Mitteilungen. 20 Jahre Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. Heft 7 5. Jahrgang / 2018

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Transkript:

Mitteilungen der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. Heft 7 5. Jahrgang / 2018 20 Jahre Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. 1

Mitteilungen der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V., Heft 7, 5. Jahrgang / 2018 Im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/1081082208 Impressum Redaktion: Peter Lingens (Redaktionsschluss Juli 2018) Umschlag: Nachbildung des Benn-Portraits von Else Lasker-Schüler, 1913 (Peter Reinke, Osnabrück) Fotos: Peter Lingens, privat, Archiv Brieler Druck: dokuprint, Frankfurt am Main Copyright bei den Autoren und bei der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V., vertreten durch den 1. Vorsitzenden Postanschrift: Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. c/o Buchhandlung zum Wetzstein Salzstraße 31 79098 Freiburg i. Br. E-Mail: info@gottfriedbenn.de Internet: www.gottfriedbenn.de 2

Geleitwort Kein Verfasser ist größer als das Interesse für sein Werk. Und die Familie Gottfried Benns ist aus dieser Perspektive für die intensive Arbeit der Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. sehr dankbar. Wir verstehen sehr wohl, dass ein so großer Verfasser umstritten sein muss, und wir sehen auch, dass versucht werden könnte, das Werk Gottfried Benns politisch oder in anderer Weise zu missbrauchen. Wir wissen, dass die Gottfried-Benn-Gesellschaft sich gegen solche Missbräuche einsetzen würde. Auch in dieser Hinsicht sind wir der Gottfried-Benn-Gesellschaft sehr dankbar. In 20 Jahren hat die Gottfried-Benn-Gesellschaft mit Energie und Einsicht sowohl für die Verbreitung als auch für das Verständnis des Werkes meines Großvaters erfolgreich gearbeitet. Auch in seinem Namen spreche ich unseren herzlichsten Dank aus. Vilhelm Topsøe Kobenhavn/Kopenhagen, im Juli 2018 3

1986 oder: Erinnerungen zur Vorgeschichte der Gottfried-Benn-Gesellschaft H. Sigurd Brieler Als das Gedenkjahr 1986 zum 100. Geburtstag von Gottfried Benn nahte, regte sich vielerorts eine literarische Betriebsamkeit, die durch Symposien, Lesungen und Vorträge u. a. in Marbach und in der Münchner Akademie sowie in den neuen Werksausgaben vom Fischer Verlag und vom Klett- Cotta Verlag ihren Ausdruck fand. Auch in Hamburg hatte sich schon früher ein kleiner Benn- Epigonenkreis um den Neurologen Will Müller-Jensen gebildet. In der Zeit nach dem Tod von Benn 1956 entstand durch ihn ein freundschaftlicher Kontakt zu Ilse Benn; er war häufig ihr Gast in Wolfsschlugen bei Stuttgart, und auch sie erwiderte den Besuch gern in der Hagedornstraße in Harvestehude. So nahm es nicht wunder, dass für die angedachte Gedenkveranstaltung zum 100. Geburtstag in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Ilse Benn als Ehrengast eingeladen wurde. Mit der Tochter aus Benns erster Ehe, Nele Sörensen, die aus Kopenhagen angereist war, erhielten diese Tage im Herbst 1986 in besonderer Weise ein persönliches Gepräge. (Abb. 1 und 2) Abb. 1: Ilse Benn (2. v. l.), Nele Sörensen (3. v. l.) und Will Müller-Jensen (r.) 4

Abb. 2: Ilse Benn mit H. Sigurd Brieler Neben anderen Vorträgen fand ein fiktives Zwiegespräch zwischen der Schauspielerin Ingrid Andree mit Will Müller-Jensen, gestaltet nach Gedicht- und Prosaworten von Else Lasker-Schüler und Gottfried Benn, besonderen Beifall. (Abb. 3) Abb. 3: Ingrid Andree und Will Müller-Jensen 5

