ERSTEINSCHÄTZUNG ZUR EMISSIONSSEITIGEN WIRKUNG DER ÄNDERUNG DES TEMPOLIMITS VON T60 AUF T50 FÜR EINEN ABSCHNITT DER B28 IN TÜBINGEN

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Transkript:

ERSTEINSCHÄTZUNG ZUR EMISSIONSSEITIGEN WIRKUNG DER ÄNDERUNG DES TEMPOLIMITS VON T60 AUF T50 FÜR EINEN ABSCHNITT DER B28 IN TÜBINGEN Auftraggeber: Regierungspräsidium Tübingen Referat 54.1 Luftreinhaltung Konrad-Adenauer-Str. 20 72072 Tübingen Durchführung: Ingenieurbüro Rau (Federführung) Bottwarbahnstraße 4 74081 Heilbronn AVISO GmbH Am Hasselholz 15 52074 Aachen 20. Dezember 2011

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... I 1 Einleitung... 1 2 Emissionsfaktoren-Handbuch HBEFA3.1... 2 3 Messfahrten T30 / T50 im Rahmen von T30 - Untersuchungen in badenwürttembergischen Kommunen... 4 4 Emissionsseitige Wirkung der Änderung des Tem-polimits von T60 auf T50... 6 4.1 Emissionsfaktoren für ungestörte Realfahrt T60 und maximal verflüssigte T50- Fahrt... 6 4.2 Emissionen... 7 5 Ergänzende Anmerkungen... 8 6 Zusammenfassung... 9 7 Literaturverzeichnis...11 Tübingen T50/T60 Seite I

1 Einleitung Im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans (LRP) Tübingen wird auch die Maßnahme Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Tempolimit T60 auf T50 für den Abschnitt der B28 zwischen Europastraße und Westbahnhofstraße diskutiert. Zur Ermittlung der möglichen Wirkung dieser Maßnahme auf die Luftqualität wurde auf Basis vorhandener Daten und Informationen aus anderen Untersuchungen eine Ersteinschätzung für den betroffenen Abschnitt der B28 in Tübingen durchgeführt. Im Folgenden werden kurz die vorhandenen Daten und Informationen beschrieben, die für die Ersteinschätzung der emissionsseitigen Wirkung der Änderung des Tempolimits von 60 km / h (T60) auf 50 km / h (T50) herangezogen wurden. Tübingen T50/T60 Seite 1

2 Emissionsfaktoren-Handbuch HBEFA3.1 Im HBEFA3.1 /HBEFA 2010/ sind für innerörtliche Straßen Emissionsfaktoren für verschiedene Verkehrssituationen, teilweise mit unterschiedlichen Tempolimits, angegeben. Hinter jeder dieser Verkehrssituationen liegen charakteristische Fahrkurven. Die Gegenüberstellung von typischen Fahrparametern und Emissionsfaktoren für Verkehrssituationen einer innerörtlichen Hauptverkehrsstraße mit unterschiedlichem Tempolimit, wie sie in HBEFA3.1 enthalten sind (Distributor 50 / 60 / 70 km/h), zeigen Bild 2.1 und Bild 2.2. Dargestellt in Bild 2.1 sind die relativen positiven Beschleunigungen RPA (über die Strecke gemittelt) für die Verkehrssituationen Distributor, speed limit 50, 60 und 70 km/h für unterschiedliche Störungsgrade nach HBEFA3.1. Zu erkennen ist, dass die Unruhe im Verkehrsablauf, ausgedrückt durch den Dynamikparameter RPA, bei Tempolimit 50 km/h meist höher liegt als bei Tempolimit 60/70 km/h (und die NO X -Emissionsfaktoren entsprechend auch (vgl. Bild 2.2)). Durch eine Absenkung des Tempolimits auf ein und derselben Straße mit einhergehender Harmonisierung des Verkehrsablaufs ist aber genau das Gegenteil zu erwarten, eine Reduktion der Unruhe (RPA) im Verkehrsablauf für Tempolimit 50 km/h im Vergleich zu Tempolimit 60/70 km/h. Hier zeigt sich das Problem von Fehlinterpretationen bei nicht fachgerechter Anwendung des Zuordnungsschemas der Verkehrssituationen nach HBEFA3.1 bei der Typisierung von Straßenabschnitten. Tübingen T50/T60 Seite 2

