Bergwacht Bayern Rettung mit Dyneemaseil

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Transkript:

Bergwacht Bayern Rettung Grundausbildung Notfallmedizin 12 / 2007

Bergwacht Bayern Rettung Disclaimer Auch dieser Leitfaden kann nicht ohne Fehler sein. Im Sinne eines kontinuierlichen Prozesses soll er weiter verbessert und erweitert werden. Korrekturvorschläge bitte an folgende e-mail Adresse: bw-zsa@bergwacht-bayern.org / Betreff: Leitfaden Rettung. Die Rückmeldungen werden gesichtet, geprüft und ggf. in eine neue Auflage des Leitfadens aufgenommen.

Rettung Vorwort In der bodengebundenen Bergrettung spielt das Gewicht der Rettungsmittel eine nicht unbedeutende Rolle, insbesondere wenn im Falle eines Bergrettungseinsatzes eine Hubschrauberunterstützung nicht möglich ist und das Rettungsgerät an die Unfallstelle getragen werden muss. Nachdem sich bei Untersuchungen an der Technischen Universität Stuttgart erhebliche Festigkeitsmängel bei Stahlseilen ergaben, die bis dahin für Rettungszwecke eingesetzt wurden, kamen in der Bergrettung Halbstatikseile zum Einsatz. Das große Gewicht und Volumen der halbstatischen Seile stellte die Bergretter auf Dauer nicht zufrieden. Vor allem bei Rettungseinsätzen an hohen Wänden mit langen Ablassstrecken waren die tragbaren Seillängen zu kurz, so dass häufig eine Seilverlängerung erforderlich war. Ein Festigkeitsverlust durch die Seilverbindung, insbesondere wenn die Seile verknotet wurden, und die Gefahr des Verhängens der Seilverlängerung im Gelände musste in Kauf genommen werden. Ein Wechsel des Standplatzes ist in den meisten Fällen nicht möglich und stellt auch sonst keine wirkliche Alternative dar. Andreas Dahlmeier und Bernhard Adam von den Bergwacht Bereitschaften Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald begannen deshalb nach Alternativen zu suchen. Dazu formulierten sie als erstes folgende Zielsetzungen: 1. Die Festigkeit des Materiales sollte den gängigen Sicherheitsstandards entsprechen und für die geplanten Rettungsverfahren hohe Festigkeitsreserven aufweisen. Belastung über scharfe Kanten aufweisen, als es bei den bisher eingesetzten Stahl- und Halbstatikseilen der Fall ist. 3. Beschädigungen am Seil sollen leicht feststellbar und augenfällig sein. 4. Eine redundante Verfahrenstechnik muss möglich sein. 5. Einerseits soll das Seil voll statisch wirken, so dass Kraft- und Höhenverluste aufgrund von Dehnung vermieden werden. Andererseits sollte bei den nicht völlig auszuschließenden Sturzmöglichkeiten der Fangstoß für Retter und Patient akzeptabel sein und in etwa dem entsprechen, wie er für das Begehen von Klettersteigen definiert ist. 6. Das Rettungsverfahren sollte einfach und auch an großen Wänden sinnvoll einsetzbar sein. 7. Eine deutliche Gewichtsersparnis gegenüber den bisher angewandten Verfahren wird gewünscht. In der in Folge dargestellten Verfahrenstechnik Rettung mit Dyneemaseil konnten alle Zielvorgaben verwirklicht werden. Auch wurde dieses Verfahren bei einigen Rettungseinsätzen der Bergwacht Bayern mit Erfolg eingesetzt. Ein sichheitstechnisches Gutachten wird derzeit von der Produktservicestelle des TÜV Südbayern erstellt. 2. Die Seile sollen eine höhere Bruch- und Scherfestigkeit bei Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 3