Die Wortbeiträge der Tagung wurden später bei Königshausen & Neumann publiziert. Diese Zusammenfassung der damaligen Vorträge mussten die vier als Herausgeber tätigen Ärzte allein bestreiten, es war für heutige Verhältnisse eine einzige Zettelwirtschaft, bis alles zusammen getragen war. Nicht nur der Aufwand, auch die Kosten waren erheblich! Das fertige Buch Gottfried Benn zum 100. Geburtstag mit elf Beiträgen ist aber unter den damals erschienenen nicht das Schlechteste! 1 (Abb. 4) Abb. 4: Buch Gottfried Benn zum 100. Geburtstag 1 Will Müller-Jensen, Sigurd Brieler, Wolfgang Zangemeister und Jürgen Zippel (Hg.): Gottfried Benn zum 100. Geburtstag. Vorträge zu Werk und Persönlichkeit von Medizinern und Philologen in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzki. Würzburg 1989. [sic! Ossietzki statt Ossietzky] 6

Die Autorenhonorare wurden übrigens noch mit einer Flasche Spätlese Dürkheimer Hochbenn veredelt. (Abb. 5) Abb. 5: Wein-Etikett des Dürkheimer Hochbenn Auch nach diesen gelungenen Präsentationen war noch nicht an die Bildung einer Vereinigung oder gar einer Benn-Gesellschaft gedacht worden. Die Idee stammte ganz zweifellos von dem Literaturprofessor Joachim Dyck, der sich durch seine umfangreichen Veröffentlichungen über und zu Benn (z. B. Das Nichts und der Herr am Nebentisch 2 ) einen Namen gemacht hatte. Aus beruflichen Gründen konnte er damals in Hamburg leider nicht dabei sein, aber gelegentliche Treffen in seinem Haus in Bremen ließen später den Gedanken an einen Verein langsam reifen. Dyck, verschiedentlich als Associate Professor an amerikanischen Universitäten tätig, dachte zunächst an eine Art Benn-Society, um den Namen des Dichters auch in der Neuen Welt bekannter zu machen, verwarf diesen Vorschlag aber wieder, so dass Mitte der 90er Jahre die Gründung einer Gottfried-Benn-Gesellschaft ins Auge gefasst wurde. Alle Abbildungen: Privat / Archiv Brieler 2 Joachim Dyck: Das Nichts und der Herr am Nebentisch. 50 Gedichte mit einer Einleitung und einem biographischen Essay. Berlin 1986. 7

20 Jahre Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. Eine kurze Chronik der Jahre 1998 bis 2018 Peter Lingens Daten! Daten! Überall fehlen Daten! Briefe ohne solche, Dokumente ohne solche [ ] lässt Gottfried Benn gleich zu Anfang von Drei alte Männer den ersten Herrn sagen. Auch hier hatte der Namensgeber unserer Gesellschaft wieder einmal Recht. Überall fehlen Daten. So ist es auch nicht wirklich erstaunlich, dass nach 20 Jahren kaum noch jemand über die Anfänge der Gottfried-Benn- Gesellschaft Auskunft geben kann: Von den neun Gründungsmitgliedern sind manche verstorben; drei Gründungsmitglieder (Dyck, Hof, Sattler) wurden befragt, jedoch ohne dass Daten oder Unterlagen zutage gefördert werden konnten. Mehrere frühe und langjährige Mitglieder wurden ebenfalls befragt, jedoch auch hier waren keine Fakten aus der Zeit vor 2002/03 zu erhalten. 1 Die jeweiligen Jahreshauptversammlungen, ab 2008/09 mehrtägig mit Besichtigungsprogramm und Vorträgen, haben als Meilensteine in der Vereinschronik einen Erinnerungswert; zusätzlich kommen unregelmäßig Exkursionen und wissenschaftliche Tagungen hinzu. Nachfolgend eine Liste, die vor allem diese Versammlungen und Tagungen aufführt. Phase I 1998 4.10.1998: Gründung der Gottfried-Benn-Gesellschaft im Hotel Höpkens Ruh, Bremen, durch neun Gründungsmitglieder. Der damals gewählte Vorstand bestand aus dem Ersten Vorsitzenden, Prof. Dr. Joachim Dyck, dem Zweiten Vorsitzenden, Prof. Dr. Werner Rübe, sowie einer Schriftführerin und einer Kassenwartin. Angemeldet wurde der Verein beim Vereinsregister des Amtsgerichts Bremen schon am 5.10.1998. 2 (Abb. 1) 1999 Keine Überlieferung greifbar. 1 Der Verfasser dieser Liste trat im April 2002 in die Gesellschaft ein, ab dann sind alle Schreiben an die Mitglieder erhalten. Sollten Mitglieder die nachfolgenden Daten und Angaben ergänzen können, wäre der Vorstand für eine Mitteilung dankbar! 2 Das Gründungsprotokoll ist beim Vereinsregister des Amtsgerichts Bremen erhalten und liegt dem Vorstand nun in Kopie vor. 8