0,25 0,20 0,15 ²] /s [m a rp 0,10 50 km/h 60 km/h 70 km/h 0,05 0,00 Bild 2.1: Vergleich der relativen positiven Beschleunigungen RPA in m/s 2 für unterschiedliche Störungsgrade der Verkehrssituationen Distributor, speed limit 50, 60 und 70 km/h nach HBEFA3.1 0,70 0,60 0,50 ] m0,40 /k [g O X N0,30 0,20 50 km/h 60 km/h 70 km/h 0,10 0,00 Bild 2.2: Vergleich der NO X -Emissionsfaktoren für unterschiedliche Störungsgrade der Verkehrssituationen Distributor, speed limit 50, 60 und 70 km/h nach HBEFA3.1 So sind z.b. die Verkehrssituationen Distributor, speed limit 50, 60 und 70 km/h in Bezug auf die räumliche Lage und Funktion der Straßenabschnitte im Netz i.d.r. unterschiedlich zu bewerten. Hauptverkehrsstraßen (z.b. Ringstraßen) mit Tempolimit 50 km/h sind hauptsächlich innenstadtnäher (z.b. innere Ringstraßen), die mit Tempolimit 60/70 km/h innenstadtfer- Tübingen T50/T60 Seite 3

ner (z.b. äußere Ringstraßen) anzutreffen. Aufgrund der verschiedenen Einbindung in die Netzstruktur treten unterschiedliche Verkehrsabläufe auf (vgl. Bild 2.1) und entsprechend auch unterschiedliche Emissionsfaktoren (vgl. Bild 2.2). Diese Unterschiede sind aber nicht als Wirkung einer Änderung des Tempolimits auf ein und derselben Straße zu verstehen, sondern als Unterschiede aufgrund der verschiedenen Rahmenbedingungen an unterschiedlichen Straßenabschnitten. Deshalb kann auf der Basis der Emissionsfaktoren nach HBEFA3.1 nicht auf die Emissionswirkungen unterschiedlicher Tempolimits für einen bestimmten Streckenabschnitt geschlossen werden. Um die emissionsseitigen Effekte einer Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit z.b. von 60 auf 50 km/h für ein und denselben Straßenabschnitt bewerten zu können, müssten Daten für Verkehrssituationen vorliegen, denen gleiche Lage- und Betriebsbedingungen, aber unterschiedliche Tempolimits hinterlegt sind. Solche vergleichbaren Verkehrssituationen liegen im HBEFA3.1 nicht vor. 3 Messfahrten T30 / T50 im Rahmen von T30 - Untersuchungen in baden-württembergischen Kommunen Es wurden im Rahmen der Untersuchungen zu den Auswirkungen von Tempo 30 km/h (T30) auf Hauptverkehrsstraßen in verschiedenen Städten von Baden-Württemberg (BW) Messfahrten und darauf aufbauend Emissionsberechnungen auf Basis von Simulationen mit dem PHEM 1 -Modell der Uni Graz durchgeführt /AVISO 2011/. Um eine erste Aussage zur emissionsseitigen Wirkung der Änderung eines Tempolimits von T60 auf T50 für den betroffenen Abschnitt der B28 in Tübingen zu erhalten, wurden die aufgenommenen Fahrkurven dahingehend untersucht, ob Teilstrecken darin enthalten sind, die vergleichbare Verhältnisse zu dem zu untersuchenden Abschnitt der B28 aufweisen. Der betroffene Abschnitt der B28 weist keine Straßenkreuzung bzw. Einmündung auf, außer am Anfang und Ende. Teilweise führt er durch einen Tunnel und steigt in Fahrtrichtung Norden an. Der Verkehrsfluss ist überwiegend stetig. Die Strecke ist pro Richtung zweistreifig ausgebaut, die Richtungen sind baulich getrennt. Im Rahmen der Untersuchungen zu den Auswirkungen einer Änderung des Tempolimits von T50 auf T30 auf Hauptverkehrsstraßen in verschiedenen Städten Baden-Württembergs waren die Messfahrten in ost-westlicher Richtung in Ingersheim und Pleidelsheim an einem Stück durchgeführt worden und enthalten eine kurze Strecke zwischen den Ortschaften mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h. Die aufgenommenen Fahrkurven zeigen, 1 PHEM (Passenger car and Heavy duty Emission Model, TU Graz) Tübingen T50/T60 Seite 4

dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht bei allen Fahrten erreicht wurde. Zur weiteren Auswertung wurden nur die Fahrten mit vergleichsweise niedrigen Höchstgeschwindigkeiten berücksichtigt und der Abschnitt so gewählt, dass die Beschleunigungsstrecken nach dem Ortsausgang sowie die Ausrollstrecken vor dem Ortseingang nicht mehr enthalten sind und die Geschwindigkeit des gemittelten Fahrprofils an Anfang und Ende des Abschnitts ungefähr gleich groß ist. Dieser Messfahrten-Teilabschnitt wurde im Weiteren als T60-Strecke verwendet. Die Messfahrten bei T50 in den verschiedenen Städten in BW ( Normalfahrten ) weisen durchgängig mehr Störungen (Halte an Knotenpunkten, an Fußgängerbedarf-LSA (Lichtsignalanlagen), bedingt durch einparkende Fahrzeuge oder durch Linksabbieger in Nebenstraßen ohne Abbiegestreifen usw.) auf, als es bei dem hier betrachteten Teilabschnitt der B28 der Fall ist. Deshalb können hier zum Vergleich mit den T60-Fahrten nur die maximal verflüssigten T50- Normalfahrten aus Heidenheim herangezogen werden. Dort wurden zur Abschätzung der maximal möglichen Verflüssigungswirkung sämtliche Halte und sämtliche in den darauf folgenden Beschleunigungsvorgängen emittierten Emissionen eliminiert. Der Streckenabschnitt wird im Weiteren als T50-Strecke zugrunde gelegt. Randbedingungen und Einschränkungen für die Übertragbarkeit der ausgewählten Strecken/Fahrkurven zur Beschreibung von T60 und T50 auf dem betroffenen Abschnitt der B28 Die ausgewählten Fahrkurven zur Beschreibung der T60-Situation weisen keine Störungen auf. Nach den Beobachtungen vor Ort ist der Verkehrsfluss im Tunnel auf der B28 in Tübingen meistenteils stetig, so dass die ausgewählten Fahrprofile die Strecke ausreichend charakterisieren. In den Spitzenstunden sind in der Realität jedoch höhere Störungsgrade zu erwarten. Ebenso sind bei den verwendeten maximal verflüssigten Messfahrten von Heidenheim (als T50-Strecke ausgewählt) keine Störungen enthalten. Die T60-Strecke und die T50-Strecke weisen beide keine Steigung auf. Die Steigung von Süden zum Tunnelmund an dem betrachteten Abschnitt der B28 kann daher beim Vergleich nicht berücksichtigt werden. Die mittlere Reisegeschwindigkeit der ausgewählten ungestörten T60-Fahrten liegt bei 59 km/h, die der maximal verflüssigten T50-Fahrten aus Heidenheim bei 44 km/h. Die vorliegende Geschwindigkeitsreduktion zwischen diesen zwei Fahrkurven beträgt also mehr als 10 km/h. Die für die T60-Strecke und die T50-Strecke abgeleiteten Emissionsfaktoren sind nur eingeschränkt vergleichbar, da in den beiden Fällen nicht die gleiche Messstrecke untersucht wurde. Da aber in beiden Fällen ein nahezu störungsfreier Verkehrsablauf vorliegt, wird angenommen, dass durch diesen Vergleich die Wirkung der Verände- Tübingen T50/T60 Seite 5

