2 Die rechtlichen Grundlagen für das Sozialsystem. 2.1 Der soziale Arbeitsschutz



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Transkript:

2 Die rechtlichen Grundlagen für das Sozialsystem 2.1 Der soziale Arbeitsschutz... beinhaltet gesetzliche Mindeststandards zum Schutz der AN vor körperlicher und seelischer Überforderung: - das Arbeitszeitgesetz, - das Bundesurlaubsgesetz, - das Jugendarbeitsschutzgesetz, - das Schwerbehindertengesetz, - das Mutterschutzgesetz, - das Ladenschlussgesetz (montags bis freitags jeweils 6 bis 20 Uhr, samstags 6 bis 16 Uhr, am langen Samstag in der Adventzeit 6 bis 18 Uhr, an Sonn- und Feiertagen geschlossen, besondere Regelungen gelten für Bäckereien, Konditoreien, Apotheken, Zeitschriftenkioske, Tankstellen), - das Bundeserziehungsgeldgesetz. Durchsetzen und Überwachen des Arbeitsschutzes: Organisieren des Arbeitsschutzes im Betrieb - verantwortlich ist der Unternehmer (Arbeitgeber) - Realisieren des Arbeitsschutzes durch: Betriebsleitung, Betriebsärzte, Sicherheitsbeauftragte (in Betrieben mit mehr als 20 AN), Belegschaftsmitglieder - Mitwirkung und Kontrolle durch Betriebs- und Personalräte überbetriebliche Aufsichtsdienste - staatliche Gewerbeaufsichtsämter (dürfen Betriebe kontrollieren, Bußgelder erteilen, Strafverfahren fordern und Betriebe schließen) - Ämter für Arbeitsschutz - Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Aufgabe: Unfälle verhindern und Verletzten usw. helfen) - Technische Überwachungsvereine (TÜV) bzw. -ämter - Hauptfürsorgestelle für Schwerbehinderte - Forschungsanstalten zur Unfallforschung - Gerichte www.bommi2000.de - Unterrichtshilfe zum Lernbereich 3, Seite 20

Koch, So 01, WiSo 9: 18.) Ein Auszubildender fällt während der Ausübung einer ihm zugewiesenen Tätigkeit im Betrieb von der Leiter und bricht sich ein Bein. Welcher Stelle muss die Unfallmeldung unverzüglich zugestellt werden? 1 der Krankenkasse 4 der Berufsschule 2 der Haftpflichtversicherung 5 der Pflegeversicherung 3 der Berufsgenossenschaft Koch, So 2001, WiSo 15: 19.) Die Computerarbeitsplätze in einem Betrieb für elektronische Bildverarbeitung sind so angeordnet, dass sich Fenster und Beleuchtung im Monitor spiegeln und zu Augenschäden führen können. Welche Stelle muss hier eingeschaltet werden? 1 die Krankenkasse 4 der Technische Überwachungsverein 2 die Gewerbeaufsichtsbehörde 5 das Gesundheitsamt 3 das Arbeitsamt www.bommi2000.de - Unterrichtshilfe zum Lernbereich 3, Seite 21

2.2 Der Arbeitszeitschutz Ø Wochenarbeitszeit der AN in Deutschl.: 1900 60 Stunden 1913 57 Stunden 1932 42 Stunden 1941 50 Stunden 1950 49 Stunden 1840 betrug die Ø Wochenarbeitszeit eines Arbeiters in England 69 Stunden, in Frankreich 78 Stunden und in Deutschland 83 Stunden. 1960 1970 1973 1975 1983 1985 1990 45 Stunden 41 Stunden 40,7 Stunden 40,3 Stunden 40,0 Stunden 39,6 Stunden 38,5 Stunden 1993 37,8 Stunden (W, Ost: 40,0) 1996 37,4 Stunden (W, Ost: 39,4) 1998 37,4 Stunden (W, Ost: 39,3) Lange Arbeitszeiten prägten den Alltag der Beschäftigten. Mitte der 50er Jahre setzte die schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit ein: von der 48-Stunden-Arbeitswoche über den arbeitsfreien Samstag, die allmähliche Reduzierung der täglichen Arbeitsdauer bis zur 40-Stunden-Woche in den 70er Jahren (1975: schon 91 % der AN). Dies war gerechtfertigt durch die gleichzeitige Steigerung der Arbeitsintensität. Erst nach den heftigen Arbeitskämpfen des Jahres 1984 einigten sich die Tarifparteien in der Stahl-, Metall- und Druckindustrie auf eine neue Arbeitsnorm von 38 bzw. 38,5 Wochenstunden. Seitdem zogen auch die meisten anderen Branchen nach. Die von der Gewerkschaft geforderte 35-Stunden-Woche wurde erst 1994/95 verwirklicht, wieder zuerst in der Stahl-, Metall- und Druckindustrie. www.bommi2000.de - Unterrichtshilfe zum Lernbereich 3, Seite 22