Abb. 1: Kopie der Anmeldung des Vereins beim Vereinsregister am 5.10.1998 9

2000 Wohl in diesem Jahr ging die erste Version unserer Vereins-Webseite online. 3 Sie war von der Bremer Agentur ewerk GmbH erstellt worden und ganz in Weiß mit violetten Design-Elementen gestaltet. Sie blieb in dieser Gestaltung bis Herbst 2007 in Gebrauch. Ansonsten keine Überlieferung greifbar. 2001 Keine Überlieferung greifbar. 2002 Im März 2002 schildert der Erste Vorsitzende Prof. Dr. Joachim Dyck: Die kleine Gesellschaft ist im Aufbau, und der Vorstand ist den vielen Anfragen, seit wir die Internet-Seite haben, noch nicht ganz gerecht geworden. Man plante aber bereits einen ersten Kongress und die Herausgabe eines Jahrbuchs. 4 16.12.2002: Mitgliederversammlung in Bremen, Hotel Höpkens Ruh. 2003 Das Benn Jahrbuch 1 erscheint bei Klett-Cotta unter Mitwirkung der GBG. Dezember 2003: Die GBG hat 71 Mitglieder. (Keine Mitgliederversammlung im Dezember, aber Ankündigung des Termins im Januar 2004.) 2004 16.1.2004: Mitgliederversammlung in Bremen, im Haus des Ersten Vorsitzenden Prof. Dr. Joachim Dyck. Darüber schreibt unser Mitglied Christa Wolff: Hans-Jürgen Blenskens und ich waren bei der Versammlung 2004 im Wohnzimmer von Prof. Dyck. [ ] Die Überraschung war groß, als 2004 fast 20 Personen teilnahmen. Ich weiß nicht mehr, wie wir im Zeitalter vor dem Internet überhaupt von der Sitzung erfahren hatten. Professor Dyck lernten wir dort kennen, Professor Rübe kannten wir durch die Biografie Benns Provoziertes Leben. An der Sitzung nahm auch Professor Brieler bereits teil. 5 3 Auf https://web.archive.org bzw. auf https://web.archive.org/web/*/gottfriedbenn.de findet man alte Fassungen unserer Vereinsseite; Auskunft in einer Mail von ewerk. 4 Brief des Vorsitzenden Prof. Dyck (an den Verfasser dieser Liste) vom 13.3.2002. 5 E-Mail des Mitgliedes Christa Wolff (an den Verfasser dieser Liste) vom 25.11.2017. 10

30.4. 2.5.2004: Bremer Gottfried Benn-Tage (darin die Tagung Gottfried Benn Rochaden zwischen Biographie und Werk ) unter Mitwirkung der GBG. (Abb. 2) Abb. 2: Die Flyer der ersten drei größeren Tagungen; rechts Bremen 2004, links Düsseldorf 2006, mittig Siegen 2011 11

Eintritt der GBG in die ALG (Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e.v.), bis ca. 2008/09. Das Benn Jahrbuch 3 erscheint bei Klett-Cotta unter Mitwirkung der GBG. 2005 22.1.2005: Mitgliederversammlung in Bremen, Villa Ichon. 18.11. 20.11.2005: Exkursion nach Bad Dürkheim zum Dürkheimer Hochbenn. Am Freitagnachmittag wurde die GBG vom Bürgermeister empfangen, am Abend hielt Prof. Dyck einen Vortrag über Benns Streit mit Börries von Münchhausen. (Abb. 3) Abb. 3: Etikett des Dürkheimer Hochbenn, speziell für die Exkursion der GBG vom Weingut Fitz-Ritter auf ihre Flaschen gebracht 2006 20.1.2006: Mitgliederversammlung in Bremen, Hotel Höpkens Ruh. 1.4.2006: Tod des langjährigen Zweiten Vorsitzenden Prof. Dr. Werner Rübe. 18.5. 20.5.2006: Wissenschaftliche Tagung im Goethe-Museum, Düsseldorf: Benn und die klassische Moderne unter Mitwirkung der GBG. (vgl. Abb. 2) 2007 2.2.2007: Mitgliederversammlung in Bremen, Hotel Höpkens Ruh. 12

