Die Ems- und Werseaue im Norden Münsters als Refugium für bedrohte Wildbienen

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Transkript:

Die Ems- und Werseaue im Norden Münsters als Refugium für bedrohte Wildbienen MICHAEL QUEST Einleitung Im Jahre 1998 wurde im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Landschaftsökologie der WWU Münster bei Prof. Dr. H. Mattes die Wildbienenfauna der Ems- und Werseaue im Norden Münsters untersucht. Unverbaute Fließgewässersysteme mit den dazugehörigen Auenhabitaten sind durch die Ausbildung von Sonderstrukturen wie Sandschüttungen und Abbruchkanten wichtige Lebensräume für viele Wildbienenarten. Der Ausbau vieler Fließgewässer schränkt die Nistmöglichkeiten gerade der an diese besonderen Strukturen angepassten Arten in zunehmenden Maße ein (WESTRICH 1989). Wildbienen benötigen für die erfolgreiche Reproduktion diverse Requisiten, so dass der Gesamtlebensraum einer Wildbienenart aus unterschiedlichen Teillebensräumen besteht, die eine gute und enge räumliche Vernetzung aufweisen müssen. Der Gesamtlebensraum einer Brutfürsorge leistenden Wildbienenart muss nach WESTRICH (1989) vier Grundvoraussetzungen erfüllen: w er muss den klimatischen Ansprüchen der Art entsprechen; w er muss über geeignete Niststrukturen verfügen; w er muss Nahrungspflanzen in geeigneter Menge aufweisen; w zudem müssen bei vielen Arten auch Baumaterialien für den Bau der Brutzellen (Blätter, Harz, kleine Steinchen usw.) vorhanden sein. Durch weitere, teilweise hohe Spezialisierungen in der Requisitennutzung, besitzen die Wildbienen ein hohes Potential als Indikatororganismen in unserer Landschaft, v.a. in Offenlandbiotopen (SCHMID- EGGER 1995). Insgesamt sind in der Bundesrepublik Deutschland bis 1998 547 Wildbienenarten nachgewiesen, von denen 284 Arten (ca. 52 %) in der bundesdeutschen Roten Liste der Wildbienen aufgeführt sind (WESTRICH et al. 1998). Für Westfalen sind bis 1996 zweifelsfrei 242 Wildbienenarten (ohne Hummeln) dokumentiert (KUHLMANN 1993 & 1996). Ziel der Untersuchung ist es, in einem Landschaftsraum, der über viele verschiedene Biotoptypen und unterschiedlich starke anthropogene Nutzung verfügt, die räumliche Verteilung der Wildbienenarten darzustellen. Darauf aufbauend soll ermittelt werden, inwieweit die Besiedlung der einzelnen Teilbereiche variiert und welche Faktoren für die Verteilung der Wildbienen verantwortlich sind, um letztlich eine naturschutzfachliche Wertigkeit des Gebietes zu formulieren. Das Untersuchungsgebiet Abgrenzung und Charakterisierung Das Untersuchungsgebiet liegt im Norden der Stadt Münster und umfasst insgesamt ca. 10 km² (siehe Abb. 1). Die Grenzen des Untersuchungsgebietes werden im Osten von der Werse, im Norden von der Ems und im Süden im Wesentlichen vom Edelbach gebildet. Im Westen stellen im nördlichen Bereich das NSG Rieselfelder Münster und weiter im Süden der Dortmund-Ems-Kanal die Begrenzung dar. Im Folgenden werden die einzelnen Teilräume des Untersuchungsgebietes kurz vorgestellt: w I: Emsnahes, wechselfeuchtes Weideland, das durch Gewässerdynamik reliefiert ist. w II: Baggersee mit kleinräumigem Mosaik aus verschiedenen Sukzessionsstadien. Die Sukzessionsstadien reichen von fast vegetationsfreien, sandigen Bereichen über nitrophile Hochstaudenfluren bis zu dicht geschlossenen Weidengebüschen. w III: Ein großer Bereich des s wird von den Stadtwerken Münster als Versickerungsflächen genutzt. Das Grünland wird nicht gedüngt, selten gemäht und hat damit den Charakter einer Extensivwiese. Der NUA-Seminarbericht Band 6 67