rung des Tempolimits T60 auf T50 für diese Situation (störungsfrei, nahezu Konstantfahrt) grob abgeschätzt werden kann. 4 Emissionsseitige Wirkung der Änderung des Tempolimits von T60 auf T50 4.1 Emissionsfaktoren für ungestörte Realfahrt T60 und maximal verflüssigte T50-Fahrt Für die T60-Strecke wurden analog zum Vorgehen bei den T30-Untersuchungen mittlere Emissionsfaktoren für eine ungestörte Realfahrt T60 bestimmt. Es wurde dabei die Flottenzusammensetzung für die Fahrzeugarten Pkw, leichte Nutzfahrzeuge (lnfz) und schwere Nutzfahrzeuge (snfz) für das Bezugsjahr 2010 verwendet. Entsprechende mittlere Werte liegen auch für die maximal verflüssigte (d.h. ungestörte) T50-Fahrt vor. Die ermittelten Emissionsfaktoren sind in Tab. 4.1 angegeben. Zusätzlich aufgeführt sind die Differenzen der Emissionsfaktoren von der ungestörten T60-Realfahrt zu maximal verflüssigter T50- Fahrt. Tab. 4.1: Mittlere ( warme ) Emissionsfaktoren (NO X und PM10-Abgas) für eine ungestörte Realfahrt T60, abgeleitet aus den mit PHEM berechneten Emissionen auf Basis der ausgewählten Fahrprofile sowie aus den maximal verflüssigten T50- Fahrten in Heidenheim (Bezugsjahr 2010) Efaktor Pkw lnfz snfz [g/km] NO X PM10 NO X PM10 NO X PM10 T60 Realfahrt, ungestört T50, maximal verflüssigt 0,206 0,0105 0,551 0,0428 4,886 0,1323 0,201 0,0096 0,477 0,0448 4,575 0,1452 Differenz -2,3% -8,4% -13,5% 4,6% -6,4% 9,7% Bei NO X gibt es für Pkw, leichte und schwere Nutzfahrzeuge Reduktionen durch den Übergang von T60 ungestört zu T50 maximal verflüssigt. Bei PM10 treten diese Reduktionen nur bei den Pkw auf, bei den leichten wie den schweren Nutzfahrzeugen kommt es zu Zunahmen der PM10-Emissionen. Tübingen T50/T60 Seite 6

Diese Emissionsfaktoren wurden im Weiteren dazu verwendet, die Erstabschätzung der emissionsseitigen Wirkung der Einführung von T50 anstatt T60 an dem betroffenen Abschnitt der B28 durchzuführen. 4.2 Emissionen Auf der Hegelstraße (B28) in Tübingen wurden von der Stadt Tübingen im Jahr 2009 Verkehrszählungen durchgeführt. Die sich daraus ergebenden jahresmittleren durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken sind differenziert nach Fahrzeugarten in Tab. 4.2 angegeben. Tab. 4.2: Jahresmittlere durchschnittliche tägliche Verkehrsstärken (DTV) und zugehörige Anteile der Fahrzeugarten, Quelle: Verkehrszählungen der Stadt Tübingen 2009 DTV Krad Pkw lnfz snfz Kfz Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden Kfz/24h 377 451 20.905 17.230 684 631 560 557 22.526 18.869 Anteil 1,7% 2,4% 92,8% 91,3% 3,0% 3,3% 2,5% 3,0% 100,0% 100,0% Aus den Emissionsfaktoren und Verkehrsstärken können jahresmittlere warme Abgas- Emissionsdichten (ohne Kaltstartzuschläge sowie bei PM10 ohne Aufwirbelung und Abrieb) berechnet werden. Diese sind in Tab. 4.3 angegeben. Tab. 4.3: Warme Abgas-Jahresemissionsdichten (NO X und PM10-Abgas), abgeleitet aus den Emissionsfaktoren aus Tab. 4.1 sowie den Verkehrswerten aus Tab. 4.2, Bezugsjahr 2010 Emissionsdichten Pkw lnfz snfz gesamt [kg/(km*a)] Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden Ri Süden Ri Norden NO X T60 1.597,3 1.327,0 137,5 126,9 998,6 993,3 2.733,5 2.447,2 NO X T50 1.560,3 1.296,3 119,0 109,8 935,2 930,2 2.614,4 2.336,2 PM10 T60 81,48 67,69 10,69 9,86 27,05 26,90 119,21 104,45 PM10 T50 74,63 62,00 11,18 10,31 29,68 29,52 115,48 101,83 Differenz NO X -2,3% -2,3% -13,5% -13,5% -6,4% -6,4% -4,4% -4,5% Differenz PM10-8,4% -8,4% 4,6% 4,6% 9,7% 9,7% -3,1% -2,5% Tübingen T50/T60 Seite 7