12.5.2007: Tagung in Marburg Lyrik muss entweder exorbitant sein oder gar nicht Gottfried Benn in Marburg 1951. (Ein Nachmittag, sechs Vorträge.) 2008 2.5.2008: Mitgliederversammlung in Berlin, Literaturhaus Berlin; am 3.5.2008 Besuch der Benn-Stätten. 2009 23.5. 24.5.2009: Mitgliederversammlung in Frankfurt/Oder, Besuch der Benn-Stätten. Hans-Jürgen Blenskens wird zum Zweiten Vorsitzenden gewählt. Das Benn Forum 1, 2008/2009 erscheint bei de Gruyter unter finanzieller und herausgeberischer Mitwirkung der GBG. Phase II 2010 1.5. 3.5.2010: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Marbach, mit umfangreichem Besichtigungsprogramm; Neuwahl (fast) des gesamten Vorstandes, Erster Vorsitzender ist nun Prof. Dr. Rainer Schmelzeisen. Juni 2010: Die GBG hat 89 Mitglieder. Als Weihnachtsgabe erscheint Heft 1 der Mitteilungen der Gottfried-Benn- Gesellschaft. 2011 30.4. 1.5.2011: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Berlin, mit Ausflug nach Sellin, Trossin und Mohrin. (Abb. 4) (Wieder)-Eintritt der GBG in die ALG. 29.9. 1.10.2011: Gottfried Benn-Symposium an der Universität Siegen in Verbindung mit der GBG. (vgl. Abb. 2) Das Benn Forum 2, 2010/2011 erscheint unter finanzieller und herausgeberischer Mitwirkung der GBG. 2012 28.4. 29.4.2012: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Augsburg. 13

Abb. 4: Der See von Sellin Es ist ein Knabe, dem ich manchmal trauere, der sich am See in Schilf und Wogen ließ... (Epilog, IV) Abb. 5: Rainer Schmelzeisen, Tine Engell geb. Topsøe und Vilhelm Topsøe, 2013 14

2013 26.4. 28.4.2013: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Freiburg. 26.9. 28.9.2013: Wissenschaftliches 2. Gottfried Benn-Symposium an der Universität Siegen : Benn im Nationalsozialismus in Verbindung mit der GBG. Erstmals Anwesenheit von Benns Enkelkindern Tine Engell geb. Topsøe und Vilhelm Topsøe bei der GBG. (Abb. 5) Das Benn Forum 3, 2012/2013 erscheint unter finanzieller und herausgeberischer Mitwirkung der GBG. 2014 3.5. 4.5.2014: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Hamburg, Vilhelm Topsøe wird zum Ehrenmitglied ernannt. Ausflug nach Mansfeld; Empfang durch den Gottfried Benn Förderkreis Mansfeld e. V. (Abb. 6) Abb. 6: Benns Geburtshaus in Mansfeld, links die Gedenktafel 2015 1.5. 3.5.2014: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Eltville am Rhein, mit Ausflug nach Schlangenbad. 15

Das Benn Forum 4, 2014/2015 erscheint unter finanzieller und herausgeberischer Mitwirkung der GBG. Als Weihnachtsgabe erscheint Heft 2 der Mitteilungen der Gottfried-Benn- Gesellschaft ; von nun ab wird die Reihe jährlich fortgeführt. 2016 6.5. 8.5.2016: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Potsdam, mit Ausflug nach Berlin. 2017 29.4. 1.5.2017: Jahrestagung in Osnabrück, mit Neu- bzw. Wiederwahl des gesamten Vorstandes, Erster Vorsitzender weiterhin Prof. Dr. Rainer Schmelzeisen. Das Benn Forum 5, 2016/2017 erscheint unter finanzieller und herausgeberischer Mitwirkung der GBG. 2018 1.3. 3.3.2018: Gottfried Benn-Symposium 2018 zum Briefwechsel mit F. W. Oelze in Würzburg. 4.5. 6.5.2018: Mitgliederversammlung und Jahrestagung in Frankfurt am Main. (Abb. 7) Abb. 7: Besichtigung von Benn-Autographen und Hindemith-Partitur im Hindemith Institut, Frankfurt a. M. 16

