Predigt Ev.-Ref. Gemeinde Bielefeld (Lindemann)

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Transkript:

Predigt Ev.-Ref. Gemeinde Bielefeld 5.2.2017 (Lindemann) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? Diese Worte, liebe Gemeinde, haben wir in der neutestamentlichen Lesung gehört. Die Jünger Jesu, so erzählt Lukas in der Apostelgeschichte, haben zu Pfingsten den Heiligen Geist empfangen. Und nun predigen sie. Sie predigen in ihrer Sprache also auf Hebräisch oder Aramäisch, vielleicht mit galiläischem Akzent. Die Menschen aber, die aus vielen Gegenden der Welt nach Jerusalem gekommen sind, hören und verstehen die Worte der Jünger in jeweils ihrer eigenen Sprache. Lukas will damit sagen: Die Botschaft der Jünger Jesu wir könnten auch sagen: die Botschaft der Kirche ist nicht angewiesen auf eine bestimmte Sprache. Die Botschaft kann übersetzt werden. Es gibt keine besondere, keine womöglich heilige Sprache, die man erst lernen müsste, um dann die Botschaft verstehen zu können. Für uns ist das ganz selbstverständlich. Wir erleben zwar kein Pfingstwunder; aber niemand käme auf die Idee, dass die Predigten in unseren Gottesdiensten in einer fremden, uns unverständlichen Sprache gehalten werden müssten. Das ist übrigens, am Rande sei es erwähnt, ein Ergebnis der Reformation, die vor fünfhundert Jahren begann. Dasselbe gilt für die Bibel. Sie kann und darf übersetzt werden. Niemand käme auf die Idee, dass die Bibel nur in einer bestimmten Sprache gelesen werden kann. Nein, wir können und wir sollen die Bibel in unserer Sprache lesen, hören und verstehen. Dabei kommt der Übersetzung Martin Luthers immer noch eine besondere Bedeutung zu auch wenn es andere, gute Übersetzungen ins Deutsche gibt, wie etwa die Zürcher Bibel oder auch die BasisBibel, die vor allem jungen Menschen eine etwas einfachere und trotzdem verlässliche Übersetzung bietet. Die Übersetzung des Neuen Testaments, die Luther auf der Wartburg angefertigt hatte, erschien im September 1522. Die erste komplette Lutherbibel kam 1534 heraus. Das waren nicht die ersten deutschen Bibelausgaben. Aber es war Luthers Übersetzung, die allen Menschen überall in Deutschland die Möglichkeit gab, nun selber die Bibel zu lesen und zu verstehen. Unsere Sprache verändert sich im Laufe der Zeit. Unser Wissen über die Sprachen und Texte der Bibel nimmt zu. Ist eine von uns verwendete Bibelübersetzung immer noch 1

verständlich? Bezieht sich die Übersetzung auf die Texte, die von der Forschung als ursprünglich erkannt sind? Selbst eine so herausragende und uns so vertraute Übersetzung wie die Lutherbibel muss überprüft und an manchen Stellen vielleicht auch geändert werden. Es hat solche Revisionen schon zu Luthers Zeit gegeben er selbst hat über diese oft langwierige Arbeit berichtet. Und auch später wurde die Lutherbibel immer wieder durchgesehen und revidiert. Das geschah auch in den letzten Jahren, und nun liegt ein Exemplar der revidierten Lutherbibel aufgeschlagen auf unserem Abendmahlstisch. Eine Übersetzung ist ein Versuch, etwas, das in einer fremden Sprache geschrieben oder gesagt wurde, in der eigenen Sprache wiederzugeben. Der Inhalt des Gesagten soll dabei möglichst gut bewahrt werden. Bei der Arbeit an einer Bibelübersetzung macht man die Erfahrung, dass sich manche Texte recht einfach übersetzen lassen vorausgesetzt, man hat die entsprechenden Wörterbücher. Da wird vielleicht nur überlegt, ob ein Wort oder ein Satz möglichst genau übersetzt werden soll, oder ob es vor allem darauf ankommt, dass der Text gut zu lesen und auch gut zu hören ist. Aber bei nicht wenigen biblischen Texten steht die Übersetzung vor großen Problemen. Der Text, der für die Predigt an diesem Sonntag vorgeschlagen ist, zeigt beides. Manches lässt sich im Deutschen ohne Schwierigkeiten wiedergeben und verstehen. Anderes aber macht den Übersetzern und macht dann auch uns als Lesern oder Hörern einiges Kopfzerbrechen. Aus dem dritten Kapitel des Buches Exodus, das wir auch das Zweite Buch Mose nennen, hören wir die Verse 1-14 nach der Übersetzung der revidierten Lutherbibel. 1 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. 2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. 3 Da sprach er: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. 4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Er sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! 6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. 2