Quest, M.: Die Ems- und Werseaue als Refugium für bedrohte Wildbienen Methoden Erfassung der Arten Die Erfassung erfolgte bei für Bienen günstigen Witterungsbedingungen (trocken, warm, wenig Wind) per Sichtfang. Die Arten wurden als nistend betrachtet, wenn polleneintragende Weibchen oder eine hohe Aktivitätsabundanz der Arten (> 3 Weibchen pro Teiluntersuchungsfläche) an einem Nistplatz beobachtet wurden. Die Tiere wurden mit einem handelsüblichen Kescher gefangen und, soweit nicht im Gelände determinierbar, mit Essigester abgetötet. Die Belegtiere befinden sich in der Sammlung des Verfassers. Als Bestimmungsliteratur dienten: SCHMID-EGGER & SCHEUCHL (1997): Andrena Fabricius 1775, Panurgus Panzer 1806 Abb. 1: Lage des Untersuchungsraumes. Gesamtbereich des s ist offen und reich an günstigen Sonderstandorten (Sandabbrüche, offene, südexponierte Hänge, Sandwege). w IV: Der ist durch intensive, landwirtschaftliche Nutzung geprägt, die durch einige, meist einreihige Hecken, unbefestigte Feldwege, wenige Feldgehölze und kleine Waldbereiche aufgelockert wird. w V: Charakteristisch sind in diesem Brachen, landwirtschaftliche Nutzfläche und Waldränder, in denen noch Reste alter Wallhecken zu erkennen sind. w VI: Hier hat die Werse noch eine naturnahe Gewässerdynamik, so dass sich an den Prallhängen des Flusses Abbruchkanten ausbilden können. Flussbegleitende Weidenbüsche unterstreichen die Naturnähe dieses Gewässerabschnittes. Ansonsten stellt sich der als ein kleinräumiges Mosaik aus Brachen, sonnenexponierten Böschungen und Waldrandstrukturen dar. w VII: Einheitlich waldgeprägtes Teilgebiet mit geringen Anteilen an Offenlandstrukturen. w VIII: Wie in V existieren hier Brachen und Waldrandstrukturen, die aber generell feuchter sind. SCHEUCHL (1996): Osmia Panzer 1806, Chelostoma Latreille 1809, Megachile Latreille 1802, Melitta Kirby 1802, Stelis Panzer 1806, Heriades Spinola 1808, Dasypoda Latreille 1802, Macropis Panzer 1809 SCHEUCHL (1995): Nomada Scopoli 1770, Ceratina Latreille 1802, Epeolus Latreille 1802 EBMER (1969-1971): Halictus Latreille 1804, Lasioglossum Curtis 1833 SUSTERA (1959): Sphecodes Latreille 1804 SCHMIEDEKNECHT (1930): Colletes Latreille 1802 DATHE (1980): Hylaeus Fabricius 1793 Die Nomenklatur richtet sich nach SCHWARZ et al. (1996). Die Reihenfolge in den Artenlisten ist alphabetisch. Abundanzen Die durch den Sichtfang erhobenen absoluten Individuenzahlen täuschen eine Genauigkeit vor, die durch diese Methode nicht erreicht werden kann. Daher werden die Individuenzahlen einem Klassensystem zugeordnet. Bei der Einteilung der Artenzahlen in Dominanzklassen wurde SCHMID- EGGER (1995) gefolgt. A = 1 Individuum : Einzelfund B = 2-3 Individuen : subrezendent C = > 3 Individuen : rezendent D = > 1% Indiv.-anteil : subdominant E = > 5% Indiv.-anteil : dominant F = > 15 % Indiv.-anteil : eudominant 68 NUA-Seminarbericht Band 6

Ergebnisse Nistplatzangebot Für eine erfolgreiche Reproduktion der Wildbienen ist die Existenz eines entsprechenden Nistplatzes mitentscheidend. Daher wurden in den Teilräumen potenzielle Nistplatzstrukturen erfasst und in Tabelle 1 dargestellt. Besonders viele günstige Niststrukturen sind in den Teilräumen II, III und VI vorhanden. Nur in diesen drei Teilbereichen kommen sonnenexponierte, vegetationsarme Böschungen vor. Auch andere Sonderstandorte wie Abbruchkanten und un- oder nur schütter bewachsene Sandflächen haben in den genannten Teilbereichen ihren Schwerpunkt. Feldwege und Landwehren/Wallhecken o.ä. Strukturen sind hingegen auch in den anderen Teilbereichen in unterschiedlichen Ausmaßen vorhanden. Polylektische Arten Generell wird bei den nicht parasitoid lebenden Wildbienenarten (Sammelbienen) zwischen Nahrungsgeneralisten (polylektische Arten) und Arten unterschieden, die Pollen nur von einer Pflanzengattung bzw. -familie nutzen (oligolektische Arten). Tabelle 2 zeigt die Gesamtartenliste der polylektischen Wildbienenarten für den Untersuchungsraum unterteilt nach den Teilgebieten. Parasitoide Wildbienenarten Einige Wildbienenarten nutzen die Brutfürsorgeleistung der Sammelbienen aus, indem sie ihre Eier in bereits verproviantierte Brutzellen legen. Diese parasitoiden Bienenarten werden als Kuckucksbienen bezeichnet. In der Bundesrepublik zeigen etwa 30 % der Wildbienenarten eine parasitoide