Bund Deutscher Kriminalbeamter

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Transkript:

BDK Bundesgeschäftsstelle Poststraße 4-5 D-10178 Berlin Ihr/e Zeichen/Nachricht vom Deutscher Bundestag Rechtsausschuss Herrn Siegfried Kauder Vorsitzender des Rechtsausschusses 11011 Berlin per E-Mail: rechtsausschuss@bundestag.de Ihr/e Ansprechpartner/in André Schulz Funktion Bundesvorsitzender E-Mail andre.schulz@bdk.de Telefon +49 (0) 30 2463045-0 Telefax +49 (0) 30 2463045-29 Berlin, 24.06.2013 Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten (BT-Drucksache 17/13706) Sehr geehrter Herr Vorsitzender, der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) bedankt sich, im Rahmen der schriftlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten Stellung nehmen zu können. Grundsätzlich begrüßen wir angesichts der Dringlichkeit der Kriminalitätsfelder die gesetzgeberische Intention der Regierungsfraktionen. Insgesamt aber zielt der Entwurf lediglich auf gesetzliche Mindeststandards und vermengt faktisch verschiedene Tatbestände zu einem objektiv unzulässigen strafrechtlichen Amalgam. Die Europäische Union hat bereits im Stockholmer Programm den besonderen Schutz der Opfer des Menschenhandels hervorgehoben. Auszug: Der Europäische Rat ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, zu prüfen, wie die Rechtsvorschriften und die praktischen Unterstützungsmaßnahmen zum Schutz von Opfern verbessert werden könnten, und die Durchführung der bestehenden Rechtsinstrumente zu verbessern; auch auf anderem Wege Opfern eine bessere Unterstützung anzubieten, etwa über die bestehenden europäischen Netzwerke, die praktische Hilfe bieten, und hierzu Vorschläge vorzulegen; zu prüfen, ob ein umfassendes Rechtsinstrument zum Schutz von Opfern erstellt werden könnte, indem die Richtlinie über Poststraße 4-5 D-10178 Berlin Tel.: +49 (0) 30 2463045-0 Fax: +49 (0) 30 2463045-29 E-Mail: andre.schulz@bdk.de Internet: www.bdk.de Mitglied im Conseil Européen des Syndicats de Police Mitglied im Deutsches Forum für Kriminalprävention

die Entschädigung der Opfer von Straftaten und der Rahmenbeschluss über die Stellung des Opfers im Strafverfahren auf der Grundlage einer Bewertung der beiden Rechtsinstrumente zu einem Rechtsakt zusammengefasst werden. Zur Definition der Altersgrenzen: In der EU Richtlinie 36/2011 werden in den aufgelisteten Erwägungsgründen unter Nummer 8 Kinder als besonders schutzbedürftig angesehen und das Wohl des Kindes als eine vorrangige Erwägung bezeichnet. Gleichzeitig weisen wir auf eine Schieflage der Schutzaltersgrenzen im Verhältnis zum 180 StGB (Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger) hin. Hier gilt der Schutz bis zum 16. Lebensjahr. Wünschenswert wäre hier auch eine Anpassung der Schutzaltersgrenzen gewesen. Empirische Forschungen der Schutzverbände zeigen, dass häufig im Rahmen der Strafverfolgung des 232 StGB auf die Regelung des 180 StGB ausgewichen wird, da dort die Beweisanforderungen geringer sind und sich auch die Phänomenologie der sexuellen Ausbeutung und des Verbringens in die Prostitution besser abbilden lässt. Die beweisrechtlichen Anforderungen an das Ausbeutungsmerkmal sind im 232 StGB zu hoch und die Händlerstrukturen zu verdichtet. Eine Förderung sexueller Handlungen aus 180 StGB lässt sich einfacher nachweisen. Hier sollte daher dringend auch über Schutzaltersgrenzen nachgedacht werden. Wir sind uns bewusst, dass gerade im Sexualstrafrecht auch sexuelle Handlungen zwischen Jugendlichen ab 16 nicht strafrechtlich erfasst werden sollten, da sexuelle Selbstbestimmung und Entwicklung im Vordergrund stehen. Dennoch ist für den Bereich des Menschenhandels und der Förderung der Prostitution hier eine eindeutige Schutzaltersgrenze erforderlich. Wir schlagen vor, dass alle Opfer im Kindesalter und alle Erwachsenen, die auf Grund einer Schwangerschaft, ihres Gesundheitszustandes oder einer Behinderung, zum Zeitpunkt der Straftat, als besonders schutzbedürftig aufgenommen und mit berücksichtigt werden. Gerade dies sollte als straferschwerend angesehen werden. Wir begrüßen grundsätzlich die Aufnahme der Ausnutzung von Betteltätigkeiten. Betrachtet man sich das Straßenbild, so finden sich insbesondere unter den Bettlern immer wieder Personen mit schweren Behinderungen, die in einer Vielzahl aus Osteuropa stammen. Dieses damit verbundene Straßenbild, dass behinderte Menschen betteln, ist genau das, was die Bevölkerung anspricht, verunsichert und empört. Der Gesetzgeber hätte hier die Möglichkeit, diesen verachtenswerten Unrechtsgehalt besonders hervorzuheben. Seite 2