4.6.2018: Eröffnung des Erinnerungsortes für Benn im Stadtturm von Eltville am Rhein. Gezeigt werden Bücher, Fotos, Briefe von Benn, andere Memorabilia sowie moderne Kunst. (Abb. 8) Abb. 8: Blick in einen der Benn-Räume im Stadtturm von Eltville Juni 2018: Die GBG hat 110 Mitglieder. Ausblick Die kommende Mitgliederversammlung und Jahrestagung 2019 wird in Hannover stattfinden. Für die nächsten Jahre hoffen wir weiterhin auf interessante wissenschaftliche Kongresse, gehaltvolle Publikationen ( Benn Forum ), einen anregenden Austausch über Gottfried Benn und sein Werk sowie eine rege Teilnahme bei den Jahrestagungen und am Vereinsleben der Gottfried- Benn-Gesellschaft. 17 Alle Fotos: Peter Lingens

Bericht über die Jahrestagung 2018 in Frankfurt am Main Peter Lingens Höhepunkt im Vereinsleben der Gottfried-Benn-Gesellschaft sind die Jahrestagungen, die immer um den Geburtstag des Dichters am 2. Mai herum stattfinden. Als Tagungsorte werden meist Städte gewählt, an denen Benn lebte, zu denen er selbst gereist war, wo Personen seines Umfeldes lebten, oder wo zumindest ein literarischer Bezug zu seinem Werk herzustellen ist. Im Jahr 2018 war dies Frankfurt am Main. Zwar war Frankfurt für Benn stets nur ein Ort für kurzes Umsteigen oder Übernachten, aber tatsächlich hatte die Stadt am Main große Bedeutung für ihn: Zum einen steht hier das Geburtshaus des von ihm so bewunderten olympischen Urgroßvaters zum anderen befindet sich hier das Hindemith Institut. Mit dem Komponisten Paul Hindemith schuf Benn das 1931 uraufgeführte Oratorium Das Unaufhörliche. Die Tagung begann am 4.5.2018 mit einer Führung im Deutschen Exilarchiv in der Deutschen Nationalbibliothek. Gottfried Benn hatte bekanntlich ein denkbar schlechtes Verhältnis zu den Literarischen Emigranten, doch die Gottfried-Benn-Gesellschaft stellt sich auch den unrühmlichen Seiten des Schriftstellers in den Jahren 1933/34. Neben einer grundsätzlichen Einführung in die Sammlung und die Arbeitsweise des Deutschen Exilarchivs durch die Leiterin Dr. Sylvia Asmus wartete auf die Tagungsteilnehmer der Nachlass der Zeichnerin und Schriftstellerin Erna Pinner (1890 1987), die rassistisch verfolgt nach Großbritannien emigrieren musste. Zugleich war sie aber auch eine enge und langjährige Freundin Benns. Die Archivalien, darunter Autographen Benns, belegen ihre anhaltend gute Beziehung. Den Abschluss bildete eine Führung durch die gerade neueröffnete und sehr sehenswerte Dauerausstellung des Deutschen Exilarchivs. Der zweite Tag der Tagung stand ganz im Zeichen Paul Hindemiths (1895 1963) und begann im Hindemith Institut. Zunächst gab es auch hier eine Erläuterung der Aufgaben und der Bestände des Instituts durch dessen Leiterin Dr. Susanne Schaal-Gotthardt. Dann bestand die Möglichkeit zur Besichtigung der originalen Partitur des Unaufhörlichen und der Briefe Benns aus der Zeit der gemeinsamen Arbeit an dem großen Werk. Benn schrieb an dem Libretto von Sommer 1930 bis Sommer 1931. Es folgte eine Besichtigung des modernen Hindemith Museums in Paul Hindemiths ehemaliger Wohnstätte, dem mittelalterlichen Kuhhirtenturm in Frankfurt-Sachsenhausen. Dort ist eines der größten Exponate ein Reprofoto, das Hindemith und Benn beim Spielen mit einer Eisenbahn zeigt; die Eisenbahn ist im Original ausgestellt. Bei der anschließenden Mit- 18