Lebensweise. Die in den Teilräumen der Untersuchung nachgewiesenen Kuckucksbienen sind in der Tabelle 3 aufgeführt. Die meisten Kuckucksbienen konnten im III gefangen werden. Mit 15 bzw. 13 verschiedenen Kuckucksbienen wurden auch in den Teilgebieten II und VI viele Nachweise erbracht. In den anderen Teilbereichen liegen die Artenzahlen der Parasitoiden weitaus niedriger. Auffällig ist, dass nur in den Teilbereichen II, III und VI mehrere Kuckucksbienenarten mit höheren Individuenzahlen anzutreffen sind. In den anderen Teilräumen handelt es sich bei den Nachweisen meist um Einzelfunde. Oligolektische Bienen Auch beim Vergleich der oligolektischen Arten in Tabelle 4 verfügen die artenreichsten Teilräume II, III und VI über die meisten Spezies. Artenzahlen Die im Gesamtraum festgestellten 99 Arten verteilen sich nicht gleichmäßig auf die einzelnen Teilräume, sondern differieren erheblich (siehe Abb. 2). Häufigkeit 80 70 60 50 40 30 20 10 0 15 52 75 28 10 55 21 17 I II III IV V VI VII VIII Artenzahl Abb. 2: Gesamtartenzahlen in den Teilräumen. Tab. 1: Nistplatzangebot für endogäisch nistende Wildbienenarten in den Teilräumen (-: Struktur nicht oder nur äußerst gering vorhanden, -/+: Struktur in geringem Ausmaß vorhanden, +: Struktur in mäßigen Ausmaßen vorhanden, ++: Struktur in großem Ausmaß vorhanden). potenzielle Niststruktur I II III IV V VI VII VIII unbewachsene Sandflächen - + + - - - - - schütter bewachsene Sandflächen + ++ ++ - - - -/+ - Abbruchkanten - - + - - ++ - - vegetationsarme, sonnenexponierte Böschungen - ++ ++ - - ++ - - unbefestigte Feldwege + - ++ ++ + + + + Wallhecken/Landwehren - - - + ++ + + + Totholz, hohle Stängel + ++ + + + ++ ++ + NUA-Seminarbericht Band 6 69

Quest, M.: Die Ems- und Werseaue als Refugium für bedrohte Wildbienen Tab. 2: Gesamtartentabelle der polyektischen Wildbienenarten mit Angaben zu Vorkommen, Dominanz, Lebensweise und Seltenheit. Nistweise: e endogäisch (im Boden), h hypergäisch (über der Erde, z.b. in Totholz), RL: Einstufung in die Rote Liste nach KUHLMANN (2000) (Westfalen, WF) und WESTRICH et al. (1998) (Deutschland, D): 0 = verschollen oder ausgestorben,1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, v = Vorwarnliste, r = selten, Dominanzen: A: Einzelfund, B: subrezent, C: rezent, D: subdominant, E: dominant, F: eudominant. Art I II III IV V VI VII VIII Nist- RL RL weise D WF 1 Andrena barbilabris (KIRBY 1802) D C A e 3 2 Andrena bicolor FABRICIUS 1775 A E A A e 3 Andrena carantonica PÉREZ 1902 A A e 4 Andrena cineraria (LINNAEUS 1758) B e 2 5 Andrena dorsata (KIRBY 1802) B D A A e 3 6 Andrena flavipes PANZER 1799 F E D B F e 7 Andrena fucata SMITH 1847 A e 8 Andrena fulva (MÜLLER 1766) B A B e 9 Andrena gravida IMHOFF 1832 B e 2 10 Andrena haemorrhoa (FABRICIUS 1781) F C F A D B B e 11 Andrena labiata FABRICIUS 1781 B B C e 2 12 Andrena minutula (KIRBY) 1802 D D C D B A e 13 Andrena nigroaenea (KIRBY 1802) A A e 14 Andrena nigriceps (KIRBY 1802) B A A C e 2 1 15 Andrena nitida (MÜLLER 1776) A D B B e 16 Andrena ovatula (KIRBY 1802) A A A e 17 Andrena nigrospina FABRICIUS 1781 A e 1 18 Andrena subopaca NYLNADER 1848 A A e 19 Andrena varians (KIRBY 1802) A A e 3 20 Ceratina cyanea (KIRBY 1802) B B C h 21 Halictus rubicundus (CHRIST 1791) C E E e 22 Halictus tumulorum (LINNAEUS 1758) A D D A A e 23 Heriades truncorum (LINNAEUS 1758) B D B B h 24 Hylaeus brevicornnis NYLANDER 1852 B B B h 25 Hylaeus communis NYLANDER 1852 A B C C C C C h 26 Hylaeus confusus NYLANDER 1852 B A B B B h 27 Lasioglossum calceatum (SCOPOLI 1763) A A B A e 28 Lasioglossum fulvicorne (KIRBY 1802) A e 29 Lasioglossum leucozonium (SCHRANK 1781) A A A e 30 Lasioglossum lucidulum (SCHENCK 1870) B C A e 31 Lasioglossum minutissimum (KIRBY 1802) B A B e 2 32 Lasioglossum morio (FABRICIUS 1793) D D B A e 33 Lasioglossum nitidiusculum (KIRBY 1802) C e V 0 34 Lasioglossum pauxillum (SCHENCK 1853) A e 35 Lasioglossum punctatissimum (SCHENCK 1853) A A A e 36 Lasioglossum quadrinotatulum (SCHENCK 1861) B E e 3 2 37 Lasioglossum quadrinotatum (KIRBY 1802) A e 2 r 38 Lasioglossum semilucens (ALFKEN 1914) A e r 39 Lasioglossum sexnotatum (KIRBY 1802) A C D A A A e 2 2 40 Lasioglossum sexstrigatum (SCHENCK 1870) B A e 41 Lasioglossum villosum (KIRBY 1802) A e 42 Lasioglossum zonulum (SMIH 1848) B A e 43 Megachile centuncularis (LINNAEUS 1758) A h 44 Megachile versicolor SMITH 1848 A h 45 Osmia caerulescens (LINNAEUS 1758) A B h 46 Osmia leucomeleana (KIRBY 1802 B A h 47 Osmia rufa (LINNAEUS 1758) C B B h 70 NUA-Seminarbericht Band 6