Rettung Inhalt Vorwort 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 Rettung................. 05 Eigenschaften von Dyneema...............06 Der Einsatz von Dyneema in der Bergrettung............................ 06 3.1.3.3 3.1.3.3.1 3.1.3.3.2 3.1.3.3.3 3.1.3.4 3.1.3.4.1 3.1.3.4.2 3.1.3.4.3 3.1.3.5 3.1.3.5.1 3.1.3.5.2 3.1.3.5.3 3.1.3.5.4 3.1.3.5.5 Der Dyneema-Bergrettungssatz........... 07 Standardausrüstung....................... 07 Zusatzausrüstung......................... 07 Verlängerungssatz........................ 07 Verankerungen für die Rettung mit Dyneema........................... 08 Die Bohrhakenverankerung................. 08 Die Verankerung an Bäumen................ 08 Die Blockverankerung..................... 09 Dyneemaseilrettung nach unten........... 10 Abfahren en................ 10 Der Flaschenzug.......................... 11 Aufhängung für Retter und Patienten.......... 11 Einsatz von Rettungsdreieck und Gebirgstrage... 12 Seilverlängerung bei Dyneemaseilen........... 13 3.1.3.6 Rettung en nach oben...... 13 Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 4

Rettung 3.1.3 Rettung Fachbereich: Bodenrettung Ausbildungsstufe: Grundausbildung Stand: 10 / 2008 Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 5

3.1.3.1 Eigenschaften von Dyneema Dyneema ist eine hochfeste Kunststofffaser und wurde vom holländischen Chemiekonzern DSM entwickelt. Diese extrem glatte Polyethylen-Faser ist bei gleichem Gewicht zehnmal zugfester als Stahl und 40 % fester als Aramid. Zudem zeichnet sie sich durch eine lange Haltbarkeit aus, die sich aufgrund einer hohen Resistenz gegen Abrieb, Feuchtigkeit, UV-Strahlung und Chemikalien ergibt. Dyneemaseile sind voll statisch und weisen eine geringere Dehnung als Stahlseile auf. Der einzige Wehrmutstropfen in der Gesamtbetrachtung ist die niedrige Hitzebeständigkeit. Der Schmelzpunkt der Faser liegt bei ca. 140 C und bereits ab 75 C können Schädigungen an der Faser auftreten. Verwendung findet Dyneema unter anderem bei der Herstellung von Tauen, Fischernetzen, kugelsicheren Schutzwesten und der Armierung von schusssicheren Türen. Seit einigen Jahren hat die Faser auch Einzug im Klettersport in Form von vernähten Bandschlingen gehalten. 3.1.3.2 Einsatz von Dyneema in der Bergrettung Dyneemaseile gibt es als Kerngeflecht und als Kernmantelkonstruktion. Derzeit wird der Kernflechtkonstruktion beim Bergrettungseinsatz der Vorzug gegeben, da diese Seile bei einem Durchmesser von 8 mm eine Zugfestigkeit von ca 70 kn aufweisen und uneingeschränkt für den Einsatz von Klemmgeräten wie z. B. TIBLOC geeignet sind. Bei den modernen Dyneemakernmantelkonstruktionen tritt das Problem der großen Mantelverschiebung nicht mehr auf, dennoch ist die Zugfestigkeit aufgrund des Mischgewebes beim Seilmantel erheblich niedriger als bei Voll-Dyneemaseilen. Zudem führt der Einsatz von Klemmgeräten bei Kernmantelkonstruktionen zum Riß des Seilmantels bei einer Belastung von ca. 4 kn. Die geringe Knotenfestigkeit der kerngeflochtenen Dyneemaseile kann in der planmäßigen Bergrettung vernachlässigt werden, da ausschließlich Seile mit gespleissten Seilenden zum Einsatz kommen. Es ist darauf zu achten, dass der Spleiß von zertifizierten Seilherstellern durchgeführt wird und das Spleißende vernäht ist. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 6

