Text: Matthäus 2,1-12

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Transkript:

reformierte kirchgemeinde aarau www.ref-aarau.ch Daniel Hess Pfarrer Jurastrasse 13 Telefon 062 836 60 74 5000 Aarau daniel.hess@ref-aarau.ch Predigt vom 6. Januar 2019 über Matthäus 2,1-12 Text: Matthäus 2,1-12 Als Jesus in Betlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes zur Welt gekommen war, da kamen Sterndeuter aus dem Morgenland nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihm zu huldigen. Als der König Herodes davon hörte, geriet er in Aufregung und ganz Jerusalem mit ihm. Und er liess alle Hohen Priester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa, denn so steht es durch den Propheten geschrieben: Und du, Betlehem, Land Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der mein Volk Israel weiden wird. Darauf rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und wollte von ihnen genau erfahren, wann der Stern erschienen sei. Und er schickte sie nach Betlehem mit den Worten: Geht und forscht nach dem Kind! Sobald ihr es gefunden habt, meldet es mir, damit auch ich hingehen und ihm huldigen kann. Auf das Wort des Königs hin machten sie sich auf den Weg, und siehe da: Der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her, bis er über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war. Als sie den Stern sahen, überkam sie grosse Freude. Und sie gingen ins Haus hinein und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter; sie fielen vor ihm nieder und huldigten ihm, öffneten ihre Schatztruhen und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Weil aber ein Traum sie angewiesen hatte, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land. 1

Liebe Gemeinde Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, die Weihnachtsgeschichte sei harmlos? Sei eine nette Geschichte? Passend zu Lametta und Kerzenlicht? Bestens dafür geeignet, damit sie in der gut geheizten Stube vorgelesen wird? Und das alle Jahre wieder! Dabei ist diese Geschichte alles andere als harmlos. Schon gar nicht in der Version, wie sie der Evangelist Matthäus uns erzählt. Wir haben einen Ausschnitt davon gehört. In dieser Geschichte kommt so ziemlich alles zur Sprache, von dem wir zumindest an den Weihnachtstagen doch so gerne verschont bleiben möchten. Matthäus erzählt von den Beziehungsschwierigkeiten, die Maria und Josef haben wegen diesem ungewollten Kind. Er erzählt davon, wie sehr Macht korrumpiert. Da ist Herodes, der nicht einen Moment lang zögert über Leichen zu gehen, wenn ihm das nur hilft, seine eigene Position zu sichern. Und Matthäus verschweigt schliesslich auch nicht, dass Jesus, kaum ist er auf der Welt, zum Flüchtling wird. Verfolgt an Leib und Leben. Und schneller als uns lieb ist, sind wir mit dieser Weihnachtsgeschichte näher an den alltäglichen Schlagzeilen als bei dieser Idylle, die wir an den vergangen Festtagen versucht haben aufrecht zu erhalten. Wie erfolgreich, das bleibe dahingestellt. Nein, harmlos ist sie nicht, diese Weihnachtsgeschichte. Und trotzdem erzählt sie uns noch etwas anderes als die Tagesschau und die Newsportale unserer Zeit. Denn über dieser ganzen Geschichte leuchtet ein Stern. Fremde Gestalten aus dem Osten tauchen plötzlich auf, die genau diesem Stern folgen. Die sich von ihm bewegen lassen. Die sich auf die Suche machen. Einem Stern folgen. Gibt es ein schöneres Bild, um unsere Sehnsucht zu beschreiben? Um das zum Ausdruck zu bringen, was wir uns erhoffen und wünschen? Und uns in mancher Nacht still erträumen? Einem Stern folgen. Gibt es ein schöneres Bild, um das zum Ausdruck zu bringen, was wir uns für das noch neue Jahr ersehnen? Was wir für Maria und Nils und all unsere Kinder wünschen? Wer von uns hat nicht ein solcher Stern am Himmel? Einen Wunsch, einen Traum, eine Sehnsucht? Ein Stern, der zum Aufbruch mahnt? Sichtbar ist er meistens nur in der Nacht. Am Tag verlieren wir ihn schnell einmal aus den Augen. Ja, er geht unter in der Hektik des Alltags. Bei jenen Gestalten aus dem Morgenland allerdings ist es anders. Diese begnügen sich nicht nur damit, in der Nacht verträumt den Himmel anzuschauen. Nein, sie brechen auf und folgen dem Stern. Auch wenn es 1000 Gründe gibt, die dagegen sprechen. Vernünftige Argumente und Gründe, die jedem einleuchten. Trotzdem schieben diese Gestalten aus dem Osten ihre Abreise nicht auf. Weil der Zeitpunkt nicht gerade günstig ist. Weil sie noch so viel zu erledigen und zu tun haben. Oder weil sie sagen: Ich kann diesem Stern ja immer noch später folgen. Nein sie brechen auf. Jetzt und sofort. 2