7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. 8 Und ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. 9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Drangsal gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen, 10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. 11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? 12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge. 13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? 14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: Ich werde sein, der hat mich zu euch gesandt. Die fünf Mosebücher sind nicht von Mose geschrieben worden. Aber vor allem das Buch Exodus erzählt von Mose, es tut das sogar sehr ausführlich. So ist Mose eine der bekanntesten biblischen Gestalten. Zwar sind sich die Fachleute nicht einig, ob Mose wirklich gelebt hat. Aber das ist jetzt gar nicht wichtig. Wichtig ist, was uns die Bibel von Mose erzählt. Mose wurde in Ägypten geboren, als Sohn einer hebräischen, einer jüdischen Mutter. Sein Leben war sogleich bedroht, wie das Leben aller Söhne, die im ägyptischen Herrschaftsbereich in hebräischen Familien zur Welt kamen. Der König, der Pharao, fürchtete die Überfremdung des ägyptischen Volkes durch die Hebräer. Aber ausgerechnet eine Tochter des ägyptischen Königs findet den im Nil in einem Schilfkörbchen ausgesetzt Säugling, nimmt ihn auf und bewahrt so sein Leben. Sie gibt ihm seinen ägyptischen Namen Mose, denn, so sprach sie, ich habe ihn aus dem Wasser gezogen. Mose erfährt eines Tages, dass er gar kein Ägypter ist. Als er sieht, wie ein ägyptischer Aufseher einen hebräischen Sklaven erschlägt, übt er Rache und tötet den Ägypter. Daraufhin muss Mose fliehen. Er kommt in das Land Midian, im Südosten der Halbinsel Sinai. Dort beobachtet er, wie Hirten dabei sind, einige junge Frauen an einem Brunnen daran hindern, ihr Vieh zu tränken. Mose greift ein und hilft den Frauen. 3