gliederversammlung im Konzertsaal des Turmes waren 16 Stimmberechtigte anwesend. Am Abend des 5.5.2018 fand der eigentliche Höhepunkt der Tagung statt: die öffentliche Aufführung von Auszügen aus dem Oratorium Das Unaufhörliche, ergänzt um die Lesung von Briefen und Texten Benns durch einen Schauspieler. Das Oratorium wird heute nur noch selten aufgeführt. Dies liegt an der ursprünglichen großen Besetzung mit Orchester, Solisten und mehreren Chören. Für diese Aufführung hatte Prof. Günther Albers von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst eine Bearbeitung für Klavier, fünf Bläser und drei Gesangssolisten erstellt. Die Wirkung war überwältigend und der Abend ein im Gedächtnis bleibendes Erlebnis. Diese für die Tagung der Gottfried-Benn-Gesellschaft entstandene Bearbeitung soll auch künftig noch öfters aufgeführt werden, um so Benns Text und Hindemiths Musik wieder bekannter zu machen. Der dritte Tag führte die Teilnehmer in das Frankfurter Goethehaus/ Freies Deutsches Hochstift, hier hatten die Gottfried-Benn-Gesellschaft und das Goethehaus gemeinsam zu einem öffentlichen Vortrag des Germanisten Prof. Dr. Gunter E. Grimm über Streiflichter auf Gottfried Benns Goethe- Rezeption geladen. Den Vortrag empfand mancher als Krönung der Tagung, ein Druck wird angestrebt. Mit einer Besichtigung des Goethehauses ging die Tagung zu Ende. Wegen ihres öffentlichen und kulturell bedeutsamen Charakters war die Tagung von der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten (ALG) aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main gefördert worden. Die Kostendeckung durch diese Fremdmittel betrug 93,5 %. An der Tagung und den verschiedenen Veranstaltungen haben aus dem Kreis der GBG jeweils rund 20 Personen Mitglieder und deren Partner/innen teilgenommen. Es ist die Frage, ob sich bei einer Beteiligung von unter 20 % der Mitgliederschaft solch ein Aufwand lohnt. Allerdings: durch die Besucher der öffentlichen Veranstaltungen und die Begleitung der Tagungen in den lokalen Medien wird unsere Gesellschaft bekannter. Außerdem waren die Veranstaltungen für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen lohnende Erlebnisse. Fazit: Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst! 6 6 Vorstehender Text ist ein stark überarbeiteter Auszug aus dem Artikel: Ewig im Wandel und im Wandel groß. Zum 20-jährigen Jubiläum der Gottfried-Benn- Gesellschaft und ihrer Jahrestagung 2018, erschienen in: ALG Umschau Nr. 59, September 2018. 19