Tab. 3: Gesamtartentabelle der parasitoidenwildbienenarten mit Angaben zu Vorkommen, Dominanz, Lebensweise und Seltenheit. Abkürzungen siehe Tab. 2 Art I II III IV V VI VII VIII RL RL D WF. 48 Epeolus variegatus (LINNAEUS 1785) B B 1 49 Nomada alboguttata HERRICH-SCHÄFFER 1839 B D A 3 50 Nomada conjungens HERRICH-SCHÄFFER 1839 A A 2 51 Nomada fabriciana (LINNÉ 1767) D 52 Nomada ferruginata (LINNÉ 1767) B 2 53 Nomada flava PANZER 1798 C B C A 54 Nomada flavoguttata (KIRBY 1802) B D B B 55 Nomada flavopicta (KIRBY 1802) B 1 56 Nomada fucata PANZER 1798 E B C A A 57 Nomada fuscicornis NYLANDER 1848 B 2 58 Nomada fulvicornis FABRICIUS 1793 A A 59 Nomada goodeniana (KIRBY 1802) B A C 60 Nomada lathburiana (KIRBY 1802) D C 3 61 Nomada leucophthalma (KIRBY 1802) A A F A B v 62 Nomada marshamella (KIRBY 1802) A 63 Nomada panzeri LEPELETIER 1841 B B A 64 Nomada ruficornis (LINNAEUS 1758) B A 65 Nomada rufipes FABRICIUS 1793 B B V 2 66 Nomada sheppardana (KIRBY 1802) D D A 67 Nomada signata JURINE 1807 B G 68 Nomada succincta PANZER 1798 A A 69 Nomada zonata PANZER 1798 A G 70 Sphecodes albilabris (FABRICIUS 1793) A B 1 71 Sphecodes crassus THOMSON 1870 A 72 Sphecodes ephippius (LINNE 1767) A B B D 73 Sphecodes gibbus (THOMSON 1870) C 74 Sphecodes longulus HAGENS 1882 A B A 3 75 Sphecodes miniatus HAGENS 1882 D B A B B 76 Sphecodes monilicornis (KIRBY 1802) C A 77 Sphecodes pellucidus SMITH 1845 D D B D 78 Sphecodes puncticeps THOMSON 1870 A A B C 79 Stelis breviuscula (NYLANDER 1848) A C Tab. 4: Gesamtartentabelle der oligolektischen Wildbienenarten mit Angaben zu Vorkommen, Dominanz, Lebensweise, Seltenheit und Spezialisierung. Abkürzungen siehe Tabelle 2. Art I II III IV V VI VII VIII Nist- Pollenspe- RL RL weisezialisierung D WF 80 Andrena clarkella (KIRBY 1802) D F F E F e (S) Salix v 81 Andrena denticulata (KIRBY 1802) A A e Asteraceen V 3 82 Andrena nycthemera IMHOFF 1868 B A B C e (S) Salix 2 2 83 Andrena praecox (SCOPOLI 1763) C D F F F e (S) Salix 84 Andrena proxima (KIRBY 1802) B e Apiaceen 3 85 Andrena vaga PANZER 1799 F F F C F e (S) Salix 3 86 Andrena ventralis IMHOFF 1832 E C A D A B e Salix 87 Andrena wilkella (KIRBY 1802) A A e Fabaceen 88 Chelostoma florisomne (LINNAEUS 1758) B A A A h Ranunculus 89 Chelostoma campanularum (KIRBY 1802) B h Campanula 90 Chelostoma rapunculi (LEPELETIER 1841) B h Campanula 91 Colletes daviesanus SMITH 1846 C C D e Asteraceen 92 Colletes cunicularius (LINNAEUS 1761) B D D A A e (S) Salix 3 93 Dasypoda hirtipes (FABRICIUS 1793) C F C B e (S) Asteraceen 2 94 Macropis europaea WARNCKE 1973 A A e Asteraceen 95 Megachile lapponica THOMSON 1872 A h Epilobium 96 Melitta leporina (PANZER 1799) B B e Asteraceen 2 97 Osmia fulviventris (PANZER 1798) A B h Asteraceen 98 Osmia leaiana (KIRBY 1802) B h Asteraceen 3 99 Panurgus calcaratus (SCOPOLI 1763) B F e (S) Asteraceen 2 NUA-Seminarbericht Band 6 71

