5 Schlussfolgerungen Der Verlust an Knochenmasse im Rahmen der Rheumatoiden Arthritis ist seit mehr als einem Jahrhundert bekannt wobei BARWEL vermutlich als erster den Begriff der Osteoporose in diesem Zusammenhang verwendete [6]. Nähere Untersuchungen zeigten, dass ein Knochensubstanzverlust sowohl lokal, in der Nähe von entzündlich veränderten Gelenken, als auch generalisiert auftritt [36, 40, 47, 61, 62]. NAGAMINE und Mitarbeiter wiesen in ihren Untersuchungen über die Verteilung von Knochenvolumina bei der Rheumatoiden Arthritis sowohl in den gelenknahen als auch in der Kortikalis in Schaftmitte eine Osteoporose nach. Im Vergleich zum Gesunden betrug die Minderung des Knochendichteäquivalentes 20 % in Schaftmitte, bei Patienten mit generalisierter Osteoporose betrug die Minderung 60 %. In den gelenknah gelegenen Messpunkten wurde bei der Gruppe der Rheumatiker ein Absinken des Knochendichteäquivalentes von etwa 60 % im Gegensatz zu 28 % in der Gruppe der Patienten mit generalisierter Osteoporose festgestellt [52]. Die von NA- GAMINE verwendete Methode (DXA) beinhaltet jedoch ebenso den Fehler der Summationseffekte, wie sie im konventionellen Röntgenbild zu finden sind. Es handelt sich um eine zweidimensionale Projektion von Impulsen aus einem dreidimensionalen Objekt. Der Befall der Fingergelenke und die sich daraus ergebenden Deformierungen sind ein Charakteristikum der Rheumatoiden Arthritis (R.A.). Die Fingergelenke gehören zu den von der Rheumatoiden Arthritis am häufigsten befallenen Gelenken [53-57]. Die Deformierungen und Funktionseinschränkungen durch Veränderungen im Bereich des Metacarpophalangealgelenkes sind für die Einsatzfähigkeit der Hand besonders bedeutsam [27, 28, 64-66]. Der endoprotethische Gelenkersatz stellt häufig die letzte mobilitätserhaltende Maßnahme dar, kann jedoch die Erfolge, die im Einsatzbereich der großen Gelenke mit der Endoprothetik erzielt werden nicht erreichen [15, 64-66]. Die Dimensionen der Strukturen, die Stellung der Gelenke in einer kinematischen Kette sowie die enge Verbundenheit zu einem komplexen Kollateralapparat erschweren die Anwendung der Prinzipien der Endoprothetik großer Gelenke auf die Hand- und Fingergelenke [41,42]. KLEIN und BRANNON implantierten 1953 als erste eine Fingergelenkprothese aus Metall im Bereich der MCP- und PIP-Gelenke. Die Ergebnisse zeigten jedoch häufig 67
eine Lockerung der Implantate [11]. FLATT s Arbeiten mit einer modifizierten Doppelstielprothese zeigten ebenso Lockerung aufgrund periimplantarer knöcherner Erosionen und Metallabrieb des Implantates [22]. Weitere Entwicklungen, basierend auf dem Prinzip einer festen Verankerung der Prothesenstiele und einem zentralen Polyäthylenelement zur Verbindung der Gelenkpartner folgten. Prothesenbruch, Lockerung und Kontraktur waren Probleme dieser Bemühungen [1, 8, 17, 19, 48-50, 71]. Es folgte eine Fokussierung auf die Entwicklung von flexiblen Monoblock- Kunststoffimplantaten denen ein komplett anderes Prinzip zugrunde lag. Dabei blieb der von SWANSON entwickelte Silastik -Platzhalter über Jahre das Implantat der Wahl, nicht nur bei rheumatisch zerstörten Gelenken [73, 77-79]. Als Komplikationen traten Implantatbruch, Luxation und Deformierung des Platzhalters sowie eine benigne Lymphadenopathie auf. Materialabrieb und Materialermüdung waren die Ursachen [7, 18, 20, 26, 29-31, 43, 58, 60, 72, 81]. Der Erfolg des endoprothetischen Gelenkersatzes am Metacarpophalangealgelenk ist von der korrekten Anpassung des Prothesenlagers im Knochen abhängig. Bei rheumatisch destruierten Gelenken ist zudem der Erhalt des Kapselbandapparates während der Vorbereitung der Implantation bzw. die intraoperative Wiederherstellung der Weichteilbalance von besonderer Bedeutung [2-4, 14, 16, 23, 34, 41]. Die errechnete Dimensionierung des Mittelhandknochen zeigt - analog zu anatomischen Darstellungen [46, 63] - in Schaftmitte den engsten Markraum und die größte Kortikalisdicke mit einer Zunahme des im Querschnitt nahezu kreisrunden Markraumes zu den Knochenenden hin. Die rekonstruierte Kortikalis zeigt eine gegenläufige Dickenabnahme zu den Knochenenden, wobei die palmare Knochendicke analog zu anatomischen