Eine von ihnen ist Zippora, Tochter des Jitro, eines Priesters der Midianiter. Jitro erfährt von der Tat des Mose und lädt ihn zum Dank für diese Hilfe zu sich ein. Man ahnt dann auch schon, wie es weiter geht: Mose und Zippora heiraten. Das Paar bekommt einen Sohn, der den Namen Gerschom erhält. Hier setzt der Text ein, den wir gehört haben. Mose hat sich in Midian eingelebt. Er ist integriert. Er hat eine Familie und auch einen Arbeitsplatz. Er hütet die Schafherde seines Schwiegervaters Jitro. Das ist ein Vertrauensjob. Hirten standen oft im Verdacht, nicht ganz ehrlich zu sein. Ihre Arbeit bei der Herde, fernab von Haus und Hof, ließ sich ja gar nicht so genau kontrollieren. War ein Schaf, das plötzlich fehlte, wirklich von einem Raubtier gerissen worden? Oder hatte es der Hirt gemeinsam mit seinen Freunden verspeist? So ein Verdacht ließ sich manchmal nur schwer ausräumen. Aber Jitro, der midianitische Priester, vertraut seinem aus der Fremde gekommenen Schwiegersohn Mose. Eines Tages zieht Mose mit seiner Herde immer weiter hinaus in die Wüste. Das mag uns verwundern die Wüste ist doch alles andere als eine Weide. Aber wenn man so eine Schafherde in der Wüste beobachtet, dann staunt man darüber, wo diese Tiere in der kargen Landschaft immer noch etwas zu fressen finden. Auf einmal sieht Mose in einiger Entfernung einen Strauch, einen Dornbusch. Und es scheint ihm, als stünde dieser Busch in Flammen. Es gibt in der Wüste solche Büsche, die aussehen, als würden sie brennen. Aber der Dornbusch, den Mose sieht, ist kein gewöhnlicher Busch. Dort in der Flamme, so schreibt der Erzähler, erscheint dem Mose der Engel des HERRN. Mose selber weiß das nicht. Er ist einfach neugierig: Ich will hingehen und diese wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt, sagt er zu sich selbst. Da hört er eine Stimme, die ihn anredet: Mose, Mose! Hier bin ich, sagt Mose. So reagiert man, wenn man von Gott angesprochen wird. Mose weiß, dass sich da nicht jemand irgendwo in dem flammenden Dornbusch vor ihm versteckt hält. Der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land, so hört Mose. Deshalb soller seine Schuhe ausziehen, denn sonst würde er den heiligen Boden entweihen. 4

Jetzt ist klar: Mose hat Gottes Stimme gehört. Es ist Gott, der sich dem Mose offenbart: Ich bin der Gott deines Vaters der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllt Mose sein Angesicht. Denn man darf Gott nicht anschauen. Wer Gott sieht, muss sterben, so heißt es an manchen Stellen der Bibel ausdrücklich. Wenn sich in der antiken Welt ein Gott oder eine Göttin den Menschen offenbart, wenn ein König oder ein Kaiser dem Volk eine Botschaft sendet, dann lauten die ersten Worte fast immer: Ich bin. Er oder sie nennt ihren Namen, und erst dann folgt die eigentliche Botschaft. Ich bin der Gott deines Vaters, sagt Gott zu Mose, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Dieser Gott gehört also in die Geschichte einer Familie Abraham, Isaak und Jakob sind die Erzväter des Volkes Israel. Der Gott dieses Volkes spricht jetzt zu Mose. Aber seinen Namen nennt er nicht. Warum handelt dieser Gott so? Was hat er vor? Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört. Ich habe ihre Leiden erkannt, sagt Gott. Mose könnte antworten, dass er das weiß. Vor dieser Bedrängnis und vor diesem Leid ist er ja aus Ägypten geflohen. Aber Gott beschreibt nicht nur die schlimme Lage des Volkes in Ägypten. Gott verheißt dem Volk auch eine neue Zukunft: Ich bin herniedergefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie aus diesem Lande hinaufführe in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt. Gott will das Volk hinaufführen. So lautet der Text in der neuen Lutherbibel. Bisher lasen wir, dass Gott sagt: Ich will das Volk herausführen aus Ägypten. Aber das hebräische Wort, das hier verwendet ist, heißt hinaufführen, hebräisch: hl[ (a lah) nicht zu verwechseln mit dem arabischen Wort für Gott, das ähnlich klingt, aber anders geschrieben wird. Das hebräische Wort klingt an in dem Namen der israelischen Fluggesellschaft El Al, Auf, hinauf!. Hinaufführen, nicht herausführen. Das ist eine kleine, aber wichtige Korrektur. Es geht offenbar nicht in erster Linie darum, dass Gott das Volk herausführen will aus Ägypten. 5

