Michael Kreinest und Niko Schneider

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Transkript:

1 Einführung 1.1 Medizin im Motorsport Michael Kreinest und Niko Schneider Hinter dem Überbegriff Motorsport verbergen sich zahlreiche Sportarten, welche sich stark voneinander unterscheiden. So fallen z.b. Luftrennen mit Flugzeugen ebenso wie Motorbootrennen darunter. Der Motorsport an Land umfasst nicht nur den bekannten Automobil- und Motorradsport, sondern unter anderem auch den Motorsport mit Lastkraftwagen, Traktoren oder Karts. So unterschiedlich Automobil- und Motorradsport auch sein mögen, zeigen sich doch Gemeinsamkeiten bei der Streckenauswahl. Beide Sportarten finden sowohl an der Rundstrecke als auch im Gelände statt. Auch der Automobilsport an sich zeigt sich sehr facettenreich. An der Rundstrecke unterscheidet man z.b. den Formelsport vom Tourenwagenrennen. Ganz andere Bedingungen finden sich dagegen im Rallye-Sport. Des Weiteren finden in Deutschland auch Spezialwettkämpfe wie das Eisrennen, die Driftchallenge oder das Bergrennen statt. 1

1 Einführung Den meisten Motorsportarten gemein ist die hohe Bewegungsenergie, weshalb trotz zahlreicher Sicherheitssysteme ( s. Kap. 2. 2) ein erhöhtes Risiko für Hochrasanz-Traumata besteht.!die generelle Notfall-Diagnostik und Akutbehandlung eines Schwerstverletzten nach einem Hochrasanz-Trauma ist für alle Motorsportarten identisch. Dennoch sind im Umfeld der Motorsportveranstaltung zahlreiche Besonderheiten für die Rettungskräfte zu beachten. Speziell für die Versorgung schwerstverletzter Motorsportler unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei Rundstrecken- Rennen ( s. Kap. 2 ) wurde das Race Track Trauma Life Support (RTTLS)-Konzept entwickelt. Da das Kernstück des RTTLS-Algorithmus, das ABCDE-Schema, universell bei jeder Schwerverletzten-Versorgung einsetzbar ist, hat sich das RTTLS-Konzept mittlerweile auch im Rallye-Sport und in weiteren Disziplinen des Motorsports verbreitet (z.b. Motocross, Sandbahnrennen). Bei problemloser Übertragbarkeit des ABCDE-Schemas müssen die speziellen Gegebenheiten des Umfeldes immer berücksichtigt werden, wie es in Kapitel 6 für den Rallye-Sport exemplarisch erläutert wird. 1.2 RTTLS und andere Versorgungskonzepte Michael Kreinest und Christoph G. Wölfl Race Track Trauma Life Support (RTTLS) ist ein Konzept zur strukturierten und prioritätenorientierten Versorgung von Schwerverletzten im Motorsport. Die Abläufe, beginnend mit dem Moment eines Rennsportunfalls bis hin zur Übergabe des Verletzten an das behandelnde Krankenhaus, werden in einem übersichtlichen Algorithmus zusammengefasst. Das Kernstück des RTTLS-Behandlungs-Algorithmus ist die prioritätenorientierte Diagnostik und Behandlung von lebensbedrohlichen Verletzungen. Hier kommt das ABCDE- Schema zur Anwendung. Demnach beginnt die Reihenfolge der Diagnostik und Therapie beim Atemweg. Anschließend werden Ventilation und Kreislauffunktion untersucht und ggf. therapiert. Mit der 2