Dabei treten sie eine Reise an, bei der sie nicht wissen, wohin diese sie führen wird. Was sie unterwegs alles erwartet. Sie treten eine Reise an, die sie über ihre gewohnte Umgebung hinaus führt. Eine Reise, in der sie Grenzen überschreiten lässt und wo sie Neuland betreten. Auf der Suche nach jener Verheissung, für die der Stern steht. Und als eines Tages plötzlich Tages in Judäa und Jerusalem auftauchen, weiss niemand so recht, woher sie eigentlich kommen und wer sie eigentlich sind. In der Bibel werden sie als Magier bezeichnet. Als Magier aus dem Osten. Später machte man aus ihnen sogar Könige. Wohl wegen den königlichen Geschenken, die sie mitbrachten: Gold, Weihrauch und Myrre. Aber in der Bibel werden sie als Magier bezeichnet. Astrologen seien sie gewesen, hat man gemutmasst. Sterndeuter. Weise aus dem Morgenland halt. Das tönt für unsere Ohren ziemlich esoterisch. Aber ausgerechnet diese exotischen Gestalten, diese Magier, tauchen in Jerusalem auf und fragen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen. Viel erfahren wir über diese Magier nicht. Aber etwas wird bei ihrer Suche deutlich: Sie suchen nicht ihren eigenen Stern. Sie träumen nicht davon, selbst gross herauszukommen. Selbst ein Star zu werden. Sie träumen nicht vom schnelllebigen Glanz und Glimmer. Sie sind nicht darauf bedacht, sich selbst in Szene zu setzen. Sie greifen nicht nach den Sternen und träumen von einer astronomisch hohen Zahl von Followern oder davon influencer zu werden. Nein, sie werden selber zu Followern, indem sie dem Stern eines andern nachfolgen...wir haben seinen Stern aufgehen sehen sagen sie. Sie scheinen zu ahnen: Die Wahrheit findet man nicht bei sich selbst. Man findet sie nicht, wenn man nur bei sich selbst bleibt. Man kann die Wahrheit suchen. Man kann sie sich wünschen. Aber letztlich wird sie einem geschenkt. Wir haben seinen Stern aufgehen sehen. Sagen die Weisen aus dem Morgenland. Aber zuerst einmal machen sie die Erfahrung, dass sie trotz ihrem entschlossenen Aufbrechen, trotz ihrem grossen Suchen, trotz ihrer Weisheit zuerst einmal stranden. Sie landen nicht beim neugeborenen König der Juden, sondern beim Herodes. Bei Herodes, der das pure Gegenteil von dem verkörpert, was sie sich erhoffen und wünschen. Erst durch den entscheidenden Hinweis aus der Schrift kommen sie auf die richtige Spur. Herodes lässt ja sämtliche Priester und Schriftgelehrte zusammentrommeln und verlangt von ihnen Auskunft. Und die Schriftgelehrten stossen beim Propheten Micha auf die entscheidende Stelle, die sagt, dass der Messias in Bethlehem auf die Welt kommen soll. 3