3.1.3.3 Der Dyneemaseil-Bergrettungssatz 3.1.3.3.1 Standardausrüstung 3.1.3.3.2 Zusatzausrüstung 3.1.3.3.3 Verlängerungssatz Der Standard-Ausrüstungssatz der Bergwacht Bayern für die Rettung mit einem Dyneemaseil setzt sich zusammen aus: 2 Transportrucksäcke 2 200 m Dyneemaseil, 8 mm Durchmesser, beide Enden gespleißt 6 HMS-Stahlkarabiner mit Dreiwegeverschluss 3 Bandschlingen 60 cm (22 kn) 4 Bandschlingen 120 cm (22 kn) 13 ovale OK-Karabiner (Petzl) mit Dreiwegeverschluss 1 Rigging-Platte groß (45kN) 1 Rigging-Platte klein (45 kn) und 4 fest installierte Badfalldämpfer (max. Fallhöhe 4 m, Fangstoß 6 kn) 1 Flaschenzug (Petzl) 2 TIBLOC 1 Rucksack 1 Halbstatikseil, 10 mm. 40-60 m 1 Steigklemme 1 I D (Petzl) 1 Umlenkplatte (Kantenschutz) 2 Plastikkanister (verhängungsfreier Wiederaufzug der Seile) Je nach Einsatzgelände ist für den Verankerungsbau zusätzlich erforderlich: 1 Bohrmaschine und Bohrhaken oder 1 Seil für Blockverankerung In Einsatzbereiche mit sehr hohen Wänden bzw. mit langen Ablassstrecken können bereits im Standar-Ausrüstungssatz Dyneemaseile mit einer Länge von 400 m vorgehalten werden. Sollten im Einzelfall auch diese Seile zu kurz sein, kann mit einem zweiten Seilsatz verlängert werden: 2 Transportrucksäcke 2 200 m bzw. 400 Dyneemaseile, 8 mm Durchmesser, beide Enden gespleißt 2 Stahl-Schließringe (90 kn) Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 7

3.1.3.4 Verankerungen für die Rettung mit Dyneemaseil 3.1.3.4.1 Die Bohrhakenverankerung Je nach den Gegebenheiten, die im Einsatzgelände vorgefunden werden, stehen drei Möglichkeiten für den Aufbau einer Verankerung zur Rettung zur Verfügung: 1. Bohrhakenverankerung 2. Verankerung am Baum 3. Blockverankerung Drei solide gesetzte Bohrhaken mit einer Mindestlänge von 7 cm (gemäß Norm für Bohrhaken) bilden die Basis. Die Verlängerung der Bohrhakenfixpunkte mit Bandschlingen (120 cm) dient zum einem, dass die Bohrhaken mit ausreichendem Abstand gesetz werden können, zum anderen verhinden sie, dass der Wirkungsgrad der anschließenden Ausgleichsverankerung durch zu stumpfe Winkel beeinträchtigt wird. Die Ausgleichsverankerung wird aus zwei Bandschlingen (60 cm) gebildet. Damit wird die Belastung auf die drei Bohrhakenfixpunkte gleichmäßig verteilt. Die Festigkeit von zwei Bandschlingen entspricht der Festigkeit der zwei Dreiwegeverschlusskarabiner, die die Verbindung zur großen Rigging-Platte herstellen. 3.1.3.4.2 Die Verankerung an Bäumen Da in Waldgebieten oftmals solide Felsformationen fehlen, bilden gesunde Bäume meist die einzige Möglichkeit eine Verankerung für den Dyneemseileinsatz zu bauen. Durch zwei getrennte Aufhängungen für die große Rigging-Platte wird auch hier eine Redundanz der Verbindungsmittel erzielt. Steht im Einzelfall kein ausreichend massiv gewachsener und verwurzelter Baum zur Verfügung, kann die Verankerung auch auf zwei Bäume verteilt werden. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 8

3.1.3.4.3 Die Blockverankerung Ausreichend groß dimensionierte Felsblöcke oder große Felsköpfe mit solider Felsqualität bilden die dritte und sehr elegante Möglichkeit eine Verankerung für die Rettung herzustellen. Dynamische Einfachseile oder Halbstatikseile mit einem Mindestdurchmesser von 10 mm können hier zum Einsatz kommen. Das Seil wird dabei in einen der beiden Karabiner, die die Aufhängung der Rigging-Platte bilden, eingeknotet und anschließend um den Block geführt und in den selben Karabiner mit einer Knotenschlinge wieder eingehängt. Nach einer zweiten Umrundung des Blockes wird das Seil in den zweiten Karabiner der Rigging-Plattenaufhängung eingeknotet. Mit einer dritten Seilumfassung des Blockes wird der zweite redundant wirkende Seilring fertiggestellt. Diese Technik kann auch in bewaldeten Gebieten zum Einsatz kommen, wenn zum einen die Bäume zu mächtig und die Längen der Bandschlingen zu gering sind, oder die Verankerung auf zwei Bäume aufgeteilt werden muss und sich unterschiedlich lange Wegstrecken ergeben. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 9