Es geht nicht um das, was das Volk zurücklassen wird. Es geht nicht um die Vergangenheit, sondern um das, was kommen wird: Gott will das Volk hinaufführen. Gott wird das Volk hinaufführen, ganz konkret aus der Niederung des Nil-Deltas nach oben in das Bergland zwischen Jordan und Mittelmeer. Aber Gott wird das Volk auch hinaufführen aus der Niedrigkeit der Knechtschaft hinauf in die Freiheit. Gott, so sagt unser Text, wird das Volk hinaufführen in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Vielleicht spüren wir bei diesen Worten, dass sie ein Problem anzeigen. Das Land, in das Gott das Volk führen wird, ist nicht leer. Das Land, in dem Milch und Honig fließen, ist kein unbewohntes Land. Dort leben bereits andere Völker. Was wird geschehen? Wie werden die Israeliten, die ankommen, und die Hetiter und die Amoriter und die anderen Völker, die dort schon wohnen wie werden sie miteinander leben? Wird es ein friedliches Leben sein? Gerade in diesen Tagen hören wir wieder einmal von dem heftigen, gewaltsamen Streit um jenes Gebiet, das oft das Heilige Land genannt wird. Fromme Juden sind überzeugt, dass Gott selbst ihnen dieses Land zugewiesen hat so, wie es die Bibel erzählt. Viele biblische Erzählungen sagen, der Einzug des Volkes Israel in das Land sei mit militärischer Gewalt vollzogen worden. Manche Geschichtsforscher halten es aber für möglich, dass sich Israel und die Völker des Landes friedlich verständigt haben. Wir können nur hoffen und wünschen, dass das irgendwann auch in unserer Zeit gelingen wird. Mose erfährt, auf welche Weise Gott das Volk hinaufführen wird in das neue Land: Er selber, Mose, soll diese Aufgabe übernehmen. Geh nun hin, sagt Gott zu ihm, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. Mose wird berufen, nicht anders als ein Prophet. Er wird von Gott berufen zum Dienst für Gott, und zum Dienst für das Volk. Damit könnte die erzählte Szene zu Ende sein. Man erwartet, dass Mose die Berufung annehmen wird. Vielleicht ganz selbstverständlich und klaglos, vielleicht sogar begeistert. Aber es kommt anders: Mose lehnt den Auftrag ab. Er will seiner Berufung nicht folgen. Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? fragt er. Mit anderen Worten: Für einen solchen Auftrag bin ich zu klein. Ich bin zu 6

schwach. Später wird er auch noch darauf hinweisen, dass er kein guter Redner ist. Mit einem Wort: Gott ist mit seiner Berufung im Irrtum. Solche Einwände gibt es auch in anderen biblischen Berufungsgeschichten. Auch Jeremia hat sich heftig dagegen gewehrt, ein Prophet Gottes zu werden. Aber Gott bleibt beharrlich und zugleich geduldig. Ich will mit dir sein, sagt er zu Mose. Und dann verheißt er ihm ein besonderes Zeichen: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott dienen auf diesem Berge. Auf seinem Weg hinauf in das neue Land wird das Volk zum Berg Sinai kommen, der in unserem Text Horeb genannt wird. Das Volk wird dorthin kommen, wo Mose jetzt steht. Und dort wird das Volk Gott dienen. Hier finden wir die zweite Korrektur in der neuen Lutherbibel: Ihr werdet Gott opfern, hieß es bisher. Jetzt aber lesen wir: Ihr werdet Gott dienen. Die bisherige Übersetzung war falsch, zumindest steckte in ihr ein Missverständnis. Im hebräischen Text wird nicht angekündigt, dass das Volk am Berg Sinai Opfer darbringen soll für Gott. Tieropfer erwartet Gott dort nicht, und auch keine Opfer von den Früchten des Feldes. Gott verheißt, dass er dem Volk am Berg Sinai begegnen wird. Und dann wird das Volk Gott dienen. Das Volk wird am Sinai die Zehn Gebote empfangen. Darin soll Mose ein Zeichen sehen. Aber Mose ist noch immer nicht überzeugt. Siehe, so sagt er, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Man kann Mose verstehen. Seine Frage ist berechtigt. Wer sich auf einen Auftrag beruft, der muss den Auftraggeber nennen können. Und wer das nicht kann, der wird Schwierigkeiten bekommen. Wer ist dieser Gott eurer Väter? Die Väter das sind Abraham, Isaak und Jakob. Aber ihre Geschichte liegt lange zurück. Die Israeliten in Ägypten werden den Mose fragen, von welchem Gott er redet. Und Mose wird ihnen antworten müssen, er wird einen Namen nennen müssen. Denn das Wort Gott, gerade auch im Hebräischen, ist ja nur so eine Art Gattungsbezeichnung. Es gibt viele Götter, zumal in Ägypten, wo das Volk Israel jetzt noch lebt. Wenn Gott sich dem Mose offenbart, eingeleitet mit dem feierlicher Ich 7