1.2 RTTLS und andere Versorgungskonzepte 1 Erhebung eines orientierenden neurologischen Status und dem vollständigen Entkleiden des Patienten wird die Untersuchung komplettiert.!a A Airway B Breathing C Circulation D Disability E Expose/Environment Atemweg und Immobilisation der Halswirbelsäule Ventilation Kreislauffunktion Neurologie Entkleiden/Wärmeerhalt Dieser Teil des RTTLS-Behandlungs-Algorithmus wird auch in vielen anderen Konzepten der Schwerverletztenversorgung angewendet. Entwickelt wurde dieses strukturierte Vorgehen in den späten 1970er-Jahren von den Gründungsvätern von ATLS (Advanced Trauma Life Support). Das Ziel von ATLS war die Bereitstellung eines Algorithmus für eine strukturierte Versorgung von Schwerverletzten im Krankenhaus. Es wurde ein Kurssystem entwickelt, in welchem der Behandlungsalgorithmus nach dem ABCDE-Schema gelehrt wurde. Im Laufe der Jahre verbreitete sich die Behandlung nach dem ATLS -Algorithmus weiter. Heute werden Schwerverletzte in den Schockräumen aller Kontinente nach dem ABCDE-Schema behandelt. Auch in Deutschland finden jährlich rund 100 ATLS -Kurse statt und in vielen Trauma-Netzwerken, zu welchen sich große Trauma-Zentren und kleinere Krankenhäuser zusammenschließen, werden die Patienten nach den ATLS -Algorithmen behandelt. Es wurde schnell klar, dass zur besseren Versorgung von Schwerverletzten nicht nur die Behandlung in den Krankenhäusern, sondern auch die präklinische Versorgung dieser Patienten optimiert werden musste. Die Konzepte der Rettungsdienste waren unterschiedlich und reichten vom sofortigen Transport des Verletzten ohne die Durchführung weiterer Maßnahmen (load and go-prinzip) bis hin zum vollen Ausschöpfen der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen noch am Unfallort (stay and play- Prinzip). Während bei Ersterem akut lebensbedrohliche Probleme nicht erkannt und behandelt wurden, verhinderte Letzteres oftmals den zeitnahen Transport in das behandelnde Krankenhaus. Beide Prinzipien erscheinen nicht ge- 3

1 Einführung eignet für eine adäquate Versorgung von Schwerverletzten. Es entwickelten sich deshalb schon in den frühen 1980er-Jahren Konzepte für die präklinische Phase der Versorgung von schwerverletzten Patienten. Wie schon der ATLS -Algorithmus basierten auch diese Versorgungskonzepte auf dem ABCDE-Schema und wurden durch entsprechende Kurssysteme wie ITLS (International Trauma Life Support) und PHTLS (Prehospital Trauma Life Support) verbreitet. Das gemeinsame Ziel dieser Konzepte war die Durchführung einer schnellen, prioritätenorientierten Diagnostik von vitalen Bedrohungen und zielgerichtete Interventionen, welche die endgültige Versorgung im Krankenhaus nicht unnötig verzögerten ( t reat and ru n - Prinzip ). So konnten z.b. durch PHTLS mittlerweile weit über eine halbe Million Mitarbeiter des Rettungsdienstes sowie Notärzte in über 50 Ländern der Welt geschult werden. Mittlerweile ist das ABCDE-Schema weltweit verbreitet. Auch in Deutschland ist es fester Bestandteil in der Ausbildung der Mitarbeiter des Rettungsdienstes und hat auch Einzug in die universitäre Ausbildung von Medizinstudenten erhalten. Des Weiteren werden z.b. auch die Feuerwehren und die Polizei sowie professionelle Ersthelfer (First-Responder) durch spezielle PHTLS -Kurse geschult. Das ABCDE kann als die Sprache der Schwerverletztenversorgung angesehen werden, welche von allen an der Notfallversorgung beteiligten Berufsgruppen gesprochen wird. Auch die Mitarbeiter des Rettungsdienstes und die Notärzte, welche an Rennstrecken eingesetzt sind, sind mit der Versorgung von Schwer- und Mehrfachverletzten betraut. Die Versorgung von Schwerverletzten im Motosport und im öffentlichen Verkehrsraum unterscheidet sich bezüglich: der Unfallkinematik des Umfeldes (laufender Rennbetrieb!) der Infrastruktur (Extrication-Team, Medical Center) der Rettung des Verletzten (z.b. Rettung mit speziellen Sitzsystemen) des Patientenklientels Aufgrund dieser Unterschiede und der besonderen Reglements bei Rennsportveranstaltungen ist im Jahre 2011 die Initiative zur Entwicklung eines Versorgungskonzepts für schwerverletzte Mo- 4