Geliebte Verse unserer Mitglieder 1951 brachte der Limes-Verlag die Anthologie Geliebte Verse heraus. Bekannte Persönlichkeiten sollten dafür ihre lyrischen Favoriten nennen. Das Projekt ging auf eine Idee Benns zurück (siehe SW, Bd. V, S. 639 649). Seine eigene Auswahl begründete Benn mit einer kurzen, aber sehr schönen und bemerkenswerten Erläuterung über seine eigenen Erfahrungen beim Lesen von Gedichten (SW, Bd. V, S. 194 196). Im Vorstand entstand die Idee für eine ähnliche Rubrik in unseren Mitteilungsheften. Im ersten Anlauf beantwortete H. Sigurd Brieler die Fragen (siehe Mitteilungsheft 5), in dieser Ausgabe antwortet nun unser Mitglied Renate Meuter-Schröder. (Von ihr stammt der Beitrag zum Umgang mit Gedichten Benns unter poesietherapeutischen Aspekten im Mitteilungsheft 4, 2016.) Wann und wie war Ihr erster Kontakt zu Benn? Erkenne die Lage! Rückblickend: Wie nahm ich mich und die Welt wahr vor mehr als einem halben Jahrhundert? Kann man das erinnern? Mir kommen Benns Verse dazu in den Sinn: ach so zerrinnst du, / Stunde und hast kein Sein, / ewig schon spinnst du / weit in die Nebel dich ein (NEBEL) Ich trage ein paar Fakten zusammen: Sommersemester 1966. Ich war Erstsemester und doch schon Mitte zwanzig. Im autoritären, moralisch repressiven Gesellschaftsklima der Adenauer-Ära habe ich die Schule besucht. Erst 1956 wurde der Zölibatszwang für Lehrerinnen aufgehoben, und Ehefrauen waren nur bei Zustimmung des Ehemannes berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist ( 1356 Absatz 2 BGB). Kultusministerien führten verklemmte Debatten zur Koedukation. Ich habe Studienräte erlebt, die ihre Missbilligung der Anwesenheit von Mädchen (ca. 20 %) am kleinstädtischen, vor dem Krieg ausschließlich von Jungen besuchten Gymnasium nicht verbargen. Mit siebzehn verließ ich das Gymnasium und erreichte über den zweiten Bildungsweg meine Zulassung zur Pädagogischen Hochschule Aachen. Zu dieser Zeit befand sich meine Mutter wieder wegen schwerer Depressionen in stationärer psychiatrischer Behandlung. Dass sie daran zu diesem Zeitpunkt bereits seit 15 Jahren litt, war wohl eine der bedeutsamsten Erfahrungen meiner Kindheit und Jugend. Auch [i]n meinem Elternhaus hingen keine Gainsboroughs (TEILS-TEILS); es herrschten wie zur damaligen Zeit üblich patriarchalische Strukturen, dogmatisch-katholisch geprägte Volksfrömmigkeit und emotionale Sprachlosigkeit. Im Freundeskreis kursierten Romane von Hermann Hesse, der den Typ des rebellierenden, den Ausbruch aus Konventionen erprobenden Menschen verkörperte. Das war meine Situation zur Zeit meines ersten Benn-Kontaktes in einem Seminar 20

Moderne Lyrik in dem Sommer, in den Gottfried Benns 10. Todestag fiel, was offenbar niemandem bekannt war. Der Leiter des Seminars kommentierte dies folglich mit einer kritischen Bemerkung über das deutsche Nachkriegsgymnasium und ließ eine große Anzahl von Benn- Gedichten aus allen Schaffensperioden interpretieren, vorrangig unter Aspekten der Pädagogischen Anthropologie und der Didaktischen Analyse. Was fasziniert Sie an Benn? Damals faszinierte mich neben Wortmagie und Benn-Sound vor allem die Empfindung eines Gleichklangs zwischen dieser Poesie und dem eigenem Selbst- und Welterleben in Versen wie: Unerbittlich ist der Kampf, / und die Welt starrt von Schwertspitzen. / Jede hungert nach meinem Herzen. / Jede muß ich, Waffenloser, / in meinem Blut zerschmelzen (DER JUNGE HEBBEL); Verfluchter alter Abraham (PASTORENSOHN); Eure Etüden [ ] sind zum Ermüden (EURE ETÜDEN); Ich trage dich wie eine Wunde auf meiner Stirn (MUTTER). Ich erlebte diese Poesie als Ermunterung zum Widerstand gegen soziokulturelle Anpassungszwänge. Inzwischen fasziniert mich die Benn sche Methode des rhetorischen, monologisch-suggestiven, platonischen Imperativs als Seelenleitung des Menschen durch den Menschen (Joachim Knape: Was ist Rhetorik? 2000, S. 9), z. B.: ertrage [ ] dein fernbestimmtes: Du mußt (NUR ZWEI DINGE); du bist zwar Erde, doch du mußt sie graben (DIE FORM); du mußt nicht bange sein (Epilog 1949); Sprich zu dir selbst (VERZWEIFLUNG); Lächle, nimm duftende Seife (VERZWEIFLUNG). Ich interpretiere diese Verse als therapeutisch wirksame, formelhaft umrissene Gedanken zur Autosuggestion für depressive Menschen. Mich fasziniert Benns Bekenntnis zu diesem Leiden. Im Gegensatz zum antifeministischen Zeitgeist der gesamten Lebensspanne Benns, als Depression diskriminiert wurde als (speziell Frauen) stigmatisierende Flucht in Krankheit ( Hysterie ) vor den gesellschaftlichen Anforderungen kulturell bedingter Geschlechtsrollenzuschreibungen, begreift Benn die Depression (nicht die Muse Melancholie ) als conditio humana (Helmuth Plessner): Entfremdet früh dem Wahn der Wirklichkeiten, / versagend sich der schnell gegebenen Welt, / ermüdet von dem Trug der Einzelheiten, / da keine sich dem tiefen Ich gesellt (ABSCHIED). Die Depression begreift Benn als Krise, aber auch als Chance zu tieferer Erkenntnis des menschlichen Daseins: Das Leidende wird es erstreiten (DAS UNAUFHÖRLICHE). Benn führt die Frage nach dem Sinn des Leidens mit der Frage nach dem Sinn des Lebens zusammen: Erfüllung ist voll von Wunden, / wenn es Erfüllungen sind (DENNOCH DIE SCHWERTER HALTEN). Zu dieser Philosophie des Dichters finden sich Entsprechungen in psychotherapeutischen Schulen wie z. B. der Logotherapie und der Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Zusammenfassend kann ich sagen, 21