bin, dann muss dieser Gott auch seinen Namen nennen. Das kann Mose, das kann das Volk verlangen. Oder will dieser Gott anonym bleiben? Hat er etwa gar keinen Namen? Mose muss doch den Namen Gottes erfahren, wenn er unter Berufung auf ihn das Volk hinaufführen soll in das neue Land. Der Gott des Volkes Israel hat tatsächlich einen Namen. Im Hebräischen sind es vier Konsonanten nach unserem Alphabet die Buchstaben JHWH. Das kann man eigentlich gar nicht aussprechen. In den semitischen Sprachen werden die Vokale nicht geschrieben, man muss sie einfach kennen. Deshalb wissen wir nicht genau, wie der Name des Gottes Israels ausgesprochen wurde. Vermutlich wurde er Jahwe genannt. Aus Ehrfurcht vor Gott wurde dieser Name später nicht mehr ausgesprochen, und man sagte stattdessen adonai, auf Deutsch HERR. Daraus entstand, abermals viel später, irrtümlich die Gottesbezeichnung Jehova ; dieses Wort begegnet in manchen Kirchenliedern und natürlich bei den Zeugen Jehovas. Gott nennt dem Mose nicht seinen Namen. Die Antwort, die Mose von Gott bekommt, ist eher eine Namensdeutung: Ich werde sein, der ich sein werde. So jedenfalls lesen wir es in der Übersetzung der Lutherbibel. Ich werde sein, der ich sein werde. Spricht Gott nur von seiner Zukunft? Sagt er dem Mose nur, wer er sein wird? Warum sagt er ihm nicht, wer er ist? Wenn wir die hebräischen Worte buchstäblich genau übersetzen, dann sagt Gott hier zu Mose: Ich bin. Er spricht anscheinend also von der Gegenwart. Und das wiederholt er sogar noch einmal: Ich bin, der ich bin in hebräischer Sprache: hy<h.a, rv,a] hy<h.a,. (ehejeh asher ehejeh). Das ist ein kurzer Satz. Aber für eine Übersetzung und dann auch für die Auslegung stellt er einen harten Brocken dar. Das begann schon in der ersten Bibelübersetzung, die wir überhaupt kennen, in der griechischen Bibel der Juden im Altertum. Ich bin der Seiende so spricht Gott dort zu Mose, wenn wir die alte griechische Übersetzung im Deutschen wiedergeben. Diese Übersetzung entstand im dritten und im zweiten Jahrhundert vor Christus. Sie entstand zu einer Zeit, als die nicht im Heiligen Land wohnenden Juden die hebräische Sprache nicht mehr verstanden. 8