1.3 Prinzipien der Traumaversorgung 1 torsportler entstanden. Es wurde ein Algorithmus entwickelt, welcher die initiale Diagnostik und Therapie eines Schwerverletzten auf der Rennstrecke und im Rettungswagen, sowie die erweiterten Notfall-Maßnahmen im Medical Center bis hin zur Übergabe an das endgültig versorgende Krankenhaus ohne unnötigen Zeitverlust abbildet. Dieser Algorithmus basiert auf den Empfehlungen zahlreicher medizinischer Fachgesellschaften sowie des FIA Institute for Motor Sport Safety and Sustainability. Zur Verbreitung des RTTLS-Konzeptes und zum Training finden regelmäßig RTTLS-Kurse statt. In diesen interdisziplinären Kursen trainieren Mitarbeiter des Rettungsdienstes und Notärzte gemeinsam das strukturierte und prioritätenorientierte Vorgehen nach dem RTTLS-Algorithmus. Das Sprechen der gleichen Sprache (ABCDE) durch die Besatzung des Medical Car, sowie durch die Teams des Rettungswagens und des Medical Center strukturiert die gesamte gemeinsame Behandlung des Patienten. Auch können durch ein strukturiertes, ABCDEorientiertes Übergabegespräch mit den Kollegen des öffentlichen Rettungsdienstes (z.b. PHTLS -geschult) und des versorgenden Krankenhauses (ATLS -geschult) Informationen fokussierter, präziser und schneller übermittelt werden. 1.3 Prinzipien der Traumaversorgung Michael Kreinest und Christoph G. Wölfl!Die Verlegung der Atemwege, eine nicht-ausreichende Ventilation, ein hoher Blutverlust und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma sind die Ursachen der hohen Mortalität bei Schwerverletzten. Auf zellulärer Ebene imponieren die Folgen dieser schweren Verletzungen als Sauerstoffmangel. Ein solches Missverhältnis zwischen dem zellulären Sauerstoffbedarf und dem kapillären Sauerstoffangebot wird als Schock bezeichnet. Unabhängig davon, ob die Ursache des Schocks in der fehlenden Zufuhr (z.b. nicht ausreichende Ventilation bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma) oder im fehlenden Transportmedium (z.b. hoher Blutverlust bei inneren Verletzungen) des Sauerstoffs begründet liegt, kann der Metabolismus ohne den Haupt-Energielieferanten Sauerstoff nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Des Weiteren kann 5

1 Einführung bei ausreichender Sauerstoffzufuhr auch ein Pumpversagen des Herzens (z.b. eine verringerte Auswurfleistung bei Herzbeuteltamponade) zum Schock führen. Die Mechanismen der Kompensation eines Sauerstoffmangels variieren in den verschiedenen Geweben stark, woraus deutliche Unterschiede bezüglich der Hypoxie-Toleranz resultieren. Während es bei Nervenzellen schon nach wenigen Minuten ohne Sauerstoffzufuhr zu irreversiblen Schädigungen kommt, können Muskelzellen einen Sauerstoffmangel mehrere Stunden kompensieren. Bei länger andauerndem Sauerstoffmangel kommt es zudem zur Anreicherung von Stoffwechselprodukten, deren verzögerte Freisetzung im weiteren Verlauf zu einem Multi-Organ-Versagen führen kann. Dies ist die häufigste Todesursache polytraumatisierter Patienten, wenn die initialen Verletzungen überlebt wurden. Das Hauptziel einer adäquaten Schwerverletztenversorgung ist die zügige Behandlung des Schocks. Dies wurde schon in den 1960er-Jahren erkannt, als der Begriff der G olden Hour of Shoc k geprägt wurde. Gemeint war damit, dass schwerverletzten Patienten innerhalb einer Stunde nach dem Unfall eine definitive Versorgung im Krankenhaus zukommen muss. Dies führte vielerorts dazu, dass am Unfallort keine Behandlung mehr durchgeführt wurde und die Verletzten sofort in das nächste Krankenhaus transportiert wurden (load and go-prinzip). Heute versucht man die Ursache des Sauerstoffmangels zu erkennen und wenn möglich zeitnah adäquat zu behandeln (z.b. bei einer mechanischen Verlegung der Atemwege oder einer arteriellen Blutung an den Extremitäten). Ist die Behandlung des Sauerstoffmangels vor Ort nicht möglich (z.b. bei einer inneren abdominellen Blutung), sollte ein eiliger Transport initiiert werden. Die Behandlungszeit an der Unfallstelle kann also in Abhängigkeit vom Verletzungsmuster des Patienten variieren ( G olden Period of Traum a ). Ein zügiger Transport darf allerdings in keinem Falle durch unnötige Maßnahmen verhindert werden (treat and run-prinzip).!bei Schwerverletzten sollte man die Golden Period beachten und jedem schwerverletzten Patienten nach der dringend notwendigen Behandlung vor Ort in der kürzest möglichen Zeit eine definitive Versorgung im Krankenhaus zukommen lassen. 6