Aufgrund des geringen Anteils an schweren Nutzfahrzeugen ergeben sich durch den Übergang von T60 ungestört zu T50 maximal verflüssigt für die Abgas-Emissionsdichten 2 insgesamt Abnahmen (-4,4% Ri Süden bzw. -4,5% Ri Norden bei NO X, -3,1% bzw. -2,5% bei PM10). Da die Emissionsfaktoren in Tab. 4.1 aus Messfahrten an anderen Orten abgeleitet wurden und im Fall der T50-Fahrten nachträglich verflüssigt wurden, müssen die in Tab. 4.3 angegebenen Wirkungen im Sinne einer Ersteinschätzung als Tendenzen hinsichtlich der Wirkung einer Einführung von T50 im betroffenen Abschnitt der B28 (Hegelstraße) in Tübingen interpretiert werden. 5 Ergänzende Anmerkungen Konstantfahrt T50 und T60 Das Emissionsberechnungsmodell PHEM stellte eine wesentliche Basis bei der Ermittlung der Emissionsfaktoren für HBEFA3.1 dar. Ebenso wurden mit diesem Modell die Emissionen für die in den verschiedenen Städten in BW aufgenommenen Fahrkurven berechnet. Ergänzend wurden für die Fragestellung T60/T50 mit PHEM erste Test- Emissionsberechnungen für Pkw verschiedener Euronorm-Stufen für die zwei Situationen Konstantfahrt T50 und Konstantfahrt T60 durchgeführt /LUZ 2011/. Die Ergebnisse zeigen, dass beim Übergang von T60 zu T50 für NO X und PM10 bei den Pkw insgesamt Emissionsabnahmen überwiegen, wenn in beiden Fällen im vierten Gang gefahren wird. Wird hingegen nur bei T60 im vierten Gang und bei T50 im dritten Gang gefahren, ergeben sich aufgrund der höheren Drehzahlen Emissionszunahmen. Knotenpunkte an den Streckenenden Wie oben beschrieben lässt die betrachtete Strecke einen weitgehend störungsfreien Verkehrsablauf erwarten. An den Streckenenden befinden sich jedoch lichtsignalgesteuerte Knotenpunkte (Kreuzung Hegelstraße / Derendinger Straße im Süden, Kreuzung Rheinlandstraße / Westbahnhofstraße im Norden). Aus den T30-Untersuchungen lässt sich folgender Einfluss von Knotenpunkten auf die emissionsseitige Wirkung eines Tempolimits ableiten: In Beschleunigungsphasen wirkt sich ein Tempolimit emissionsmindernd aus, da die Zielgeschwindigkeit eher erreicht wird. 2 Aussagen zur Änderung der PM10-Emissionen durch Aufwirbelung und Abrieb sind nicht möglich, da keine entsprechend differenzierten Emissionsfaktoren vorliegen. Tübingen T50/T60 Seite 8