Doch für die kriminalpolizeiliche Praxis ist es fragwürdig, wenn insbesondere die Ausbeutung durch zwangsweise Bettelei von Kindern im geplanten Gesetzentwurf im gleichen Absatz stehen wie zu der Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung bei dem Täter oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer ArbeitnehmerInnen stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben. Der BDK empfiehlt Betteltätigkeit in einer eigenen Nummerierung aufzuführen, wie der Organhandel. Das würde unseres Erachtens auch dem verbreiteten Problem der zwangsweisen Bettelei von Kindern gerecht werden. Der BDK empfiehlt, den Passus anderweitige Ausbeutung detaillierter im Gesetz zu beschreiben, da in der Praxis oftmals der Menschenhandel nicht erkannt wird, wenn es um Ausnutzung einer Person zur Begehung von strafbaren Handlungen geht insbesondere, wenn es sich um Kinder ausländischer Herkunft handelt z.b. bei Drogenhandel oder bei den sogenannten Klaukindern. Auch Adoptionshandel und Zwangsheirat werden in diesem Zusammenhang in der EU-Richtlinie 36/2011 genannt. Hier sollte aus unserer Sicht grundsätzlich eine neue Systematisierung erfolgen, die die Ausbeutungstatbestände klarer erfasst. Auch eine Aufnahme des Adoptionshandels wäre wünschenswert oder ein Verweis auf den 236 StGB. Problematisch ist hier auch, dass der 236 StGB nicht mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr belegt ist und damit nicht die umfassenden Ermittlungstechniken aus der StPO zur Verfügung stehen. Entweder sollte hier eine schwere Form des Adoptionshandels bei 236 StGB zur Ausbeutung- eingeführt werden, die mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr belegt ist, oder der 232 StGB auch diese Phänomenologie als Ausbeutungsverhältnis erfassen. 233 Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt, wird mit Seite 3