3.1.3.5 Dyneemaseilrettung nach unten 3.1.3.5.1 Abfahren en Die Suche nach einer Ablassbremse, die auch für den Einsatz von Dyneemaseilen geeignet ist, gestaltete sich nicht ganz einfach. Die Ursachen hierfür sind zwei markante Eigenschaften von Dyneema: Die geringe Hitzebeständigkeit zum einen und die extrem glatte Oberfläche zum anderen. Alle auf dem Markt befindlichen Ablassbremsen, die auch für Seildurchmesser von 8 mm geeignet sind, wurden getestet. Dabei stellte man fest, dass die Bremskraft zu gering und die Erwärmung der Bremsgeräte für eine Dyneemaseilanwendung zu hoch ist. Für die Rettung bietet der Doppelte-HMS- Knoten folgende Vorteile: 1. Bremskraft im Einzelstrang ca. 7,5 kn. Bei redundanter Doppelseilanwendung 15 kn. 2. Die Erwärmung der HMS-Stahlkarabiner bleibt auch bei langen Abfahrtsstrecken im unkritischen Bereich. 3. Einfache und gewohnte Handhabung, da der Knoten bekannt ist und sich Synergieeffekte mit der behelfsmäßigen Bergrettung ergeben. Im Rettungseinsatz werden zwei Retter oder ein Retter und ein Notarzt zum Verunfallten bzw. zur verunfallten Seilschaft abgelassen. Die Bremskraft der beiden doppelten HMS-Knoten ist völlig ausreichend um eine Zweierseilschaft zu retten und mit vier Personen weiter bis zum Wandfuß zu fahren. Die beiden HMS-Karabiner müssen aus Stahl sein und über einen Dreiwegeverschluss verfügen. Hintersichert (Todmannsicherung) wird das Ablassen mit einer fixierten Prusikschlinge. Der Prusikknoten zeigt am Doppelstrang hervorragende Klemmwirkung. Zum Blockieren der beiden Seilstränge kann ein vorbereiteter Flaschenzug mit Rücklaufsperre eingesetzt werden oder die doppelten HMS-Knoten werden direkt mit einem Schleifknoten fixiert. Die Seilenden sind in den Transportrucksäcken fixiert, so dass ein versehentliches Durchlaufen der Seilenden ausgeschlossen ist. Letztendlich blieben der HMS-Knoten und der Doppelte-HMS- Knoten über. Der Doppelte-HMS-Knoten erfreut sich im Bereich der behelfsmäßigen Bergrettung bereits seit geraumer Zeit hoher Beliebtheit. Seine Vorzüge sind völlige Krangelfreiheit des Seils beim Ablassen und in Kombination mit dem HMS-Knoten eine einfache Bremskraftvariation. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 10

3.1.3.5.2 Der Flaschenzug 3.1.3.5.3 Aufhängung für Retter und Patienten Bei fast allen Bergrettungseinsätzen können Situationen auftreten, bei denen die Seile entweder blockiert oder sogar ein kurzes Stück wieder aufgezogen werden müssen. Für diese Zwecke sollte stets ein fertiger Flaschenzug mit Rücklaufsperre bereitgehalten werden, der dann im Bedarfsfall in das mittlere Loch der großen Rigging-Platte eingehängt wird. Am anderen Ende sorgt eine kleine Ausgleichsverankerung für eine halbierte Lastverteilung auf die beiden TIBLOC Seilklemmen und Seilstränge. Als Aufhängung für Retter, Bergegerät und Patienten dient eine kleine Rigging-Platte, in der auf der einen Seite die zwei gespleißten Dyneemaseilenden mit jeweils einem Stahlkarabiner fixiert sind. In den unteren Lochbohrungen der kleinen Riggin- Platte befinden sich vier mit Schließringen (25 kn) fest installierte Bandfalldämpfer (Fangstoß 6 kn). Ein Bergretter ist fix mit der Bergwacht-Rettungsschlinge eingehängt. Der zweite Bergretter hängt an einem Selbstflaschenzug mit dem selbstblockierenden Ablassgerät I D (Petzl). Das Restseil (40 m bis 60 m) ist lose im Rucksack verstaut und ist am Ende mit einem Knoten versehen, damit ein versehentliches Hinausseilen über das Seilende nicht möglich ist. Im Bedarfsfall kann sich so der Bergretter bis zur halben Länge des mitgeführten Seils von der Dyneemaseilaufhängung entfernen und wieder aufsteigen. Für den Fall, dass er dabei in sehr steiles Gelände oder in eine freihängende Situation gerät, führt dieser immer eine Steigklemme und eine Bandschlinge (120 cm) mit sich. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 11