Quest, M.: Die Ems- und Werseaue als Refugium für bedrohte Wildbienen Tab. 5: Verteilung der auentypischen Arten im Untersuchungsgebiet. (P: pollensammelnd o.ä. (kein Nistnachweis); N: Nistnachweis; Auent.: Auentypisch; (ja): bedingt auentypisch). I II III IV V VI VII VII Summe Art Auent. P N P N P N P N P N P N P N P N P N Andrena nycthemera ja x x x x x x x 4 3 Andrena praecox (ja) x x x x x x x x 5 3 Andrena vaga (ja) x x x x x x x x x 5 4 Andrena ventralis ja x x x x x x x x x 6 3 Colletes cunicularius ja x x x x x x 4 2 Lasioglossum (ja) x x 1 1 nitidiusculum Lasioglossum ja x x x x 2 2 quadrinotatulum Summe 3 1 5 4 6 6 1 0 0 0 7 7 2 0 3 0 Insgesamt zeigt die Verteilung der Bienenarten, dass die Bereiche, die direkt an der Ems und Werse lokalisiert sind und in geringeren Teilen landwirtschaftlich genutzt werden, deutlich mehr Arten beherbergen als die Teilräume mit einem höheren Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen. Auentypische Arten In der Tabelle 5 sind die auentypischen Arten nach ihrem Auftreten in den Teilräumen aufgeschlüsselt. SCHMID-EGGER (1995) definiert Kriterien, die für Arten gelten müssen, damit sie als lebensraumtypisch angesehen werden können. Sie sollten überwiegend in den typischen Habitaten des Lebensraumes, hier also Auenhabitaten, leben und außerhalb des Untersuchungsgebiets in ähnlichen Strukturen vorkommen. Sie sollten des Weiteren in mehreren Teilgebieten nachgewiesen sein oder zumindest in einem Teilgebiet über stabile Populationen verfügen. Als Grundlage der Einordnung dienen Angaben von WESTRICH (1989) und KUHLMANN (1992, 1998 und mdl. Mitt.). Nur im Teilbereich VI sind sämtliche auentypischen Arten der Untersuchung vertreten. Auch die Teilräume III und II verfügen mit sechs bzw. fünf Arten noch über einen hohen Anteil auentypischer Wildbienen. Nur in diesen drei flussnahen Teilgebieten, in denen größere Bereiche nicht in der landwirtschaftlichen Nutzung sind, konnten auch Nester der Arten entdeckt werden, wobei sie an Sonderstrukturen wie Abbruchkanten, Böschungen und schütter bewachsene Flächen gekoppelt sind. In den Teilflächen VII, IV und V sind nur wenige oder gar keine auentypischen Arten vorhanden. Wichtig ist, dass in diesen Gebieten keine Nistbeobachtungen gemacht werden konnten. Diskussion Vergleich der Teilräume Der Vergleich der Teilräume zeigt einen deutlichen Unterschied in der Ausstattung mit bienenrelevanten Requisiten. Als Konsequenz ergibt sich eine Diskrepanz in der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der Apidozönosen in den Teilräumen. Es zeigt sich, dass die artenreichen Gebiete in den flussnahen Teilräumen liegen, während die intensiv landwirtschaftlich genutzten Flächen eine auffällige Artenverarmung zeigen. Die Verarmung wird besonders in der Abwesenheit lebensraumtypischer Auenarten offensichtlich. Artenzahlen und Niststrukturen Der Hauptgrund für die unterschiedlichen Artenzahlen zwischen den Teilräumen liegt in der unterschiedlichen Ausstattung mit potenziellen Nisthabitaten. Die Teilräume II und VI verfügen über Sandsteilwände, deren hohe Artendiversität gerade bei Hymenopteren lange bekannt ist (PREUSS 1980, WESTRICH 1989). Auch spärlich bewachsene und südexponierte Böschungen (III und VI) sowie schütter bewachsene Sandflächen haben einen positiven Effekt auf die Artenzahl (HAESELER 1972). Bemerkenswert sind besonders die individuenreichen Nistaggregationen gefährdeter Arten wie der Seidenbiene Colletes cunicularius, der Sandbiene Andrena vaga, der Hosenbiene Dasypoda hirtipes und der Zottelbiene Panurgus calcaratus in den Teiräumen II und III. In den anderen Teilgebieten sind günstige Niststrukturen nur in geringen Ausmaßen vorhanden. Hier nimmt besonders der Anteil der landwirtschaftlichen Nutzflächen deutlich zu, die durch Bodenverdichtung und intensive Bodenbearbeitung nicht für die Besiedlung durch Wildbienen geeignet sind. (PREUSS 1980, WESTRICH 1989). Nistnachweise konnten in diesen Teilflächen auf Feldwegen und an Straßenrändern erbracht werden. Parasitoide Bienen Für eine erfolgreiche Reproduktion der parasitoiden Bienen ist die Präsenz ihrer Wirtsbiene von entscheidender Bedeutung. Da sie für die Nachkommen keinen Pollen sammeln müssen, sind sie die meiste Zeit des Tages auf der Suche nach geeigneten Wirtsnestern und werden daher häufig an den Nestern der Wirtsarten beobachtet. Bienen benötigen als K-Strategen längere Zeiträume, um große 72 NUA-Seminarbericht Band 6

