Der Regierungsrat des Kantons Bern Le Conseil-exécutif du canton de Berne Postgasse 68 3000 Bern 8 www.rr.be.ch info.regierungsrat@sta.be.oh Frau Bundesrätin Doris Leuthard Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK Bundeshaus Nord 3003 Bern 17. September 2014 RRB-Nr.: Direktion Unser Zeichen Ihr Zeichen Klassifizierung 1143/2014 Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion 402.2014/Ev Anhörung des Bundes: Verordnung über Anpassungen im Umweltbereich: Weiterentwicl<lung der Programmvereinbarungen für die Programmperiode 2016-2019. Stellungnahme des Kantons Bern Sehr geehrte Frau Bundesrätin Sehr geehrte Damen und Herren Der Regierungsrat dankt Ihnen für die Gelegenheit, zur Weiterentwicklung der Programmvereinbarung im Umweltbereich Stellung nehmen zu dürfen. 1 Grundsätzliches Dank seiner grossen Ausdehnung und seiner geografischen Höhen und Tiefen ist der Kanton Bern Heimat zahlreicher und vielfältiger Ökosysteme. Vom Jura über das Mittelland bis in die Alpen hat er als einziger Kanton neben der Waadt an allen drei Grossregionen der Schweiz Anteil. Diese Einzigartigkeit ist nicht nur ein Privileg, sie beinhaltet auch die Pflicht, die Ökosysteme, die Natur und die Menschen, die darin leben, adäquat zu schützen. Gerade in diesem Sommer hat sich gezeigt, dass der Schutz vor Hochwasser dabei ein zentrales Element ist, das aber längst nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Soll der Hochwasserschutz auch in Zukunft wirksam Schäden an Mensch und Natur verhindern, ist der Kanton Bern weiterhin auf den Bund als starken und zuverlässigen Partner angewiesen. Den im Jahr 2008 vollzogenen Systemwechsel der Subventionspolitik im Umweltbereich schätzen wir. Das neue System ermöglicht es dem Bund, die übergeordneten Umweltziele zu Letzte Bearbeitung: 03.09.2014 / Version: 1 / Dok.-Nr.: 469887 / Geschäftsnummer: 469887 Seite 1 von 5
definieren, während die Kantone die konkreten Massnahmen zur Erreichung dieser Ziele bestimmen und dabei vom Bund mittels mehrjähriger Programmvereinbarungen unterstützt werden. Diese konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips hat eine effiziente und effektive Realisierung der Subventionsprojekte ermöglicht. Es ist uns deshalb ein Anliegen, dass an diesem Prinzip festgehalten und auf Forderungen nach einem höheren Detaillierungsgrad in den Kantonalen Richtplänen verzichtet wird. Zu den einzelnen Verordnungsänderungen äussern wir uns wie folgt: 2 Wasserbauverordnung (WBV) 2.1 Art. 1 Bst. a"'" Die vorgesehene Neuregelung lehnen wir dezidiert ab. Zum einen ist sie aus praktischer Sicht nicht erfüllbar, zum anderen gefährdet sie die weitere Umsetzung wirksamer Hochwasserschutzprojekte. Gemäss den Erläuterungen sollen jene Grundeigentümer als Nutzniesser einer wasserbaulichen Massnahme betrachtet werden, deren Grundstücke durch eine Massnahme besser geschützt werden, und die dadurch einen finanziellen Vorteil haben. Folglich würden alle Grundeigentümer im Wirkungsperimeter einer Hochwasserschutzmassnahme als Nutzniesser definiert. Dies würde demnach bedeuten, dass regelmässig eine sehr grosse Anzahl von Grundeigentümern als Nutzniesser direkt an den Kosten der Massnahme beteiligt werden müsste. Das wäre in der Praxis nicht umsetzbar, insbesondere bei wasserbaulichen Massnahmen mit grossflächiger Wirkung bis tief in dicht besiedelte Wohngebiete. Nichts anderes zeigen die Erfahrungen mit der Waldgesetzgebung, auf die in den Erläuterungen verwiesen wird. Die dort vorgeschriebene finanzielle Beteiligung der Nutzniesser von Schutzmassnahmen erweist sich in der Praxis als juristisch nicht durchsetzbar. Die Regelung muss schon deshalb entschieden abgelehnt werden. Wesentlich bedeutsamer ist allerdings, dass mit der Mitfinanzierungspflicht für Nutzniesser eine neue Voraussetzung für die Abgeltungen des Bundes bei Hochwasserschutzmassnahmen geschaffen werden soll. Bundesbeiträge sollen also nur noch dann ausgerichtet werden, wenn die Nutzniesser an den Kosten der Massnahme beteiligt werden. Nicht nur, dass der exakte Kreis der Nutzniesser im Fall des Hochwasserschutzes