1.3 Prinzipien der Traumaversorgung 1 Die Entwicklung des RTTLS-Konzepts basiert auf Erkenntnissen über die Pathophysiologie des schwer- und mehrfachverletzten Patienten. Mit dem Einbeziehen der Besonderheiten im Rahmen von Rennsportveranstaltungen lassen sich die grundlegenden Prinzipien der Traumaversorgung im Motorsport ableiten. Grundprinzipien der Traumaversorgung im Motorsport 1. Sicherheit des Teams und des Fahrers beachten 2. Kinematik und den Unfallhergang werten 3. zügige Erstversorgung an der Strecke und im Rettungswagen durchführen 4. prioritätenorientierte, rasche Notfallversorgung im Medical Center durchführen 5. geeignetes Krankenhaus auswählen und zügigen Transport initiieren Diese Grundprinzipien haben ihre Gültigkeit bei jedem Unfall im Streckenverlauf und sind nicht als starre Ablauffolge, sondern vielmehr als Orientierungshilfe zu sehen. Durch die kurze Anfahrtszeit des Rettungsteams und die schnelle Erreichbarkeit eines Schockraumes im Medical Center ist an Rennstrecken die Infrastruktur zur Versorgung von Schwerverletzten im Vergleich zum öffentlichen Verkehrsraum deutlich optimiert. Dennoch sollte die Infrastruktur des Medical Center nicht überschätzt werden. Es besteht weder die Möglichkeit der Durchführung der gesamten Diagnostik (Computertomographie) noch der notwendigen chirurgischen Interventionen (Damage Control Surgery). 7

2 Besonderheiten im Motorsport 2.1 Umfeld des Motorsports Manuel Lingner und Michael Scholz Aufgrund des besonderen Umfelds von Motorsportveranstaltungen, der Unterschiede zu Unfällen im öffentlichen Verkehrsraum und nicht zuletzt aufgrund der besonderen Reglements im Motorsport ist es unabdingbar, einige, für die Hilfsdienste grundlegende Unterschiede aufzugreifen und näher zu erläutern. So finden sich Organisationsstrukturen und Bezeichnungen, welche im öffentlichen Rettungsdienst keine Anwendung finden, jedoch essenziell für einen geregelten Ablauf im Motorsport sind. Das I nternationale Sportgesetz der FIA (ISG) bildet die Grundlage dieser Unterschiede. Hier werden allgemeine und vor allem für die Hilfsdienste weniger relevante Details erläutert wie zum Beispiel Definitionen, organisatorische Einzelheiten und Lizenzbestimmungen. Für das medizinische Personal, welches an der Rennstrecke zum Einsatz kommt, ist die Kenntnis des Anhang H des ISG essenziell. 9

2 Besonderheiten im Motorsport Das Internationale Sportgesetz mit dem zugehörigen Anhang H regelt den Einsatz der Hilfsdienste an der Rennstrecke. Race Control und medizinische Strukturen Die Rennleitung ( Race Control ) bildet die oberste Führungsebene im Motorsport. Dem Rennleiter stehen Verantwortliche der Hilfsdienste (Leiter der Streckensicherung, Rettungsdienste) bei. Ebenso ist der leitende Rennarzt Bestandteil der Rennleitung. Bei einigen Veranstaltungen wird dieser durch Medical Delegates unterstützt. Dauerhaft in der Rennleitung anwesendes medizinisches Personal sind die Medical Delegates sowie der Medizinische Einsatzleiter, welcher, analog zum Leiter Rettungsdienst im öffentlichen Raum, die Erstellung der Einsatzpläne, des Organigramms, sowie das Qualitätsmanagement der Rettungsdienste an der Rennstrecke übernimmt. Bei einigen Veranstaltungen der FIA ist ein Race Director dem Rennleiter übergeordnet. Es obliegt dem Rennleiter, ob und wann der Einsatz der Hilfsdienste auf der Rennstrecke genehmigt wird. Somit übernimmt die Race Control auch die Aufgaben, welche im öffentlichen Rettungsdienst durch die Rettungsleitstelle erfüllt werden. So ist es die Aufgabe der Rennleitung, den Gesamtüberblick über das Renngeschehen zu behalten und sowohl die Marshals der Streckensicherung als auch die Hilfsdienste zu koordinieren. Das Befahren der Rennstrecke und der Rettungswege, welche die Rennstrecke umgeben, wird ausschließlich durch die Race Control genehmigt und darf nicht in eigenem Ermessen erfolgen. Im Bereich des Rennsports werden teilweise abweichende Bezeichnungen für die eingesetzten Rettungsmittel verwendet. So unterscheidet man im Motorradsport z.b. A -, B- und C-Fahrzeuge. Während die A- Fahrzeuge eine schnelle ärztliche Intervention sicherstellen (entspricht einem Notarzteinsatzfahrzeug), dienen die B- und C-Fahrzeuge dem Patiententransport (Notarzt-, Rettungs- und Krankenwagen). Flaggenkunde Flaggensignale dienen der Kommunikation mit den Fahrern. 10