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer eine Person unter einundzwanzig Jahren in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung einer in Satz 1 bezeichneten Beschäftigung bringt. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) 232 Abs. 3 bis 5 gilt entsprechend. Aus unserer Sicht ist die Formulierung im 233 eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit bringt diskussionswürdig, da sie in nicht ausreichendem Maße der besonders schutzwürdigen Situation eines Kindes gerecht wird. Problematisch ist hier, dass bei einer Zustimmung der betroffenen Person eine Zwangslage oder Hilflosigkeit immer verneint wird. Zwar verweist die EU-Richtlinie darauf, dass bei einem Kind die mögliche Zustimmung in keinem Fall als gültig betrachtet werden sollte aus Sicht von ECPAT hier aber eine Klarstellung im Gesetzestext erfolgen. In Artikel 2, Absatz (5) der EU- Richtlinie wird darauf verwiesen, dass bei Kindern Menschenhandel unter Strafe zu stellen ist, wenn auch nicht besondere Mittel vorliegen, wie in Absatz (1) aufgeführt. Wünschenswert wäre also ein Zusatz im 233 StGB, dass bei Minderjährigen besondere Schutzanforderungen/Beweisanforderungen angenommen werden und dass grundsätzlich von Zwangslagen und Hilflosigkeit auszugehen ist. Die Bekämpfung des Kinderhandels ist ebenfalls nur auf einem Mindestniveau umgesetzt worden. Wir fordern neben vielen Fachleuten die Schaffung eines gesonderten Tatbestandes. In 236 wird im StGB nur Adoptionshandel als Kinderhandel bezeichnet. Dies führte zu Verwirrung wegen der international unüblichen Begrifflichkeit. Wir empfehlen im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie 36/2011 auch den 236 umzubenennen und mit dem Begriff zu überschreiben, der im 236 gemeint ist. Kinderhandel wird sowohl im UN-Zusatzprotokoll als auch in der entsprechenden Europaratskonvention immer als Oberbegriff für verschiedene Formen des Menschenhandels mit Kindern, also mit Personen unter 18 Jahren bezeichnet. Der deutsche Sonderweg bei der Begrifflichkeit ist aus Sicht von ECPAT mit der Zielrichtung einer effizienten Implementation nicht ergebnisorientiert. Seite 4

Ein weiterer Gesichtspunkt wäre der Schutz der hier in Deutschland in Strafverfahren beteiligten Zeugen und Geschädigten. Dies gilt auch gegebenenfalls in deren Heimatländern. Bis hin zum Schutz von deren Angehörigen, die nicht selten Ziel von durch die Täter initiierten gewalttätigen Attacken werden. Hier müssen schnellstens auch politische Vereinbarungen mit den Heimatländern geschaffen werden. Die Richtlinie schreibt in Artikel 8 vor, dass die Opfer wegen ihrer Beteiligung an strafbaren Handlungen, zu der sie als unmittelbare Folge davon, dass sie Straftaten im Sinne des Artikels 2 ausgesetzt waren, gezwungen wurden, nicht strafrechtlich zu verfolgen sind und von einer Bestrafung abgesehen werden sollte. In der StPO ist bisher nur eine Kann- Bestimmung vorgesehen. Die sollte aus unserer Sicht bei Opfern im Kindesalter in eine Soll-Bestimmung geändert werden. Der Opferschutz wird nur auf dem Niveau des Mindeststandards umgesetzt. Beispielhaft hierfür steht das gesicherte Aufenthaltsrecht der Opfer auch nach Beendigung des Strafverfahrens. Auch die Einstellung der Strafverfahren, begangen durch Opfer des Menschenhandels, von uns als Muss-Bestimmung vorgeschlagen, um den Ermessenspielraum der Anklage zum Vorteil der Opfer eindeutig festzulegen, ist im Entwurf nicht intendiert. Zur Prostitution: Bereits die Konferenz der Innenminister hat im Jahr 2010 weitreichende Forderungen aufgestellt. Auszüge aus dem Beschluss: (Die IMK) stellt fest, dass es sich beim Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung um ein Kontrolldelikt mit hohem Dunkelfeld handelt und die aktuell zur Verfügung stehenden Statistiken lediglich die Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden widerspiegeln können. Bis zum Jahr 2003 bewegten sich die Feststellungszahlen auf einem relativ konstanten Niveau, danach ist eine deutliche Zunahme dieser Delikte zu verzeichnen. Die IMK betrachtet mit Sorge, dass neben der klassischen Prostitution ein Trend hin zu "Flat-Rate-Clubs" und "Gang-Bang- Veranstaltungen" festzustellen ist und im Bereich der Straßenprostitution vermehrt osteuropäische Frauen vertreten sind, die häufig ohne Einhaltung von hygienischen Mindeststandards und bei schlechtem gesundheitlichen Zustand der Prostitution nachgehen. Sie erkennt, dass die nicht konzessionierten und damit kaum speziellen behördlichen Bestimmungen unterliegenden Prostitutionsstätten den Anforderungen an einen Mindeststandard oftmals nicht gerecht werden und nicht zuletzt das Fehlen einer behördlichen Erlaubnispflicht sowie ausreichender Kontrollbefugnisse der Seite 5