in den meisten Fällen nur sehr schwierig zu eruieren wäre, es ist auch unklar, wann diese Voraussetzung als erfüllt gälte. Der Kanton Bern und alle anderen hochwassergefährdeten Kantone sind zwingend auf die Mitfinanzierung des Bundes angewiesen um einen wirksamen Hochwasserschutz für Bevölkerung und Umwelt sicherstellen zu können. Mit der neuen Voraussetzung für Bundesbeiträge würde die dringend notwendige Fortsetzung der Arbeit am Hochwasserschutz in der Schweiz massiv gefährdet, wenn nicht verunmöglicht. Wir beantragen, auf die Bestimmung Art. 1 Bst. a"'^ in dieser Form zu verzichten. Allenfalls denkbar könnte höchstens ein Instrument sein, das ähnlich der Mehrwertabschöpfung im Raumplanungsrecht ausgestaltet würde. Gegebenenfalls sind wir gerne bereit, einen entsprechenden Vorschlag zu prüfen. Letzte Bearbeitung: 03.09.2014 / Version: 1 / Dok.-Nr.: 469887 / Geschäftsnummer: 469887 402.2014 Seite 2 von 5
2.2 Art. 24 (sowie Art. 16 Abs. 1 der Waldverordnung) Dass die Verpflichtung zur Erstellung von Notfallplänen in die Verordnung aufgenommen werden soll, begrüssen wir ausdrücklich. Wir gehen davon aus, dass diese Arbeiten auch weiterhin über die Programmvereinbarungen durch den Bund finanziell unterstützt werden. Im Rahmen von Pilotprojekten wurden bereits in verschiedenen Regionen des Kantons Bern Notfallplanungen Naturgefahren erstellt und erste positive Erfahrungen gesammelt. Hinsichtlich der mit der vorliegenden Verordnungsänderung beabsichtigten Harmonisierung der rechtlichen Bestimmungen verschiedener Aufgabenbereiche beantragen wir jedoch folgende Angleichung der Wortlaute von Art. 24 der Wasserbauverordnung und Art. 16 Abs. 1 der Waldverordnung: Art. 24 Wasserbauverordnunp (WBV): "Wo es der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten wie Verkehrswegen, wichtigen Infrastrukturen oder Kulturgütern vor den Gefahren des Wassers erfordert, sorgen die Kantone für den Aufbau und den Betrieb der Frühwarndienste sowie die Erstellung von Notfallplänen." Art. 16 Abs. 1 Waldverordnung (WaV): "Wo es der Schutz von Menschen oder erheblichen Sachwerten wie Verkehrswegen, wichtigen Infrastrukturen oder Kulturgütern vor [Gefahren ergänzen]* erfordert, sorgen die Kantone für den Aufbau und den Betrieb der Frühwarndienste, die Erstellung von Notfallplänen sowie für den Aufbau und Betrieb der dazugehörigen Mess- und Informationsstellen." * Die Gefahren, vor denen die Menschen und erhebliche Sachwerte geschützt werden sollen, sind zu ergänzen. 3 Waldverordnung (WaV) 3.1 Art. 16 Abs. 1 Siehe Ausführungen unter Ziffer 2.2. 3.2 Art. 18 Abs. 4 Diese Bestimmung lehnen wir ab. Die bisherigen Regelungen, die sich auf Art. 2, Art. 3 und Art. 6 RPG abstützen, sind ausreichend. Die Kantone konnten bereits bisher die wichtigen raumwirksamen Festsetzungen der überbetrieblichen forstlichen Planung in die Richtplanung überführen. Der kantonale Richtplan enthält denn auch bereits sechs waldspezifische Massnahmenblätter, welche regelmässig im Rahmen der Richtplancontrollings überprüft werden. Es ist nicht Sache des Bundes, den Kantonen die Anwendung der raumplanerischen Instrumente in diesem Detaillierungsgrad vorzuschreiben. Er verletzt damit das Prinzip der Subsidiarität und den Grundsatz gemäss Art. 2 Abs. 3 RPG, wonach den Kantonen ein möglichst grosser Ermessensspielraum einzuräumen ist. Wir beantragen daher, Art. 18 Abs. 4 WaV ersatzlos zu streichen. Letzte Bearbeitung: 03.09.2014 / Version: 1 / Dok.-Nr.: 469887 / Geschäftsnummer: 469887 402.2014 Seite 3 von 5