Abb. 3: Werseabschnitt. Foto: M. Quest Aggregationen und Artgemeinschaften aufzubauen, die Grundvoraussetzung für große Parasitoidenpopulationen sind (KRIBBE 1996). Mit Hilfe der Kuckucksbienen kann also beurteilt werden, ob ein Lebensraum über stabile Wirtspopulationen verfügt (HAESELER 1990). Die meisten Kuckucksbienen wurden in den Teilräumen II, III, und VI nachgewiesen. Diese Teilräume verfügen gleichzeitig über die besten Nistmöglichkeiten und höchsten Artenzahlen des Gesamtraumes. Es wird deutlich, dass eine klare Koinzidenz zwischen den vorhandenen Nistmöglichkeiten, der Gesamtartenzahl und der Artensowie Individuenzahl der Kuckucksbienen besteht. Auentypische Arten Die meisten Arten, die auf Salix-Pflanzen als Pollenspender spezialisiert sind, haben ihre Primärhabitate in den natürlichen Flussauen, wo sie gleichzeitig auf sandige Nistsubstrate in Uferabbrüchen und Sandschüttungen angewiesen sind. Sie werden daher als auentypisch bezeichnet (WESTRICH 1989, KUHLMANN 1992). Ausnahmen sind die auf Salix spezialisierten Sandbienen Andrena clarkella und Andrena ruficrus, die als Waldrandarten angesehen werden. WESTRICH (1989) nennt zehn Weidenspezialisten, von denen sechs im Rahmen der Untersuchung festgestellt werden konnten. Zwei weitere (Andrena apicata und Andrena mitis) sind ebenfalls aus dem Untersuchungsgebiet bekannt (STEVEN, schriftl. Mitt.). Die höchsten Individuenzahlen von auentypischen Arten konnten in den Teilbereichen I, II, III und VI festgestellt werden, wo sie neben guten Reproduktionsmöglichkeiten auch eine Fülle verschiedener Salix- Arten als Nahrungspflanzen finden. Die Teilbereiche I, II, III und VI erfüllen somit alle Teillebensraumfunktionen, die für die auentypische Wildbienenzönose entscheidend sind. Es handelt sich bei den Nisthabitaten in den Teilräumen I, II und III jedoch nicht um Primärhabitate, die durch morphodynamische Prozesse der Fließgewässer entstanden sind, sondern um anthropogen gestaltete Sekundärhabitate (Baggersee, Versickerungsflächen der Stadtwerke). Sie sind im Untersuchungsraum in der Lage, die Teillebensraumfunktionen der auf Auenhabitate spezialisierten Bienenarten zu erfüllen, was auch aus anderen Untersuchungen bekannt ist (HAESELER 1972, WESTRICH 1989). Eine Ausnahme bildet der VIII, in dem keine Nester festgestellt wurden. Die Nachweise der Bienenarten gelangen an Salix spec. beim Pollensammeln. Die Tiere nutzen dieses Teilgebiet wahrscheinlich nur als Nahrungshabitat. In den Teilbereichen, die über einen höheren Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche verfügen, nimmt v.a. die Individuenzahl der auentypischen Bienen ab. WESTRICH (1989) betont, dass in der intensiv bewirtschafteten Landschaft gerade die Arten verschwinden, die große Aggregationen (wie A. vaga und C. cunicularius) aufbauen. Die durchgeführte Untersuchung unterstreicht diese Tendenzen. Die Abnahme der Spezialisten ist dabei unabhängig vom Nahrungsangebot, sondern auf den Verlust an potenziellen Niststrukturen zurückzuführen. Interpretation der faunistischen Ergebnisse im regionalen Kontext unter Einbeziehung früherer Untersuchungen In diesem Kapitel soll eine Einschätzung der Wildbienenzönose im Norden Münsters aufgrund der Beobachtungen aus den letzten vier Jahren gegeben werden. Neben den Ergebnissen dieser Untersuchung fließen auch Ergebnisse und Beobachtungen von CLOOS (1997), DÖRING & QUEST NUA-Seminarbericht Band 6 73

