 255 000 auf 105 000, also um 60%, reduziert werden. Indirekt betroffen wird die AIDS-Arbeit durch die Einstellung der Förderung ambulanter Hospizdienste, die bisher 680 000 umfasste. Was es bedeutet, mit diesen Kürzungen weiter arbeiten zu müssen, hat uns bereits die Haushaltssperre des Finanzministers Steinbrück seit Mai diesen Jahres vor Augen geführt. Zahlreiche Projekte in der Zielgruppenprävention konnten schon 2002 nicht vollständig umgesetzt werden. So zum Beispiel die Erstellung des Infopools»Frauen und AIDS in NRW«sowohl als Broschüre als auch in der Onlineversion oder das Selbsthilfeprojekt für positive Frauen der AIDS-Hilfe Bielefeld, Präventionsprojekte für schwule Männer, teilweise speziell für schwule Jugendliche, in Bielefeld, Gelsenkirchen, Köln und Oberhausen und Präventionsworkshops für Ehrenamtliche im Rahmen unserer Herzenslust-Kampagne.

Außerdem gab es Einbußen in der Landesarbeitsgemeinschaft»Jugend und Prävention«sowie in der Positivenselbsthilfe, hier wurden die Mittel ab 30.09. auf Null gestrichen, so dass die in diesem Zeitraum geplanten Positiventreffen in NRW gefährdet sind. Auch der Haushaltsansatz 2003 wird nicht ausreichen, die Arbeit der Positivenselbsthilfe zu sichern. Uns als Landesverband zwingt dies in die Abwägung, die landesweiten Positiventreffen zum Beispiel auf Kosten von Präventionsmaßnahmen stattfinden zu lassen. Es ist in unseren Augen absurd und unerträglich, die Unterstützung und Solidarität zugunsten von Menschen mit HIV und AIDS gegen unsere kontinuierlichen Anstrengungen in der Prävention aus zu spielen. Die AIDS-Hilfe NRW wendet sich entschieden gegen den durch die Haushaltspläne der Landesregierung absehbaren sozialen Kahlschlag. Gemeinsam mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege, insbesondere mit unserem Spitzenverband, dem Paritätischen Landesverband NRW, warnen wir vor massiven Kürzungen im Sozialbereich. Abgesehen von den zu erwartenden Folgekosten, haben die Menschen in unserem Land Anspruch auf eine ausreichende HIV- und AIDS-Prävention. Jede HIV-Neuinfektion ist eine zuviel. Ohne Prävention verlieren wir alle. Unter dem Motto»Säge weg!«fordern wir die im Landtag vertretenen Fraktionen auf, gegen die faktischen Kürzungen im AIDS-Etat zu Lasten der Zielgruppenprävention und der Positivenselbsthilfeförderung zu stimmen, damit die Erfolge in der Präventions- und Selbsthilfearbeit nicht gefährdet werden. Denn ohne die Fortsetzung der erfolgreichen HIV-Prävention verlieren wir alle. Wir verlieren Lebensqualität, denn Prävention bedeutet immer mehr als Kondome! HIV-Prävention im Rahmen der Landeskampagne HERZENSLUST unterstützt gerade in der schwulen Szene fantasievolle Aktionen, die Lebenslust und Vielfalt in den Vordergrund stellen. Wir verlieren Solidarität, denn das Engagement vieler, meist ehrenamtlicher Menschen aus dem Umfeld der AIDS-Hilfen hat in der Vergangenheit ein großes Netzwerk für Menschen mit HIV und AIDS geschaffen. Viele Strukturen in der Gesundheitsselbsthilfe und der Schwulenbewegung wären ohne diese nicht denkbar. Wir verlieren Gesundheit, denn eine vielfältige Prävention hilft, HIV-Infektionen und andere Krankheiten zu verhindern. Trotz aller medizinischer Fortschritte ist sind Medikamente keine Alternative. Das beste Mittel gegen AIDS bleibt Prävention. Wir verlieren Menschen, denn AIDS ist nach wie vor eine tödliche Krankheit. Trotz aller Heilungsfantasien sterben immer noch Menschen an den Folgen von AIDS: weltweit, in Europa, in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen. Guido Schlimbach Pressesprecher Fon 0221 925996-17 Fax 0221 925996-9 Mail to guido.schlimbach@nrw.aidshilfe.de AIDS-Hilfe NRW e.v. Hohenzollernring 48 50672 Köln http://nrw.aidshilfe.de BfS Köln Konto 811 76 00 BLZ 370 205 00