3.3 Art. 39 Abs. 5 Bst. a V Der Begriff bekanntes Gefahrengebiet" ist nicht definiert. Gerade bei Rutsch- und Sturzprozessen dürfte es schwierig sein, abzugrenzen, wann ein Gefahrengebiet bekannt und wann nicht bekannt war, da während langer Zeit keine klaren Zuständigkeitsregelungen bestanden. Im Gegensatz dazu ist eine ausgeschiedene Gefahrenzone ein allgemein verbindlicher Hinweis-, Gebots- oder Verbotsbereich, mit zumindest behörden-, wenn nicht sogar grundeigentümerverbindlicher Wirkung. Wer sich in der Vergangenheit solchen Bereichen widersetzt hat, soll nicht mit durch die Öffentlichkeit mitfinanzierten Schutzmassnahmen belohnt werden. Insofern können wir dem Anliegen des BAFU zustimmen, beantragen aber für eine Formulierung, welche eindeutig und praktikabel umzusetzen ist: Art. 39 Abs. 5 Bst. a: "Massnahmen zum Schutz von Bauten und Anlagen, die in ausgeschiedenen Gefahrenzonen und bekannten Gefahrengebieten erstellt wurden, ohne zwingend auf diesen Standort angewiesen zu sein;" Den obigen Ausführungen entsprechend sind auch die Erläuterungen zu Art. 39 Abs. 5 Bst. a WaV anzupassen. 3.4 Art. 43 Abs. 1 Bst. b Obwohl wir die Beurteilung unterstützen, dass hinsichtlich Holzvermarktungsorganisationen mehrheitlich eine gute Abdeckung in den Regionen besteht, ist diese dennoch nicht vollständig und bedarf einzelner gezielter Ergänzungen. Zudem ist unklar, wann eine Gründung als Neugründung" gilt und wie es sich beispielsweise mit Fusionen verhält, bei denen ein neues Unternehmen gegründet wird. Die Erläuterungen schaffen hier Unsicherheit und weiteren Regelungsbedarf. Wir beantragen daher, darauf zu verzichten und den letzten Abschnitt der Erläuterungen zu dieser Bestimmung über den generellen Ausschluss der Neugründung von Holzvermarktungsorganisationen zu streichen. 4 Gewässerschutzverordnung (GschV) 4.1 Art. 41dAbs. 3 Die geplante Fristverlängerung für die Fertigstellung der strategischen Planungen an stehenden Gewässern begrüssen wir. Wir erlauben uns, in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen, dass die methodischen Grundlagen durch das BAFU frühzeitig (ca. 2016) zur Verfügung gestellt werden müssen, da die Datengrundlagen für die Planungen im Rahmen grösserer Projekte erst erhoben werden müssen. Da der Kanton Bern über 100 kleine und drei grosse Seen zu bearbeiten hat, muss die Möglichkeit bestehen, die Untersuchungen auf mehrere Jahre aufzuteilen. Darüber hinaus sollten die Finanzierungsbeiträge des BAFU für die Untersuchungen und Planung ebenfalls rechtzeitig zugesichert werden. Letzte Bearbeitung: 03.09.2014 / Version: 1 / Dok.-Nr.: 469887 / Geschäftsnummer: 469887 402.2014 Seite 4 von 5
5 Lärmschutzverordnung (LSV) 5.1 Art. 24 Abs. 2 Dass Lärm gemäss Art. 11 Abs. 1 des Umweltschutzgesetzes (USG) mit Massnahmen an der Quelle zu begrenzen ist, unterstützen wir grundsätzlich. In der Praxis ist in vielen Fällen der Einbau von Schallschutzfenstern jedoch nach wie vor oft die einzige bzw. wirksamste und kostengünstigste Methode um die Bevölkerung vor gesundheitsschädigendem Lärm zu schützen. Auch von den Betroffenen selber werden die Schallschutzfenster geschätzt. Hingegen ist die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit gewisser Lärmschutzmassnahmen an der Quelle derzeit noch nicht hinreichend belegt. So wird das akustische Langzeitverhalten von lärmarmen Strassenbelägen aktuell noch erforscht. Es ist daher verfrüht, dieser Massnahme eine dauerhafte Wirkung zuzuschreiben. Dies umso mehr, als es sich aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen kein Kanton leisten kann, Strassenbeläge, die ihre lärmreduzierende Wirkung verlieren, aber mechanisch und sicherheitstechnisch intakt sind, frühzeitig zu ersetzen. Lärmarme Strassenbeläge werden bereits heute vom Bund mit 32 Prozent subventioniert. Eine weitere Erhöhung erachten wir aufgrund des derzeitigen Wissenstandes für nicht sinnvoll. Wir beantragen, auf die Reduktion der Bundesbeiträge für Schallschutzfenster von 400 Franken auf 200 Franken zu verzichten. 6 Schlussbemerkungen Mit den übrigen vorgeschlagenen Änderungen sind wir einverstanden. Der Regierungsrat dankt Ihnen für die Berücksichtigung seiner Anliegen. Freundliche Grüsse Im Namen des Regierungsrates Die Präsidentin Der Staatsschreiber Christoph Auer Verteiler Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion Polizei- und Militärdirektion Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion Volkswirtschaftsdirektion Finanzdirektion Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Recht, 3003 Bern sowie recht@bafu.admin.ch Letzte Bearbeitung: 03.09.2014 / Version: 1 / Dok.-Nr.: 469887 / Geschäftsnummer: 469887 402.2014 Seite 5 von 5