dass mich das poesietherapeutische Potenzial in Benns Lyrik in ganz besonderer Weise anspricht. Welches sind Ihre Geliebten Verse? Wenn je die Gottheit, tief und unerkenntlich / in einem Wesen auferstand und sprach, / so sind es Verse, da unendlich / in ihnen sich die Qual der Herzen brach; [ ] die Macht vergeht im Abschaum ihrer Tücken, / indes ein Vers der Völker Träume baut, / die sie der Niedrigkeit entrücken, Unsterblichkeit im Worte und im Laut (VERSE). Welcher Text (Gedicht, Prosa, Libretto etc.) war für Sie ein besonderer oder ist es noch? Das Gedicht SATZBAU: Weil Benn dort die Sprache (warum drücken wir etwas aus?) als zentrales Medium zur menschlichen Daseinsbewältigung identifiziert, ist es für mich unter poesietherapeutischen und anthropologischen Aspekten von zentraler Bedeutung. Was lesen Sie immer wieder? Alles, was unter den genannten Aspekten bedeutsam ist, kann ich an dieser Stelle nicht auflisten. Dazu gehört allerdings auch die Benn-Rezeption: Mich interessiert bei den kritisch Interpretierenden, Wertschätzenden sowie Schmähenden die Vielfalt subjektiver Resonanz auf Benns Werk; die ebenso bedeutsam ist: Du weißt, du kannst nicht alles fassen, / umgrenze es, den grünen Zaun / um dies und das, du bleibst gelassen, / doch auch gebannt in Mißvertraun (GEDICHT). Renate Meuter-Schröder 22

Inhaltsverzeichnis Geleitwort Vilhelm Topsøe....... 3 1986 oder: Erinnerungen zur Vorgeschichte der Gottfried-Benn- Gesellschaft H. Sigurd Brieler..... 4 20 Jahre Gottfried-Benn-Gesellschaft e. V. Eine kurze Chronik der Jahre 1998 bis 2018 Peter Lingens.... 8 Bericht über die Jahrestagung 2018 in Frankfurt am Main Peter Lingens.... 18 Geliebte Verse unserer Mitglieder Renate Meuter-Schröder... 20 23

Bisher erschienen folgende Hefte der Mitteilungen der Gottfried-Benn-Gesellschaft: Heft 1, 1. Jahrgang (2010); Inhalt: Benn und der Rundfunk Heft 2, 2. Jahrgang (2015); Inhalt: Verschiedene Themen Heft 3, 3. Jahrgang (2016); Inhalt: Gottfried Benn und die klassische Musik Heft 4, 3. Jahrgang (2016); Inhalt: Verschiedene Themen Heft 5, 4. Jahrgang (2017); Inhalt: Verschiedene Themen Heft 6, 5. Jahrgang (2018); Inhalt: Familiendynamische Aspekte in Gottfried Benns Leben und Werk Heft 7, 5. Jahrgang (2018); Inhalt: 20. Jubiläum / Verschiedene Themen Die Hefte stehen zum Download auf der Webseite http://www.gottfriedbenn.de/mitteilungshefte.php 24