In Verzögerungsphasen wirkt sich ein Tempolimit emissionserhöhend aus, da die höhere kinetische Energie der Fahrzeuge bei höheren Geschwindigkeiten genutzt werden kann. Da die Emissionen in Beschleunigungsphasen höher liegen als in Verzögerungsphasen, ist an Knotenpunkten tendenziell mit einer positiven Wirkung eines Tempolimits zu rechnen. Es ist daher zu erwarten, dass eine Berücksichtigung der Knotenpunkte an den Streckenenden die voraussichtlich emissionsmindernde Wirkung einer Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von T60 auf T50 auf der betrachteten Strecke tendenziell verstärkt. 6 Zusammenfassung Im Rahmen der Fortschreibung des LRP Tübingen wird auch die Maßnahme Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von T60 auf T50 für den Abschnitt der B28 zwischen Europastraße und Westbahnhofstraße diskutiert. Zur Ermittlung der möglichen Wirkung dieser Maßnahme auf die Luftqualität wurde auf Basis vorhandener Daten und Informationen aus anderen Untersuchungen ein Ersteinschätzung für den betroffenen Abschnitt der B28 in Tübingen durchgeführt. Der betroffene Abschnitt der B28 weist keine Straßenkreuzung bzw. Einmündung auf, außer am Anfang und Ende. Teilweise führt er durch einen Tunnel und steigt in Fahrtrichtung Norden an. Der Verkehrsfluss ist überwiegend stetig. Die Strecke ist pro Richtung zweistreifig ausgebaut, die Richtungen sind baulich getrennt. Zur Ermittlung der emissionsseitigen Wirkung von T50 für einen auf T60 ausgelegten Straßenabschnitt liegen keine geeigneten Emissionsfaktoren aus HBEFA3.1 vor (d.h. vergleichbare Bedingungen bezüglich Verkehrsablauf / Störeinflüssen) Daher wurden Teilergebnisse aus Messfahrten an anderen Strecken in Städten in BW für T60 und T50 bei vergleichbaren Verkehrsablaufbedingungen (Strecken ohne Störeinflüsse und Stops (z.b. an LSA)) ausgewertet. Unter Berücksichtigung der Verkehrszusammensetzung an dem betroffenen Streckenabschnitt der B28 ergeben sich durch den Übergang von T60 ungestört zu T50 maximal verflüssigt für die Abgas-Emissionsdichten insgesamt Abnahmen (-4,4% Ri. Süden bzw. -4,5% Ri. Norden bei NO X, -3,1% bzw. -2,5% bei PM10-Abgas). Da die für diese Erstabschätzung verwendeten Emissionsfaktoren aus Messfahrten an anderen Orten abgeleitet wurden und im Fall der T50-Fahrten nachträglich verflüssigt wurden, müssen die ausgewiesenen Wirkungen im Sinne einer Ersteinschätzung als Tendenzen hinsichtlich der Wirkung einer Einführung von T50 im betroffenen Abschnitt der B28 (Hegelstraße) in Tübingen interpretiert werden. Tübingen T50/T60 Seite 9

Testrechnungen mit PHEM für Pkw für Konstantfahrt T60 und T50 unterstützen die im Rahmen der Ersteinschätzung erhaltenen Ergebnisse. Sie zeigen aber auch, dass nur für den Fall, dass in beiden Fällen (T60 und T50) im vierten Gang gefahren wird, tendenziell mit einer Emissionsreduktion zu rechnen ist. Wird dagegen bei T60 im vierten und bei T50 im dritten Gang gefahren, dann kommt es bei diesen Fahrten zu Emissionserhöhungen. Tübingen T50/T60 Seite 10

7 Literaturverzeichnis AVISO 2011 Bestimmung der Auswirkungen von T30 an Hauptverkehrsstraßen und Ortsdurchfahrten in verschiedenen Kommunen in Baden-Württemberg, im Auftrag der Regierungspräsidien Baden-Württemberg, diverse Schlussberichte, AVISO GmbH, Aachen 2010/2011 HBEFA 2010 www.hbefa.net LUZ 2011, persönliche Mitteilung von Herrn Luz, Email von 15.9.2011 Tübingen T50/T60 Seite 11