3.1.3.5.4 Einsatz von Rettungsdreieck und Gebirgstrage Je nach Gelände und Verletzungsbild bietet sich für den Patiententransport das Rettungsdreieck oder die Gebirgstrage an. Kommt das Rettungsdreieck zum Einsatz, wird ihr Aufhängepunkt mit einer 17 cm bis 20 cm langen Expressschlinge in einen freien Fallbanddämpfer eingehängt. Als Karabiner werden hierfür zwei Stahlkarabiner mit Dreiwegeverschluss verwendet. Mit zwei längenverstellbaren Bergwacht-Selbstsicherungsschlingen, die wiederrum gegenläufig in den Sicherungsring des Rettergurtes eingehakt sind, wird der Patient verrutschsicher in der optimalen Position gehalten. Das Dyneemaseil-Rettungskonzept der Bergwacht Bayern ist auf vier Personen plus Rettungsgerät für den Patienten ausgelegt. Wird nach der medizinischen Versorgung des Patienten mit vier Personen zum Wandfuß abgefahren, ist es sinnvoll, dass sich der Bergretter am Selbstflaschenzug und der unverletzte Seilpartner in unterschiedlichen Längen an der Dyneemaseilaufhängung fixieren. Somit wird eine gegenseitige Behinderung vermieden. Vor allem an Geländekanten macht sich dies vorteilhaft bemerkbar. Ist aus medizinischer Sicht ein Liegendtransport indiziert und kommt deshalb die Gebirgstrage zum Einsatz, fixiert sich einer der Bergretter mit der längenverstellbaren Bergwacht-Selbstsicherungsschlinge so in die Dyneemaseilaufhängung, dass die Kufe der Gebirgstrage etwa auf Hüftknochenhöhe ist. Der zweite Bergretter ist idealerweise bereits mit der Selbstseilrolle fixiert und kann sich die ideale Aufhängelänge stufenlos einstellen. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 12

3.1.3.5.5 Seilverlängerung bei Dyneemaseilen Bei extremen Situationen mit sehr langen Ablassstrecken, wird es immer wieder vorkommen, dass die Länge des vorgehaltenen Dyneemaseilsatzes nicht ausreicht. In so einem Fall ist es möglich, das gespleißte Ende des einen Dyneemaseiles mit dem eines zweiten Dyneemaseiles mit einem hochfesten Schließring (90 kn) zu verbinden. Eine Schwachstelle im System ist somit ausgeschlossen. Selbst Knickbelastungen der Schließringe über Kanten stellen bei den zu erwartenden Krafteinwirkungen kein Sicherheitsrisiko dar. Da die Schließringe nicht durch die doppelten HMS-Knoten rutschen, wird solange abgelassen, bis die Schließringe an den doppelten HMS-Knoten anstehen. Mit dem vorbereiteten Flaschenzug werden die doppelten HMS-Knoten entlastet und die Dyneemaseile blockiert. Jetzt können die doppelten HMS- Knoten umgehängt werden und die Schließringe sich nach den Bremsknoten befinden. Die Fixierung (Pro-Traction von Petzl) wird gelöst und der Flaschenzug solange nachgelassen, bis die doppelten HMS-Knoten die Last wieder übernommen haben. 3.1.3.6 Rettung nach oben Ausblick Die Firma Tyramont hat soeben eine zweispulige Faserseilwinde entwickelt, die kompatibel en ist. Einer Rettung nach oben steht somit nichts mehr im Wege. Spannend bleibt es, was sich auf dem Motorwindenmarkt für die Dyneemaseilanwendung noch ergeben wird. Ankündigungen gibt es einige. Grundausbildung Bodenrettung 10 / 2008 13

Bergwacht-Zentrum für Sicherheit und Ausbildung Am Sportplatz 6 83 646 Bad Tölz bw-zsa@bergwacht-bayern.org www.bw-zsa.org Grundausbildung Notfallmedizin 12 / 2007 5