Aufsichtsbehörden für die Prostitutionsstätten eine behördliche Kontrolle und das Erkennen von Straftaten erschweren. Die IMK sieht hinsichtlich der Einführung von Erlaubnispflichten für alle Formen von Prostitutionsstätten sowie die Vermittlung von Prostitutionsdienstleistungen, der Anzeigepflicht der Prostitutionstätigkeit in Prostitutionsstätten, der Möglichkeiten zur Schaffung von Abgrenzungskriterien zwischen einem Beschäftigungsverhältnis und dirigistischen Zuhälterei, der Evaluierung des 232 StGB und dessen Strafrahmen, der Einführung bundeseinheitlicher Zugangs- und Kontrollmöglichkeiten für Prostitutionsstätten, der Regulierung der Werbung für Prostitution und der Schaffung eines flächendeckenden Angebotes für Ausstiegshilfen für Prostituierte Handlungsbedarf. Aus kriminalpolizeilicher Sicht fehlt die Konzessionierung der entsprechenden Stätten der Prostitution. Eine erweiterte Zuverlässigkeitsprüfung reicht auch nach den Empfehlungen des Zusatzgutachtens zur Evaluation des ProstG nicht aus! Es fehlt die grundsätzliche und verpflichtende Anmeldepflicht für Prostituierte. Diese ist notwendig, da die Menschenhändler aus den mittel- und osteuropäischen Staaten die Frauen in immer kürzeren Intervallen ausbeuten, durchschleusen und wieder in die Herkunftsländer zurücksenden. Im Rahmen der Freizügigkeitsregelungen im europäischen Raum bestehen kaum mehr Möglichkeiten, den organisierten Handel mit Frauen durch frühzeitiges Erkennen vom systematischen Verbringen der Ware Frau nach und innerhalb von Deutschland zu identifizieren und zu bekämpfen. Auch die Pflicht der Betreiber und Zuhälter zur Gesundheitsuntersuchung zum Schutz der Frauen sollte bindend vorgeschrieben werden. Die Untersuchung ist oft der einzige Kontakt zur Außen für die Frauen. Die Geschäftsgebaren der Zuhälter und der Menschenhändler sollten den eindeutigen Regelung unter den Vorgaben des Verwaltungsrechts unterworfen werden. Fazit: Aus kriminalistischer Sicht wären gesetzlich differenzierte Gesetzesvorschriften erforderlich, um in den zuvor genannten kriminellen Phänomenbereichen erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung tätigen zu können. Die Einzeldelikte jetzt miteinander zu verknüpfen, ist aus der Sicht des BDK kriminalpolitisch völlig unverständlich. Zudem bleiben sowohl die Vorschläge zur Umsetzung der EU Richtlinie 36/2011 und des Bundesratsbeschlusses zur Regulierung von Prostitutionsstätten weit unter den von der EU bzw. den Experten geforderten notwendigen Maßnahmen zur sachgerechten Bekämpfung des Seite 6

Menschen- und Kinderhandels zurück. Die Bundesrepublik würde sich damit im europäischen Kontext selbst bei der Bekämpfung herunterstufen! Mit freundlichen Grüßen André Schulz Bundesvorsitzender Seite 7