Quest, M.: Die Ems- und Werseaue als Refugium für bedrohte Wildbienen (1998), STEVEN 1995-1997 (schriftl. Mitt.) und TUMBRINCK (mdl. Mitt.) ein. Insgesamt verfügt der Auenbereich der Ems und Werse über eine erstaunlich reichhaltige Wildbienenfauna. Auffallend sind die Nachweise selbst bundesweit gefährdeter Arten. Beeindruckendstes Ergebnis ist aber die Vollständigkeit der auf Salix- Arten spezialisierten Wildbienenzönose, die den Kern der auentypischen Apidozönose darstellt. Bis auf Andrena ruficrus sind alle in der Bundesrepublik Deutschland auf Salix spezialisierte Arten im Norden Münsters vertreten. Die Stabilität und Größe der Populationen wird durch die Anwesenheit der Kuckucksbienen unterstrichen. Die meisten auentypischen Arten sowie ihre Kuckucksbienen sind im Norden Münsters regelmäßig anzutreffen. Ob die Arten in Münster über lokale Verbreitungszentren verfügen oder ob die Verbreitung und Häufigkeit der Arten im Münsterland generell höher ist als bisher vermutet, müssen systematische Erfassungen in den nächsten Jahren klären. Zur Zeit sind Zönosen derartiger Vollständigkeit aus dem Münsterland nicht bekannt. Auch überregional sind derartige selten. Der Hauptgrund ist die Präsenz mikroklimatisch günstiger Strukturen, wie Abbruchkanten oder schütter bewachsene, sandige Bodenstellen. Hierbei ist zu beachten, dass die an das Untersuchungsgebiet angrenzenden Gebiete ebenfalls über günstige Strukturen und daraus resultierend über eine reichhaltige Wildbienenfauna verfügen (Standortübungsplatz Dorbaum, Große Bree und im Kreis Steinfurt die Alte Ems (CLOOS 1997, STEVEN mdl. Mitt, TUMBRINCK mdl. Mitt.). Die Ergebnisse der letzten Jahre zeigen, dass in den Auenbereichen der Ems und Werse im Norden Münsters sowie den Trockenbereichen des Standortübungsplatzes Dorbaum große Teile der Wildbienenfauna den dramatischen Artrückgang in der Landschaft überdauert haben. Die Bereiche stellen aus Sicht der Wildbienenfauna einen überregional bedeutenden Refugialstandort dar und müssen aus Sicht des Naturschutzes als hoch schützenswert angesehen werden. Zusammenfassung 1998 wurde im Norden der Stadt Münster im Auenbereich der Ems und Werse und im angrenzenden, intensiv agrarisch genutzten Kulturland die Wildbienenfauna untersucht. Anhand von acht Teilräumen, die die unterschiedlichen Landschaftstypen des Untersuchungsraumes repräsentieren, wird die unterschiedliche räumliche Verteilung der Wildbienen dargestellt. Die arten- und individuenreichsten Gebiete sind in unmittelbarer Flussnähe lokalisiert. Gleichzeitig verfügen sie über die besten Niststrukturen des Gesamtuntersuchungsraumes. Die Teilräume, die im Bereich intensiverer landwirtschaftlicher Nutzung liegen, verfügen generell über geringere Artenzahlen. Es können v.a. nur geringe Anzahlen nistender Arten nachgewiesen werden. Die Untersuchung bestätigt den allgemein beschriebenen Verlust an potenziellen Niststrukturen, den die intensiv betriebene Landwirtschaft mit sich bringt. Gerade parasitoide Arten kommen in höheren Abundanzen nur in den Teilbereichen vor, die auch über sehr gute Nistbedingungen für ihre Wirte verfügen. Die Untersuchung bestätigt, dass Kuckucksbienen Aussagen über die Qualität eines Lebensraum liefern können. Die lebensraumtypischen Arten der intakten Auen und Salix-Spezialisten fehlen in Bereichen intensiverer landwirtschaftlicher Nutzung. Als entscheidend für das Fehlen der auentypischen Arten wird der Mangel an potenziellen Nistplätzen ermittelt. In den flussnahen, landwirtschaftlich nicht genutzten Teilbereichen ist diese gefährdete Wildbienenzönose vertreten. Die hohe Anzahl gefährdeter Arten und die Vollständigkeit der lebensraumtypischen Wildbienenzönose unterstreicht die Bedeutung der Ems- und Werseaue für den Naturschutz. Dank Ich danke Dr. Michael Kuhlmann, Münster, und Katharina Tumbrinck, Münster, für die Überprüfung kritischer Arten sowie Michael Steven, Münster, für die Überlassung von Funddaten. Literatur CLOOS, W. (1997): Vergleichende Untersuchung der Wildbienenfauna in der Emsaue zwischen Telgte und Greven. - Diplomarbeit Universität Münster. DÖRING, T. & QUEST, M. (1998): Untersuchungen zur Stechimmenfauna (Hymenoptera: Aculeata). - In: MATTES, H., KREUELS, M., TUMBRINCK, J., SUDFELDT, C., & PETERSKEIT, F. (Hrsg.): Projektbericht Rieselfelder 1997 : 109-137. DAHTE, H. (1980): Die Arten der Gattung Hylaeus in Europa (Hymenoptera: Apoidea, Colletidae). - Mitt. Zool. Mus. Berlin, 56: 207-294. 74 NUA-Seminarbericht Band 6