Kurz und gut: Die Schriftgelehrten deuten die Zeichen der Zeit und ihre Schrift absolut richtig. Das beindruckt mich. Weil ich gerade auch als Pfarrer weiss: Die Auslegung der Schrift ist keine exakte Wissenschaft. Da kann man sich auch einmal verrennen. Weil ich weiss, dass man die Bibel auch immer wieder missverstanden und allzu oft leider auch missbraucht hat. Davor ist niemand gefeit. Auch ich bin es nicht. Auch ich muss mich immer wieder fragen, ob ich den Sinn dieser Worte überhaupt schon verstanden habe. Ob ich sie annähernd verstanden habe. Und ob ich mit meiner Interpretation richtig liege. Die Priester und Schriftgelehrten in Jerusalem haben dieses Problem nicht. Sie treffen mit ihrer Deutung den Nagel auf den Kopf und voll ins Schwarze. Umso irritierender ist der Umstand, dass sie daraufhin ihre Schriftrollen fein säuberlich zusammen rollen und wieder versorgen. Und nichts passiert. Sie denken nicht daran, dem Stern zu folgen. Das scheint für sie gar keine Option zu sein. In diesem heiligen Jerusalem bricht niemand auf. Setzt diese Nachricht niemand in Bewegung. Alle tun so, als wäre nichts passiert. Sie bleiben passiv, bleiben neutral. Aber macht nicht gerade erst dieses passive und neutrale Verhalten den grausamen Kindermord überhaupt erst möglich? Man hätte in der Schrift ja nicht lange suchen müssen, um zu belegen, dass das Vorgehen von Herodes alles andere als dem Willen Gottes entspricht. Einmal mehr wird deutlich: Diese Weihnachtsgeschichte ist alles andere als harmlos. Ja, sie hält auch mir als Pfarrer und sie hält uns als Christinnen und Christen da den Spiegel vor. Wie oft verstehen wir den Sinn der Schrift? Verstehen ihn sogar richtig? Und legen sie dann trotzdem fein säuberlich auf die Seite. Tun so, wie nichts wäre. Wie oft beruft sich unsere Gesellschaft darauf, zum christlichen Abendland zu gehören. Aber wo hat denn diese Zugehörigkeit auch Konsequenzen? Consequi heisst ja ursprünglich folgen. Wo also folgen wir selber diesem Stern? In Jerusalem bleibt alles beim Alten. Und die Weisen aus dem Morgenland müssen alleine nach Bethlehem weiterziehen. Doch sie lassen sich auch jetzt nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Sie folgen weiter dem Stern, den sie haben aufgehen sehen. Und finden so den Weg zur Krippe. Das Ziel ihrer Suche ist ein Kind. Ist Gott als menschliches Gegenüber. Am Ort ihrer Sehnsucht angelangt, verneigen sich die Magier vor diesem Kind. Sie verneigen sich vor diesem Kind und huldigen ihm. Ihm huldigen. Das tönt für uns mindestens so exotisch und so fremd wie uns diese Magier aus dem Morgenland selber sind. Huldigen. Das hat etwas Unterwürfiges. Ist das denn nötig? Ist es nötig, sich auch vor diesem neugeborenen König einmal mehr müssen klein und unterwürfig zu machen? Und was wäre daran denn so neu? 4

Doch der Impuls zum Niederknien und Huldigen wird nicht durch einen Befehl ausgelöst. Und auch nicht durch ein Hofprotokoll, welches dies vorschreiben würde. Der Impuls kommt bei diesen Sterndeutern vielmehr von innen heraus. Ausgelöst wird dieser Impuls von der unheimlich grossen Freude, die sie erfüllt. In der deutschen Übersetzung kommt diese Freude schon fast etwas abgeschwächt zum Ausdruck. Sie freuten sich mit gewaltiger Freude gar sehr. Heisst es hier wörtlich. Sie freuen sich so sehr, dass sie alles vergessen. Dass sie sogar sich selbst vergessen. Nicht weil sie sich künstlich klein oder unterwürfig machen. Sondern weil sie ganz in dieser Freude aufgehen. Die Freude über die Verheissung und Zusage, die von diesem Kind ausgeht. Gott als menschliches Gegenüber in einem Kind. Das stellt alle Rangordnungen und Hierarchien komplett auf den Kopf. Und so schenken die Sterndeuter diesem Kind zwar Gold, Weihrauch und Myrre. Aber die eigentlichen Beschenkten sind sie selbst. Die Begegnung mit diesem göttlichen Kind hat sie verändert. Und so kehren sie dankbar dorthin zurück, wo sie herkamen. Doch sie sind nicht mehr dieselben, wie da, als sie aufbrachen. Von jetzt an gehen sie anders. Und sie gehen einen anderen Weg. Vor dem Kind sind sie niedergekniet. Aber um die Herrschaftsansprüche anderer machen sie von jetzt an einen Bogen. Von jetzt an gibt es keinen Grund mehr, sich dem Herodes und seiner Macht auszuliefern. Von jetzt an lassen sie sich nicht mehr so schnell von jemandem in die Knie zwingen. Und wenn die Weihnachtsgeschichte keine harmlose Geschichte sein soll, dann nimmt sie auch uns mit hinein in dieses Geschehen. Führt uns hin zur Krippe. Und dann wieder zurück in den Alltag. Und auf neue Wege. Wenn die Weihnachtsgeschichte keine harmlose Geschichte sein soll, dann stehen auch wir unter seinem Stern. Damit uns hin und wieder ein Licht aufgeht. Amen. 5