Studien [46, 63] stärker als die dorsale Kortikalisdicke zur Darstellung kommt, während radial und ulnar keine Differenz erkennbar ist. Die rekonstruierte Dimensionierung der Grundphalangen zeigt analog zu anatomischen Darstellungen eine von proximal nach distal abnehmende Markraumweite. Die Kortikalis ist dünner als am Os metacarpale, hat jedoch eine ähnliche radiologische Dichte. Der Vergleich der Knochenmorphologie der Kontroll- und Rheumatikergruppe zeigt eine Erweiterung des Markraumes am Os metacarpale sowohl in dorsopalmarer als auch radioulnarer Ausdehnung, während an der Grundphalanx lediglich eine Zunahme der radioulnaren Markraumweite gemessen wurde. Dies resultiert in einer Änderung des Höhenbreitenindex der Markraumweite an der Grundphalanx von ¾ in der 68
Kontrollgruppe, zu 2 / 3 in der Rheumatikergruppe. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die Dimensionierung von intramedullären Implantatverankerungsstielen. Die errechnete mittlere Kortikalisdicke ist in der Rheumagruppe gleichmäßig über die gemessene Längsausdehnung um etwa 15% im Vergleich zur Kontrollgruppe gemindert. Gleiches gilt für die mittlere radiologische Dichte der Kortikalis, die gleichmäßig über die gesamte Längsausdehnung beider gemessener Knochen beim Rheumatiker um etwa 18% gemindert gemessen wurde. Das klassische radiologische Frühzeichen der gelenknahen Osteoporose, das bislang als Folge einer gelenknahen Mitreaktion des Knochens bei Arthritis gedeutet wurde, könnte sich auch aus einer den gesamten Knochen betreffenden gleichmäßigen Abnahme von Kortikalisdicke bei gleichzeitig reduzierter radiologischer Dichte erklären, die in den gelenknahen Knochenanteilen lediglich eher radiologisch erkennbar wird. Dies ist in der charakteristischen Schwärzungskurve (Abbildung 5-1) am Beispiel eines FUJI MI-NH Röntgenfilmes [25] dargestellt. Im Bereich der Schulter erreicht eine größere Menge Dosis den Film und führt somit zu einer stärkeren Schwärzung. Eine vergleichbare Reduktion der Filmschwärzung macht sich im oberen Bereich der S-förmigen Kurve stärker bemerkbar als in den unteren Abschnitten, in Richtung des Durchhangs. Dies verdeutlicht, das eine gleichmäßige Reduktion der Dichte eines durchstrahlten Objektes und die damit verbundene Zunahme der den Film erreichenden Dosis, in Bereichen mit geringerer Dichte radiologisch eher erkennbar wird. 69
Schwärzung ln Dosis Abbildung 5-1: Schwärzungskurve am Beispiel eines FUJI MI-NH Röntgenfilmes (aus [25]). Bei prozentual vergleichbarer Zunahme der Dosis kommt es zu einer deutlicheren Zunahme der Schwärzung im oberen Bereich der Kurve. 5.1 Schlußfolgerung für die mögliche klinische Anwendung Die hier durchgeführte Studie erbringt neues Datenmaterial über die unterschiedliche Morpholgie der Knochenkompartimente im Bereich des Metacarpophalangealgelenkes des zweiten Fingerstrahls des Rheumatikers im Vergleich zum Gesunden. Auf der Basis der festgestellten Veränderungen sowohl der Kortikalisdicke als auch der Abnahme der radiologischen Dichte (HU) in der Gruppe der Rheumatiker, ergeben sich Schlussfolgerungen hinsichtlich der möglichen klinischen Anwendung: 1. Aufgrund der einheitlichen Abnahme der radiologischen Dichte (HU) sowie der reduzierten Kortikalisdicke über die gesamte vermessene Knochenlänge darf nicht von einer eindeutigen nur gelenknahen Osteoporose ausgegangen werden. Es handelt sich dabei vielmehr um ein Projektionsphänomen. Dabei kommt es in konventionellen Röntgenbildern gemäß dem Schwächungsgesetz lediglich zu einer schwächeren Darstellung gelenknaher Knochenanteile. 70
2. Im Hinblick auf die Verankerungsmöglichkeiten im Schaft bei gestielten Fingergelenkendoprothesen sollte das vorhandene Endoprothesenmaterial der veränderten Form des Markraumes beim Rheumatiker dem Design nach angepasst werden. Die Markraumweite ist beim Rheumatiker höher als beim Gesunden, ebenso ist der Markraum an der Grundphalanx runder als am Os metacarpale. 3. Die Notwendigkeit der Vielfalt an unterschiedlichen Prothesengrößen ergibt sich aus der höheren Bandbreite der Markraumweite sowohl am Os metacarpale als auch an der Grundphlanx in der Gruppe der Rheumatiker im Vergleich zum Gesunden. 71