EBMER, A.W. (1969): Die Bienen des Genus Halictus Latr. s.l. im Großraum von Linz (Hymenoptera, Apidae) Teil I. - Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 1969: 133-181. EBMER, A.W. (1970): Die Bienen des Genus Halictus Latr. s.l. im Großraum von Linz (Hymenoptera, Apidae) Teil II. - Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 1971: 19-82. EBMER, A.W. (1971): Die Bienen des Genus Halictus Latr. s.l. im Großraum von Linz (Hymenoptera, Apidae) Teil III. - Naturkundliches Jahrbuch der Stadt Linz 1971: 63-156. HAESELER, V. (1972): Anthropogene Biotope (Kahlschlag, Kiesgrube, Stadtgärten) als Refugien für Insekten, untersucht am Beispiel der Hymenoptera Aculeata. - Zool. Jb. Syst. 99: 133-212. HAESELER, V. (1990): Bienen als Indikatoren zur Beurteilung von (geplanten) Eingriffen. - Forschung Straßenbau und Verkehrstechnik, 636: 198-205. KRIBBE, W. (1996): Untersuchungen zum Pollensammelverhalten solitärer und sozialer Bienen (Hymenoptera: Apoidea) an Calluna vulgaris und Salix caprea. - Diss. an der Universität Göttingen. KUHLMANN, M. (1992): Beitrag zur Kenntnis der Aculeatenfauna einiger Dünengebiete und Sandabgrabungen im Raum Warendorf unter besonderer Berücksichtigung von Dünen- Charakterarten. Teil II. - Unveröff. Gutachten im Auftrag der LÖBF. KUHLMANN, M. (1993): Kritisches Verzeichnis ausgewählter Stechimmenfamilien Westfalens (Hym., Aculeata) I. Chrysididae, Tiphiidae, Mutillidae, Sapygidae, Pompilidae, Eumenidae, Sphecidae und Apidae (excl. Apinae). - Mitt. Arb.-Gem. ost-westf. -lipp. Ent. 9: 69-85. KUHLMANN, M. (1996): Ergänzungen und erster Nachtrag zum Verzeichnis ausgewählter Stechimmenfamilien Westfalens (Hym., Aculeata). - Mitt. Arb.-Gem. ostwestf.- lipp. Ent 12: 47-56. KUHLMANN, M. (1998): Die Struktur von Stechimmenzönosen (Hymenoptera, Aculeata) ausgewählter Kalkmagerrasen des Diemeltals unter besonderer Berücksichtigung der Nutzungsgeschichte und des Requisitenangebotes. - Diss. an der Universität Münster. KUHLMANN, M. (2000): Vorläufige Rote Liste der gefährdeten Wildbienen und Wespen (Hymenoptera Aculeata) Westfalens. - LÖBF- Schr.R 17: 563-574. PREUSS, G. (1980): Voraussetzungen und Möglichkeiten für Hilfsmaßnahmen zur Erhaltung und Förderungen von Stechimmen in der Bundesrepublik Deutschland. - Natur und Landschaft 55: 20-26. SCHEUCHL, E. (1995): Illustrierte Bestimmungstabellen der Wildbienen Deutschlands und Österreichs. Band I: Anthophoridae. - Velden. SCHEUCHL, E. (1996): Illustrierte Bestimmungstabellen der Wildbienen Deutschland und Österreichs. Band II: Megachilidae - Melittidae. - Velden. SCHMID-EGGER, C. (1995): Die Eignung von Stechimmen (Hymenoptera: Aculeata) zur naturschutzfachlichen Bewertung am Beispiel der Weinbergslandschaft im Enztal und im Stromberg (nordwestliches Baden-Württemberg). - Göttingen. SCHMID-EGGER, C. & SCHEUCHL, E. (1997): Illustrierte Bestimmungstabellen der Wildbienen Deutschlands und Österreichs unter Berücksichtigung der Arten der Schweiz, Band III: Andrenidae. - Velden. SCHMIEDEKNECHT, O. (1930): Die Hymenopteren Nordund Mitteleuropas. Jena. SCHWARZ, M., GUSENLEITNER, F., WESTRICH, P. & DATHE, H.H. (1996): Katalog der Bienen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz (Hymenoptera, Apidae). - Entomofauna, Supplement 8: 1-398. SUSTERA, O. (1959): Bestimmmungstabelle der tschechoslowakischen Arten der Bienengattung Sphecodes Latr. - Casopis Ceskoslovenske Spolecnosti Entomologicke 56: 169-180. WESTRICH, P. (1989): Die Wildbienen Baden- Württembergs. 2 Bände. - Stuttgart. WESTRICH, P., SCHWENNIGER, H.R., DATHE, H.H., RIEMANN, H., SAURE, C., VOITH, J. & WEBER, K. (1998): Rote Liste der Bienen (Hymenoptera: Apidae). - Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 119-129. Anschrift des Verfassers: Michael Quest Institut für Landschaftsökologie Robert-Koch-Strasse 26-28 48163 Münster quest@uni-muenster.de NUA-Seminarbericht Band 6 75