Ich bin der Seiende das meint offenbar: Gott ist für alle Ewigkeit unveränderlich, unbeweglich. Manche griechischen Philosophen haben so von Gott gedacht. Davon haben sich die Griechisch sprechenden Juden im Altertum offenbar anregen lassen. In vielen modernen Übersetzungen sagt Gott zu Mose: Ich bin, der ich bin. So steht es auch in der neuen katholischen Einheitsübersetzung. Und das scheint ja die wörtliche, die richtige Übersetzung zu sein. Ich bin, der ich bin. Aber warum hat Luther anders übersetzt? Ich werde sein, der ich sein werde sagt Gott in der Lutherbibel. Und diese Übersetzung ist seit Luthers Zeit nicht verändert worden. Wir finden sie auch in der Zürcher Bibel. Ist es wirklich wichtig, darüber nachzudenken? Es geht doch nur um eine sprachliche Kleinigkeit. Nein es geht hier um nicht weniger als um die Deutung des Namens Gottes. Und es geht damit zugleich auch um das Wesen Gottes. Gott sagt dem Mose nicht, wie er heißt. Aber er sagt ihm, wer er ist. Er sagt es dem Mose, und damit sagt er es auch uns. Das Ich bin, das hy<h.a, (ehejeh) zeigt in der hebräischen Sprache und im hebräischen Denken nicht nur ein Sein an, nicht nur ein Da-sein. Gemeint ist auch eine Bewegung. Gott ist nicht unveränderlich. Gott ist nicht unbeweglich, nicht zeitlos-ewig. Gottes Sein umgreift gleichermaßen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Eben das kommt in Luthers Übersetzung zum Ausdruck: Ich werde sein, der ich sein werde. Gott ist gegenwärtig. Gott wird immer gegenwärtig sein. Nicht unveränderlich und unbeweglich, sondern als Begleiter des Menschen in dessen Leben, vom Anfang bis zu dessen Ende und auch darüber hinaus. Gott sagt, dass er mit uns ist auf unseren Wegen. Deshalb offenbart sich Gott dem Mose in dem Augenblick, als er ihm den Auftrag gibt, das Volk in die Zukunft zu führen. Gott verheißt ihm: Ich werde dabei sein. Und dieses Dabei-sein - das ist zugleich der Name Gottes. Ich werde dabei sein. Diese Verheißung gilt dem Volk Israel für seinen nicht ungefährlichen Weg von Ägypten in das neue Heimatland. Diese Verheißung gilt auch uns. Sie gilt uns als Kirche, die mit der Reformation vor fünfhundert Jahren einen neuen Weg begonnen hat. Diese Verheißung gilt uns als Gemeinde, die wir Neues erproben und oft singen: Vertraut den neuen Wegen. 9

Und diese Verheißung gilt jedem einzelnen von uns: Du und ich wir lassen uns zusagen, dass Gott bei uns ist. Wir lassen uns zusagen, dass Gott uns auf den Wegen unseres Lebens nicht allein lässt. Dass Gott dich und mich begleitet, was immer uns widerfahren mag. Das Volk Israel hat bei seiner Wüstenwanderung Gottes Begleitung nicht immer wahrgenommen. Und angesichts der Wirklichkeit unserer Welt überkommen auch uns nicht selten Zweifel daran, dass Gott bei uns ist. Aber gegen solche Zweifel hören wir die Worte der Offenbarung Gottes als seine für uns gültige Verheißung. Wir hören sie in unsere Gegenwart und in unsere Zukunft hinein. Im ersten Kapitel des Matthäusevangeliums wird erzählt, wie dem Joseph die Geburt Jesu angekündigt wird. Das ist dort verbunden mit der Erinnerung an die Verheißung des Propheten Jesaja: Eine junge Frau wird schwanger werden und einen Sohn gebären, und, so heißt es dann, sie werden ihm den Namen Immanuel geben das heißt übersetzt: Gott mit uns. In seinem letzten Kapitel mündet das Matthäusevangelium in eine Zusage des von den Toten auferstandenen Jesus Christus an seine Jünger. Ihnen und damit uns allen sagt Christus: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Von seiner Gegenwart in unserer Gemeinde spricht Christus auch in den Worten, die wir bei der Feier des Abendmahls hören: Das ist mein Leib für euch. Des dürfen wir gewiss sein. Amen 10