Die Arbeitszeiten der AN sind in Deutschland bereits seit Jahrzehnten Mittelpunkt heftiger Kontroversen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Neben der massiven Arbeitszeitverkürzung zeichnet sich auch ein deutlicher Trend zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ab. Letzteres beinhaltet die optimale Anpassung der Arbeitszeiten an die technischen und betriebswirtschaftlichen Erfordernisse der Unternehmen: - Schichtarbeit zur Auslastung der teuren Maschinen, - Schichtarbeit zur Realisierung vollkontinuierlicher Produktionsverfahren (Hochöfen, Glasindustrie, chemische Industrie), - ständiges Aufrechterhalten (Bereitschaftsdienst) notwendiger Versorgungs- und Dienstleistungen (Gesundheitswesen, Energiewirtschaft, Medien, Transportwesen, Polizei, Gastronomie, Einzelhandel) Flexibilisierung der Arbeitszeit berücksichtigt aber auch individuelle Bedürfnisse der Beschäftigten (gleitende Arbeitszeit). Der Arbeitszeitschutz umfasst alle Maßnahmen, die den Arbeitnehmer vor zu starker zeitlicher Beanspruchung durch den Arbeitgeber schützen. Die gesetzliche Grundlage - das Arbeitszeitrechtsgesetz (ArbZRG) - regelt Höchstgrenzen der Arbeitszeit sowie die Mindestdauer der Ruhepausen und Ruhezeiten. - Arbeitszeit: max. 8 Stunden Verlängern auf 10 Stunden möglich, wenn in 24 Wochen Ø 8 Std. keine Sonntags- und Feiertagsarbeit (Ausnahmen: Bäckereien, Konditoreien, Gastgewerbe, Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser) - Ruhepausen: mind. 30 Minuten bei mehr als 6 Stunden Arbeitszeit mind. 45 Minuten bei mehr als 9 Stunden Arbeitszeit erste Ruhepause spätestens nach 6 Stunden Sächsische Zeitung vom 15.11.2003 Illegale Tricks der Truckerchefs Zu schnell, zu wenig Pausen, Fahren am Sonntag so sparen Spediteure teure Kosten - Ruhezeit: mindestens 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen Ausnahmen: Krankenhäuser, Gastgewerbe, Verkehrsbetriebe, Rundfunkanstalten, Landwirtschaft und Tierhaltung Bundesurlaubsgesetz: Neuregelung ab 01.01.1995 jährlicher Mindesturlaub: 24 Werktage (bisher: 18 Werktage) Urlaubszeitpunkt bestimmt aber der AG, unter Beachtung der Wünsche des AN. Einen Anspruch auf vollen Urlaub hat der AN erst nach einer Beschäftigungsdauer von 6 Monaten. www.bommi2000.de - Unterrichtshilfe zum Lernbereich 3, Seite 23

2.3 Der Schwerbehindertenschutz Menschen, deren Erwerbsfähigkeit auf Dauer um mindestens 50 % eingeschränkt ist (1996: mehr als 6,5 Mio. Menschen), haben besondere Rechte: - Arbeit der Behinderung anpassen, notwendige technische Arbeitshilfen stellen - im Fortkommen fördern, Weiterbildung erleichtern - bei Kündigungen muss Hauptfürsorgestelle zustimmen - zusätzlicher Urlaub von 5 Tagen - können Mehrarbeit ablehnen - Die sog. Ausgleichsabgabe wurde im 77 SGB IX zum 1.7.2001 neu geregelt. Die Beschäftigungsquote beträgt seitdem 5 % (vorher: 6 %), d. h. ab einer Belegschaftsstärke von 20 Personen (vorher: 16) besteht Beschäftigungspflicht für schwerbehinderte Mitarbeiter. Die Höhe der Ausgleichsabgabe ist nun gestaffelt: 105 bei einer Beschäftigungsquote ab 3 % bis unter 5 % 180 bei einer Beschäftigungsquote ab 2 % bis unter 3 % 260 bei einer Beschäftigungsquote 2 % - Das geschieht aber zu selten! (1996: nur 3,8 %) Viele Arbeitgeber zahlen lieber die monatliche Ausgleichsabgabe, als Arbeitplätze schwerbehindertengerecht einzurichten. Witz: Ein Schotte bittet seinen Chef um einen Tag Urlaub: Meine Frau und ich haben Silberhochzeit. - Der Chef entrüstet: Soll das etwa heißen, dass Sie jetzt alle 25 Jahre einen Tag frei haben wollen?! Witz: Der Chef trifft Schulze, als dieser gerade aus dem Frisiersalon kommt. Schulze, was fällt Ihnen ein?! Sie können doch nicht während der Arbeitszeit zum Friseur gehen! Aber Chef, wehrt sich Schulze, die Haare sind doch auch während der Arbeitszeit gewachsen. Aber nicht nur während der Arbeitszeit!, beharrt der Chef. Gut, gut, Chef. Ich habe mir ja auch nicht alles abschneiden lassen! www.bommi2000.de - Unterrichtshilfe zum Lernbereich 3, Seite 24